Beytrag zu einer statistischen Topographie des Teutschmeisterthums

Textdaten
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Autor: P. A. Breitenbach
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Titel: Beytrag zu einer statistischen Topographie des Teutschmeisterthums
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 129–167
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Fortsetzung des Beytrags zur statistischen Topographie des Teutschmeisterthums
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I.
Beytrag zu einer statistischen Topographie des Teutschmeisterthums.
Eine Topographie im eigentlichen Sinne des Worts von einem Lande zu schreiben, sey dasselbe auch noch so klein, ist allerdings schwer. Wenn man fordern wollte, daß der Verfasser einer Topographie sich selbst nach jedem Orte verfügen, und sich um alle Merkwürdigkeiten, die Lage und Fruchtbarkeit der Orte erkundigen und eigne Einsicht nehmen sollte, so würde man eine Arbeit von ihm fordern, die er vielleicht in vielen Jahren nicht vollkommen zu Stande bringen könnte. Verläßt sich derselbe hingegen auf Nachrichten von andern, auf die Correspondenz mit seinen Freunden, so ist er entweder| der Gefahr ausgesetzt, Unwahrheiten zu schreiben, oder er muß die Unannehmlichkeit fühlen, daß ihm seine Freunde nicht einmahl auf die ihnen vorgelegten Fragen antworten, wie es bey meiner kleinen Arbeit öfter der Fall war, wovon ich jedoch die Ursachen nicht untersuchen will. Nach meinem Begriff von einer auch nur mittelmässig vollständigen Topographie, muß, nebst der Lage der Örter, Fruchtbarkeit des Bodens, Anzahl, Industrie etc. der Einwohner etc. besonders in einem Staate, wie der Teutsche Orden, auch ältere und neuere, aus ächten Quellen geschöpfte Geschichte mit eingeflochten werden. Allein dieß ist es eben, was meinem Versuche am meisten abgehet, und denselben wenig über ein trockenes Namen-Verzeichniß erhebet. Mancher Leser würde vielleicht gerne wissen mögen, wer vorher, ehe diese oder jene Güter an den Teutschen Orden gekommen sind, dieselbige besessen, wann und unter was für Bedingnissen der Orden dieselbigen erhalten habe, und was einzelne Dörfer sowohl als ganze Ämter seitdem für Schicksale erlitten. Den erstern Wunsch kann nur eine authentische Sammlung von alten Documenten, Tausch- Kauf- und Schenkungsbriefen erfüllen, an der es aber| fast ganz und gar im Teutschen Orden fehlet[1] Der Teutsche Orden hatte zwar von jeher, wie jeder andere Staat, seine mehr oder weniger geschickten Geschäfftsmänner, aber sie haben in Hinsicht auf die Geschichte ihres Vaterlandes fast nichts für die Nachwelt gethan: entweder weil ihnen von ihren übrigen Berufsarbeiten zu wenig Zeit dazu übrig geblieben; oder weil sie nicht Muth genug hatten, der Welt von den Verhandlungen ihrer Regenten zum Wohl und Wehe der Unterthanen öffentliche Nachricht zu geben, vielleicht auch aus guten Gründen nichts zur Aufklärung der Geschichte ihres Zeitalters beytragen wollten. Die einzige Quelle, woraus wir schöpfen könnten, sind die Archive; aber es wird noch lange ein frommer Wunsch forschender Freunde der historischen Wahrheit bleiben, bis uns diese geöffnet werden, um aus denselben die Widersprüche der ältern und neuern Geschichtschreiber vereinigen,| und eine ächte und interessante Geschichte verfertigen zu können. Es kann also auch der andere Wunsch nicht so leicht erfüllt werden. Gegenwärtiger Beytrag soll zugleich zur Aufmunterung derjenigen dienen, die näher an der Quelle sitzen. Ich schränke meine Arbeit bloß auf das eigentliche Meisterthum, in so weit nämlich der Beherrscher davon ein Mitglied des Fränkischen Kreises ist, ein, und beschreibe a) die Gegend um Mergentheim, als das sogenannte Tauber-Oberamt, dann werde ich b) in einer Fortsetzung von dem Neckar-Oberamt handeln, welche beyde Oberämter die untern Lande, so wie die erst 1688 dem Meisterthume einverleibte Balley Franken, wovon ich c) in der zweyten Fortsetzung reden werde, die obern Lande heißen.
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Der Theil des Teutschen Meisterthums, von dem hier die Rede ist, liegt zwischen dem Mayn und der Jagst, und wird in seiner Breite von der Tauber, die eine halbe Stunde ober der Fränkischen Reichsstadt Rothenburg aus zwey kleinen Bächen entstehet, durchströmet. Seine ganze Länge ist von Norden gegen Süden 4, und die Breite gegen 11/2 Meilen, und da liegen noch einige Hohenlohische und edelmännische Orte dazwischen.| Die vornehmsten Gränznachbarn sind gegen Norden das Hochstift Wirzburg, gegen Osten und Süden die Grafschaft Hohenlohe, gegen Abend die mittlere Pfalz und das Mainzische Oberamt Bischofsheim an der Tauber.
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Obgleich das ganze Ländchen ziemlich bergicht ist, so ist es doch fruchtbar, besonders in der Gegend, durch welche die Tauber fließet. Die nördliche Gegend bringt guten Roggen und Waizen herfür, und entschädiget durch ihren Überfluß die etwas rauhern südlichen Gegenden, wo anstatt des Waizens nur Dinkel und an einigen Orten nur Kleindinkel geräth. Übrigens trägt der Boden allenthalben die zum Unterhalt des Lebens nöthigen Früchte, als: Erbsen, Linsen, Gersten, Haber, Kappis, Rübsen und andere Gemüse, man baut Flachs, Hopfen, und seit einigen Jahren aller Orten eine Menge Kartoffeln, die sehr gut gerathen, und im Winter Menschen und Vieh ernähren. Auch am Weinwachse ist das Ländchen nicht arm, und hat ehedem aus Schwaben schöne Summen hereingebracht. An einigen Orten wächst derselbe auch gut, und würde noch besser seyn und in Weinjahren in größerer Quantität gerathen, wenn nicht| seit einigen Jahren der Weinbau in etwas vernachläßiget würde. Dieß trift besonders in der Residenzstadt Mergentheim ein, wo die Hälfte der Einwohner ihre Weinberge nicht selbst bauen kann, und also dieselben von Taglöhnern auf dem Lande bestellen lassen muß, die oft den Weinbergsbau selbst nicht verstehen, oft auch gewissenlos genug sind, für ihren schönen Jahrslohn die Arbeit nachlässig zu verrichten. Ein großer Theil derjenigen, die ihre Weinberge selbst bauen, haben die erforderliche Kenntniß in der Bestellung derselben nicht ganz. Es wächst in dem ganzen Taubergrunde viel rother Wein, aber man setzt rothes und weißes Zeug untereinander, und gibt sich im Herbste die Mühe nicht, die rothen und weisen Trauben voneinander abzusondern und jede Gattung besonders zu keltern. Der Wein hält sich indessen nicht viel über 15 Jahre, wornach er gänzlich abfällt. Noch weniger Mangel hat das Land an Holz und hat auch solchen nicht sobald zu befürchten, wenn geschickte Förster gut haushalten, wenn der vor einigen Jahren [2] von der Regierung zu| Mergentheim ergangene Befehl, daß alle neu erbauet werdende Häuser wenigstens aus einem Stockwerk von Steinen bestehen sollen, genau beobachtet wird, wenn endlich nicht mehr Ziegelbrennereyen, als wirklich schon da sind, über das wahre Verhältniß zur Größe des Landes, errichtet werden. In einem Umkreise von 6 Stunden stehen 7 Ziegelhütten, von denen erst seit einigen Jahren zwey neu aufgerichtet worden sind, welche das ganze Land reichlich mit Ziegeln und Kalch versehen. Die an das Hohenlohische und Wirzburgische angränzenden Dorfschaften geben jährlich eine große Quantität Holz dahin ab. Die Gattungen des Holzes stehen vermischt in den Wäldern, und sind Buchen, Eichen, Birken, Aspen, Tannen und Fichten. Der höchste Preis einer 5 Fuß hohen und eben so breiten Klafter des| besten Buchenholzes war, vor 30 Jahren 2 rheinische Gulden; gegenwärtig muß man es um 3 auch 31/2 fl. bezahlen.[3] Da kein Mangel an Waldungen ist, so fehlt es auch nicht an Wildpret, und unter der vorigen Regierung war es wirklich zum Verderben des Landes im Überfluße vorhanden. Es gab wilde Schweine zu 200 bis 500 Pfund, die bey gelinder Witterung zur Nachtszeit aus den Wäldern gingen, und besonders an der Sommerfrucht großen Schaden anrichteten, weßwegen man in einigen Orten fast 6 Monate lang immer gegen sie auf der Hut seyn mußte. Zwölf- bis sechzehnendige Hirsche streiften zu 15-20 fast bis an den Tag einen Steinwurf weit von den Dörfern, und fraßen den Segen des arbeitsamen Landmanns hinweg. Diesem Übel half jedoch der für das Wohl seiner Unterthanen so besorgte Regent gleich bey dem Antritte seiner Regierung ab, indem er allenthalben große Jagden anstellte, und den Förstern und Jägern den strengsten Befehl ertheilte, das schädliche Wild vollends gar wegzuschießen. An Fischen ist die Tauber arm, und hat| nichts als einige Karpfen, Hechte, Barschen, Weißfische und höchst selten einen Aal. Ein einziger Bach, der ungefähr 2 hundert Schritte unter Mergentheim in die Tauber fließt, führt mehrere Forellen mit sich. Dagegen fehlt es weniger an Hornvieh, und die ehedem schon nicht unbeträchtliche Viehzucht hat sich seit der Einführung der Stallfütterung noch mehr vermehrt. Man baut im ganzen Lande zum Behuf der Viehzucht alle Gattungen von Klee, Kartoffeln, Rübsen und andere Wurzelgewächse: das Vorurtheil zu Gunsten der Brache ist seit 12 bis 15 Jahren so verschwunden, daß man im Sommer oft von weitem nicht unterscheiden kann, in welchem Flur der Sommerbau oder die Brache ist. Daher kommt es auch, daß jetzt in manchen Dorfe Leute Capitalien ausstehen haben, die noch im Jahre 1778 solche verzinsen mußten, und andere, die dort kaum eine Geiß ernähren konnten, jetzt zwey Kühe im Stalle haben, noch andere aber ihre Kinder mit 3, 4, 600 fl. aussteuern, die beym Anfange ihrer Haushaltung selbst kaum 50 fl. oder einige magere Äcker im Vermögen hatten. Indessen trifft man doch in dem engen Kreise noch hie und da ein Dörfchen an, dessen Einwohner seit 50 Jahren| keinen Grad in der Industrie vorgerückt sind. Dieß gilt besonders von den südlichen Einwohnern des Landes, die überhaupt in der Aufklärung ihren nördlichen Landsleuten weit nachstehen.
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Der Charakter[4] der Einwohner ist sanft, biegsam, sie sind offenherzig, redlich, gastfrey, religiös, besonders in Rücksicht alter Gebräuche, nehmen aber gerne jede gute Reform an, wenn sie mit gehöriger Vorsicht und Behutsamkeit gemacht wird. Ein Beyspiel ist die Abstellung der Kirchenmusik, und die Einführung des gemeinsamen Teutschen Gesanges, die im Jahre 1782 geschah. In diesem Jahre ward die Kirchenmusik sowohl in der Hofkirche zu Mergentheim, als in allen übrigen Kirchen in der Stadt| und auf dem Lande, abgestellet, und dafür, nach dem Geiste der ersten Christen, der gemeinsame Gesang eingeführet. Die Gesänge wurden mit der klügsten Auswahl aus verschiedenen der besten Teutschen Gesangbücher genommen, jedoch zugleich, um beym Pöbel dem Vorurtheil der Neuheit zu begegnen, einige der brauchbarsten aus dem alten Gesangbuche beybehalten. So unbedeutend diese Veränderung scheinen mag, so wichtig muß sie wegen ihrer leichten Aufnahme bey dem gemeinen Haufen dem Philosophen seyn. Diese Reform fand so wenig Schwierigkeit bey den Gemüthern, daß schon am dritten Sonntage, nachdem die Kirchenmusik unterblieben war, die ganze Kirche von dem einmüthigen Gesange der Versammelten ertönte. Dieß ward aber hauptsächlich durch zwey Stücke erzwecket, a) daß auf Kosten des Aerariums gegen 4000 Exemplare von dem neuen Gesangbuche gedruckt, gebunden und unter die Einwohner vertheilt wurden, b) daß einige Knaben und Mädchen aus der Stadt, von 12–15 Jahren, so lange im Absingen der Gesänge geübet wurden, bis sie dieselben in der Kirche mit Beyhülfe der Orgel fertig singen konnten, wonach sie dann in der Kirche vertheilt wurden, und so das| übrige Volk durch ihren Gesang aufmunterten. So wahr ist es, daß, wenn man den gemeinen Haufen von einem Vorurtheile abbringen will, man es leicht zuweg bringen könne, wenn man klug zu Werke gehet. Nebstdem sind die Einwohner arbeitsam, lieben die Sparsamkeit, und sind, im Ganzen genommen, keine Freunde von Pracht und Üppigkeit. Die Industrie wird durch die vor einigen Jahren eingeführten Industrieschulen sowohl in der Stadt als auf dem Lande schon bey der zarten Jugend merklich befördert. (S. dies Journ. 3. B. 1. Heft) Diejenigen Landleute, welche zugleich Weinberge besitzen, haben bis gegen Weihnachten zu dreschen, dann fällen und bereiten sie ihr Holz für das folgende Jahr, bessern nachher ihr Geschirr aus, flechten Strohnäpfe, Körbe, binden Besen, und thun noch andere zur Haushaltung nöthige Verrichtungen. Die Häcker oder Winzer verbessern ihre Weinberge, tragen Erden in dieselbige, errichten hier und da eine trockene Mauer um dieselbigen, und bringen den übrigen Winter noch mit den oben genannten nützlichen Arbeiten zu. Der bloße Taglöhner muß sich ohnehin täglich eine Beschäfftigung suchen, wenn er sich und die Seinigen ehrlich ernähren| will. Auch in seiner Sprache hat das Ländchen etwas eigenes. Die Mundart in dieser Gegend ist, so wie in der Gegend von Hohenlohe, Bartenstein und Schillingsfürst, der Reichsstadt Rothenburg, des Stift Comburgischen Fleckens Kupferzell, singend, langsam, platt, und wird wegen des starken Zischens, besonders je näher man der Schwäbischen Gränze kommt, derselben Mundart ähnlich.
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Was Künstler und Kunstfleiß angehet, so kann man in einem so kleinen Staate, wo sich nicht für beständig der Regent, und fast gar kein Adel aufhält, freylich wenig erwarten. Mergentheim selbst hat zwar einige geschickte Künstler: allein in einem so kleinen Staate haben solche Männer oft genug zu thun, um sich der Noth zu erwehren, und weder Muth noch Muße die Natur zu studiren und nachzuahmen; es fehlt ihnen an Bewunderern ihrer Kunst, an Unterstützung in ihren Unternehmungen; und so verrosten sie, da sie vielleicht sich und ihrem Vaterlande Ehre gemacht haben würden. Auch der Mangel an Manufacturen und Fabriken, die wegen des engen Kreises des Landes, weßwegen es an dem nöthigen Absatze der Waaren fehlen würde, unmöglich gedeihen| können, ist eine Ursache mit, daß die Betriebsamkeit der Einwohner sich nicht vollkommen äussern, und der Kunstfleiß keinen höhern Grad erreichen kann[.] – Die Aufklärung steigt in dem Grade, in welchem gute Reformen und bessere Einrichtungen in dem Schul- und Erziehungswesen gemacht werden, und hierin hat es der jetzige Herr Hoch- und Teutschmeister weder an Sorge noch Kosten fehlen lassen. Die Verbesserung der Trivialschulen in der Stadt und auf dem Lande, die schöne Reforme mit dem Gymnasium zu Mergentheim sind redende Beweise hievon.
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Die Polizey-Anstalten sind im ganzen Teutschherrischen gut. Um z. B. der Dieberey Einhalt zu thun, und die Landstreicher zu verscheuchen, hat die Regierung zu Mergentheim mehrere handveste Leute angenommen, die in der Stadt und den Ämtern hin und wieder verlegt sind, um auf alles genaue Aufsicht zu nehmen, und verdächtige oder wirklich auf Verbrechen erwischte Personen einzuziehen, die Landstreicher aber und gefährlichen auswärtigen Bettler mit Beyhülfe der Beamten fortzuschaffen. Der öffentlichen Betteley ist 1783 durch Errichtung eines Armeninstituts Einhalt| gethan worden. Das in der Hauptstadt jährlich von milden Stiftungen, und bey Jahrtagen oder Seelenmessen der Verstorbenen fallende Almosengeld hat man zu dem öffentlichen Fonds geschlagen, das fürstliche Rentamt gibt selbst eine ansehnliche Summe dazu her, und das übrige wird von den wöchentlichen Collecten bey den Einwohnern in der Stadt gezogen. Eben diese Einrichtung ist auch auf dem Lande getroffen.
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Bey Gelegenheit eines zweymahligen kurz auf einander folgenden Brandes in einem nahe an der Residenzstadt gelegenen Dörfchen ist 1790 eine eigene Brandschaden-Gewährungs-Gesellschaft errichtet worden, da vorher die meisten Einwohner in der Stadt ihre Häuser der Wirzburgischen Feuer-Assecuranz einverleiben ließen. Wie hoch sich bereits das Capital belaufe, ist mir zur Zeit noch unbekannt. Da auf dem Lande in kleinen Dörfern viele Häuser mit Stroh gedeckt waren, so hat die Regierung durch ein Decret vom 1. Aug. 1791 geboten, alle Strohdächer wegzuschaffen, und die Häuser, wenn sie noch Ziegel zu tragen im Stande sind, mit solchen zu decken. In eben diesem Decret ist auch der Befehl ergangen, daß alle gefährliche Kamine abgebrochen, und| dafür feuerveste aufgerichtet werden sollen. Was das Rechnungs- und Münzwesen betrifft, so wird allenthalben nach dem Rheinischen Fuße gerechnet; nur diejenigen Landleute, welche an das Wirzburgische gränzen, bedienen sich im Handel und Wandel der Fränkischen Rechnung. An Scheidemünze fehlt es nicht, und man sieht allerhand Gattungen von alten schofeln Kreuzern. Auch die Wirzburgischen Schillinge werden für rheinische Groschen, und die Dreyer für Kreuzer ausgegeben. Am häufigsten siehet man bey großen Summen die Französischen Thaler, Conventionsthaler aber desto weniger. Von dem 1776 zu Werthheim geschlagenen Teutschherrischen Gelde ist mir seit 5 Jahren noch kein Stück zu Gesicht gekommen. Die Ursache davon ist mir unbekannt; wenigstens hat das Geld die Probe ausgehalten.
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Von einem öffentlichen Kornmagazine weiß man hier nichts, theils weil das Land klein ist, theils weil der herrschaftliche Fruchtboden in Mergentheim statt dessen dienet. Die Herrschaft, die sich Barmherzigkeit von jeher zum Grundsatze gemacht hat, gibt in Mißjahren den unvermögenden Unterthanen die Früchte allezeit um einen weit niedrigern| Preis, als es in der Nachbarschaft verkauft wird, und sieht alsdann mit der Zahlung so lange nach, bis sich die Leute wieder in etwas erhohlet haben, schenkt auch immerhin den Unvermöglichsten alle geborgten Früchte, wenn sie durch ein Amtszeugniß ihre Dürftigkeit erweisen, und sonst in dem Rufe guter Haushälter sind.
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Die Abgaben und Anlagen der Unterthanen sind sehr gering, und mit den Anlagen einiger angränzenden Herrschaften gar nicht zu vergleichen. In der ganzen Gegend um Mergentheim ist kein einziger Zoll, als der Neuhäuser, welchen nicht einmahl der Teutsche Orden, wie ich unten zeigen werde, eingeführet hat. Um alle Geldschneidereyen zu verhindern, ist im Jahre 1785 eine gedruckte Taxordnung, sowohl für die auf Commission gehenden Räthe, Canzlisten und Bedienten, als auch für die Beamten auf dem Lande und alle Gerichtsdiener erschienen. Die Unterthanen haben also keine Ursache sich über den Druck ihrer Obrigkeit zu beschweren, und ich bin versichert, daß, wenn das Französische Freyheitsfieber ganz Teutschland anstecken würde, es gewiß im Teutschherrischen zuletzt Eingang| finden würde. So verhält es sich auch mit der Leibeigenschaft, der im ganzen Teutschherrischen keine Seele unterworfen ist.

Glückshäfen, Gaukler, Bärenführer, ausstehende Ärzte werden im Teutschherrischen nicht mehr geduldet, sondern bey ihrer Erscheinung sogleich über die Gränze verwiesen.

Den ehedem so großen Aufwand bey Gevatterschaften zwischen Eltern und Gevattern, die Hochzeit- Tauf- und Leichenschmäuse, besonders die tiefe, wegen Austheilung der Flöre und Trauerkleider äusserst kostspielige und verderbende Trauer, stellte der Herr Hoch- und Teutschmeister gleich beym Anfange seiner Regierung ein, und die Unterthanen erkennen die Wohlthat dieses Verbots mit innigem Dankgefühle. Nur in einigen wenigen Dörfern herrscht noch der Gebrauch, daß bey Kindtaufen ein Dutzend Weiber der schwachen Wöchnerin mit ihrem faden Geschwätze fast neue Geburtsschmerzen verursachen; anderer Seits aber eben so viele und noch mehr Männer nach der Beerdigung eines Toden in dem Sterbhause des Seeligen sich vollantrinken. Daß der Regierung zu Mergentheim dieß bekannt sey, glaube ich nicht, weil ich überzeugt bin, daß sie diese| Mißbräuche längst abgeschaffet haben würde. Einen besondern Umstand wegen der abgeschafften Feyertage glaube ich hier bemerken zu dürfen. In der Stadt Mergentheim wird kein einziger verlegter Feyertag an dem sonst gewöhnlichen Tage gefeyert, aber auf dem Lande wird, so wie in den angränzenden ausherrischen Ortschaften, auch im Teutschherrischen noch stark darüber gehalten. Der gewöhnliche Gottesdienst unterbleibt zwar; aber aus Arbeiten wollen doch die Landleute nicht ganz. Man weiß zwar, daß das Landvolk schwer von seinen alten religiösen Gebräuchen abzubringen ist: aber bey einem Völklein, wie das Teutschherrische, das auch nicht durch die geringste Gattung von Druck gegen die Verordnungen seiner Obrigkeit eingenommen ist, dächte ich doch, daß aufgeklärte Seelsorger etwas vermögen könnten. Die Geistlichkeit, (ich spreche hier im allgemeinen) muß freylich zuerst bey sich anfangen, und dem Volke das Vorurtheil der Gemächlichkeit zu benehmen suchen. Der Haupteinwurf des Pöbels gegen das Vernünftige und Nothwendige bey der Verlegung der Feyertage ist immer der, daß es heißt: die Geistlichkeit habe bey der Abschaffung derselben auf ihre Gemächlichkeit gesehen,| damit sie auf diese Tage keine Predigt studiren, und an denselben sonst keine gottesdienstliche Verrichtung thun dürfe. Doch ich will niemanden in seine Rechte und Pflichten eingreifen!

Todesstrafen sind aus dem schon oben angeführten Grundsatze des Ordens höchst selten. Seit langer Zeit ist kein Dieb, wenn er auch noch so viel gestohlen hatte, und seines Verbrechens überzeugt worden war, am Leben gestraft worden. Im Jahr 1772 ist in dem die hohe Gerichtbarkeit besitzenden Marktflecken, Markelsheim, eine Kindsmörderin enthauptet worden, und seitdem hat die Gerechtigkeit überhaupt kein Blut mehr gefordert, ob sich gleich erst vor einigen Jahren ein ähnlicher Fall in Mergentheim selbst ereignet hat. Die Unglückliche wurde verurtheilt, zehen Jahre in dem Arbeitshause zu Wirzburg zu seyn, aber nach Verlauf zweyer Jahre von dem Herrn Hoch- und Teutschmeister mit der Freyheit begnadiget.

Ich komme nun meinem Zwecke näher, und zur eigentlichen Topographie des Meisterthums. Der Ort, von dem ich ausgehe, kann natürlicher Weise kein anderer| seyn, als Mergentheim,[5] die Hauptstadt des ganzen Hochmeisterthumes, und Residenz des Hoch- und Teutschmeisters. Sie liegt in einer angenehmen Gegend an der Tauber, die hier schon ziemlich stark ist, und mit 2 Brücken, unterhalb der Stadt mit einer massiven steinernen von 7 Bögen, oberhalb aber mit einer hölzernen versehen ist. Das Thal ist breit, und die auf drey Seiten mit Wäldern bewachsenen Berge verschaffen nebst den Wiesenthälern zur Sommerszeit dem Auge eine reizende Aussicht. Das Städtchen ist mit einer doppelten Mauer, und ausserhalb derselben mit einer zweyfachen Reihe hoher auf einem Walle stehenden Lindenbäume umgeben, die sowohl einen angenehm beschatteten Spatziergang für die Einwohner machen, als auch im Julii mit dem Wohlgeruche ihrer Blüthen einen grossen Theil der Stadt erfüllen. Die Ebenen ausserhalb der Stadt erstrecken sich auf Seiten der Berge gegen eine gute Viertelstunde,| und bestehen aus fruchtbaren Gemüß- und Obstgärten; nur zu äusserst an dem Fuße der Berge und längs der Tauber sind fette Äcker und Wiesen. Die Berge selbst sind allenthalben bis an ihre Gipfel oder den Wald mit Weinstöcken besetzt; in den Ebenen sieht man aber im ganzen Taubergrunde keinen Weinberg.
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Die Anzahl der Einwohner belauft sich, mit Inbegriff des Hofstaates, der Geistlichkeit und 9 Judenhaushaltungen, auf 2835 Köpfe, und die Anzahl der Privathäuser auf 433, von welchen die meisten zwar nur 2 oder 3 stöckig, jedoch viele nach dem neuesten Geschmacke gebauet sind. Die Straßen sind, etliche ausgenommen, breit und gerade, die ganze Stadt reinlich und daher auch gesund, wozu das reine Wasser nicht wenig beyträgt. Im Jahre 1220 soll der damahlige Teutsche – hernach Grosmeister Heinrich von Hohenlohe dem Orden die Stadt samt den dazu gehörigen Dörfern geschenkt haben. Die sehr weitschichtige Residenz liegt ostwärts von der Stadt, und ist gegen dieselbe in zwey Flügel abgetheilt, in deren linken die Regierung, Kammer und Canzley sind. Sie hat einen doppelten Hof, und ist mit einem Wassergraben umgeben, der| nun gegen die Stadt zu ausgetrocknet, aber wegen seiner ausserordentlichen Tiefe noch nicht eingeebnet ist. Der im Jahre 1782 verstorbene Statthalter von Eptingen ließ das Wasser ableiten, etliche Schuhe hoch Erde hinein führen, wozu ihm einige Bauern und Häcker vom Lande, die ihm des Wildschießens wegen verdächtig waren, gute Dienste leisteten, und den Platz alsdann nach Art eines Englischen Gartens mit Bäumen besetzen. Die Bauart des ganzen Schlosses ist antik, ausser dem, vom Hoch- und Teutschmeister, Clemens August, der zugleich Kurfürst zu Kölln war, renovirten südwärts gelegenen Flügel; und der von eben demselben ganz neu erbauten prächtigen Hofkirche. Zu äusserst des äussern Schloßhofes steht ostnordwärts das Teutschmeisterische Priesterhaus, worin die Selsorger für das Meisterthum gebildet werden.
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Herr Büsching berichtet uns unrecht, wenn er in seiner Erdbeschreibung III. Th. 2. B. S. 1920. 4. Auflage sagt: „die Regierung zu Mergentheim besteht aus einem Stadt- oder Vicestatthalter, Präsidenten, Hauscommenthur, Trappirer, einigen geheimen Räthen, einigen Regierungsräthen, einigen geistlichen Räthen, und gewissen| Kammerräthen“ denn es ist eine abgesonderte Regierung und Kammer, ein besonderer geistlicher Rath, von denen auch der Statthalter, Hauscommenthur und Trappirer Mitglieder sind, ein Marschallamt, ein Oberamt und ein eigenes Stadtgericht zu Mergentheim; und diese Einrichtung hatte es schon größtentheils, als Büsching seine Geographie schrieb. Mergentheim hat also, wie gesagt, eine weltliche Regierung, deren Mitglieder aus mehrern adelichen und unadelichen Personen bestehen. Die Kammer besteht gleichfalls aus adelichen und unadelichen Personen, und besorget die Kameralgeschäffte des ganzen Meisterthums. Das Personale dieser beyden Dikasterien, so wie der geheimen und Regierungs-Kanzley, ist durch die Einverleibung der Balley Franken mit dem Meisterthume, die im Jahre 1788 geschah, und auf dem im October 1791 zu Mergentheim gehaltenen Großcapitel bestättiget wurde, sehr vermehret worden, indem die meisten zu Ellingen angestellten Räthe nach Mergentheim übersetzt wurden. Beyden stehet das im Jahre 1782 errichtete Tauberoberamt nach. Ehedem ward dasselbe die Hofaudienz genannt, weil vor demselben zugleich die ins| Marschallamt einschlagenden und die Policey betreffenden Gegenstände geschlichtet wurden, und war die zweyte Instanz in den unten besonders vorkommenden Ämtern Balbach, Nizenhausen und Wachbach, wo die Beamten keine Jurisdiction hatten, die denselben aber seit Errichtung des Oberamtes beygeleget worden ist. Alle Gemeinde- Vormundschafts- und Heiligen-Rechnungen aus den fünf unten genannten Ämtern müssen vor dem Oberamte abgelegt und revidirt werden.
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Hiernächst kommt das Stadtgericht, welches ehemahls aus dem Präsidenten, welches allzeit der Hauscommenthur war, 12 Stadtrathen und dem Stadtschreiber bestand. Die 6 ältern Stadträthe hatten Sitz und Stimme auf dem Gerichte. Überhaupt aber waren die Mitglieder des Stadtraths Handwerker und zum Theil auch Handelsleute. Im Jahre 1782 fand der jetzige Herr Hoch- und Teutschmeister für gut, den Stadtrath aufzuheben, und dafür einen Stadtschultheiß zu setzen, jedoch wurden etliche aus den Rathsgliedern als Beysitzer beybehalten, und denselben zugleich die Pflegen und Verwaltungen der gemeinen Stadtämter anvertrauet. Das jetzige Stadtgericht bestehet also aus dem Stadtschultheissen,| dem Stadtschreiber und etlichen bürgerlichen Beysitzern. – Das Marschallamt, als das Forum der Offizianten und Bedienten der Hofhaltung hat mit den eben genannten Dikasterien und Gerichtsstellen keine Verbindung. – Das Personale des geistlichen Raths besteht aus dem Statthalter als Präsidenten, dem Haus-Commenthur, Kanzler, Kanzleydirector als geheimen Räthen, und 4 andern wirklichen geistlichen Räthen.
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Der Hoch- und Teutschmeister gehört unter die geistlichen Fürsten des Fränkischen Kreises, und hat bey der Kreisversammlung den vierten Rang, ob er gleich auf dem Reichstage schon als Teutschmeister unmittelbar nach dem Erzbischoff von Salzburg folget, mithin allen Teutschen Bischöffen vorgehet. Er trägt sein Reichs- und Kreiscontigent sowohl an Geld als Mannschaft bey. In Episcopalibus steht das Meisterthum unter dem Bischoff von Wirzburg, der auch die Priester des Teutschmeisterischen Seminars ordinirt. Es führt zwar in dem Wirzburgischen Staatskalender eine Landdechaney den Namen des Mergentheimer Landcapitels; allein der Stadtpfarrer zu Mergentheim nimmt, als wirklicher geistlicher| Rath allda, die in dem Capitel turnirende Stelle eines Dechants nicht an, und nach einem zwischen dem Bischoff von Wirzburg und dem Teutschen Orden geschlossenen Vertrage darf nicht der Landdechant, sondern nur der Weihbischoff alle 12 Jahre visitiren, wobey er auch zu firmeln verbunden ist. Doch hat erst 1779 der letztverstorbene Dechant zu Lauda eine Visitation gehalten, der Weihbischoff aber bereits über 24 Jahre nicht allda gefirmelt. Indessen steht die Geistlichkeit des Meisterthums auch noch unter andern Bischöffen, je nachdem die Pfarren des Ordens in den Sprengeln derselben liegen. Diese Bisthümer sind Mainz, Worms, Constanz, Augsburg, Ingolstadt, Freysingen, Eichstädt etc. Dieß ist jedoch nur in Episcopalibus zu verstehen, und der Orden hat sonst durchaus die vollkommene Jurisdiction über seine Geistlichkeit; er kann alle einzelne Stellen besetzen, die Subjecte abrufen, wann und warum er will, und sie auch nach ihren Verdiensten behandeln. Es ist ein schönes, in allem sehr wohl bestelltes Seminar zu Mergentheim, worin für beständig 10 junge Männer gebildet, und mit allen Bedürfnissen reichlich versehen werden. Da die Balley Franken noch für sich bestand,| hatte der Landcommenthur zu Ellingen das Recht, gewisse einzelne Pfarren in Bayern und Schwaben allein zu besetzen, er durfte also auch seine eigenen Leute nach Mergentheim ins Seminar schicken, und der Candidat hatte nicht nöthig, sich wie andere aus dem Meisterthume, vor dem versammelten geistlichen Rathe zu Mergentheim einer Prüfung seiner Fähigkeiten zu unterwerfen. Allein seit der Einverleibung der Balley in das Meisterthum hört diese in gewisser Rücksicht schädliche Wohlthat auf, und die Candidaten aus den obern Meisterthums-Landen müssen sich nun auch eine strenge Prüfung gefallen lassen, wenn sie nicht als Priester und anderswo schon als Capläne gestanden sind.
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Die Stadt hat ein schönes Gymnasium, welches 1700 von dem damahligen Hoch- und Teutschmeister, Franz Ludwig, gestiftet, und den Dominicanern übergeben worden ist. Das Gebäude steht südwärts, und stößt fast an die Stadtmauer, ist aber so angebracht, daß die studirende Jugend nicht durch das Geräusch der auf den Strassen hin und her rollenden Wägen gestöret wird, und steht dennoch an einem offenen Platze. Erst im verflossenen Jahre ist dasselbe| sehr erweitert und verschönert worden. Die eine Hälfte des Unterhaltes der Professoren trägt die gemeine Stadt, die andere das Hochfürstliche Rentamt, welches auch die Kosten zur Vergrößerung des Gebäudes hergegeben hat.
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Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden sind die merwürdigsten: das Rathhaus, Spital, Waisenhaus, der Johanniter Hof, die Pfarrkirche und die Gebäude der Trivialschulen. Das Rathhaus stehet mitten in der Stadt, und theilet den ziemlich großen Marktplatz in zwey Theile. Es ist zwar schon alt, aber gut gebauet und sehr geräumig. Das Oberamt, Stadtgericht und Marschallamt hat in demselben seinen Sitz. Nordwärts vom Rathhause, gleichfalls mitten in der Stadt, ist das fürstliche Spital. Es hat vortreffliche Einkünfte, unterhält gegenwärtig 60 Pfründner beyderley Geschlechts, und kann deren noch mehrere aufnehmen. Man trifft ziemliche Reinlichkeit und Ordnung in demselben an, und man trägt nicht nur fleißige Sorge für die Wiederherstellung der Kranken, sondern gibt auch den Gesunden reichliche Verpflegung. Nicht lange vor der Mitte dieses Jahrhunderts hat ein gewisser Oehninger, der kurfürstlich köllnischer| Geheimer Rath und Amtmann zu Gelchsheim war, eine Stiftung für 12 Waisenkinder beyderley Geschlechts gemacht, welche der jetzige Herr Hoch- und Teutschmeister einstweilen bis auf 14 vermehrt hat. Die erwachsenen Knaben werden honetten Handwerkern in die Lehre gegeben, und die Kosten vom Spital getragen; die Mädchen aber im 14 oder 15ten Jahre in die Dienste der Bürger entlassen. Leute mit ansteckenden oder venerischen Krankheiten werden nicht in das Spital, sondern in das ausserhalb der Stadt gelegene Siechenhaus aufgenommen. Damit man weniger über Theurung der Arzneyen und den Mangel derselben klagen könnte, hat der jetzige Hoch- und Teutschmeister der ehemahls einzigen Apotheke ihr ausschließendes Privilegium genommen, und einen jungen hoffnungsvollen Mann, dem Hofchirurgus Anton Röser, die Erlaubniß gegeben, eine eigene Apotheke zum allgemeinen Gebrauch einzurichten.
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Ein anderes öffentliches Gebäude ist das Waisenhaus, in welches ehedem die Invaliden und andere Personen, die durch einen Zufall in eine nicht ansteckende, heilbare, oder sonst kurze Krankheit gefallen, übrigens aber hülflos waren, aufgenommen wurden;| jene blieben lebenslänglich in demselben, diese aber wurden nach ihrer Genesung entlassen. Nachdem aber 1783 bey Abstellung der öffentlichen Betteley eine Stadt-Armencasse errichtet wurde, ward zugleich eine Strumpffabrik aufgerichtet, wozu man einen großen Theil dieses geräumigen Gebäudes verwendete. Die Fabrik erhält sich noch immer, und es werden alle Gattungen von Strümpfen verfertiget, die theils in der Fabrik selbst verkauft, theils an die Handelsleute abgegeben werden. Wenn Hausarme etwas verdienen wollen, so wird ihnen Flachs und Wolle zum Spinnen gereichet, und täglich arbeiten 15 bis 20 Mädchen in der Fabrik.
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Der Johanniter Hof ist gleichfalls mitten in der Stadt. Seinen Namen hat er daher, weil er ehedem den Maltheser Ordensrittern gehörte. Nunmehr ist er ein eigenes Kammergut des Teutschen Ordens, und schon vor mehrern Jahrhunderten gegen andere auswärtige Güter desselben eingetauscht worden. Das Gebäude besteht in lauter Scheunen und Stallungen; bloß für den Oberknecht und die übrigen Dienstboten ist eine Wohnung in demselben angebracht. In dem Hofe werden bey 150 Stücke Rindvieh gehalten, das von der besten Gattung ist.| Es wird eine Art Schweizerkäse verfertiget, und viele Milch und Rahm in die Stadt verkauft. Auch ist eine beträchtliche Brannteweinbrennerey bey dem Hofe.

In einer der schönsten Straßen hat auch die Abtey Schönthal einen prächtigen mit vielen Gütern und Waldungen versehenen Hof, in dem ein Probst aus der Abtey wohnet, der die Ökonomie der Probstey zu verwalten hat.

Auch die fürstliche Bibliothek, die in dem Seminar stehet, ist nicht unbedeutend. Sie besteht aus vielen alten und seltenen Büchern, und wird jährlich durch Anschaffung der besten neueren Schriften noch vermehret. Im J. 1790 hat sie noch durch die von Ellingen herüber gebrachte Bibliothek einen großen Zuwachs erhalten. Noch vor kurzem war ein Gesetz, daß jeder Rath und Officiant an allen Dikasterien, bey der Antretung seiner Stelle zur Anschaffung neuer Bücher einige Gulden hergeben sollte, obschon ausser den geistlichen und weltlichen Räthen niemand ein Buch aus derselben benützen durfte. Allein seit 1782 ist diese Verordnung aufgehoben worden, und das fürstliche Rentamt trägt die jährlichen Auslagen allein. Jetzt hat jedermann, und besonders die studirende Jugend Zutritt in| dieselbige. Sie wird zu diesem Ende wöchentlich zweymahl geöffnet; man kann alle Bücher benützen, und auch ein oder das andere mit nach Hause nehmen, wenn der Actuar von der Redlichkeit dessen, der es empfängt, in etwas überzeugt ist. Seit 1772 ist auch eine Druckerey in Mergentheim, die aber, weil es nicht viele Arbeit gibt, nur eine Presse hat. Der Buchdrucker ist zugleich Setzer und Drucker, aber in seinem Metier ein sehr geschickter Mann. Seine vorzüglichsten Arbeiten sind die Bücher für die Stadt- und Landschulen, die Gesangbücher, ein hier und da von ihm selbst zusammengetragenes Gebetbuch, die herrschaftlichen Verordnungen, die Kalender, und endlich die Schulanzeigen und Theses vom Gymnasium. Von Kalendern sind mir 4 Gattungen bekannt, nemlich der erst seit einigen Jahren eingeführte größere Staatskalender, der Auszug aus demselben in Taschenformat, der allgemeine Stadt- und Landkalender, und endlich der in Schreibstuben gebräuchliche Kanzleykalender. In dem Stadt- und Landkalender ist zum Gebrauch der protestantischen Unterthanen auch die protestantische Ordnung und Zeitrechnung| angemerkt. Übrigens sind die unnützen Zeichen vom Säen, Pflanzen, Haarschneiden und die Aderlaßtafel weggelassen, dafür aber allerley moralische Erzählungen und physikalische Aufsätze angebracht. Das Intelligenzblatt erscheint erst seit dem Jänner 1791 wöchentlich auf einem halben Bogen, und gehet, seines vortrefflichen Inhalts wegen, manchem andern in Franken weit vor. Obrigkeitliche Verordnungen, gerichtliche Anzeigen, Ausschatzungen, gemeinnützige Bekanntmachungen, Verkauf und Verlehnungen, die Anzeige des Preises der Früchte und Victualien, und endlich, was es besonders empfiehlt, gut gewählte ökonomische Aufsätze und physikalische Abhandlungen sind sein Inhalt. Der leichte, faßliche und populäre Vortrag machen es für den gemeinen Mann sehr nützlich.
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Pfarren sind in Mergentheim nur zwey, nämlich die Hof- und Stadtpfarre. Der Hofpfarrer ist zugleich Director des Seminars; zur Stadtpfarre aber gehöret auch das eine halbe Stunde nordwärts von der Stadt gelegene Dorf Löffelstelzen als Filial. Indessen fehlt es nicht an Geistlichen, denn es ist ein Capuciner- und Dominicaner-Kloster allda. Das Dominicaner-Kloster[6]| hat gewöhnlich, mit Inbegriff der Professoren, 18 bis 20 Priester, und 2 bis 3 Layenbrüder. Die Einkünfte desselben bestehen theils in einigen eigenthümlichen Gütern, (größtentheils Weinbergen) theils in dem Landtermin und dem Gehalte der Professoren. Die Klosterbibliothek hat zwar mehrere alte und selten gewordene Bücher, allein sie stehen ohne Ordnung, und ganz vom Staube bedeckt da. Auch ist wegen der schlechten Finanzumstände des Klosters schon in vielen Jahren kein neues Buch angeschaffet worden. Weit besser sind die ökonomischen Umstände des Capuciner-Klosters.[7] Denn nebst dem Landtermin, der unter allen Mönchen für diese Classe am reichlichsten| ausfällt, werden täglich für 12 Köpfe, als die gestiftete Anzahl, die Victualien vom fürstlichen Hofe hergegeben. Auch haben sie hart an ihrer Kirche eine Wallfahrtscapelle, woraus sie jährlich eine schöne Summe Meßstipendien ziehen. Man hält daher das Capuciner-Kloster für eines der besten in der Provinz. Gewöhnlich belauft sich die Anzahl der Capuciner, die Layenbrüder mit eingerechnet, auf 27, von denen das Convent zwey Prediger in die Stadtpfarrkirche stellt, die aber bey dem jetzigen Stadtpfarrer, der als ein wahrer Hirt seinen Pfarrkindern gerne selbst prediget, nicht sonderlich viel zu thun haben. Die große Anzahl der Capuciner scheint mir mit dem kleinen Staate in keinem Verhältnisse zu seyn. Der jüngste, welcher aus dem Teutschherrischen die rauhe Kutte anlegte, ist bereits 14 Jahre in dem Orden, und schon seit vielen Jahren sind nur 4 Landeskinder in demselbigen. Der Staat muß also viele Jahre 23 Ausländer ernähren, die demselbigen gewiß zur Last fallen!! Freylich müssen die Capuciner viele Messen in den Kirchen der Stadt lesen, auch in der ihrigen an Sonn- und Festtagen den gemächlichern Christen zur Erfüllung des Kirchengebots helfen, und bisweilen| den Pfarrern auf dem Lande in dem Gottesdienste beyspringen: allein durch das erstere wird in gewisser Rücksicht die Lauigkeit der Christen befördert, die Leute selbst von dem Pfarrgottesdienste abgehalten, Schafe und Hirt von einander getrennt, mithin fast mehr geschadet als genutzet; und das letztere thun sie aus eigenem Interesse, weil sie eben den Termin in solchen Dörfern haben.

In Mergentheim und vielen Dörfern auf dem Lande werden die Toden ausserhalb der Stadt begraben. Der Begräbniß-Ort zu Mergentheim liegt über 200 Schritte von der Stadt, und man begräbt die Toden aus allen Ständen dahin.

Die Stadt hat jährlich 5 Jahrmärkte, wobey allzeit 4 Tage Kramer- und 2 Tage Viehmarkt ist. Der Viehhandel sowohl mit Pferden als Hornvieh geht sehr stark, und der Viehmarkt wird vom ganzen Taubergrunde, dem Odenwald und Ochsenfurter Gau besucht. Die Märkte sind von den Teutschmeistern mit vielen Freyheiten beschenkt worden, und noch jetzt muß der Viehmarkt mit besondern Feyerlichkeiten angefangen werden. Nicht das geringste Stück Vieh darf verkauft werden, ohne daß der| Kauf auf dem Rathhause protokollirt würde, welches dann jährlich eine schöne Summe in die Stadtcasse abwirft.

Zur äusserlichen Zierde der Stadt sind schon vor einigen Jahren über 400 Laternen zur nächtlichen Beleuchtung an den Häusern bevestiget worden; aber die Beleuchtung selbst ist bisher, vermuthlich weil man keinen sichern Fond dazu hatte, und doch die Einwohner zu keinem Beytrage auffordern wollte, unterblieben. Nur in der Gegend der Residenz auf dem Markte und in ein Paar Hauptstraßen werden bey finstern Nächten die Lampen angezündet.

Man zählt 8 Gasthäuser, die alle von den Durchreisenden besucht werden, 12 Bäcker, die durchgehends in ziemlich guten Umständen sind, 3 Kornmühlen, eine Gyps- Schneid- und Lohemühle und eine beträchtliche Ziegelbrennerey. Zwey von den Fruchtmühlen sind das Eigenthum so vieler Privatmänner, die übrigen aber gehören der Kammer.

Mit Handwerkern von allen Gattungen ist Mergentheim hinlänglich versehen, aber an wirklich geschickten und berühmten Künstlern fehlt es, ausser einem Uhrmacher und Bildhauer. Dieser ist aus dem auf 2/3 Wirzburgischen Landstädtchen Aub gebürtig,| und nennt sich van der Awera. Derselbe hat einen schönen Altar in der Wallfahrts-Kirche Mariahülf, und mehrere Wappen in der Residenz verfertiget. Aus den sehr gut getroffenen Portraits von Wachs und andern hölzern Bruststücken von ihm, läßt sich schließen, daß ihn sein Meißel berühmt machen könnte, wenn er mehr Unterstützung hätte. Der Uhrmacher ist der Stadtgerichts-Assessor Erasmus Baumgartinger aus Mergentheim gebürtig. Er besitzt eine große Stärke in Verfertigung kleiner Uhren, und hat aus den entferntesten Gegenden Bestellungen. Seine Uhren kommen nach Ungarn, Böhmen, Preußen, Rußland und Schweden, und er hat immer Söhne von angesehenen Eltern aus andern Städten zu Lehrlingen, worunter schon mehrere Protestanten gewesen sind.



  1. Der Freyherr von Gudenus hat zwar in dem 4. Tomo seines Codicis Diplom. von S. 860 bis 1056 eine Menge Kauf- und Schenkungsbriefe, die Güter des teutschen Ordens betreffend, angeführet, aber sie gehen fast alle die Balleyen, Hessen, Thüringen, und Koblenz an, nur 6 oder 7 ausgenommen, die auf das Haus Mergentheim, wie es in denselben heißt, Bezug haben, von denen aber nicht ein einziger hier angewendet werden kann.
  2. Erst unterm 19 April 1790. ist ein Regierungsdecre[t] erschienen, welches sagt, daß allen Unterthanen in den Städten, Flecken und Dörfern der [135] obern und untern Meisterthums-Lande, welche den ersten Stock ihrer Häuser von Stein aufrichten, an den ergehenden Baukosten, 5 vom Hundert der erweißlich auf den Bau verwendeten Summa, jenen aber, die 2 Stöcke von Stein aufführet, 10 pro Cent an dem Kostenbetrage aus den Mitteln des hochfürstlichen Contributions-Amts vergütet werden, und denselben zu gleicher Zeit die Freyheit von allen herrschaftlichen und Gemeindsdiensten, so lange sie nämlich in dem angefangenen Bauwesen begriffen sind, zugestanden worden.
  3. Das Verhältniß der ehemahligen Holzpreise zu den jetzigen wünschen wir von mehrern Fränkischen Gegenden zu erfahren.     d. H.
  4. Wenn ich hier vom Charakter rede, so muß ich, um nicht mißverstanden zu werden, erinnern, daß auch das kleinste geschlossene Ländchen etwas eigenes habe, wodurch sich die Einwohner von ihren Nachbarn unterscheiden. In jedem Orte treffen gewisse Umstände zusammen, die den Einwohnern gleichsam einen National-Charakter geben. Die Stadtbewohner haben eigene Meinungen und Vorurtheile, die dahin gehörigen Landleute formen mit der Zeit die ihrigen darnach, bis endlich ein Ganzes entsteht. Und in dieser Hinsicht kann man sagen, daß die Bewohner der Gegend um Mergentheim auch einen eigenen Charakter haben.
  5. Nicht Mergenthal, oder Marienthal. Den Namen Mergentheim findet man schon in den Urkunden von 1260; die andern liest man nirgends in einem guten Schriftsteller. Der Pöbel in der Stadt und auf dem Lande, von dem wahrscheinlich die Reisenden dieselbigen hörten, kann hier nicht entscheiden.
  6. [163] Gropp sagt in seiner Fränkischen Geschichte 1. B. S. 160. daß nach einem auf Pergament geschriebenen Choralbuche, worin die Jahrzahl 1273 geschrieben sey, schon vor diesem Jahre Dominicaner zu Mergentheim gewesen, und dieselben von dem Teutschmeister Heinrich von Hohenlohe dahin berufen worden seyen.
  7. Johann Caspar von Stadion stiftete 1628 das Capuciner-Kloster, restaurirte auch dasselbige, nachdem es von den Schweden zerstöret worden war. (Gropp lib. cit.) Man sieht noch jetzt das Bild dieses Stifters am Altarblatte des Hochaltars in der Capuciner-Kirche.