Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Streitt, Franz
Band: 40 (1880), ab Seite: 26. (Quelle)
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Streiter, Joseph (Dichter und Schriftsteller, geb. zu Bozen in Südtirol am 8. Juli 1804, gest. ebd. am 17. Juli 1873). Bekannt in Dichterkreisen unter dem Pseudonym Berengarius Ivo. Die Familie Streiter’s stammt aus Pens, dem letzten am Fuße der Hochalpe gelegenen Dorfe des Sarnthales. Der Großvater ließ sich als Secretär des deutschen Ordens in Bozen nieder. Der Vater Bernhard wurde durch seine erste Frau, die Tochter eines dortigen Kaufmannes, Theilhaber von dessen Handlung. Joseph Streiter war der Sohn zweiter Ehe mit Luise von Tschiderer. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1809 blieb der fünfjährige Knabe unter der Leitung seiner Mutter, einer sehr frommen und überängstlichen Frau, welche in Allem die Rathschläge ihres Beichtvaters, eines [27] ascetischen Franziskaners, sowie jene ihres Vetters, des später als Jesuitenfreund bekannt gewordenen Joseph von Giovanelli befolgte. Unter solchen Verhältnissen lastete auf dem Knaben ein schwerer geistiger Druck. Dazu kam noch der traurige Umstand, daß das Bozener Gymnasium von Mönchen aus dem Orden des h. Franciscus geleitet und überhaupt die Bevölkerung Tirols von Geistlichen nicht nur in Gewissenssachen, sondern auch in weltlichen Dingen entscheidend berathen wurde. So wurde denn dem Knaben und später dem Jünglinge die Lectüre der deutschen und anderer Dichter, welche in den Augen besagter Lehrer nur Ketzer und Heiden waren, theils unmöglich gemacht, theils bitter verleidet. Besonders zogen den Jüngling die dramatischen Werke Shakespeare’s an, wie sich denn auch in seinen eigenen poetischen Arbeiten die Neigung zum Drama immer bestimmter hervordrängt. Während seiner letzten Studienjahre schrieb er das fünfactige Schauspiel „Oswald von Wolkenstein“, dessen ersten Act er in den „Alpenblumen“, einem in den Jahren 1828–1830 mit mehreren Freunden herausgegebenen Taschenbuche veröffentlichte, das überdies noch folgende Jugendarbeiten von ihm: die Novelle „Die Schauspieler“, die poetische Erzählung „Die Schützenbraut“ und einige Gedichte enthält. Nicht eben rosig gestalteten sich die Verhältnisse seiner Lehrjahre, über welche er in einem Feuilleton der „Deutschen Zeitung“ [1872, Nr. 173] selbst berichtet. Wir empfinden fast ein Grauen, wenn wir darin lesen, wie rücksichtslos das Gebaren jener nicht blinden, sondern absichtlichen Eiferer gegen Alles, was Geist und Wissen betrifft. Selbst als er bereits den philosophischen, ja den juridischen Studien oblag, hatte er noch die niederdrückenden Fesseln dieses unwürdigen Zwanges zu fühlen, und erst im vierten Jahre des Universitätsbesuches begann sein Dasein sich menschenwürdiger zu gestalten. Er hatte sich – wie er selbst bekennt – nur gezwungen der Rechtswissenschaft gewidmet, weil ihm jedes andere Studium außerhalb Tirols verwehrt war. Aber auch dieses wurde ihm nicht leicht gemacht, namentlich durch die geflissentlich gegen ihn gerichtete Strenge des Directors der juridischen Studien in Innsbruck Dr. Joseph Rapp [Band XXXIV, S. 361], der ihn bei den Prüfungen mit ungewöhnlicher Schärfe examinirte. Als er endlich die Universitätszeit hinter sich hatte, begab er sich nach Padua, wo er zum Doctor der Rechte promovirte. Nun widmete er sich der juristischen Praxis, um die Advocatur oder ein Richteramt zu erlangen. Aber auch da begegnete er Hindernissen. Denn als er im Jahre 1837 von der k. k. obersten Justizstelle zum Advocaten in Cavalese, einem Markte im Fleimser Thale, ernannt worden, verzögerte sich ungewöhnlich lange die Ausfertigung seines Anstellungsdecretes. Er war nämlich als ein Verächter des Clerus und als Freigeist mit dem Bemerken denuncirt, daß es bedenklich sei, ohne Gefährdung der kirchlichen und daher auch der bürgerlichen Ordnung die einflußreiche Führung von Privatgeschäften einem Manne von seiner Gesinnung anzuvertrauen. Erst als der Präsident Baron Di Pauli [Bd. III, S. 313] hinter die Niedertracht dieser Denunciation und deren Urheber gekommen, wurde allen weiteren Einwendungen ein Ende gemacht und Streiter’s Decret [28] sofort ausgefertigt. Schon wenige Monate später sah Streiter seinen Lieblingswunsch, nach Bozen versetzt zu werden, erreicht. In diese Zeit fällt seine Uebertragung des italienischen Werkes von Rigotti: „Die Lehre vom dinglichen Rechte des Grundpfandes nach dem österreichischen bürgerlichen Gesetze und den mit 1. Mai 1817 und in der Folge bis zum Ende des Jahres 1835 für Tirol in Wirksamkeit getretenen Gesetzen u. s. w.“ (Innsbruck 1839, Wagner, 8°.). 24 Jahre lang – bis 1861 – hatte er das Geschäft eines Rechtsanwaltes in Bozen geführt, als die Aera eines freieren politischen Lebens begann und die Wahlen in den Landtag vorgenommen wurden. Da bewarb auch er sich um eine Abgeordnetenstelle. Aber die clericale Partei setzte alle Hebel an, um seine Wahl zu verhindern, was ihr auch gelang. Nicht so glücklich waren ihre Gegenbemühungen bei den Gemeindewahlen, denn am 13. April 1861 wurde er zum Bürgermeister von Bozen gewählt und ungeachtet der heimlichen Einsprache der Bischöfe von Trient und Brixen von Seiner Majestät dem Kaiser im Amte bestätigt. In dieser Eigenschaft spielt aber Streiter eine historische Rolle, während seine schriftstellerische Thätigkeit ihm einen Ehrenplatz in der Literatur sichert. Eine gedrängte Darstellung seines Wirkens nach diesen beiden Richtungen möge hier folgen. Als Bürgermeister von Bozen hielt er fest zur Verfassung und sorgte für die Verlebendigung der mit ihr verliehenen und durch kaiserliches Wort verbrieften Freiheiten. Das war nun ein beständiger Kampf mit den kirchlichen Gewalten, welche namentlich gegen die religiöse Freiheit eiferten. Ein fanatischer Kapuziner wagte es, von der Kanzel herab gegen das neue Protestanten-Gesetz vom 8. April 1861 in den ungeziemendsten Ausdrücken zu predigen. Dies durfte der Bürgermeister in seiner Gemeinde um so weniger hingehen lassen, als ihm von dem Erzherzog-Statthalter aus Innsbruck die Weisung zugekommen, dergleichen Aufreizungen gegen ein kaiserliches Gesetz hintanzuhalten und sich darüber mit den kirchlichen Organen ins Einvernehmen zu setzen. Er richtete nun an den Propst von Bozen, welcher diese Verletzung der öffentlichen Ordnung durch jenen Kapuziner ungerügt geschehen ließ und sich überhaupt weigerte, in der Sache etwas zu thun, eine Zuschrift, welche in ihrer Art epochemachend ist in dem Kampfe der liberalen und ultramontanen Partei Tirols und in den Annalen der Kirchengeschichte Oesterreichs höchstens in einigen Patenten Josephs II. ihres Gleichen haben dürfte. Das historisch-denkwürdige Schreiben theilte seinem Wortlaute nach die „Presse“ [1861, Nr. 187] vollständig mit. Als die Zuschrift ohne Erfolg blieb, lud er den Propst wiederholt vor, ohne jedoch dessen Erscheinen zu erzielen. Erst nachdem er dem Propst durch den Polizeicorporal die offene Ordre hatte zustellen lassen, daß man bei fortgesetzter Weigerung, vor ihm zu erscheinen, seine zwangsweise Vorführung bewirken werde, kam derselbe. Das Ergebniß der mündlichen Auseinandersetzung war nun, daß der Propst frei und ungezwungen zu Protokoll gab: „er verpflichte sich, Alles anzuwenden, um jede Agitation zu vermeiden, und dem Prediger aufzutragen, sich im Geiste der Liebe und Versöhnung auszusprechen und das Patent vom 8. April zu achten«. Geschrieben [29] war’s, aber das gerade Gegentheil davon geschah, denn kaum hatte der Propst die bürgermeisterliche Amtsstube verlassen, als er auch schon seine zu Protokoll gegebene Erklärung widerrief, ja am folgenden Sonntag brachte der Kapuziner den ganzen Vorfall auf die Kanzel und nannte ihn einen „Faustschlag gegen den Katholicismus“. Dieser Vorgang machte im Reiche nicht geringes Aufsehen, und staunte eine Partei den Muth Streiter’s nicht genug an, so verwarf eine andere sein Benehmen vollends, und selbst in den maßgebenden Kreisen mißbilligte man dieses provocirende Auftreten. Streiter erhielt von der k. k. Statthalterei einen Verweis wegen seines Vorgehens. Indessen waltete er nach wie vor, nur mit einiger Mäßigung, seines Amtes und hatte die Genugtuung, nach der ersten dreijährigen Wahlperiode noch zweimal zum Bürgermeister gewählt zu werden. Erst bei den Neuwahlen im October 1870 gelang es der Gegenpartei durch ein eigenthümliches Zusammentreffen von Umständen, wobei sein Austritt aus der Gemeinde den Ausschlag gab, ihren Candidaten durchzubringen. Neun Jahre und neun Monate hatte Streiter seinen Posten verwaltet und während der Zeit seiner Amtsführung sich die städtische Schuld um 122.000 fl. österr. Währ. vermindert. Am 7. November 1866 war er auch von der Bozener Handelskammer zum Abgeordneten für den Tiroler Landtag gewählt worden. Außer der Durchführung mehrerer Anträge, worunter jener auf Herstellung der Eisenbahn von Brixen nach Villach, sei hierbei eines Vorfalles gedacht, dessen Haupturheber Streiter ist. Der schon genannte Giovanelli brachte nämlich im Landtage den Antrag ein, dem Lande seine geschichtliche Rechtsentwicklung, somit auch wohl die Wiedereinführung seiner alten Stände zu sichern. Dagegen erklärten sich mehrere Liberale, allen voran Streiter. Da aber der Uebergang zur Tagesordnung von der überwiegenden Mehrzahl der Rechten abgelehnt wurde, verließ er und mit ihm noch sechszehn von seiner Partei den Sitzungssaal und machte dadurch die Versammlung beschlußunfähig. Am nächsten Morgen fand in Folge telegraphischen Auftrages von Wien die Schließung des Landtages statt. Aus den einen Monat später erfolgten Neuwahlen ging Streiter, obgleich mit allen Mitteln gegen ihn agitirt wurde, doch wieder als Abgeordneter hervor. Aber die nur zwölftägige Dauer dieses Landtages hatte weiter keinen Zweck, als den durch den Grafen Belcredi sistirten, nun nach Beust’s Eintritt ins Cabinet wieder aufgenommenen ordentlichen Reichstag zu beschicken. Als am 22. August 1868 der nächste Landtag eröffnet wurde, kämpfte Streiter vergeblich gegen das in Antrag gebrachte Gesetz der Hypothekenerneuerung, welches die alte Unklarheit über die Hypothekarposten zum Schaden des Realcredits erhalten und dadurch noch fernerhin den Bauer den Kirchen und frommen Stiftungen zinsbar machen sollte. Als dann am 9. October das von dem clericalen Ausschuß unter Leitung des Brixener Bischofs beantragte Gesetz über die Schulaufsicht berathen wurde, wäre dieselbe aller Voraussicht nach ganz in die Hände des Clerus gegeben worden, wenn nicht vor dem Beschluß hierüber die Schließung des Landtages stattgefunden hätte. Bei den nach dem Eintritte des Ministeriums Potocki erfolgten Neuwahlen für [30] die Landtage wurde Streiter, nachdem er seine Candidatur für die Stadtgemeinde zurückgezogen hatte, von der Bozener Handelskammer zum Abgeordneten gewählt. Auch unter dem Ministerium Hohenwart vertrat er die genannte Handelskammer. In dieser Landtags-Session wurde der von 38 Petitionen katholischer Vereine und Gemeinden unterstützte Antrag eingebracht: die Jesuiten auch nach abgelaufenem Pachtvertrage künftig noch an der theologischen Facultät in Innsbruck zu erhalten. Aus diesem Anlaß hielt Streiter eine Rede, in welcher er das Treiben jener Gesellschaft auf Grundlage kirchlicher und weltlicher Quellen in einer Weise darstellte, wie man es im Tiroler Landtage noch nie gehört hatte. Doch war aller Liebe Müh’ umsonst. Der Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung wurde in der Versammlung, in welcher 40 Clericale nur 17 Liberalen gegenüberstanden, abgelehnt. Bei den nun folgenden Wahlen in den Reichsrath zogen sich die Liberalen aus dem Sitzungssaale zurück. Mit den Worten, welche Streiter bei der Debatte sprach: „Es sei Pflicht der Deutschen in Oesterreich, dafür zu sorgen, daß ihr Stamm und damit alle Cultur- und Freiheitsbestrebungen nicht von den Čechen und Slaven unterdrückt und vergewaltigt würden“ beschloß er seine parlamentarische, politische, überhaupt alle seine weitere Thätigkeit, da er bald danach erkrankte und seinem Leiden in wenigen Tagen zum Opfer fiel. – Nicht minder denkwürdig und zugleich wechselvoll ist Streiter’s schriftstellerische Thätigkeit als Publicist, Historiker und Poet. Seiner ersten dramatischen Arbeit und seiner novellistischen Versuche, welche er in dem von ihm selbst redigirten Taschenbuche: „Alpenblumen“ herausgab, ist bereits oben gedacht worden. Hinsichtlich, dieser „Alpenblumen“ sei nur noch bemerkt, daß sie sozusagen die ersten Blüthen des auch in Tirol anbrechenden Geistesfrühlings waren. Ein Häuflein begeisterter Studenten der Innsbrucker Hochschule schloß einen poetischen Bund und schaarte sich unter dem von Streiter hoch gehaltenen Banner freiheitlichen Fortschritts. Wir finden da die Namen Johannes Schuler, Beda Weber, Pius Zingerle, Joseph Thaler neben Streiter in friedlicher Eintracht. Damals schlummerten noch die Gegensätze, welche später losbrachen und bitteren Streit unter den ehemaligen Freunden, namentlich zwischen unserem Dichter und Schuler verursachten. Und diese Feindschaft, welcher der Erstere in seinen Schriften rückhaltlosen Ausdruck gab, ist wohl der wunde Fleck in dessen Leben und Schriften, der uns einen Augenblick an seinem Charakter fast irre machen kann, den wir aber schließlich auf Rechnung seiner leidenschaftlichen Natur setzen und darum entschuldigen müssen. Während der vierundzwanzigjährigen Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt in Bozen blieb ihm Muße genug, seinen literarischen Neigungen zu leben. Aber spät brachte er die Früchte derselben in die Oeffentlichkeit, und zwar zuerst in einer Sammlung seiner Poesien, welche er mit dem Pseudonym: Berengarius Ivo gezeichnet, unter dem Titel: „Dichtungen“ (Innsbruck 1843) herausgab; dieselben enthalten den Liedercyclus: „Sterbeklänge“, worin er seiner Gattin, die er noch während seines kurzen Aufenthaltes in Cavalese durch den Tod verlor, einen warmen Nachruf [31] widmete. Ab und zu erschienen in Almanachen und poetischen Sammelwerken lyrische Dichtungen von ihm, so z. B. in dem von Vinc. Ign. Zingerle[WS 1] herausgegebenen „Tirol“ die erzählenden Gedichte: „Erzherzog Maximilian“, „Der Rothfink“, „Das Donnerröschen“, welche sämmtlich das Gepräge des freisinnigen Sängers an sich tragen. In die Zeit von 1839 bis 1844 fallen einige dramatische Versuche, deren zwei im Druck erschienen: „Die Lebensquelle.“ Dramatisches Märchen (Innsbruck 1839, Wagner); – „Heinrich und Gregor.“ Schauspiel in 5 Aufzügen (Stuttgart 1844, Hallberger), der erste Theil eines „Heinrich IV.“, in welchem er sein Lieblingsthema, den Kampf zwischen der geistlichen und weltlichen Macht, behandelt. Er hat dieses Werk Ludwig Tieck gewidmet, der ihn bei einem Besuch in Dresden freundlichst aufnahm. Eine andere dramatische Arbeit „Himmel und Erde“, ein Mysterium, entstanden aus seiner Vorliebe für Byron’s Gedicht „Cain“, findet sich in den oben erwähnten „Dichtungen“. Wichtiger und nachhaltiger wirkend als Streiter’s poetische Producte sind seine prosaischen Arbeiten, allen voran seine Schrift: „Die Jesuiten in Tirol“ (Heidelberg 1845, Hofmeister). Das Buch erschien anonym. Der mit ihm eng befreundete Ludwig Steub, dem wir so viele Aufschlüsse über Kunst-, literarisches und Culturleben in Tirol verdanken, nahm das Manuscript nach München mit. Von dort machte es den Weg zum Verleger; als es erschien, wie eine Bombe wirkend, die ungeahnt mitten in das friedlichste Lager fällt. Aber auch sonst noch suchte Streiter im freiheitlichen Sinne zu wirken und die Apathie zu verscheuchen, welche in vormärzlicher Zeit alles geistige Leben in Oesterreich niederhielt. Auf einer Reise nach Deutschland knüpfte er zu diesem Behufe mit Dr. Gustav Kolb, dem damaligen Redacteur der „Allgemeinen Zeitung“, dann mit den Redactionen der „Grenzboten“, welche Kuranda in Leipzig, und der „Deutschen Zeitung“, die Häusser und Gervinus in Heidelberg herausgaben, Verbindungen an. Mit der „Allgemeinen Zeitung“ blieb er in ununterbrochenem Verkehr. Nicht blos die politischen Ereignisse und die poetischen Regungen in Tirol, sondern auch die betreffenden Geschichts- und Reisewerke, wie „Der Tiroler Krieg von 1809“, von Hormayr. E. v. Hartwig’s „Briefe aus und über Tirol“, bildeten den Gegenstand seiner Besprechung. Zu weiteren Auslassungen öffneten ihm die „Grenzboten“ ihre Spalten, während die „Deutsche Zeitung“ die ersten drei Abschnitte der „Tirolischen Zustände“ brachte, welche später mit Zusätzen in seinen „Studien“ erschienen. Die Freundschaft mit Fallmereyer [Bd. IV, S. 140], welche in den Anfang der Vierziger-Jahre fällt, markirte mir noch entschiedener die deutsche Richtung, die er zeit seines Lebens mit Aufgebot all seiner geistigen Mittel vertrat. Als nun das Jahr 1848 herankam, zeigte sich’s, wie mächtig der Einfluß war, den die Geistlichkeit seit Jahrzehnten in Tirol gesbt. In dieses Jahr fällt sein bereits erwähntes Zerwürfniß mit Johannes Schuler, dessen Auftreten im Frankfurter Parlamente nicht nach seinem Geschmacke war, weshalb er ihn auch in einem mit seinem vollen Namen unterzeichneten Aufsatze in der „Allgemeinen Zeitung“ [1849, Nr. 19] auf eine schroffe Weise angriff. Eine weitere Frucht des Jahres 1848 war [32] seine Schrift: „Die Revolution in Tirol von 1848“ (Innsbruck 1851, Ostermann), wovon die ersten vier Hauptstücke in der „Innsbrucker Zeitung“ erschienen. Sie umfaßten nur die Ereignisse bis zum Herbst. Als aber mit Aufhebung der Märzverfassung die Reactionsära eintrat und die alte Censur in Tirol wieder schaltete und waltete, verstummte er, bis mit dem Umschwung der politischen Verhältnisse im Jahre 1861 auch in Tirol ein freierer Hauch wehte. Da erschienen die „Studien eines Tirolers“, 2 Abthlgn. (Leipzig 1861), welche die zweite Abtheilung der „Bewegung in Tirol“ enthalten, die mit dem Ausscheiden der Tiroler aus dem deutschen Parlament und der Auflösung des Kremsierer Reichstages abschloß. Diesen publicistischen Arbeiten historischen Inhalts folgten nun wieder einige dramatische und lyrische, wie: „Rudolph und Margaretha“ und „Jägertreue“, zwei Festspiele, welche beide im Druck (Bozen 1863, Eberle) erschienen. Das erstere wurde bei der 500jährigen Feier der Vereinigung Tirols mit Oesterreich in Innsbruck und Bozen aufgeführt, zu letzterem, einem Singspiele, schrieb der tirolische Tondichter Nagiller (Band XX, S. 36] die musikalische Einleitung und die einschlägigen Weisen und Chöre. Den Schluß seiner dramatischen Arbeiten bildet „Der Assessor.“ Ein Lustspiel (Berlin 1858), das damals anonym erschien und unter der Maske eines deutschen Städtchens Innsbrucker oder richtiger Tiroler Zustände schildert. Die politische Reaction reicht der geistlichen Unduldsamkeit schwesterlich die Hand und will das Land retten, während sie es physisch und materiell zu Grunde richtet. In dem Fabrikherrn Stilling hat Streiter sich selbst gezeichnet. Die lyrischen Ergüsse sind ein paar Sonette in den „Liedern zu Schutz und Trutz“ und ein „Festgruß an die Deutschen zum Falle von Paris“. Das Nächste, was ihn nun beschäftigte, war das Studium der religiösen Verhältnisse in seinem engeren Vaterlande in früherer Zeit, namentlich in jener der Reformation. Dieses aber wurde ihm in nicht geringem Maße dadurch erschwert, daß der Vorsteher des Innsbrucker Statthalterei-Archivs, sein entschiedener Gegner, ihm die Ausfolgung der Quellen verweigerte. An Bozen durch seinen Aufenthalt daselbst gebunden, konnte er nur immer kurze Zeit in Innsbruck verweilen, während derselben stand ihm wohl das Archiv offen, aber sie reichte nicht hin für eine ebenso wichtige als umfassende Arbeit. So blieb er denn zunächst auf die Durchforschung des schon gedruckten Materials beschränkt, und das Ergebniß dieser Studien, eine übersichtliche Darstellung der Ereignisse des Jahres 1525, veröffentlichte er 1865 in den „Grenzboten“. Erst als der nachmalige Minister Lasser Statthalter in Tirol wurde, gelangte er unter dessen und des Landeshauptmanns von Grebmer Mitwirkung zu den Acten des Statthalterei-Archivs. Nach diesen und einigen ihm von Sebastian Ruf [Bd. XXVII, S. 240] in Hall beigestellten Quellen schrieb er über die religiöse Bewegung in Tirol zur Zeit der Reformation mehrere Aufsätze, welche er in der „Deutschen allgemeinen Zeitung“ [1871, Nr. 294, und 1872, Nr. 37, 38, 46 und 47] erscheinen ließ. In der „Allgemeinen Zeitung“ [16. Jänner 1872] zog er gegen die Tiroler Stände zu Felde, denen er darin ihre Rechte und ihre Anmaßungen quellenmäßig klar machte. Die schon erwähnten „Grenzboten“ [33] brachten 1864 sein „Charakterbild Hofer’s“, welches von den bisherigen Darstellungen des berühmten Volkshelden und Märtyrers des Jahres 1809 grell abstach; demselben folgten die Charakteristiken Haspinger’s und Donay’s. In Sybel’s „Historischer Zeitschrift“ erschien 1866 seine Darstellung des Befreiungskampfes vom Jahre 1813. Von literargeschichtlichem Interesse ist überdies seine Besprechung der verschiedenen Bearbeitungen Hofer’s für die Bühne, welche die „Neue freie Presse“ 1872 mittheilte. Den Schluß seiner historischen Arbeiten bilden die „Blätter aus Tirol“ (Wien 1868, Tendler und Comp. [Großer], 8°.), welche folgende geschichtliche Skizzen enthalten: „Die Zillerthaler“, – „Die Stigmatisirten“, – „Die Verhandlungen der Tiroler Landtage von 1863–1867“, – „Das Nationalfest“, – „Der Krieg in Wälschtirol“, – „Der Lehrplan der Jesuiten“, – „Der Vorarlberger Landtag“ und „Die Reichstagsabgeordneten“. Von seinen zahlreichen übrigen in Journalen zerstreuten Aufsätzen, die gesammelt mehrere Bände füllen dürften, seien noch erwähnt: „Die Landtage von 1868 und 1870“, abgedruckt in den „Grenzboten“, und „Der Tiroler Landtag vom Jahre 1871“, dargestellt in der „Allgemeinen Zeitung“. Wenn wir seine politische und literarische Wirksamkeit näher betrachten, so stellt er sich uns in beiden Richtungen als rücksichtsloser Fortschrittsmann dar, der vor Allem Deutscher, dann erst Tiroler ist und als letzterer die Zustände seines kleinen Vaterlandes mit mehr als historischer Schärfe schildert, wodurch er wohl manchen Nimbus zerstört, aber dafür die geschichtliche Wahrheit fördert. Ein Hauptverdienst Streiter’s bleibt es, daß er bereits unter Metternich das liberale Princip mit größter Entschiedenheit vertrat, über Tirol im Auslande Nachrichten gab und den Ultramontanismus mit allen Waffen des Geistes bekämpfte. Als Poeten fehlt es ihm nicht an Wärme und Innigkeit und manchmal nimmt er in seinen Dichtungen einen hymnenartigen Schwung; wenn uns seine Muse ein ernstes Antlitz zeigt, ist sie immer edler, als wenn sie zu lächeln versucht, was ihr nicht am besten gelingt. Als Dramatiker kommt er im ernsten Drama nicht über eine mittelmäßige Nachahmung Shakespeare’s oder Raupach’s, im Lust- und Schauspiel nicht über Iffland’sche Schablone hinaus; aber in Allem, was er schreibt, waltet ein heiliger Ernst und ein unbeugsamer Freiheitssinn, der leider in seinen prosaischen Arbeiten nicht selten eine unangenehm häßliche Maske vorsteckt. Im Ganzen war er, wie es sein Name ausspricht, ein Streiter, aber ein Streiter für Wahrheit, Recht und Freiheit, und wenn er in seinem Eifer dann ein und das andere Mal zu weit ausholte, muß man nicht vergessen, daß er für eine heilige Sache stritt.

Kehrein (Joseph), Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhundert (Zürich, Stuttgart, Würzburg 1871, Leo Wörl, gr. 8°.), Bd. II, S. 194. – Brümmer (Franz), Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung [H. Hugendubel], schm. 4°.), Band II, S. 408. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.), 4. Jänner 1862, Nr. 966: „Streiter und die Parteikämpfe in Tirol“ – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.), 25. Juli 1873, Beilage Nr. 206: „Joseph Streiter“. Von F. S. – Literaturblatt. Herausgegeben von Edlinger (Wien, Jul. Klinkhardt) II. Jahrgang [34] (1878), Heft 3. „Aus Alt-Oesterreich. VI. Joseph Streiter“. – Neue freie Presse (Wien) 1864, Nr. 45: Correspondenz aus Bozen ddo. 12. October. – Bote für Tirol und Vorarlberg, 1862, Nr. 140, S. 589: Erwiderung (dem groben Klotz ein grober Keil). – Presse (politisches Blatt), 1861, Nr. 187: Correspondenz aus Bozen ddo. 6. Juli. – Dieselbe. Nr. 190: „Ein Tiroler Bürgermeister“. – Deutsche Zeitung (Wien), Nummer vom 19. und 22. Juli 1873.
Porträt. Nach einer Photographie, ohne Angabe des Xylographen in der „Illustrirten Zeitung“ 1862, Nr. 966, S. 8.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vinc. Jos. Zingerle.