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Artikel „Walch, Johann Georg“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 650–652, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walch,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:47 Uhr UTC)
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Walch: Johann Georg W., lutherischer Theologe, † 1775, der Vater von Christian Wilhelm Franz W. und Johann Ernst Immanuel W. Als mild lutherischer Dogmatiker und gelehrter Herausgeber der Halleschen Ausgabe der Werke Luther’s steht Johann Georg W. noch jetzt in so hohem Ansehen unter [651] den Theologen, daß die amerikanischen Lutheraner sich entschlossen haben, die 24 Quartbände seiner Lutherausgabe noch einmal drucken zu lassen. Er wurde 1693 am 17. Juni zu Meiningen geboren, wo sein Vater Georg W. Generalsuperintendent war. Nach vortrefflicher Vorbildung auf der dortigen Stadtschule bezog der Jüngling im J. 1710 die Universität Leipzig, wo damals Rechenberg, Siber und Gottfried Olearius wirkten. Neben der Theologie zogen ihn die alten Sprachen, die Philosophie und Geschichte an. Nachdem er 1713 zum Magister promovirt war, veröffentlichte er 1716 eine bald viel gebrauchte „Historia critica latinae linguae“. Von 1718 gehörte er der Universität Jena an; in diesem Jahre war er dort außerordentlicher Professor der Philosophie und der Alterthümer geworden, bereits im Jahre darauf stieg er zum ordentlichen Professor der Beredsamkeit auf, wurde 1721 Professor der Dichtkunst, beschäftigte sich dann auch auf Buddeus’ Antrieb mit theologischen Arbeiten, erhielt 1724 eine außerordentliche und 1728 eine ordentliche Professur der Theologie, nachdem er 1726 als Doctor der Theologie promovirt hatte. Im J. 1730 wurde er Secundarius, 1750 Primarius der Jenenser theologischen Facultät und blieb das bis an seinen Tod am 13. Januar 1775. Er starb im 81. Lebensjahre. Seine Vorlesungen hatten sich über die gesammte systematische und historische Theologie, dazu auf Katechetik erstreckt; auch führte ihn sein Beruf regelmäßig auf die Kanzel; aber sowol in seinen Vorträgen wie in seinen Predigten war er bemüht, nie bloße Orthodoxie zu lehren, sondern die Dogmen in ihrer Beziehung auf die Moral auseinanderzusetzen, darzuthun, welchen Einfluß die Glaubenslehre auf das thätige Christenthum haben solle. Gerade darin zeigt sich der durch Buddeus vermittelte Einfluß des Pietismus auf die Vertreter der Rechtgläubigkeit. W. war ein entschiedener Anhänger der Orthodoxie, aber ein warmherziger, und das macht, daß seine Schriften noch jetzt nicht bloß Stoff für todte Gelehrsamkeit bilden. W. war mit Charlotte Katharina, der einzigen Tochter des Professors Buddeus, seit 1718 verheirathet; 1766 wurde sie ihm durch den Tod entrissen. Die Ehe war mit 9 Kindern gesegnet. Mit rastlosem Eifer, ausgezeichneter Arbeitskraft und vorzüglichem Urtheil hat W. nicht bloß seinen Vorlesungen, sondern auch der Pflege der Wissenschaft obgelegen, wovon seine zahlreichen litterarischen Arbeiten Zeugniß ablegen. Noch heute werden aus der fast unübersehbaren Menge derselben die beiden Einleitungen in die Religionsstreitigkeiten (innerhalb und außerhalb der lutherischen Kirche) viel gebraucht und seine Lutherausgabe wird trotz der Erlanger, Weimarer und Braunschweiger für die Reformationsgeschichte werthvoll bleiben, wie wir gleich unten weiter ausführen wollen. Wir geben zunächst die Titel der größeren wichtigeren Werke Walch’s:

„Historische und theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten außerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche“ (fünf Bände, Jena 1724–1736); „Historische und theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der evangelisch-lutherischen Kirche, von der Reformation an bis auf jetzige Zeiten ausgeführt“ (fünf Theile, Jena 1730–1739). Diese zehn Bände bilden eine ganze Bibliothek der Lehrgeschichte und sind als Nachschlagewerk zur äußeren geschichtlichen Orientirung noch heute unentbehrlich); „Introductio in libros ecclesiae Lutheranae symbolicos, observationibus historicis et theologicis illustrata“ (Jena 1732, in ihren geschichtlichen Partien werthvoll); „Einleitung in die Philosophie“ (Leipz. 1727, 3. Aufl. 1738); „Einleitung in die theologischen Wissenschaften, Vorbereitungsgründe der allgemeinen göttlichen Rechtsgelehrsamkeit, der dogmatischen Theologie, der polemischen Theologie, der christlichen Sittenlehre und der Kirchenhistorie des neuen Testaments“ (1737, 1753); „Betrachtungen über das Leben Jesu Christi, in denen man die Schriften der vier Evangelisten erklärt, die Uebereinstimmung ihrer Erzählung gezeiget … mit Anmerkungen erläutert“ (Jena 1740); [652] „Einleitung in die christliche Moral“ (Jena 1747 und 1757); „Theologisches Bedenken von der Beschaffenheit der herrnhutischen Secte und wie sich ein Landesherr in Ansehung derselbigen zu verhalten“ (hrsg. v. Joh. Phil. Fresenius, Frkf. 1747 u. 1749 [ohne Ort], holländisch Utrecht 1749); „Einleitung in die dogmatische Gottesgelehrtheit“ (Jena 1749 u. 1757); „Historia controversiae Graecorum Latinorumque de processione spiritus sancti“ (Jena 1751, eine Sammlung von zwölf Pfingstprogrammen aus der Zeit von 1739 bis 1750); „Einleitung in die polemische Gottesgelehrtheit“ (Jena 1752); „Bibliotheca theologica selecta, literariis adnotationibus instructa“ (in 4 Theilen, Jena 1757–1765); „Bibliotheca patristica literariis adnotationibus instructa“ (Jena 1770). Besondere Beachtung verdient sodann seine Editionsthätigkeit. Er veröffentlichte: „Dr. Martin Luther’s sämmtliche Schriften“ (24 Bände, Halle 1740 bis 1750). Der Werth dieser Ausgabe beruht für uns heute noch darin, daß in ihr eine Anzahl Quellen zur Reformationsgeschichte vorgeführt werden, welche, obgleich sie keine Werke Luther’s sind, doch nicht entbehrt werden können; außerdem verdienen die vorzüglichen Indices noch besonders das Lob der Brauchbarkeit. Allein wissenschaftlich muß an diesem großen Werke getadelt werden, daß die Luthertexte nach dem subjectiven Geschmack des mittleren achtzehnten Jahrhunderts modernisirt sind, sodann daß die lateinischen Texte nicht im Original, sondern in Uebersetzungen, wie sie W. gerade auffinden und erlangen konnte, gegeben werden, endlich daß die historische Reihenfolge der Schriften gänzlich ignorirt ist. Diese drei Mängel bedeuten drei sehr starke principielle Fehler einer Edition; im Gegensatz dazu hat die Erlanger Lutherausgabe die lateinischen Schriften Luther’s auch im lateinischen Original gegeben, und die Weimarer Ausgabe (1883 ff.) bemüht sich, nun auch alle Schriften nach der Reihenfolge ihrer Entstehung zu bringen, so daß endlich Ordnung in die Werke Luther’s kommen wird. (Die Braunschweiger Ausgabe, an sich sehr verdienstlich, ist nur auf das Interesse des christlichen Hauses an Luther berechnet.) Außer diesen großen Arbeiten, welche Walch’s Namen auf lange Zeit hin in ehrenvollem Gedächtniß halten werden, kamen von ihm noch zahlreiche kleinere Schriften und Aufsätze heraus: lateinische akademische Dissertationen, von denen er die meisten selbst verfertigt, während er bei anderen nur an der Ausführung mehr oder weniger betheiligt war; akademische Programme, andere Programme und kleine lateinische Schriften; deutsche Reden und Predigten; kleinere Arbeiten, welche in Sammlungen und periodischen Werken vorkommen, in den Acta eruditorum den lateinischen wie den deutschen, in dem neuen Büchersaal der gelehrten Welt; endlich noch Vorreden zu den Schriften anderer Gelehrten, wiederum in sehr großer Anzahl. Die Titel aller seiner Publicationen befinden sich in der Gedächtnißschrift „Leben und Charakter u. s. w.“ (s. unten) S. 52 bis 74; es werden dort beinahe dreihundert aufgeführt. Das Bildniß Walch’s ist zu sehen in Brucker’s Bildersaal 4. Zehend und vor der eben erwähnten Gedächtnißschrift.

Vgl. Jubelgedächtniß dem Hrn. Kirchenrath Walch gestiftet (Jena 1768). – Leben und Charakter des wohlseel. Herrn Kirchenraths D. Joh. Georg Walch (Jena 1777, v. s. Sohne J. E. J. Walch). – Meusel, Lexikon der … teutschen Schriftsteller, 14. Bd. (1815), S. 360–370. – Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands, 4. Bd. (Neustadt 1835), S. 630–640. – Gustav Frank, Geschichte der prot. Theologie, 2. Band (1865), S. 226. – Herzog’s Realencyklopädie 2. Aufl., 16. Band (1885), S. 608–610, Artikel v. W. Möller.