Evangelien-Postille (Wilhelm Löhe)/Epistellektionen Theil 2

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Kurze Lectionen
zu
den sonn- und festtäglichen Episteln
des Kirchenjahres.
Neben der Evangelien-Postille zu lesen.

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Inhalt
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Am Feste der allerheiligsten Dreieinigkeit.
Röm. 11, 33–36.

 WIr faßen das kaum, das auf Erden ist (Joh. 3, 12.), und wenn von der Wiedergeburt die Rede ist, wird ein Meister in Israel, ein Nikodemus, zum abgeschmackten Frager: wie sollen wir faßen, was im Himmel ist? Vor unsern Augen sind Freiheit und Nothwendigkeit, Gottes Wahl und der Menschen Wahl so von einander verschieden, daß wir urtheilen müßen: diese kommen so wenig irgendwo und irgendwann zusammen, als zwei Parallellinien. Das Geheimnis des HErrn ist unausforschlich − und die hohen Reden des Apostels in unserm Texte, welche von Gottes Gnadenwahl handeln, sie sind gerecht und alles Volk soll sagen: Amen. Faßen wir aber nicht, was im Himmel ist, wie werden wir Den faßen, der im Himmel ist, den Meister der barmherzigen, gnädigen Wahl und den Vater der Wiedergeburt! Wie Seine Werke, so ER, der Meister, und ER noch mehr! Drei sind, die da zeugen im Himmel von dem Einen, den wir lieben, der uns selig macht, − und die Drei sind Eins! Gewohnter Schall − aber ein Räthsel dem Inhalt nach, das niemand und kein Engel löst. So ists − aber stille vor Ihm alle Welt! Gott, Dich lobt man in der Stille zu Zion, die Unbeschnittenen an Herzen und Lippen aber sind es, die da von Dir schwatzen. Im Bekenntnis des heiligen Athanasius ist das große Thema zu wunderschönen, gerechten Variationen angewendet: − wie ganz dasselbe sagt dieß Bekenntnis, wie 1. Joh. 5, 7! Aber gewohnt sind sies nicht von Jugend auf, wie den Spruch! Drum merken sie, was sie beim Spruche nicht mehr merken, das Räthsel, das Menschen unmögliche, unausforschliche, unzugängliche − und drum sind sie dem heiligen Bekenntnis feind. Aber wir halten es fest − und wenn wir anbetend niederfallen an Deinem Feste, dreieiniger, ewiger Gott, dann stimmen wirs an mit lautem Schall − und beten an Den, von welchem, durch welchen und zu welchem alle Dinge geschaffen sind (V. 36.), und aus der Tiefe der Seele beten wir: „Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.


Am ersten Sonntage nach Trinitatis.
1. Joh. 4, 16–21.
 WEnn Gott nicht die Liebe wäre, so müßte die Liebe größer sein als Gott, denn sie umfaßt Gott und Seine Creaturen und ist ein Element aller Wesen. Aber Gott ist die Liebe − und göttlichen Geschlechtes ist niemand, als der, welcher Liebe hat. Wer Liebe hat, hat in sich ein Zeugnis Gottes und göttlichen Lebens und die Liebe gibt ihm ein Anrecht auf alle ewigen Seligkeiten, denn sie ist ewig. Die Liebe ist Eine − und doch eine andere, je nachdem sie in diesem oder jenem Wesen wohnt. Gottes Liebe − sie umwallet alles, wie das Meer, − völlig, mächtig, reich, tief und stille, heilig, selig und schöner, als alles, − und schrecklich denen, die sie anfeinden. Der Menschen Liebe? Ja, wie ist der heiligsten Menschen, der frömmsten Christen Liebe so anders! Was ist der Strom, der vom Lande her zum Meere geht, gegen das Meer? Was ist ein Bach auf Fluren gegen das Meer? Es ist alles Waßer − aber das Bächlein und das Meer, so verwandt sie sind, so sind sie doch sehr verschieden. Wie klein ist unsre Liebe zu Dir, o HErr, − und wie arm ist sie für unsre Brüder! Auch wenn wir uns auslieben aus voller Seele, wir| sind doch recht arm! Wir wißen, daß wir lieb haben, und daß die Liebe von Dir ist, aber wir bitten doch, vergib uns unsre Schulden, und sehnen uns, völlig vereint zu sein mit Dir, auf daß unsre Armuth erstattet werde durch Deinen Reichtum. − Und doch? Es ist wahr, wir sehnen uns nach Dir, − aber es ist doch ein Zagen vorhanden. „Die völlige Liebe treibt die Furcht aus.“ Wir wißen es, aber es gibt eine Furcht, die Luther im Catechismus mit der Liebe gattet, und die nicht fehlen darf; denn wir sollen Dich ja ewig anbeten, loben, preisen − und das kann keiner, er habe denn bei der Liebe die Furcht. Gib mir die Furcht, die da bleibt und die Liebe nicht vertreibt und von der Liebe nicht vertrieben wird; aber nimm mir mein Zagen, mein sündlich Zagen, daß ich Deine Liebe faßen und lieben kann, wie ich soll, − daß ich Freudigkeit habe am Tage des Gerichts − und auf den Tag des Todes und Gerichtes mich freue. Hilf mir dazu, Du Schrecklicher, der Du der schönste bist unter den Menschenkindern und bei Deiner Kirche wohnen wirst, geliebt und gefürchtet über alles!
Am zweiten Sonntage nach Trinitatis.
1. Joh. 3, 13–18.

 WIr wißen, daß wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind,“ sagt Johannes. Man kann es also wißen, daß man aus dem Tode ins Leben, d. i. ins neue, ewige Leben gekommen ist! Man kann es wißen, daß man wiedergeboren ist für ein ewiges Leben! Und da von dieser Wißenschaft Ruhe und Zuversicht der Seele abhängt, so soll man es wohl auch wißen; denn Gott gönnt den Seinen die freieste Ruhe und die mächtigste Stärke! − Wie wunderlich und verkehrt ist also der Mensch, der so oft es für eine Art von Demuth und Bescheidenheit hält, nicht zu wißen, wie es inwendig mit ihm steht, − oder gar, es zu verläugnen! Es mag diese Verkehrtheit wohl meistens ihren Grund darin haben, daß der Mensch gerne im Ungewißen bleibt, weil er ahnt: die Gewisheit dürfte für ihn keine angenehme sein, wenn er sie gewänne. Die Freude am Ungewißen könnte deshalb wohl auch meist in Hochmuth und Trägheit des Herzens ihren innersten Grund haben. Man wäre gerne etwas ohne Mühe, ohne Arbeit, ohne Leiden, ohne Kopfbrechen und Herzbrechen, und weil das nicht angeht, so untersucht man gar nicht, wie es mit einem steht, und bemüht sich, zu glauben, man sei schon etwas, da man doch nichts ist.

 Armes, menschliches Geschlecht! Betrogen willst du werden und wendest alle Mühe an, um recht in Selbsttäuschung und Selbstbetrug zu kommen. Du ringst mit dem Starken, der von Gott ausgeht und Gott ist, einen umgekehrten Kampf Jacobs. Wehe dem, der hierin Israel heißen und den Sieg davon bringen wird! Wehe dem, der fest wird in dem Glauben an sich und sein Heil, während im Himmel sein Name aus der Liste der Seligen gestrichen wird!

 Man sagt: „man kann wißen, daß man aus Gott geboren ist; aber woran kann mans wißen und erkennen?“ Ich antworte: Sieh in die heutige Epistel. In ihr starrt die Antwort wie ein Fels. „Wir wißen, daß wir aus dem Tode ins Leben gekommen sind, spricht Johannes, denn wir lieben die Brüder.“ Wenn du die Liebe zu denen hast, die der ewige Vater liebt, so bist du Sein Kind. Im Gegenstand der Liebe mußt du mit Ihm einig sein, wenn du Sein Kind und Seines Geschlechtes sein sollst und willst. Im Gegenstand mußt du mit Ihm einig sein − und in der Art der Liebe desgleichen. Bei dem HErrn ist Liebe − ein Gedanke, aber auch eben so gleich Wort und That. Gleichwie die Liebe bei Ihm ist, so bei Seinen Kindern. Sie weihen nicht blos ein Glied dem Dienste der Liebe, sondern den ganzen Leib, ja Leib und Seele. Wie die Seele im Leibe überall ist, so ist die Liebe überall, in allen Kräften Leibes und der Seele bei den Kindern Gottes. Durchdrungen sein von Liebe − das ist Liebe − das ist Zeichen der Gotteskindschaft.

 Eine Hoheit des Lebens ist hierin angedeutet, die wir nicht haben! Eine schreckliche Wahrheit geht uns in die Augen, wenn wir die Sache so betrachten! Großer Gott, wenn nicht sein, was wir sein sollen, uns zugleich die Gewisheit wäre oder gäbe, daß wir auch nicht werden können, was wir sein sollen; so| wäre es kein Wunder, wenn die Menschen sich vor Erkenntnis ihrer Sünde fürchteten! Aber − Gott Lob! was wir nicht sind, das können wir werden, denn Er will es aus uns machen! Hosianna!
Am dritten Sonntage nach Trinitatis.
1. Petri 5, 6–11.

 DIe Welt ist voll Leides und Wehes. Das ist die Hand des HErrn, unter die man sich demüthigen, in die man sich ergeben soll. Der Mensch hat nicht genug am Wehe, das ihm Gott auferlegt; er bereitet sich selber aus Misglauben und Unglauben des Wehes noch mehr − durch Sorgen, obschon ihm Gott versichert, daß Er sorge. Dem eiteln Weh der Sorge, die eben so gottlos, als fruchtlos ist, soll man sich entschlagen. Gebeugt unter Gottes Hand, die auch beim Segen schwer aufliegt, − befreit von sklavischem, ungläubigem Sorgen und Zweifeln, soll man sein. Denn es gibt noch ein Wehe, das weder von Gott, noch von Menschen kommt; es ist des Teufels Anfechtung, die man in Demuth, aber auch durch von eigenen Sorgen freies, nüchternes, wachsames Schauen und Spüren erkennen soll.

 Sie glauben keine Anfechtung des Teufels, denn sie sind eigener Sorgen zu voll, als daß sie das sehen sollten, was ihnen Gott zu sehen und zu beobachten befiehlt. Sie glauben keinen Teufel, geschweige eine Anfechtung des Teufels, denn sie sind nicht nüchtern im Allgemeinen; sie haben sich übernommen im Genuß von Erdenglück und Unglück. Sie glauben keinen Teufel, denn sie sehen ihn nicht, und seine Anfechtung spüren sie nicht, denn sie wachen nicht; sie können nicht merken, was kommt, was über sie kommt; im unbewußten alltäglichen Leben gehen sie hin, wie die Träumenden, die, mit Phantasienspiel beschäftigt, das nicht merken, was um sie her vorgeht und was an feinen Fäden über ihren Häuptern schwebt. So können sie nicht widerstehen, geschweige fest und geduldig widerstehen, − so lernen sie nicht kämpfen, so werden sie im Kampfe nicht bewahrt, nicht vollbereitet, gestärkt, gekräftigt, gegründet, so werden sies nicht zur Ehre Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit − und rühmen nicht Gottes Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!

 Ja doch! Es gibt Anfechtungen, die nicht von innen, sondern von außen, nicht von Menschen, sondern vom Teufel kommen! Es ist kein Aberglaube, zu erkennen, zu erwägen, zu erfahren, was unbezweifelt wahr ist; sondern es ist eine Schwachheit und falsche Schaam verwöhnter Sinnen, zu leugnen, was wahr ist, zumal wenn man es selbst erfährt, aber auch wenn man nichts erfährt. Man hat keine Freude dran, daß es Anfechtungen des Teufels gibt, es ist keine Wollust und Freude am Ungeheuern, wenn man sie behauptet; man kann sie nur nicht leugnen. Es ist aber, wie zu Petri Zeit: der Arge sucht, welchen er verschlinge. Schwache Christen schlagen den starken Teufel; aber die rühmen sich falscher Stärke, die hier nicht ihre Schwachheit fühlen. Die Gewohnheit macht, daß man im Tosen eines Waßerfalls doch Gespräche führen kann; so gibts auch eine heilige Gewohnheit wacher Seelen, die ruhig und friedlich JEsu lebt und mit Ihm betend, mit den Brüdern liebend spricht, während der Widersacher wie ein Löwe brüllt. Taube hören nicht, aber scharfe, geübte Ohren unterscheiden vom Tosen der Hölle den Gesang der Kirche und der Engel. − Gib mir, HErr, wache Ohren, scharfe Sinnen, − und den Trost, daß ich ewig Dein bin, o HErr, durch Dich selber!


Am vierten Sonntage nach Trinitatis.
Römer 8, 18–23.
 DIe Welt ist schön. Ich sage mirs tausend Mal, wenn ich in diesem Frühling durch die Millionen nickender Blumen von allen Farben wandele, − wenn ich in Regenschauern gehe, − wenn ich auf Bergen in hellen Lüften stehe − wenn ich in wunderlichen Wüsteneien bin. Sie ist schön, die Welt, die unsre| Gräber, unsre Verwesung zudeckt. Aber sie stillt die Seele nicht, denn sie ist selber nicht einmal ein Bild der ewigen Stille und der freudenvollen Ruhe. Die Eitelkeit, der Gang zum Untergang ist ihr allenthalben abzumerken. Es gibt Menschen, die entzückt in die Natur des Sommers sehen, die hingerißen werden, wenn sich der blaue Himmel auf grünen Gräsern in hellen Thränen spiegelt und die Sonne den Thautropfen den Glanz unzähliger Diamanten verleiht! Aber sie wißen zum Ausdruck ihres Entzückens doch nur ein Ach zu finden und eine Thräne − und wenn sie ihre Freude in vollen Zügen getrunken haben, rufen sie: „Schade, daß man nur einmal lebt!“ Sie fühlen, daß in der Natur die Vollkommenheit der Freude nicht ist. Es gibt Menschen, welche für die Natur und ihre Schönheit im Ganzen und Einzelnen so empfänglich, als andere sind. Aber sie werden vom Untergang der glühenden Abendsonne an Gräber, vom Aufgang des blitzenden Gestirns an den Tag der Ewigkeit erinnert. Ein tiefer Ernst wandelt sie an, wenn sie die Natur beschauen. Ihre Sehnsucht nach dem Ewigen und ihres Leibes Erlösung erwacht am Liede der gefallenen Schöpfung. Auch was sie bewegt ist eine tiefe Wahrheit − und es hält im Ernste, den sie haben, Freud und Leid der Beschauung das Gleichgewicht. Es gibt auch andere, ob sie weniger, als die vorigen empfänglich sind, bezweifle ich. Ich glaube, es ist ein Uebermaß von Empfänglichkeit, − ein Verlust des Gleichgewichts auf die traurige Seite hin, was sie ergreift. Sie können eine Blume, eine stille Au, einen frischen Hain, der Lerche Gesang genießen. Aber sie fliehen jammernd vor der Herrlichkeit rheinischer Festgelände und die Macht der glühenden Alpen vertragen sie nicht. Was das Ach des Entzückten ahnt, der Ernst des Gewogenen faßt, das überwältigt die leidgewohnte, zum Leid gestimmte − die misgestimmte Seele, von der ich rede. Es wirkt auf alle drei die Wahrheit unserer Epistel, die man nicht verstehen und doch ein Naturkundiger sein und heißen kann, die man verstehen kann und doch keine genaue Kunde der einzelnen Creaturen haben.

 „Des Leibes Erlösung“ − sie wird ein Signal vollkommener Freude sein. Jetzt geht mein Leib in der Elemente Streit − über ein Kleines, so nagt an der Hand, die das schreibt, die Verwesung, noch über ein Kleines, so hilft mein Gebein die Erde düngen und der es findet, achtet sein nicht. Mein Leib ist bis dahin in Banden. Aber über ein Kleines weiter, dann werd ich auferstehen und mein Leib wird die Frucht der Erlösung genießen! Meines Leibes Erlösung und die Freiheit der Kinder Gottes ist gekommen! Ich werde Seine Heiligen schauen − den ersten, den andern Adam, − alle Seine Heiligen, − und den neuen Himmel und die neue Erde! Dann geht nicht mehr Freud mit Leid, sondern Freud ohne Leid. Dann ist nicht mehr des Leides kleiner Mittelpunkt die Freude, nicht mehr der Freuden starker Mittelpunkt das Leid. Freude herrschet dann bei den Erlösten − Leid in der Hölle, − keine Mischung mehr gibt es dann. − Auf die Freude freu ich mich.


Am fünften Sonntage nach Trinitatis.
1. Petri 3, 8–15.
 DIe Augen des HErrn sehen auf die Gerechten und Seine Ohren auf ihr Gebet,“ sagt Petrus, − und Paulus sagt: „Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer.“ Nach dem ersteren Ausspruch gibt es Gerechte − sonst sähen die Augen des HErrn auf keinen; nach dem letzteren Ausspruch gibts keinen, auch nicht einen. Ist das nicht Widerspruch? Können denn zwei widersprechende Sätze zugleich wahr sein? Gewis nicht. Aber es ist nicht nöthig, daß die zwei Sprüche sich widersprechen, oder vielmehr, es ist nicht möglich, daß sie sich widersprechen; denn Gott sind alle Seine Werke und Worte bewußt von der Welt her, Er widerspricht Sich Selbst in nichts. − Es ist nemlich ein Wort, was beide Apostel gebrauchen, aber sie gebrauchen es nicht beide in völlig einerlei Sinn. Paulus braucht das Wort „gerecht“ in dem Sinn, welchen das Wort eigentlich hat und haben muß, gleichbedeutend mit „vollkommen“. Petrus erklärt sich einen Vers weiter (V. 13) selbst; „gerecht“ nennt er den, der „dem Guten nachkommt“, d. i. der dem Guten nachjagt. Er braucht es, wie St. Luc. 1, 6. von Zacharias und Elisabeth sagt: „Sie giengen in allen| Geboten und Satzungen des HErrn untadelich.“ Er braucht es, wie es so oft im Alten Testament und namentlich in den Psalmen gebraucht ist. Wer im Glauben lebt, aus dem Glauben nicht fällt, seinem Glauben Wirkung läßt und Folge gibt, seines Glaubens würdig lebt, nicht nach der Unmöglichkeit der Menschen, sondern nach der Möglichkeit, dem ist von Petrus der Ruhm der „Gerechtigkeit“ beigelegt. Er ist eigentlich mit Paulo ganz einig: Paulus kennt nur durch den Glauben Gerechte, andere kennt Petrus auch nicht; beide kennen keinen rechtfertigenden Glauben, der nicht heiligte; aber Paulus bleibt bei dem, was auf alle Fälle dem Sünder erreichbar ist, und Petrus redet von dem, was ein Gotteskind erreichen kann. Paulus ist hingenommen von Christi vollkommener Gerechtigkeit und kennt nur sie, und ihre Strahlen sind alle Heiligungsbemühungen der Menschen. Petrus ist hingenommen von der ewigen Bestimmung der Gläubigen, Christo ähnlich zu werden. Jener versenkt den Menschen in Christum, dieser mehr Christum in den Menschen. − − Und was könnte man nicht alles Halbes, Einseitiges, für entschuldigende, nicht misverstehende Seelen Wahres von den beiden sagen! Es ist ja beßer, zu sagen, was völlig wahr ist: Paulus nennt gerecht den, der gerechtfertigt ist, − und Petrus nennt gerechtfertigt den werdenden Gerechten. Es ist ein Mensch, von dem sie beide reden. Mir fehlte gar nichts, wenn ich der Mensch wäre.
Am sechsten Sonntage nach Trinitatis.
Römer 6, 3–11.

 WEr gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde.“ − Selige Todte, die ihr von Sünden gerechtfertigt, losgesprochen, frei und fröhlich seid! Wer sich zu euch zählen dürfte, wie wohl wäre dem geschehen! Wer euch sein Volk nennen, sterbend zu euch, als seinem Volk gesammelt werden dürfte, wie wäre der so selig zu preisen! − − In Seligpreisungen und Lobeserhebungen dieser Todten ergieße dich, aber, Freund, suche sie nicht allein jenseits, denn sie stehen auch diesseits des rothen Meeres. „Ist Einer gestorben, so sind sie alle gestorben“, heißt es da. Denn in Christo gestorben, in Christo um ihrer Sünde willen gestraft, in Christo büßend sind alle Gläubige. Ihre gläubige Vereinigung mit dem HErrn macht sie alle Seines Leidens und Sterbens theilhaft. Sind sie aber Ihm gleich gerechnet im Tode, so sind sies auch in der Auferstehung; sie leben schon das Leben der Auferstehung im Glauben, ihr Glaube, nicht ihre Phantasie, gibt ihnen schon die völlige Gewisheit der Auferstehung. Und wie Christi Heiligkeit in Seiner Auferstehung strahlte, wie Er durch die Auferstehung von Gott von all dem losgesprochen wurde, was Ihm die Menschen aufgeladen, weshalb sie Ihn verurtheilt hatten, wie Er durch Gott in der Auferstehung von aller Gotteslästerung gerechtfertigt wurde; so sind alle Gläubigen durch Sein Auferstehen auch von allen Sünden gerechtfertigt, wie sie in Seinem Tode alle gestraft sind. Ein seliger Tausch zwischen uns Sündern und Ihm, unserm Stellvertreter. Wer ihn weiter ausgelegt finden will, der sehe, was Martin Luther von der Freiheit eines Christenmenschen schrieb. Es ist eine wunderbare Wahrheit, die in Menschenköpfen nicht entstanden ist, − eine Wahrheit, welche, wenn sie nicht von Gott in Gnaden dargeboten würde, von niemand ergriffen werden könnte und dürfte. Es gibt Menschen, die so was nicht faßen, − und es gibt Kirchen, die es nicht faßen. Es ist die begründetste Lehre, die es gibt, und kann keinen Grund und Boden beim Menschen finden. Alles in uns möchte nein sagen, − und alles möchte sich dawider auflehnen. Und doch ist die Welt und ihre Weisheit Eitelkeit gegen diese Wahrheit − und wenn sie nicht wäre, was wäre dann? − − Ich in ihnen − sie in Mir! Ich in ihnen Alles in Allem: Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, Erlösung! Wir in Ihm − Theil nehmend und habend an Allem, was Er hat. Du wollest in dieser Wahrheit mich selber gründen und mich nicht entfallen laßen aus des rechten Glaubens Trost! Amen.


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Am siebenten Sonntage nach Trinitatis.
Römer 6, 19–23.

 KEiner will Knecht sein, jeder frei! Und doch ist keiner, der frei und nicht Knecht wäre. Wer kann sagen: ich bestimme in allen Fällen über mich, mein Thun und Laßen? Wer lebt ganz aus sich heraus und aus seiner innersten Ueberzeugung? Ich will von äußerem Zwange schweigen, von dem Zwange der Gewalt, der Verhältnisse, der Rücksichten; aber wer ist von vorgefaßten Meinungen frei, ganz frei, wer wacht so über seine Neigungen, daß er gerechtfertigt wäre, so oft er der Neigung Einfluß läßt und gibt? − Und daß wir nur von jeder Sache reden, wie es vor Gott recht ist: wer ist denn von jener Macht der Sünde frei, welche der heilige Paulus Röm. 7. so sehr nicht bloß im Namen anderer, sondern auch im eigenen Namen beklagt! Ja die Sünde ist eine Macht in uns − und ehe wir erwachten, zu scheiden Gutes und Böses, hat sie von unserm Willen und von unsern Kräften Besitz genommen. Sie herrscht − also, daß wir nicht thun, was wir wollen, und im Gegentheil thun, was wir nicht wollen. Wir sind − und warum sollten wir nicht gestehen, was kein Mensch leugnen kann? − Sklaven der Sünde! Viele in der Welt führen gewaltige Worte von der Freiheit, aber es ist nur ein Geraßel der Sclavenketten der Sünde, was man von ihnen vernimmt! Damit wird keiner von den Ketten frei, daß er sie schüttelt! − O die Thoren, die von Freiheit träumen, während sie Knechte der Sünde sind, während ihre Freiheitsträume selbst nichts anders sind, als Beweise ihrer Knechtschaft, als Erzeugnisse der Königin Sünde, die in ihnen ist! − − Ja, es gibt eine Freiheit, die von keiner Knechtschaft vernichtet und geknechtet werden kann, − eine Freiheit, die in allen Feßeln trösten kann, − eine Freiheit, ohne welche jede andere doch nur ein Traum ist! Und diese Freiheit ist selbst nur wieder eine Unterthänigkeit, eine Knechtschaft, deren sich jeder zu rühmen und keiner zu schämen hat. Wir meinen die Freiheit von der Sünde, welche ist ein Dienst der Gerechtigkeit, − die Freiheit, die sich mit Lust und Macht der angeborenen Sündenherrschaft entreißt, und Schwert und Lanze, ja Leib und Leben der Gerechtigkeit zu Füßen legt. Hier ist die seligste Selbstbestimmung, hier ist die freieste Hingabe, wohl dem, der in dieser Weise thätig sein kann! − Aber zu dieser Freiheit genes’t der Mensch nicht durch eigne Anstrengung, nicht durch Erweckung in ihm schlummernder Kräfte, sondern durch den Geist, der von der höchsten Burg des Himmels ausgeht und in unserm Geiste ein Neues wirkt, − durch den Geist Christi, des Sohnes Gottes, der gesagt hat: „Wenn euch der Sohn frei macht, dann seid ihr recht frei!“

 Wäre ich doch frei vom Joch der Sünde! So weit hast Du mich geführt, HErr, daß ich diesen Wunsch von Herzen äußern kann! Es ist Dein Werk, daß ich mein Wohlgefallen nicht mehr in der Sünde, sondern in der Gerechtigkeit ruhen sehe! Wäre ich doch Dein, Du gerechter Gott! Den Sold der Sünde − ich zahl ihn nicht mehr, er ist gezahlt. Ich erkenne mich frei von diesem Solde − aber wenn ich doch völlig frei wäre von der unlieben Herrschaft, daß mir der Sold des Todes nicht wider Willen gezahlt würde! Wär ich doch Dein, ganz Dein, und mein die Gabe Gottes, das ewige Leben! Ich harre des HErrn, meine Seele wartet auf Deine Hilfe!


Am achten Sonntage nach Trinitatis.
Römer 8, 12–17.
 NIcht mehr ein Knecht der Sünde bin ich, sondern ein Erlöseter unsers HErrn JEsu Christi! Nicht mehr ein Knecht der Sünde, also auch Dir, o HErr und Vater der Geister, nicht mehr misfällig! Ich streite nicht mehr um das Böse und für das Böse, sondern um das Gute für Dein Reich. Meine Seele zittert| nicht mehr vor dem allmächtigen und heiligen Gott. Deine Allmacht, Deine Heiligkeit ist mir enthüllter als zuvor, ich erkenne Dich mehr, als je, Du Schrecklicher! Aber es ist doch ein Muth in mir und eine Freudigkeit, im Glauben an JEsum Christum zu Dir zu sagen: „Abba, lieber Vater!“ − Das macht der Geist Deines Sohnes JEsu Christi, der in mir ist, − der macht den Sünder ohne Hochmuth, in Demuth muthig, daß er zu dem Gott der Heerschaaren kindlich „Abba, lieber Vater!“ sagen kann.

 Und es ist keine Täuschung, kein Selbstbetrug, daß ich mich berechtigt glaube, „Vater“ zu dem HErrn, HErrn zu sagen; es ist der Trieb des Heiligen Geistes in mir, von dem geschrieben steht: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ Ich weiß das, denn eines Theils begehre ich nicht nach dem Fleische zu leben, sondern tödte durch den Geist die Geschäfte des Fleisches, − andern Theils hab ich ein gewisses untrügliches Zeugnis, das Zeugnis des Geistes Gottes selber, daß ich Gottes Kind bin. Ich weiß, daß meines Geistes Trieb und Zug zu Gott göttlich ist, denn der Geist Gottes bezeugt mirs. Zu meinem inwendigen Fühlen und Wißen stimmt das von meinen Seelenstimmungen unabhängige Zeugnis des Wortes Gottes. Oder ist es nicht wahr aus Gottes Wort, daß meine Sünde von Christo bezahlt ist? Und ist es nicht eine Wirkung des Geistes nach dem Worte, wenn ich dem Werke Christi glaube und Frieden drin finde? Bezeugt es nicht Sein Wort und durchs Wort der Geist? Und wenn ich nun nicht mehr meines Willens zu sein begehre, sondern meine Schwachheit beweinend, Ruhe allein in Seinem Willen finde, wenn Sein Wille, auch wenn er mir weh thut, mich doch inwendig mehr, als der meinige, befriedigt und erfreut, − wenn ich Freude habe zu sterben dem sündlichen Leben und zu leben nach Seinem Sinn, ist dann nicht mein das Zeugnis: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder?“ Mein Geist − hat, o Geist des HErrn, aus Deinem Worte gute Botschaft: Ich bin Dein.

 Erhalte mich in Deinem Namen! Verwirf mich nicht, wenn ich strauchle! Nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir, wenn die Sünde in mir wider meinen Geist Sturm läuft! Laß mir das Einzige, wenn ich nichts mehr habe, daß ich Dein, Dein Kind, Dein Erbe, Christi Miterbe, ein Erbe des ewigen Lebens sei.


Am neunten Sonntage nach Trinitatis.
1. Corinth. 10, 6–13.

 WErdet nicht Abgöttische“ − sagt der Apostel, und verweist warnend auf die Israeliten, von denen geschrieben steht: „Das Volk setzte sich nieder zu eßen und zu trinken und stand auf zu spielen.“

 Wie kommt denn dieser Vers von „eßen, trinken, spielen“ zur Abgötterei? Zwar stand 2. Mos. 32, 6., woher der Vers genommen ist, eßen, trinken, spielen, mit der Abgötterei im Zusammenhang; denn es war das Fest des goldenen Kalbes, zu dessen Feier sie aßen, tranken und spielten. Aber hätte nicht der heilige Paulus zur Warnung vor der Abgötterei vielmehr auf die in jenem Capitel vorausgehenden Verse 1–6 verweisen sollen? − Was ist’s? Sie aßen Götzenopfer, sie tranken Götzenwein, sie spielten, d. i. sie sangen und sprangen um den selbstgemachten Gott − und in all der Freude Leibes und der Seele dienten sie niemand, als eben dem Götzen, dem goldenen Kalbe. Ihr Eßen, Trinken, Spielen war Götzendienst.

 Warum hebt man aber das an diesem Platz hervor? Je nun. Ich denke an die Feste des lebendigen Gottes im Alten Testamente, daß man da auch fröhlich war und Ihm zu Dank und Ehren aß, trank, sang, und sprang. Und dann denk ich wieder an die Feste des lebendigen Gottes im Neuen Testamente, an Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Kirchweih − und daß man da auch ißt, trinkt und springt. Und daß sich die Leute dann aufs Alte Testament berufen und für ihr Eßen, Trinken und Springen entschuldigt sein wollen. Es seien ja nicht Götzenfeste, die sie feiern, und dann thun sie ja auch nichts, als was man Gott zu Ehren im Alten Testamente auch gethan habe. − Und doch ist das Volk verführt. Und ich bedaure es von Herzen!

 Es ist wahr! Die ersten Christen waren selber gerne bei gemeinsamen Mahlzeiten − Leib und Seel freuten sich im lebendigen Gott. Aber wie sich meine| Pfarrkinder freuen, wenn sie zum Fest eßen, trinken und spielen, so haben sich die ersten Christen nicht gefreut. Das ist keine Freude im lebendigen Gott! Sagt, was ihr wollt, ihr redet wider beßeres Wißen und Gewißen. Ihr eßet und trinket zu gut für eure Umstände und zu viel. Eure Gespräche dabei sind nicht Danksagung, nicht Liebe Christi, sondern Gott wird vergeßen, Sein Wort verspottet, unzüchtig geredet, mit Flüchen und Schwüren Speise und Trank gewürzt. Und euer Spielen, euer Singen und Jauchzen und Springen! Ich gönne einem jeden die Freude ohne Sünde. Aber geht mir mit euerm Spielen − ihr sündigt. Ihr sündigt − und das ist eure Festfeier, auf die ihr euch lang vorher freuet! Ihr werdet euch doch nicht im Ernste mit den ersten Christen und den frommen Israeliten vergleichen? Ihr werdet es doch am Ende in euerm Gewißen zugestehen müßen, daß ihr an Gottes Festen dem Teufel dienet; denn Gott hat doch daran kein Wohlgefallen. So seid ihr Abgöttische, − so passt auf euch Pauli V. 6. das Wort: Ja, ja! „das ist euch zum Vorbild geschrieben“ − und ich wollte ihr läset das ganze Capitel und besännet euch eines Beßeren.
Am zehnten Sonntage nach Trinitatis.
1. Corinth. 12, 1–11.

 ES gibt ordentliche Gaben des Heiligen Geistes und außerordentliche. Die ordentlichen Gaben des Heiligen Geistes − sind diejenigen, welche zum ewigen Leben nothwendig sind und in der Ordnung des Heils gegeben werden. Sie sind nöthig und wehe dem, der ihrer nicht achtet; wohl aber uns allen, daß wir sie alle empfangen können. Die außerordentlichen Gaben des Heiligen Geistes werden von manchen ganz eigen angesehen. Sie nehmen die Bezeichnung „außerordentlich“ immer nur gleichbedeutend mit „erstaunlich, übernatürlich, wunderbar.“ Sie denken dabei immer nur an die Gabe der mancherlei Sprachen und an die Gabe zu heilen und an die Gabe der Weißagung. Und weil sie weiter nichts für außerordentliche Gaben halten, so behaupten sie, ohne Widerspruch zu fürchten: Die außerordentlichen Gaben seien zu Ende, seitdem die Kirche Christi aufgerichtet sei, sie hätten nur zur Aufrichtung der Kirche gedient. Und doch ist das, so allgemein hingesagt, falsch. Außerordentliche Gaben sind doch zunächst nur solche, welche zum ewigen Leben nicht durchaus nöthig sind, welche im Seelengang des Christen nicht eben erforderlich sind. Dagegen sind alle die Gaben, welche der Apostel V. 8 ff. außer jenen hervorragenden Wundergaben nennt, doch auch, außerordentliche Gaben und zur Leitung der Kirche und Gemeinde erforderlich. Zu reden von Weisheit und Erkenntnis, und Auslegung der Sprachen sind heut zu Tage noch Gemeindegaben, die etliche, aber nicht alle haben, die zwar Aehnlichkeit mit puren Verstandesanlagen des natürlichen Lebens haben, aber doch von ihnen wieder verschieden sind. Auch gibt es ihrer noch mehr, als hier angezeigt sind, wie eine Vergleichung der heiligen Schrift lehren kann. − Wer es mit der Kirche Gottes gut meint, der betet, daß die außerordentlichen Gaben nicht von ihr genommen werden, denn wo sie neben den ordentlichen im Schwange gehen, da gibt es glückselige Zeiten der Kirche und Gottes Stadt leuchtet auf ihrem Berge weit in die Lande. Wo hingegen die rechten Wundermänner fehlen, da fehlt der Kirche zum mindesten jenes äußerliche Gedeihen, welches ihr zum Heile der Menschen doch jeden Falls auch zu gönnen ist.

 Möge die Zeit bald kommen, wo die Braut des HErrn, seis auch unter dem Widerspruch und Hohn der Welt, sich aufmacht in ihrer Herrlichkeit, um Dem entgegen zu gehen, der da kommt im Namen des HErrn! Möge sie mit allem Schmucke Seiner Gaben geziert und erkannt werden als Seine Braut, als Seine Auserwählte für alle Ewigkeit!


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Am eilften Sonntage nach Trinitatis.
1. Corinth. 15, 1–10.

 WIllst du wißen, was Evangelium sei? Sieh in den Text. St. Paulus will die Corinther nach V. 1. erinnern des Evangelii, das er ihnen verkündigt habe, − und V. 3. 4. bringt er seine Erinnerung: „Ich habe euch zuvörderst gegeben, welches ich auch empfangen habe, daß Christus gestorben sei für unsre Sünden nach der Schrift, und daß Er begraben sei, und daß Er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift.“ − Da hast du das Evangelium, welches gewis ist vor aller Welt; denn der todt war und auferstanden ist, hat ein vielfaches Zeugnis der Menschen für sich. Von Seinem Tode waren Zeugen alle Kinder Israel, welche zum Feste in Jerusalem versammelt waren, als Christus starb. Und Seiner Auferstehung Zeugen sind mehr denn fünfhundert Menschen geworden, − treue Menschen, denen keine Lüge zuzutrauen, − denen schon deshalb keine Lüge zuzutrauen ist, weil ihr einstimmiges Zeugnis so vielstimmig ist. Es hat aber auch ein Zeugnis, welches noch bedeutender ist, denn es bezeugen dessen Wahrheit Millionen, die nicht mehr auf Erden sind, aber dennoch selig geworden sind durch dies Evangelium. Der Himmel bezeugts, daß das Evangelium wahr ist! Alle seine Bewohner reden dafür!

 Und unter denen, die auf Erden Zeugnis geben und im Himmel Zeugnis geben, ist einer, dem die Ungläubigen, wie die Gläubigen mit besonderem Vertrauen sich hingeben dürfen. Es ist der ungläubige, der schnaubende Saulus, der Verfolger, der sich über den Tod des heiligen Stephanus freute, der Christen und Christinnen hervorzog, daß sie geplagt würden! Es ist der gläubige, der brünstige Paulus, der gearbeitet hat, wie keiner, von dessen Arbeit die ganze weite Welt Zeugnis ablegt, der an jenem Tage am meisten Garben einbringen wird in Gottes Scheuer. Der hat den HErrn, der todt war, als eine unzeitige Geburt, d. i. im Stande des Unglaubens, gesehen und ist durch Sein Anschauen zugleich in Nacht und Licht gesetzt worden! Ein solcher Feind zu JEsu Füßen, als Herold vor Seinem Thron, als Prediger des Evangeliums! Das wirkt Vertrauen!

 Der Wolke Zeugen laß uns glauben und annehmen ihr ewiges Evangelium, durch welches auch wir werden „selig werden, welcher Gestalt es uns verkündigt ist, so wirs behalten.“


Am zwölften Sonntage nach Trinitatis.
2 Corinth. 3, 4–11.

 DAs Amt des neuen Testamentes“ − welch ein Name! Es gibt allerlei Aemter unter den Menschen, aber welches unter allen könnte sich eines Namens rühmen, wie der Name ist des Amtes eines Dieners Christi. Es ist ein Amt „nicht des Buchstabens “ − nicht des Gesetzes, welches dem Menschen nur auf steinernen Tafeln vor Augen und Gewißen gelegt wurde, ohne daß er es mit Lust und Liebe sich zu eigen machen und darin leben konnte. Es ist ein Amt „des Geistes“, so genannt, weil es „den Geist gibt“ durch die Predigt des Evangeliums. Es nimmt dem Sünder Unlust und Mistrauen und füllt ihn mit Lust und Vertrauen und Lieb und Kraft, macht aus ihm einen andern, stellt in ihm Gottes Bild, in der Welt die Kirche, auf Erden Gottes Paradies her.

 Welch ein Amt! Kein Mensch ist zu ihm tüchtig von Natur. Es ist des Geistes Werk, so jemand tüchtig ist. Und wer ist darin treu! Wer zittert nicht? − Geh an die Sterbebetten der Kinder, die in der Taufe Gnade sterben, − geh zu den Leuten, die in bescheidenem Lebensberufe dem ewigen Leben nachjagten, zu den Zuhörern, zu den gläubigen Kirchkindern! Sieh sie sterben! Ach wie schön, wie leicht ists oft!| Aber wie schwer sind viele Pfarrer gestorben. Wer soll selig sterben, wenn nicht das Evangelium tröstet? Ich frag es und sage dazu: „Ein Pfarrer braucht mehr Trost des Evangeliums, als andere; denn das Amt, das hohe, erhabene, wird von ihm mit viel Untreue verunehrt! Alle Kirchkinder sollen beten, daß ihre Pfarrer den Trost empfinden, mit dem sie andere getröstet haben.“ Selig kann ein Pfarrer sterben, Gott Lob! Aber ruhig? Aber ohne Anfechtung? Aber im Frieden, in Freude? − Gott erbarme sich über alle Pfarrer, denen in Todesängsten die Würde ihres Amtes und, was sie gesollt haben, gezeigt wird!

 Das Amt hat Klarheit und gibt Klarheit! Aber die Personen, die es tragen, sind Mosi gleich die geplagtesten aller Menschen. Das wißen die nicht, die nur auf ihre Lasten sehen! Aber es wird einst offenbar werden. Wenn der HErr etliche unter Seinen Dienern dereinst wird leuchten laßen, wie des Himmels Glanz, dann wird es offenbar werden, aus welcher Nacht der Trübsal sie zu ihrem Lichte kamen! − − − Wenn ich Raum hätte und Zeit, ich würde das Amt preisen! Nun aber ist ein Seufzer ob seiner Herrlichkeit und eine Thräne ob unserer Sünde alles, was ich für diesen herrlichen Text zu geben habe.


Am dreizehnten Sonntage nach Trinitatis.
Galat. 3, 15−22.
 ALs die Welt zur Sündfluth reif war, bezeugte Gott von dem menschlichen Geschlechte eben dasselbe, was Er nach der Sündfluth auch bezeugte. 1. Mos. 6, 5. spricht Er: „Alles Dichten und Trachten des menschlichen Herzens war nur böse immerdar“ − und 8, 21. spricht Er gleichlautend: „Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Und wie Er unmittelbar vor und nach der Sündfluth zeugete, so blieb es auch hernachmals mit dem Menschenherzen. Wollte der HErr den Menschen ferner wohl thun, so konnte Er’s um der Menschen und ihrer Schlechtigkeit willen nicht. Er mußte Wege und Mittel finden, freie Gnade walten zu laßen. Diese Wege und Mittel fand aber auch Seine göttliche Weisheit auf. Es waren die Wege der Versöhnung und Erlösung in Christo JEsu. Nicht gleich wollte und konnte Er der verderbten Welt den Erlöser geben. Ein Plan göttlicher Welterziehung für den Glauben an Ihn war gefaßt − und nicht eher sollte das unaussprechliche Geschenk des Gottmenschen, in welchem Himmel und Erde vereinigt wurden, sich auf die Erde herablaßen, als bis die Welt im Stande war, das Geschenk einigermaßen zu würdigen. Einigermaßen − sage ich! Denn wie viel faßt der Mensch von Gottes Wohlthaten? − Bis die Zeit erfüllet war, bekam die arme Welt also nicht das Geschenk der ewigen Gnade selber, sondern das, was man eben von einem Geschenke bekommen kann, ohne es selbst zu bekommen, die Verheißung, das Versprechen des gnadenreichen Geschenkes. So macht ein Mann bei seinen Lebzeiten sein Testament, d. i. er verspricht feierlich und rechtsgültig, daß bei seinem Abscheiden, d. i. zu der von ihm bestimmten Zeit und Frist, der und jener aus seinem Nachlaß das und jenes bekommen soll. Ein Testament ist nichts anderes, als ein dem Geschenke freier Güte voranlaufendes Versprechen. So ist denn auch Gottes Gnadenverheißung, durch Abrahams Einen Samen, JEsum Christum, allen Völkern Heil in Vergebung ihrer Sünden zu reichen, das gnädige Testament eines unsterblichen Vaters. − Dieses Testament gab Er Abraham, und von Abraham bis auf Weihnachten war eine wundervolle, wenn schon lange Wartezeit. In diese Wartezeit fällt die strenge Gesetzgebung auf Sinai. Diese freilich scheint, indem sie dem durch Werke Erprobten Heil verheißt, der gnädigen Verheißung, in Christo Heil aus Gnaden zu geben, völlig zu widersprechen. Aber sie scheint es auch nur. So gewis der Vater des ewigen Testamentes und der strenge Gesetzgeber eine und dieselbe allerheiligste Person ist, so gewis ist Testament und Gesetz nicht widersprechend. Vielmehr dient das Gesetz dem Testamente, damit das Testament hinwiederum dem Gesetze zur Verklärung und Erfüllung helfe. Indem das Gesetz an den armen, jeder Kraft und Tugend baaren Menschen Gottes Schuldforderungen bringt, die er nicht zu zahlen vermag, macht es ihn desto sehnsüchtiger nach Gnade, desto empfänglicher für Verheißung und Gnadengeschenk. Das Gesetz predigt| Heiligkeit, hält den Spiegel der Heiligkeit dem Menschen vors Angesicht, auf daß er sich erkenne in seinem fernen Abstand von dem Ziel der Heiligkeit und ihm die Sünde desto sündiger, die Gnade desto lieblicher werde. So hilft das Gesetz dem Menschen zur Gnade hin. Aber auch die Gnade, die das Testament verhieß, Christus brachte und der Geist austheilt, hilft dem Gesetze zur Verklärung. Indem der Mensch Gottes Gnade empfängt in Vergebung der Sünde, empfängt er Lust zum Guten und Kraft dazu. Es ist derselbe Geist, welcher Glauben wirkt und im Glauben Liebe und Heiligung. Liebe aber ist des Gesetzes Erfüllung − und Heiligung des Gesetzes Ziel.

 Die Verheißung richtet das Auge zum Ziele, das Gesetz treibt zu demselben, die Zeit der Erfüllung reicht es dar, der Glaube, der mit der Predigt kommt, ergreift es − und bringt damit vollkommene Zufriedenheit dem armen Sünder und nicht das allein, sondern Wollen und Vollbringen des Guten.

 Deine heilige Ordnung, o HErr, sei meine Ordnung − und Dein Geist leite mich auf Deiner ebenen Bahn!


Am vierzehnten Sonntage nach Trinitatis.
Galat. 5, 16–24.

 ES ist ein großer Unterschied − ohne Gesetz sein und nicht unter dem Gesetze sein. Ohne Gesetz sein ist nicht der Christen Sache, aber unter dem Gesetze sein, ists auch nicht. Aber nicht ohne Gesetz, und doch auch nicht unter dem Gesetz sein, das ist christlich und schön.

 Unter dem Gesetze sein − deutet nicht auf eine Erfüllung des Gesetzes, sondern auf eine harte Sklaverei des Gesetzes. Wer seine Pflicht anerkennt, dem Gesetze zu gehorchen, − aber auch seine Schwachheit und Bosheit und seine Uebertretungen, − wer sich deshalb des Fluches würdig erachtet, den das Gesetz ausspricht, − wer ohne Mittel, dem Fluche zu entgehen, ohne Kraft zu einem heiligeren Wandel, doch immer nur mehr beschwert, beladen und mühselig wird, − der erfährt den angstvollen Zustand eines Menschen, der nicht ohne das Gesetz, aber unter dem Gesetze ist.

 Wer hingegen das, was das Gesetz befiehlt, als seine Pflicht erkennt − und mit Lust und Kraft zur Ausführung bringt, − von keiner Schwachheit irre gemacht, von keinem Straucheln müde, ja von keinem Fall zum Abfall gebracht: − wer seine Freude am Guten hat, wenn es ihm gelingt und wenn es ihm nicht gelingt; wenn es ihm gelingt, den HErrn für Seine Gnade preiset; wenn es ihm nicht gelingt, dennoch am Guten hangt; von jeder Reue über einzelnes Mislingen zu desto größerem Eifer angespornt wird; nicht vor der Strafe sich fürchtet, die in Christo JEsu erlaßen ist, aber von Liebe zu Gott und dem, was Sein ist, getrieben wird, weil er göttlichen Geschlechtes ist: Der ist nicht unter dem Gesetze, sondern frei von dem Fluch und Treiben desselben; und doch ist er nicht ohne das Gesetz, weil er liebt und verlangt, was es befiehlt. Ihm ist zum freien Willen geworden der Befehl − und die Last des Befehls zur Lust.

 Ach, wenn man doch auf Erden dahin käme, daß die zwei Zustände des gesetzlichen und freien Wesens nicht mehr zugleich in uns wären, sondern das freie Wesen des Geistes allein uns belebte! Wenn doch, wie der Strom zum Meere, so unser Wollen unaufhaltsam zum Guten eilete! Aber da geht es uns, wie dem heiligen Paulus Röm. 7: Den Geist gelüstet wider das Fleisch, das Fleisch wider den Geist − und darum ist des Gesetzes Drohen mit der Wißenschaft von der Freiheit vom Gesetze auch zugleich in uns. Unser Verlangen ist nicht unaufhaltsam, geht selten in voller Kraft zum Guten, − und unsere Seele schwankt zwischen Furcht und Frieden. Wir vollbringen nicht des Fleisches Werke, wir bringen des Geistes Früchte, aber es geht mit Noth und Mühe, da wir doch wißen, daß es in Kraft und Macht, mit Lust und Wonne gehen könnte, gehen sollte. Wir kreuzigen das Fleisch − aber nicht wie jubelnde Helden, sondern wie Leute, die am Siege sterben wollen! Unsre Theilnahme am Streite der heiligen Kirche − beugt uns in den Staub, daß wir rufen müßen: „Die Güte des HErrn ist es, daß wir nicht gar aus sind!“


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Am fünfzehnten Sonntage nach Trinitatis.
Galat. 5, 25 − 6, 10.

 ES ist eine Stelle der heutigen Epistel, welche wir unsern Lesern insonderheit ins Gedächtnis prägen und im Andenken erhalten möchten. Wir meinen den ersten Vers des 6. Capitels: „Lieben Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehl übereilet würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmüthigem Geiste, die ihr geistlich seid; und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest.“ Wie viel findet man im Leben, das gegen diesen Spruch anstößt! Gleichwie einst die Novatianer keinen Gefallenen in die Kirche mehr aufnehmen wollten; so entlaßen heut zu Tage viele auch ihre treubewährten Freunde aus Liebe und Hoffnung, so wie sie von einem Fehl oder einer Sünde übereilt worden sind. Was ist gerade unter den angesehensten Christen gewöhnlicher als Aussprüche wie diese: „Der und der kann kein Christ sein, denn er hat das und das gethan. Wie könnte er so reden, wenn er ein Christ wäre? Es ist nichts mit ihm, denn er war da und da auch dabei. Seitdem ich das und das von ihm gehört habe, mag ich ihn nicht mehr. Ich mag nichts mehr mit ihm zu thun haben, denn das und das hat mir an ihm gar nicht gefallen“ etc. etc. Und dieser scharfe, strenge Richtersinn geht oft so weit, daß er auch keine Beßerung hofft, da die Liebe doch alles hofft. Ja nicht bloß hofft man nicht mehr, sondern wenn offenbare Zeichen der Beßerung zu neuer Liebe und neuem Vertrauen einladen, glaubt man doch nicht, sondern man setzt irgend etwas ins Mistrauen. Fast sieht es da so aus, als sollte nicht geschrieben stehen: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr;“ sondern: „Wer gesündigt hat, ist verloren.“ Was würden diese feinen und ehrbaren Christen von David für eine Hoffnung gefaßt haben, da er des Mordes und Ehebruchs, von Petrus, da er in Antiochien offenbarer Heuchelei schuldig geworden, von den Aposteln Paulus und Barnabas, da sie miteinander über Marcus zankten, − − ach, von so vielen, vielen Christen, deren Lebenslauf nicht dem stillen, einförmigen Gang eines Wiesenbachs, sondern dem Gebirgsbach gleicht, der unter Hindernissen und Tosen dem Ziele zugeht? − − Ja, ja, lieber Leser! Laß michs nur sagen! Diese vornehmen Christen glauben oft nicht an die Bekehrung eines Sünders, dessen grobe Sünden vor der Leute Augen lagen! Sie sehen einen Augustinus, auch wenn er Bischof geworden ist, um seines frühern Lebens willen mit scheelen Augen an, und können Achtung und Ehrerbietung vor keinem faßen, der nach großen Sünden zur Heiligung hindurchdrang! − − Und dies Benehmen nennen sie dann christliche Klugheit − und wer sie nicht hat, wer dem Sünder nachgeht und ihn zurechtweist, den nennen sie, wenn es ihm nicht gelingt, die Seele zu retten, einen unerfahrenen Menschen, deß Mislingen sie ja voraus gewußt und gesagt hätten, − ja sie nennen ihn, wenn er längeren Athems dem Verlorenen nachläuft, der Zöllner und Sünder Gesellen. Sie würden die Kleider wischen, wenn sie neben Magdalenen sitzen müßten, auch nachdem sie die köstliche Narde himmlischer Liebe Christo JEsu geopfert hat.

 Ach laßet mich, ihr Heiligen! Ihr seid ja doch selbst nur gleißende Gräber! Ihr seid es und wißet es nicht! Oder wißet ihrs und thut dennoch so? Dann seid ihr nicht bloß Heuchler, sondern auch Schüler des hochmüthigen Geistes, der im tiefsten Bewußtsein sein Verderben trägt − und andern feind ist, die weniger böse wie er sind, aber eben doch nicht Er.

 Gib uns, Du Sünderfreund, geduldige Liebe zu den Sündern! Hilf uns, HErr, die Nachrede der feinen Christen tragen, welche die glänzende Gerechtigkeit des eigenen Lebens höher achten, als die Barmherzigkeit Gottes in Christo JEsu! Ach, lieber HErr, verzeih uns die täglichen Sünden und lehr uns mit Deiner Kirche die Worte beten: „Reinige Deine Christenheit von ihren Sünden und − Lastern.“


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Am sechszehnten Sonntage nach Trinitatis.
Ephes. 3, 13–21.

 WEnn ein Mensch viele Sünden thut und trotz angewandter Mühe und Seelensorge doch nicht aufhört, so wird nicht der HErr müde, der einem jeden Menschen zur letzten Frist der Gnade den Augenblick des Todes gesetzt hat, − aber Menschen werden müde. Väter und Mütter ziehen die Hand ab von ungerathenen Söhnen und Töchtern! Ach das ist zu beklagen! − − Doch gibt es noch etwas Kläglicheres! Ein Vater liebender Kinder, oder ein Kind liebender Aeltern wird krank. Da wendet man alle Mittel an, deren man habhaft werden kann, − man scheut keine Kosten, − man opfert Tage und Nächte am Krankenbette des geliebten Menschen auf, − Angst beschwert das Herz und die Augen werden von Thränen roth. − Nun aber dauerts lange. Aus Tagen des Leidens fließen Monate und Jahre des Leidens zusammen, − aus der Krankheit wird Siechtum. Sollte man nicht denken, daß jeder Leidenstag, der dem Geliebten auferlegt wird, die Liebe zu ihm, die Sorge für ihn, die zarte Sorge mehren sollte? Wärs nicht in der Ordnung, daß aus den Leiden des Geliebten Liebesstärkung im Herzen der Angehörigen würde? Man sollte es denken − und sieh, es ist alles anders! Gewohnt werden sies, die Angst vergeht, die Thräne versiegt, die Theilnahme verstummt: mitten unter theuern Anverwandten wird ein siechender einsam − und findet mans dann am Ende auch nur noch auffallend, wenn neben dem Aechzen eines siechen Vaters das harmlose Gelächter seiner unangefochtenen, fröhlichen Kinder vernommen wird? − Ich weiß, was man sagen wird! Aber, aber − es ist traurig, daß die Liebe oft so sterblich ist und dem Geliebten manchmal nicht zum Grabe, geschweige weiter das Geleite gibt! − Ach, daß man der Leiden seiner Lieben müde werden kann!

 Es ist aber das alles kein Wunder! Denn der Apostel Paulus hat es ja nach dem ersten Verse unserer Epistel für möglich gehalten, daß man seiner Trübsale müde werden möchte zu Ephesus! Was sind denn seine Trübsale gewesen, wenn nicht die Ehre der Gemeinen? Was sind sie gewesen, wenn nicht die Glorie des Apostels selber, ja JEsu Christi selber? Was sind sie gewesen, als immerwährende Beispiele der Geduld, immerwährende Ermahnungen zur Nacheiferung? − Und wer ist durch sie gehindert oder gemindert worden? − Und doch kann man der Ehre Gottes, der Ehre Seiner Heiligen, der edelsten eigenen Ehre, himmlischer Beispiele und göttlicher Vermahnungen müde werden − und es können einem Gottes Helden beschwerlich werden durch ihre Treue, durch ihre Nachfolge JEsu! Ach HErr, verzeihe den Deinen ihre Schulden!


Am siebzehnten Sonntage nach Trinitatis.
Ephes. 4, 1–6.
 WEnn wir zur Demuth, zur Sanftmuth, zur Geduld, zur Liebe, zum Frieden vermahnt werden und vermahnen, so gefällt dies allen, die von irgend einem Hauche himmlischen Lebens angeweht sind. Wer wird in aller Welt jene heiligen, lieblichen Namen christlicher Tugenden nicht gerne hören? Wer verkennen, daß diese Namen herrliche, himmlische Güter benennen? − Aber wenn nun der Apostel weiter ruft: Ein Leib und Ein Geist! Wenn nun der Eine Leib erklärt wird als Eine sichtbare Kirche, die von Einem Geiste und durch den Geist von Einem Sinn und Muth belebt wird, wie dann? Wenn auf Grund dieser Worte behauptet wird, daß wie Ein HErr, so nur Ein Glaube sei und nicht mehrere rechte Glaubensarten, Glaubensbekenntnisse und was man alles zu des Glaubens Bildern und Werken zählt! Dann ist man vor den Ohren der jetzt Lebenden zum Thoren nicht allein geworden, der nimmer schauen wird, wovon| er redet; sondern auch zum Frevler, der nicht mehr Demuth, Sanftmuth, Geduld, Liebe und Frieden haben oder üben kann! Die Zahl eins ist ihnen unleidlich, denn sie behaupten, dieselbe fache Krieg an und sei wider die Einigkeit! Ein Quodlibet des Glaubens alleine scheint ihnen Einigkeit zu verbürgen! Jede Lehre dulden, nicht leicht etwas hoch aufnehmen in der Lehre, nichts genau nehmen im Betreff göttlicher Gedanken – das nennen sie Demuth und Sanftmuth und Geduld und Liebe und Frieden. Warum kümmern wir uns denn um solches Geschwätz? Warum soll denn der Wahn die gesunden Sinne bethören? Und warum läßt man sich irren, wenn man im guten Gewißen die Straße des Heiligen Geistes zieht? Es ist ja doch nur Ein Gott und darum, so wahr Er lebt, nur Eine Wahrheit, und darum nur Eine Lehre und Ein reiner Glaube! Das ist und bleibt wahr am Tage des Gerichts! So laß sie unrecht reden, schelten und sündigen, die Feinde der heiligen Kirche: sie brechen ja die Einigkeit, weil sie die Wahrheit nicht wollen! Du brichst sie durch Bekenntnis nicht; du lockst und rufst vielmehr herzu zur Wahrheit! Bete für die Feinde, denn es sind Feinde, die den Einen Leib des HErrn anfeinden! Trage sie, wie sie getragen werden sollen! Bescheide dich! Entschuldige, was ohne Lüge entschuldigt werden kann! Uebe Liebe in Wahrheit und sei zufrieden, daß die Welt und die sie und Gottes Kirche nicht erkennen, sich mit jener wider diese vereinen! Sei zufrieden – denn anders ists nicht und wirds nicht, so leid dirs thue!
Am achtzehnten Sonntage nach Trinitatis.
1. Corinth. 1, 4–9.

 WEnn man die Briefe des heiligen Paulus an die Corinther mit der Absicht liest, sich ein Bild jener berühmten Gemeinde zu verschaffen; so liest man mit Verwunderung Ermahnungen und Warnungen, welche auf bedeutende Flecken jener Gemeinde schließen laßen. Und doch kann auch wieder das nicht Schmeichelei und Lüge sein, was der heilige Apostel in unserm Texte von der Herrlichkeit jener Gemeinde sagt. Ohne Zweifel war also auch jene Gemeinde ein Waizenfeld, auf dem auch Unkraut wucherte, − d. h. sie war, wenn auch vielleicht dem Grade nach doch verschieden, der Art nach unsern Gemeinden gleich. − Es ist das freilich eine Behauptung, die nicht sonderlich mit dem übereinstimmt, was auf so vielen Kanzeln von den ersten Gemeinden gepredigt wird. Aber doch geht die Behauptung nicht von Neid und ungerechter Quelle aus, sondern im Gegentheil, sie ist gerecht: sie gibt und läßt einer jeden Zeit das Ihre − und übersieht nur in keiner die vorhandenen Gegensätze. Es fragt sich nur, ob die Behauptung wahr ist! Und das eben ist es, was wir durchs Urtheil unbefangener, aufmerksamer Leser bestätigt wünschen − und bestätigt sehen werden. Ist aber die Behauptung wahr, so ist sie auch tröstlich. Nicht daß wir uns mit den Fehlern Anderer trösten wollten und gewisser Maßen Schadenfreude hegten, sondern was wir tröstlich finden, ist das, daß eine Gemeinde Flecken haben und doch Sein sein kann, daß Er die Sünder nicht bloß sucht, sondern auch bei ihnen helfend und heilend bleibt. Und brauchen denn wir armen Sünder diesen Trost nicht? Wird er uns etwa im Guten lähmen oder vielmehr die matten Hände stärken?

 Diese gemischte Gemeinde von Corinth wird nun ohne Unterscheidung ihrer heiligeren und unheiligeren Glieder angeredet. Unser Text spricht, als gälte es allen, von den reichen Gnaden, welche über sie ausgeschüttet seien, und versichert, die Gemeinde von Corinth bedürfe nur Treue bis ans Ende und die Vollendung des jüngsten Tages. Haben nun etwa die Gottlosen ein Recht gehabt, dieß auf sich zu ziehen? Gewis nicht! Im Gegentheil, es muß ihnen gewesen sein, als kenne sie der Apostel nicht, als rechne er sie nicht, so lange er von der Herrlichkeit der Gemeinde redete. − Und wenn hernachmals die Warnungen an alle ergehen, die Bestrafung über alle kommt: wie dann? Wird ausgelöscht, was unser Text sagt? Wiederum nicht! Die Frommen werden gedemüthigt − und es wird ihnen gezeigt, daß einer des andern Hüter sein sollte, daß einer für des andern Thun und Laßen in gewissem Maße verantwortlich ist. Sie werden zu Fürbitte, Liebe, Vermahnung und Seelsorge getrieben! Einst kam ein Lehrer in eine Schule, wo die meisten| tobten, einige ruhig saßen. Er strafte die Ruhigen mit den andern, darum daß sie das Beßere erwählt hatten, ohne versucht zu haben, ob es nicht auch den andern mitgetheilt werden könnte. Das war paulinische Weisheit! Wüßte sie nur jeder Lehrer in rechter Weise anzuwenden. An sich selber ist sie kein Fehler, sondern von vielen nicht begriffene, beßernde Weisheit! − Merke drum: die Kirchen hier bestehen aus Auserwählten und bloß Berufenen, aber jene sind für diese verantwortlich! Bete, daß du fleißig seiest in beßernder Liebe! Bete, daß es mit dir viele seien, − daß man nicht so schnell den langsamen Schüler JEsu aufgebe, − daß man die Langsamen in die Mitte nehme! Bete, daß die Kirche würdig werde, so behandelt zu werden, wie sie St. Paulus in seinen Briefen behandelt!
Am neunzehnten Sonntage nach Trinitatis.
Ephes. 4, 22–28.

 WAs für Anforderungen stellt der HErr in diesem Texte an uns! Wir sollen den alten Menschen, der uns mit seiner Art durchdringt, wie die Luft, ausziehen, wie einen Rock! Im Geiste unsers Gemüthes sollen wir uns erneuern, − den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, das Bild Gottes, das uns so sehr abhanden kommen ist, daß wir nicht einmal eine volle Vorstellung davon haben, sollen wir anziehen! Und was sollen wir nicht alles! − Sagt doch derselbe HErr, daß man vom Dornstrauch keine Trauben und von den Disteln keine Feigen lesen könne! Warum will Er denn vom Dornstrauch die Früchte des ewigen Lebensbaumes und die Süßigkeit der Himmel von den Disteln? Ja, warum predigt man immer: „Thut das“ und „Laßt das“, da doch beides nicht in der Macht derjenigen steht, die Er anredet? − Erinnere dich, um Antwort zu bekommen, von Wem der Apostel im Texte dergleichen fordert und du wirst bald einsehen, wie es möglich ist. Nicht vom Dornstrauch des Menschen, der Fleisch vom Fleisch geboren ist, sondern von dem, welcher aus dem heiligen Geiste neu geboren ist, verlangt er des Geistes Früchte. Es ist, wie Augustinus betet: „Gib, was Du befiehlst, und befiehl dann, was Du willst.“ Er gibt erst das Wollen und die Vollbringungskräfte, ehe Er das Vollbringen verlangt. Er legt in deine Hände das Opfer, das Ihm angenehm ist, − und du vermagst alles durch Den, der dich mächtig macht. Darum steht ja auch geschrieben: „Von Ihm und durch Ihn und zu Ihm sind alle Dinge!“

 Du brauchst also keine Angst darüber zu haben, daß du nicht weißt, woher nehmen, was bezahlt werden soll. Du brauchst nicht die Kammern deiner Armuth zu durchsuchen, um geben zu können. Wie die Augen der Mägde auf die Hände ihrer Frauen, so schau du auf die reichen, milden Hände Gottes − und vergiß nur nicht, wo sie zu finden sind, wo sie geben. Stell dich ein, wo Seine Haushalter die von der Welt her verborgenen geheimen Schätze austheilen. Stell dich nur ein, so wirst du dein bescheiden Theil, selbst wenn du dich nicht hinzudrängst, doch bekommen. Stell dich ein und bewirb dich betend, und du wirst um so mehr nehmen und empfangen. Sprich nicht: Ich bin so lange im Speisehaus der Seelen anwesend gewesen, ich habe mich eingestellt, so oft zu eßen und zu trinken gegeben wurde, und ich bin doch nicht satt worden. Sieh nicht auf das, was dahinten ist, streck dich nach dem, was da vornen ist. Vielleicht hast du die Schuld, vielleicht war Gottes Stunde noch nicht da, das mag sein, wie es will; so viel bleibt gewis, Gottes Stunde kommt, Er läßt keinen des geistlichen Hungers sterben, Er will, daß allen Menschen geholfen werde, daß sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, daß sie Leben und volle Genüge haben, daß sie Seine Heiligung empfangen. Warte nur, harre nur − Er wird aus dir Dornstrauch eine fruchtbare Rebe machen. Er wird geben, daß dir bei apostolischen Forderungen das Herz sich voll Muth und Kraft bewegt, daß, was die Welt erschreckt, Gottes Gebote dich erfreuen, daß du den ersten der Psalmen mit Halleluja beten könnest.

 Meines Lebens Lauf − wie lange noch wird er dauern? HErr, laß ihn nicht verlaufen, ehe ich Dein also bin, daß ich Deine Werke fröhlich thue! Amen.


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Am zwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
Ephes. 5, 15-21.

 ICh will dich in ein Studium einführen, mein Freund, das für kein Studium angesehen wird und doch ein Studium ist und überdieß ein recht herrliches. Ich meine das Studium der Tugend. − Du sprichst: die Tugend ein Studium? Ich antworte: Ja, ein Studium! Meinst du etwa, weil die Tugend ein Studium sein soll, so müße sie aufhören, der Seelen heilige, männliche Lust zu sein? Wem Studieren Plage ist, die sind nicht rechte Studierende. Die bringens am weitesten, welche studieren, ohne daß sies wißen, die ihr Vergnügen beim Studium suchen. So kann ja auch die Tugend ein heiliges Vergnügen sein, und bleibt doch ein Studium. Nicht allein die Füße und Hände, nicht allein das Herz, nein, auch der Geist hat in ihr sein Geschäfte. Wem schreibst Du Weisheit zu, wem Vorsicht, wem das Geschick sich in Zeiten zu schicken, Zeiten auszukaufen? Ists nicht der sinnende, schauende, forschende Geist, der allem Thun, auch dem des Tugendhaften, Maß und Art verleiht? Wenn du aber das zugibst, so wirst du auch zugeben müßen, daß die Tugend ein Studium ist! Es fällt kein Gelehrter vom Himmel, es wird kein Weiser, kein Vorsichtiger, kein Geschickter geboren! Sie lernen es alle erst werden, und der HErr und Sein Geist leiten sie auf ebener Bahn. Wohl dem, der in dieser Schule lernt und gerne lernt! Wohl dem, der nachsinnt, wie er vorsichtiglich wandele und wie er sich in die Zeiten schicken soll!

 Ach es ist böse Zeit! die böse Zeit machts schwer, sich in sie zu schicken. Fromm sein und sich doch in die böse Zeit schicken, das ist keine Kleinigkeit! Man fährt wohl oft durch die Klippen, aber mit Schaden − und das sollte nicht sein. Man schickt sich wohl oft in die böse Zeit, aber so, daß man selbst dabei böse wird! Was denn dann? Schlechtes Studium! Das kann man ohne Studium. Sei vorsichtig − nicht, daß dein Schifflein, sondern daß du selbst nicht anstoßest und Schaden leidest! Schicke dich also in die böse Zeit, daß du gut seiest, bleibest, werdest! Dringe hindurch mit Schlangenklugheit, so jedoch, daß du Taubeneinfalt bewahrest, − oder es ist nichts und du geräthst dem Versucher in die Stricke!

 Ach HErr, es ist alles, was recht ist, so fern von uns! Wir sind so gar von allem, was Du willst, das Gegentheil! Wir können von Deinem Wollen nicht reden, ohne unsern Willen zu tadeln! Wir können vom heiligen Studium des Guten nicht reden ohne Seufzen, ohne daß unser Geist bekennt: Ueber allerlei bin ich studierend geseßen, aber nichts hat mir je weniger Studium gekostet, als die Tugend − und ich habe gar selten mich besonnen, wie ich in ihr ein Meister sein oder werden könnte!

Da helfe uns der Helfer zu allem Guten!
Amen.

Am einundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
Ephes. 6, 10–17.
 ICh habe schon einmal gesagt, daß es wahr ist, was diese Epistel vom bösen Stündlein satanischer Anfechtung sagt, − und es ist eine Schande, daß man es einmal sagen muß, geschweige daß man sich aus guten Gründen entschließen muß, es zweimal zu sagen. Es ist ja genug, daß es der Apostel sagt. − Aber ich wiederhole es − und dieß Mal für die Pfarrer. Es gibt zahllose Angefochtene, ja es gibt Gegenden, wo, mit den Aerzten zu reden, Anfechtungen endemisch sind. Das erste, was die armen Geplagten thun, ist, daß sie zu den Pfarrern gehen. Die wißen nichts, fangen mit Läugnen des Zustandes an und verbinden sich mit den Aerzten, die oft, wo möglich, noch weniger, als die Pfarrer, verstehen, wie man mit Angefochtenen umgehen müße. Was geschieht? Die armen Leute laufen zu Pfarrern von andern| Confessionen. Die thun spröde, sparen ihre Weisheit, bis sie theuer geworden ist, weisen die Leidenden zu ihren Pfarrern − und nehmen sich endlich ihrer doch an. Oft gelingts dann einfach genug, oft nicht. Allemal hat die wahre Kirche Schmach bei ihren Kindern.

 Warum sind denn die Pfarrer Blumisten und Pomologen und jagen allerlei Allotriis nach und das, was ihres Amtes ist, vernachläßigen sie? Die neuern Pastoraltheologien reden freilich hieher Dienliches nicht. Aber man kann sich ja in den Rüstkammern der Vergangenheit umsehen. Ist es denn eine Schande, wenn man nichts weiß, von den Vätern zu lernen? Um nicht in den Geruch des Aberglaubens zu kommen, um bei einem unwißenden Volke ihres Namens und Gerüchts zu schonen, befaßen sie sich lieber gar nicht mit der Lehre von den Anfechtungen. Sie sollten lieber bei der ganzen Welt in übles Gerücht kommen, als einen Angefochtenen ohne Hilfe von sich laßen! Aber nein, sie sind Kinder der Welt und Zeit und wollen ihr gefallen. − Nicht also, meine Brüder! Der HErr möchte es fordern! Wir werdens verantworten müßen, wenn die Leute zu Baal nach Ekron gehen, weil wir sie nicht zu den Schätzen Jehovas führen! Laßet uns doch einmal sehen, daß die Neologie blind ist und nicht sieht, was nöthig ist und möglich. Laßet uns wieder lernen mit Angefochtenen umgehen − und die Irrenhäuser werden eine Menge Bewohner weniger haben. Vernachläßigte Anfechtung kann zur Narrheit führen. − Es gibt leibliche Anfechtungen d. i. solche, bei welchen leibliche Ursachen hauptsächlich im Spiele sind: da hilft der Arzt mehr, als der Pfarrer. In allen andern ist der Arzt, wenn auch nicht überflüßig, doch nur zweite oder dritte Person. Laßet uns doch helfen! − Es gibt sogenannte psychische Uebel, wo Seelsorge allein nicht ausreicht, wo eine psychische Behandlung erfordert wird. Aber warum bekümmert ihr euch nicht um diese und um die Seelsorge der Angefochtenen, welche doch jeden Falls in euern Bereich gehört? Fürchtet ihr die Aerzte? Ihr habt Ursache, wenn ihr nichts versteht, nichts thut, nichts leistet. Ihr werdet den Wahn, daß alle Anfechtungen aus der Apotheke ihren Trost holen müßen, zu einem verrosteten Uebel machen, wenn ihr nicht andere Wege einschlaget. Ich bitte euch, kümmert euch wenigstens um die Seelsorge der Angefochtenen, stellt euch meinetwegen unter die Aerzte: ihr werdet doch anfangen Erfahrungen zu machen − und dann wird sichs ändern.


Am zweiundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
Philipp. 1, 3–11.

 DEr in dir angefangen hat das gute Werk, der wirds auch vollführen bis an den Tag JEsu Christi!“ − Ich ruf es dem Täufling zu, der vom Brunnen der Taufe neugeboren weggetragen wird. Dann leuchtet mein Angesicht und meine Stimme jauchzt! − Ich sehe den Knaben, wenn seines Fleisches Wille sich wider Gottes Gebot und Zucht empört. Ich weiß, daß niemand unlieblicher als der Knabe in diesem Kampfe. Da heißt man ihn billig einen „ungezogenen“, aber ohne Schimpf, denn er kann nicht gezogen sein, weil er erst in der Zucht ist. Es kann noch alles werden! Ich rufe dem Knaben wie Schlachtruf und Ermunterung zu: „Der in dir angefangen hat, wird vollenden!“ − Ich sehe den Jüngling im guten Kampfe sich bemühen, thun, was er nicht will, nicht thun, was er will, − eine Sorge der Aeltern. Aber ich rufe dennoch, so lange einer kämpft, den Siegeston zu: „Der angefangen hat, wird vollenden!“ − Ich sehe den Mann im Schweiße innerer und äußerer Arbeit, in Geduld und Aufopferung sein Werk vollbringen und die Saat der Nachwelt säen. Ich rufe auch ihm im Frieden und in Zuversicht zu: „ER wird vollenden!“

 Aber wenn ich dich ansehe, sterbendes Angesicht eines Christen! Wenn ich dich, geliebte Seele, kämpfen, ringen sehe! Wenn des Geistes Leben über der letzten Arbeit des Leibes unsichtbar wird und verborgen in Gott ist alles Leben, das aus Gott kam! Wenn ich kämpfen sehe und nun mitkämpfe, − wenn ich deinen Tod mit ergreife und ihm JEsum weise, den er fliehen will! Dann, ja dann weiß ich, was es gilt! Nicht lispelnd, nicht leise, nicht mit Einem Tone, sondern aus allen Kräften meines Wesens rufe ich dann: „ER wird vollenden!“ − Ja, ER vollendet dich, mein sterbender Freund, − Er vollendet dich, und| wie könnt ich denn dein Unterliegen ansehen, wenn ich von deinem Siege nicht wüßte!

 Der HErr hat vollendet − viele, viele hat Er vollendet bis zum Tode. Ich blicke auf meine Särge, − der HErr hat vollendet! Ist kein Wort, kein Gruß mehr für die Todten? „Er wird vollenden bis auf den Tag JEsu Christi!“ Ich weiß nicht, wie? Ich blicke in Finsternis. Aber ich bin stille, es keimet mir Freude. Er wird vollenden − und ich werde es schauen und selbst vollendet sein.

 HErr! dazu sag ich Amen. HErr, dazu hilf uns! Amen.


Am dreiundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
Philipp. 3, 17–21.

 APostolisch wandeln − wer möchte dies nicht für ein musterhaftes Wandeln erkennen? wer wird in aller Welt nicht zugeben, daß derjenige des HErrn JEsu wahrer Jünger sei, deß Leben dem Beispiele der heiligen Apostel angemeßen sei? Der Apostel Paulus vermahnt ja selbst die Philipper, so zu wandeln, wie sie Ihn und Seine Apostel zu Vorbildern hätten! Und seine Vermahnung ist ohne Zweifel nicht in einer hochmüthigen Ueberschätzung eigener Tugend, sondern in dankbarer Anpreisung von Gott verliehener Gaben der Heiligung begründet. − Wenn man nun nur ein recht deutliches, kenntliches Bild des apostolischen Wandels hätte, um sich, gleich den Philippern, darnach zu richten! So wünschest du, und unsre Epistel leistet dir Genüge. Sie leistet dir um so mehr Genüge, als sie dir den apostolischen Wandel in demjenigen Gegensatze zeigt, welcher ihn erst recht in sein Licht zu stellen vermag. Da stehen einerseits jene beweinenswürdigen Feinde des Kreuzes Christi, die irdisch gesinnt sind, denen der Bauch ihr Gott ist, deren Ehre zu Schanden wird, deren Ende die Verdammnis ist. Und ihnen gegenüber stehen die hehren Apostel in ihrer Herrlichkeit. Sie sind nicht irdisch gesinnt, sondern ihr Herz ist, wo ihr Wandel für die Ewigkeit, wo ihr Bürgerrecht sein wird, im Himmel. Ihr Gott ist nicht der Bauch, sondern der gekreuzigte und zum Himmel emporgehobene Christus. Ihre Ehre wird nicht zu Schanden, sondern ihr Leib wird verklärt werden zur Aehnlichkeit des Leibes Christi. Ihr Ende ist nicht die Verdammnis, sondern ihr Ende ist ewiges Leben und eine Herrlichkeit im Lichte, Stühle, zu richten die zwölf Geschlechter Israels. − Doch, dem Gegensatz zu Gefallen habe ich so viel gesagt − und doch wollte ich nur eins sagen. Denn nicht von der Gesinnung und nicht von der Zukunft der hohen Apostel wollte ich reden, sondern von ihrem Wandel. „Ihr Wandel ist im Himmel!“ − Wunderbare, schöne Zweideutigkeit der unnachahmlichen Uebersetzung Dr. M. Luthers! Von apostolischem Wandel auf der Erde ist in der ganzen Epistel die Rede, aber in der besonderen Stelle V. 20. wird uns der Ort gezeigt, wo Apostel ewig wandeln werden, die Stadt, in welcher sie ein ewiges Bürgerrecht besitzen! Um einen Begriff von dem apostolischen Erdenwandel zu bekommen, wird uns ein Blick in ihre ewige Herrlichkeit eröffnet! Das heißt denn doch nichts anderes als: apostolisch wandeln ist nichts anderes, als wandeln, als wäre man schon daheim oder wenigstens, als käme man alle Augenblicke heim, − im Lichte der Ewigkeit wandeln, des Himmels würdig himmlisch wandeln.

 Das ist bei uns der Fehler, lieber Bruder! Wir trennen das Hier und Dort, das Nu des Lebens und das Nu des Todes zu sehr. Es däucht uns immer, wir hätten noch eine Strecke zu laufen, ehe wir heimkommen, − es sei noch nicht so nöthig, heim zu denken und alles für die Ewigkeit zu berechnen. Da glauben wir dann ein gewisses Recht zu haben, uns ins Irdische zu vertiefen, und eher eine Tugend, als einen Fehler finden wir, wenn wir darin zu viel thun. Und drum ist unser Wandel so unapostolisch. Es fehlt uns Licht der Ewigkeit, Morgenroth jener Seligkeit in den Augen und an der Stirne! − Und das ist zu beklagen!


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Am vierundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
Colosser 1, 9–14.

 DAs Erbtheil der Heiligen“ − wer beschreibt es? Wer es erlangt hat, wie Lazarus, der kehrt nicht zurück zu den armen Erdenpilgern, so wenig er zum Reichen in der Qual geht, ihm die Zunge zu erquicken. Der Eine, der todt war und ist wieder lebendig geworden, unser HErr JEsus Christus, der es hätte sagen können, hat es nicht gesagt, wie schön, wie herrlich das Erbtheil der Heiligen im Lichte ist! − So sagst, so klagst du! Aber es ist nicht so! Du irrst! Ich habe die Lehre vom Zustand der Seelen nach dem Tode studiert, und wie bin ich erstaunt, wie viel von Bild und Gleichnis entfernte helle, klare Stellen die heilige Schrift enthält! Wenn irgendwo, so heißt es da: „Wer da sucht, der findet!“ Viele unvermuthete, überraschende, beseligende Blicke ins Jenseits, ins Erbtheil der Heiligen im Lichte habe ich gethan. Und ich wollte, du thätest sie auch, dann würde, was widersprechend lautet: „Geduld und Langmüthigkeit mit Freuden“ dir auch verständlicher werden.

 Dulden und unter langem Druck den Muth erstrecken und lang werden laßen, − und dabei, ja gar darin Freude haben! Das ist nicht von Fleisch und Blut zu erwarten. Wer das vermag, dem ists möglich alleine durch des Vaters Geist, der in uns wirkt! Ja, es ist ein Wunder, daß die Freude mit Geduld und Langmuth, d. i. − mit langem Leid und Schmerz zusammengeht! Und dies Wunder wirkt der Geist des HErrn durch jenen Blick ins Erbtheil der Heiligen. Wer da weiß, was seiner wartet, − wer es nur so weiß, wie mans denn aus Gottes Wort wißen kann, wer es geglaubt hat, dem ist bei solcher Aussicht kein Leid zu schwer und zu lang; bei der Sicherheit deßen, das da kommt, wird ihm die Freude durch den lastenden Druck nicht genommen, sondern gemehrt; − da sein Fuß noch in den Dornen der Welt verweilen muß, eilt er desto eifriger mit dem Geiste voran − dahin, wo kein Leid, kein Geschrei, keine Thräne mehr ist! Was für ein wunderbares Vorausleben ist das, was für ein Vorschmack der ewigen Freuden!

 HErr, barmherziger, ewiger Gott! Jenseits verleih mir das Erbtheil der Heiligen im Lichte! Diesseits gib mir „Geduld und Langmüthigkeit mit Freuden!“


Am fünfundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
1. Thess. 4, 13–18.

 BArmherzigkeit, Gnade ist alles im Reiche Gottes, alles ist Gnade und Barmherzigkeit! Und doch ist auch alles so gerecht, so richtig, so genau! Nicht überall, nicht immer, o HErr, sehe ich Deine Gerechtigkeit. Es hat Dir beliebt, die Waage Deiner Hand in Wolken zu verbergen und nur zuweilen ein menschlich Auge hindurchblicken zu laßen! Aber zuweilen, hie und da einmal sehen wir Barmherzigkeit und Gnade vereinigt mit Gerechtigkeit! Gerechtigkeit in Barmherzigkeit und Gnade! − So ists bei dieser Epistel!

 Oder soll ich statt Gerechtigkeit sagen Ordnung? Ist denn Ordnung nicht Gerechtigkeit? Die Epistel lehrt eine Ordnung der Auferstehung, ein Nacheinander im Anziehen des unsterblichen Leibes. Die Lebenden zur Zeit der Wiederkunft des HErrn sollen den Todten nicht vorkommen, sondern ihnen nachfolgen. Erst sollen die Todten bekleidet, dann die Lebendigen überkleidet werden. Ist in dieser Erweisung ewiger Barmherzigkeit nicht eine heilige Gerechtigkeit, in dieser Ordnung nicht Gerechtigkeit?

 Sie wünschen immer, nicht zu sterben, bis komme, der da kommen soll! Als ob sie Gottes Ordnung umkehren könnten, umkehren dürften! Wenn sie aber das weder können, noch dürfen, warum muß so ungeschicktes Reden aus ihrem Munde gehen, so ungeschicktes Reden − und so unkluges dazu!

 Weil die Todten eher mit Christo vereinigt werden, − eher der Seele nach, im Nu und vom Nu| an, wie St. Johannes schreibt, und eher dem Leibe nach, wie in der heutigen Epistel St. Paulus schreibt, so ist es ein kluger Wunsch, ehe Christus kommt, zu sterben! Denn der hat am ersten gewonnen, der am ersten mit Ihm in unwandelbarer Seligkeit vereinigt ist. Das sind aber nicht die Lebendigen, sondern die Todten!

 Selig sind die Todten, die im HErrn sterben, vom Nu an, denn der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit! Und derselbige Geist spricht auch, daß sie in ihrer Ruhe nichts versäumen, das da wichtig ist auf Erden. Denn was ist wichtig, bevor ER, der Richter, erscheint? Wenn aber Der kommt, dann sind die Todten dabei − dabei in vollester Theilnahme! Des Erzengels Posaune vernehmen sie so gut wie die Lebendigen! Des HErrn Angesicht, ihre Erlösung sehen sie in gleicher Weise! Vereinigt mit dem Leib der Herrlichkeit werden sie zuvor! Ihm beigefügt zuvor! Und die Heimfahrt, die Himmelfahrt halten sie mit ihnen!

 Selig sind die Todten, die im HErrn sterben! Vom Nu des Todes an − im Nu der Wiederkunft des HErrn − von Ewigkeit zu Ewigkeit! Halleluja!


Am sechsundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
2. Petri 3, 3–14.

 DEr Himmel steht schon so lange und die Erde, ohne daß eine wesentliche allgemein merkbare Veränderung erfolgt ist. Fast wie für die Ewigkeit gebaut wölbt sich der Himmel und die Erde scheint auf unvergängliche Säulen gegründet. Und während das Angesicht Himmels und der Erde so unveränderlich erscheint, predigen wir seit fast zweitausend Jahren immer zu den Untergang der Welt durch Feuer. Fürs Feuer behalten sei die Welt. Am Tage des HErrn werden die Himmel mit großem Krachen vergehen, die Elemente vor Hitze zerschmelzen, die Erde und die Werke in ihr verbrennen. Dann werde der HErr einen neuen Himmel und eine neue Erde bauen, auf welchen Gerechtigkeit wohnen. So predigt ein Geschlecht der Prediger nach dem andern. Und eines nach dem andern legt sein Haupt ins Grab, ohne daß eine Aenderung an Himmel und Erde erfolgt und die gefürchtete Auflösung aller Dinge erfolgt. Zwar wißen wir, daß schon von den allerersten Predigern dieser Lehre, von Petro und Paulo, gewarnt wird, daß man nicht willkürlich die Zeit des Endes bestimme. Petrus sagt, es seien tausend Jahre wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre, weil Gott an einem Tage so viel vollenden und vollbringen kann als in tausend Jahren, und in tausend Jahren, wenn Er will, nicht mehr als sonst in einem Tage. Die Zeit des Endes ist von Anfang an ganz ins Dunkel gestellt und dem HErrn allein bewußt. Aber eben diese bestimmte Lehre vom Ende, welche doch wieder so unbestimmt ist rücksichtlich der Zeit und Stunde, ist seit langem und wird bis ans Ende sein ein Gegenstand des Spottes der Spötter, die dem Augenschein mehr trauen, als dem Worte Gottes, und gern alles Gotteswort Lügen strafen möchten, damit es sie in ihren Lüsten nicht straft. Vor diesen Spöttern bewahre uns, o HErr, und behüte uns, daß wir niemals von ihren frechen Lügen angefochten werden. Dagegen laß uns Dir trauen, o HErr, und fest glauben, daß Du allein deshalb den Tag verziehst, weil Du Geduld hast und nicht willst, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. Deine Geduld mit uns mache uns geduldig mit dem Elend der Zeit, daß uns die Zeit nicht lange werde, die Wartezeit auf den jüngsten Tag. Und weil dein Tag kommt, bald oder spät, und wir jeden Falls bis ans Ende unsers Lebens gerüstet sein müßen auf Deine Zukunft, so haben wir eine Bitte, die wollest Du uns nicht versagen: es wirke in uns Dein Geist nach den Worten Petri, daß wir Fleiß thun, vor Dir unsträflich und im Frieden erfunden zu werden. Was Dein Apostel Petrus vor seinem Ende feiernd gesprochen hat, hab ich betend nachgesprochen. Es sei mir, o Vater aller Gnade, vollkommene Wahrheit wie alle Deine Worte! Amen.


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Am siebenundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
1. Thess. 5, 1–11.

 DIe Erde, sagt man, ist eine Kugel, auf der einen Seite ist Tag, auf der andern ist Nacht. Wechselsweise hat eine Hälfte Tag und die andere Nacht. So ist auch die Welt getheilt in Betracht der Erkenntnis Christi und Seines heiligen Worts. Der eine Theil hat Finsternis, und für den andern ist Tag, nur daß nicht abwechselnd der eine Theil Tag hat, der andere Nacht, sondern der Tag bei den Kindern des Tages bleibt, die Nacht aber wächst und zunimmt bei den Kindern der Finsternis. Die Kinder des Lichtes, welchen der Heilige Geist Erkenntnis Gottes und Seines Christus gegeben hat: sie gehen, sind sie nur treu, von Licht zu Lichte! Aber freilich um treu zu sein, muß man nüchtern sein, wachen und beten. Denn die Kinder der Finsternis bezaubern unsere arme Seele, daß sie nicht mehr weiß, was Finsternis und Licht ist, daß sie anfangs in Dämmerschein und dann in Finsternis, in Blindheit und Verkehrtheit des Sinnes und Urtheils geräth. Die Kinder des Tags sollen nüchtern sein und darum wachen und beten, ja streiten in Glaub und Lieb und Hoffnung wider die Verführung der Finsternis. Selig sollen sie werden durch Den, der für sie gestorben ist; selig werden sollen sie, wenn Er kommt − und weil sie nicht wißen, wann Er kommt, sollen sie immerdar wachen, auf daß sie selig werden. − Wann kommst Du, wann bringst Du ein Ende unsers Tages in der finstern Welt, wann dürfen wir aufhören zu wachen, zu sorgen, zu streiten? Es ist uns bang, daß uns die Nacht umfahe, und unsre Augen sich schließen! − Wir wißen Deine Antwort auf unsre Frage. Du kommst mitten in der Nacht, wenn die Nacht um sich gegriffen und die Kinder des Tags übermocht hat, wenn kein Mensch mehr von Dir und von Deinem Tage spricht und weiß, wenn alle sagen: es ist Friede, es hat keine Fahr! Also wenn Dein Wort nicht mehr helfen will, wenn Dein Licht keine Aufnahme mehr findet, wenn die Menschen Dich und Deine heilige Religion nicht mehr wollen: wenn alles ganz irdisch, weltlich, sündlich wird − und man es für Weisheit hält, so zu sein und zu werden: dann kommst Du! − Kommst Du bald? Es ist finster, es wird finster und finsterer umher. Kommst Du bald? − O HErr, es sei daß Du eher zu mir kommst, oder ich eher zu Dir; wie es werde und gehe mit Deinem jüngsten Tage und meinem Leben, das Eine laß mir, daß meine Seele an Deinem Worte, Deinem Lichte hange und die Straße finde, die zum ewigen Leben führt. Das Licht des Lebens schenke mir; im Finstern, in Unkenntnis Deiner und Deines Weges, laß mich nicht wandeln, − und mein Licht verlösche mir nicht mitten in der Finsternis! Licht, o HErr, Licht am Abend, Licht in der Mitternacht, − Licht am Lebensabend, − Licht, wenn Dein Tag kommt, schenke mir nach Deiner Gnade! Amen.




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