ADB:Walch, Johann Ernst Immanuel

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Artikel „Walch, Johann Ernst Immanuel“ von Ernst von Dobschütz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 652–655, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walch,_Johann_Ernst_Immanuel&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 07:17 Uhr UTC)
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Walch: Johann Ernst Immanuel W., Philologe und Naturforscher, ist geboren am 29. August 1725 zu Jena als ältester Sohn des Professors der Theologie [653] Johann Georg W. und seiner Frau Charlotte Katharina, einer Tochter des bekannten Historikers Joh. Franz Buddeus. In Gemeinschaft mit seinem jüngeren Bruder Christian Wilhelm Franz, dem späteren Göttinger Theologen, erhielt er im väterlichen Hause Unterricht, besonders von dem nachmaligen weimarischen Gymnasialdirector Frick, dem W. auch 1745 seine „Commentatio de magistris veterum Romanorum“ widmete. Der Vater legte besonderes Gewicht auf die alten Sprachen und leitete die Söhne frühzeitig zur Kenntniß und rechten Benutzung seiner reichen Bibliothek an. Mit 17 Jahren begann W., der schon 1729 (5. Jan.) unter des Vaters Prorectorat in die Matrikel eingetragen war, die akademischen Studien, gemeinsam mit dem Bruder auf väterlichen Wunsch Theologie, der eigenen Neigung nach hauptsächlich Philologie treibend, vor allem semitische Sprachen, bei Tympe, Rekkenberger, Buder, Reusch, Daries, auch Naturwissenschaft und Mathematik bei Hamberger und Wiedeburg. Einmal hat er dann seinen Eltern zu liebe die Kanzel bestiegen; seine publicistische Thätigkeit begann nach einer kleinen lateinischen Gratulationsschrift für den Vater (1741) mit den zwei „Commentationes quibus antiquorum christianorum doctorum de jureiurando sententiae percensentur et diiudicantur“ 1744 bei Gelegenheit des Prorectorates des Vaters. 1745 am 18. December erlangte er gleichzeitig mit dem Bruder unter Tympe’s Decanat zu Jena die Magisterwürde (infolge eines in der Biographie von 1779 ganz fehlenden, dann bei Hirsching falsch gesetzten Kommas [seinem Bruder, dem nachherigen Consistorialrath W., zu Göttingen am 18. December] steht bei Döring u. a. fälschlich, W. sei Göttinger Magister gewesen) und habilitirte sich 1746 am 14. Mai (de vinculis Paulli apostoli). Nachdem er ein Jahr exegetische Vorlesungen über die Evangelien gehalten, unternahm er 1747–48 mit dem Bruder zusammen eine große Studienreise mit dem Zweck, wie es in einem von den Brüdern zu des Vaters Geburtstag von Groeningen aus gesandten gedruckten Gratulationsschreiben heißt: ut aditum nobis ad eruditissimorum virorum favorem patefaciamus atque ex eorum colloquiis et instructissimarum quae passim reperiuntur bibliothecarum usu exiguas nostras doctrinae opes augeamus et locupletiores revertamur. An den norddeutschen, holländischen und rheinischen Universitäten, in Paris, Lyon und der Schweiz, Württemberg, Baiern und endlich Italien sahen die Brüder alles wichtigere und lernten die bedeutendsten Persönlichkeiten der Zeit kennen. Vornehmlich werden als Gönner genannt Cardinal Passionei und der Probst Gori in Florenz, der später Walch’s „Antiquitates Herculanenses litterariae“ in seine Symbolae literariae aufnahm. Nach der Rückkehr setzte W. seine exegetischen Vorlesungen fort, als deren Frucht 1749 die seiner Zeit sehr günstig aufgenommene „Einleitung in die Harmonie der Evangelisten“ erschien, in welcher W. das Leben Jesu auf Grund der vier Evangelien so zu erzählen sich bestrebt, daß nur unwesentliche Stücke aus ihrer Ordnung versetzt werden, wodurch er denn auf die Annahme mehrfacher Wiederholungen wichtigerer Begebenheiten geführt wird. 1750 wurde er Professor extraordinarius, erst Ephorus, bald darauf (1752) auch Director der lateinischen Gesellschaft, die er zu hoher Blüthe brachte. 1753 verheirathete er sich mit der Tochter des Kirchenrathes Hallbauer. 1755 erhielt er das Ordinariat für Logik und Metaphysik (16. Aug. nach einer Disputation de mysteriis philosophicis feierliche Reception für 12 fl.), vertauschte dies aber 1759 mit der ihm viel sympathischeren Aufgabe eines Professors eloquentiae et poeseos. Nach Tympe’s Tode (18. Juli 1768) wurde er Senior der Facultät, zugleich Aufseher der Eisenachischen Landeskinder, 1770 weimarischer Hofrath. Ehrenvolle Rufe nach Gießen und zwei Mal nach Göttingen (zuletzt an Gesner’s Stelle) lehnte er ab; vertrat zwei Mal die Universität im Landtage, führte 1760 und 1770 das Protectorat und acht Mal das Decanat, wobei er sich als einen energischen, [654] praktischen, auf das Wohl seiner Universität und Facultät und die Hebung des wissenschaftlichen Strebens und guten Geschmackes eifrig bedachten Mann erwies. Mit größtem Eifer hat er die ganze Zeit seiner akademischen Wirksamkeit hindurch sich an den Disputationen betheiligt, bald als Praeses, bald als Opponent. Noch am 17. October 1778 wohnte er als Prodecan der Habilitation Gabler’s bei. Am 1. December machte ein Darmleiden seinem arbeitsreichen Leben ein Ende, nachdem ihn schon längere Zeit hypochondrische Anfälle etwas in seiner Arbeitskraft gelähmt hatten, was auch eine im Sommer 1778 mit dem jüngsten Bruder Karl Friedrich, dem Jenenser Juristen, gemeinsam zu dem Bruder nach Göttingen unternommene Reise nicht zu bessern vermocht hatte.

Ein christlicher Charakter voll tiefer Frömmigkeit, dem stete Bereitwilligkeit und Gefälligkeit nachgerühmt wird, allen Controversen abhold, wenn schon der Wolf’schen Philosophie, mit der sein Vater so heißen Kampf gehabt hatte, gründlich abgeneigt und ganz conservativ in den Bahnen der älteren Theologie wandelnd, ein Freund alles Schönen und Guten, besonders die classische Bildung zu heben bemüht, hat W. nicht nur durch seine sehr anziehenden und mit großem Beifall aufgenommenen Vorlesungen, welche auch viele Ausländer anlockten, sondern auch durch seine zahlreichen persönlichen Verbindungen (war er doch seit 1748 Mitglied der arcadischen Gesellschaft in Rom, seit 1751 der columbarischen in Florenz, später noch der kgl. Preußischen zu Frankfurt a. O., der kgl. Norwegischen zu Drontheim, der Gesellschaften zu Erfurt, Kassel, Bremen, Karlsruhe, Berlin und Danzig) und seinen regen Briefwechsel weithin gewirkt.

Sein Hauptfach war die classische Philologie, deren Erträgnisse bei ihm jedoch vielfach der neutestamentlichen Exegese zu Gute kamen. Nach der Sitte der Zeit und zumal in seiner Stellung als prof. eloquentiae veröffentlichte er das meiste in Form kurzer Programme, deren etliche er selbst aber noch gesammelt herausgegeben hat. Besonders zu nennen sind 2 Theile von „Dissertationes in Acta Apostolorum“ (1756, 1759, 1761) und die nach seinem Tode 1779 herausgegebenen „Observationes in Matthaeum ex graecis inscriptionibus“. In nüchterner Weise sucht er hier aus profanen Quellen und vor allem den Inschriften die Wortbedeutung festzustellen. Aehnlich bieten die „Antiquitates symbolicae, quibus symboli apostolici historia illustratur“ (1772) eine Zusammenfassung von 6 Reden aus Anlaß des Lynker’schen Stipendiums in memoriam confessionis Augustanae, worin die mannichfachen Bedeutungen des Wortes Symbolum entwickelt und endlich der christliche Gebrauch von dem Gebrauch in der Mysteriensprache hergeleitet wird. Durch seine italienische Reise angeregt, hat W. in der früheren Zeit sich mit Vorliebe epigraphischen Studien hingegeben, die in den „Antiquitates Herculanenses litterariae“ (1752) eine sehr werthvolle Frucht zeitigten. Manche grade dieser Arbeiten sind natürlich völlig veraltet, z. B. die schon damals nicht unwidersprochen bleibende Schrift „Marmor Hispaniae antiquum, vexationis Christianorum Neronianae insigne documentum, illustratum“ (1750) und die hieran sich anschließenden Schriften. Das Streben, die classische Bildung zu heben, für das ihm einerseits die lateinische Societät so günstige Gelegenheit bot, hat andrerseits seine „Introductio in linguam graecam“ veranlaßt, eine derzeit höchst nützliche Encyclopädie der griechischen Philologie, worin neben einer Uebersicht über die Quellen der griechischen Sprache, also einem Abriß der griechischen Litteraturgeschichte, Anleitung zur rechten Benutzung und Nachahmung der besten Autoren gegeben wird. Das Werk hat, nachdem es 1763 zum ersten Mal, 1772 in zweiter Auflage erschienen war, noch als Vorlage für eine ganz gleichartig ausgeführte Introductio in linguam latinam des Wittenberger J. C. Zeunius (1779) gedient.

In der späteren Zeit, zumal seit 1760, wendet sich W. aber noch einem [655] anderen Gebiete zu, für welches die Neigung in ihm schon in Florenz durch das berühmte Naturaliencabinet des Ritters Baillou geweckt worden sein soll, und auf welchem er wol noch größeres geleistet hat als auf jenem, indem hier seine organisatorische Begabung in vollstem Maße zur Geltung kam, der Naturwissenschaft, vor allem der Mineralogie und Paläontologie. Die eigenen Sammlungen, zu deren Beschaffung ihm seine ausgedehnten Verbindungen von großem Nutzen waren und auf deren Ordnung er einen großen Theil seiner Zeit verwendete, waren seiner Zeit wegen ihrer Vollständigkeit und „der Kettenfolge der Körper in natürlicher Ordnung“ berühmt und verschafften ihm den Besuch vieler hochgestellten Personen. Sie bilden den Grundstock der jetzigen Jenenser Universitätssammlungen. Zwei Werke sind vor allem hier zu nennen. „Das Steinreich systematisch entworfen“ Halle 1761, 1764 (ursprünglich 3 Theile geplant, der 3., der eine lithographische Bibliothek enthalten sollte, ist jedoch nicht erschienen), woran die nach dem Vorgange des Wittenberger Titius gehandhabte Classification nach äußeren in die Augen fallenden Merkmalen im Gegensatz zur chemischen Analyse von Zeitgenossen gerühmt wird. Sodann die Herausgabe und Ordnung der von dem Nürnberger Zeichner Knorr zum Beweis einer allgemeinen Sündfluth entworfenen Abbildungen von Petrefacten u. d. T. „Die Naturgeschichte der Versteinerungen“ (1763–73), ein auch in das Französische und Holländische übersetztes Werk, von dem Zittel, Handbuch der Palaeontologie I, 1, S. 32 urtheilt: „Noch heute birgt der Text des gelehrten W. eine Fundgrube von guten Beobachtungen, als Repertorium der älteren Litteratur ist er eine an Vollständigkeit unübertroffene Quelle.“

Nimmt man hinzu, daß W. nicht nur 1774–78 eine Zeitschrift „Der Naturforscher“ herausgab, sondern sich auch eifrig an der Herausgabe der Jenaischen „Zeitungen von gelehrten Sachen“ (1749–56, dann durch seine Anregung während seines Decanates 1763 [Protokollbuch S. 163] seit 1765 neu ins Leben gerufen) betheiligte (vgl. den Nachruf 1778, S. 832), so wird man der Vielseitigkeit, dem Eifer und der Arbeitskraft Walch’s die Anerkennung nicht versagen können. An der Ausführung mancher Pläne, z. B. einer introductio in Novum Testamentum, einer historia literaria, einer biblischen Naturhistorie hat nur der Tod ihn verhindert. Die zahlreichen einzeln oder in Zeitschriften erschienenen Abhandlungen findet man in den nachfolgend verzeichneten Biographien aufgezählt. Noch bei seinen Lebzeiten war W. gewürdigt worden von F. Storch[WS 1] in Strodtmann’s Neues gelehrtes Europa XII (1757) 969–986 und XIII (1758) 210–223, dann einerseits von dem Wittenberger Th. Ch. Harles, de vitis philologorum nostra aetate clarissimorum II (1767) 81–106, andrerseits von seinem Collegen E. G. Baldinger, Biographien jetzt lebender Aerzte und Naturforscher I, 2 (Jena 1770) 167–188. Gleich nach seinem Tode erschienen anonym zwei Biographien, eine kürzere (1779) Leben und Charakter des seel. Herrn Hofrath und Prof. Johann Ernst Immanuel Walch zu Jena [von Blasche], auch in Joh. Sam. Schroeter’s Journal für die Liebhaber des Steinreichs und der Konchyliologie V (Weimar 1779) 64–81; eine längere mit genauer Bibliographie und Bildniß [von J. C. Henning]: Lebensgeschichte des wohlseligen Herrn Hofraths Joh. Ernst Immanuel Walch zu dessen ruhmvollem Andenken entworfen (Jena 1780). Hieraus schöpfen zumeist die folgenden, worunter besonders zu nennen sind: Hirsching’s histor.-litt. Handbuch, fortgeführt von J. H. M. Ernesti XV, 2 (1812) 236–250; J. G. Meusel’s Lexikon der vom Jahre 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller XIV (1815) 354–360; Döring, die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert IV (1835) 623–629. Zu dieser Skizze wurden ferner die Decanatsacten der philos. Facultät in Jena benutzt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist wohl Ferdinand Stosch