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Artikel „Siber, Urban Gottfried“ von Georg Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 134–135, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Siber,_Urban_Gottfried&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 15:13 Uhr UTC)
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Siber: Urban Gottfried S., sächsischer Geistlicher und Universitätslehrer, wurde am 12. December 1669 zu Schandau als Sohn des Pfarrers Justus S. (vgl. S. 132) geboren. Nachdem er seine Vorbildung im Vaterhause durch einen Hauslehrer, J. G. Strobach, erhalten hatte, besuchte er von 1682 an die Meißner Fürstenschule und studirte auf der Universität Wittenberg. Von hier ging er zunächst nach Hamburg, wo er namentlich bei Esdras Edzardi hebräischen Unterricht nahm und setzte dann seine Studien in Kiel fort. Ein im Leipziger Rathsarchive befindliches gedrucktes Zeugniß der genannten Universität gibt über dieselben nähere Auskunft. Hierauf wendete et sich nach Kopenhagen, wo durch Otto Sperling seine Neigung für die Kirchengeschichte und namentlich für die Alterthümer geweckt wird. Unter seinem Vorsitze disputirte S. „De Sacris publicis debita reverentia colendis“. Nach Wittenberg zurückgekehrt wurde er Magister auf Grund einer Dissertation De templorum antiquitatibus“ und sollte eben Adjunct der philosophischen Facultät werden, als er auf Empfehlung des Consistorialrathes Dr. Börner die Berufung als Rector der lateinischen Schule in Schneeberg erhielt. 1703 wurde er hier Diaconus, 1708 Archidiaconus und ging 1711 als Diaconus an die Thomaskirche zu Leipzig, an welcher er 1714 Vesperprediger, 1730 Archidiaconus, 1739 Pfarrer wurde.

Gleichzeitig war er als Universitätslehrer thätig. 1714 erwarb er sich die Licentiatenwürde, 1715 wurde ihm die neugegründete Professur für kirchliche Alterthümer übertragen. Mit dem letzteren Gebiete beschäftigt sich auch der größere Theil seiner zahlreichen Schriften, während einzelne Dissertationen, namentlich aus der Schneeberger Zeit, Fragen aus dem classischen Alterthum und der neueren Geschichte behandeln. Hierher gehören: „De Anancaeo ad Plauti Rudent. Act. II, Scen. II“, „Moly hermetis herbam …“ (1699), „De Statua Memnonis falso credita ad Tacit. Annal. lib. II, c. 61“ (1699), „De Ducenariis“, „De vicissitudinibus libertatis et servitutis Britannicae“ (1698), „De laude civitatis et consulum Schneebergensium“ (1702), „De Jubileo Tertio Academiae Lipsiensis“ (1709), worin u. a. die hervorragendsten Leipziger Gelehrten des 16. Jahrh. genannt werden, „De illustribus Alemannis, imprimis iis [135] quos Magdeburgum ob nobilitatem gentis … ad se recepit atque diffudit“ (Leipzig 1710) und „Historia Godeschalcorum“ (1712). – Von seinen archäologischen Schriften beschäftigen sich einige mit dem Gotteshause, z. B. „De templorum antiquitatibus“ (Wittenberg 1696), „Templorum condendorum ac dedicandorum ritus“ (1716), „Canes e templis exterminandum juxta leges ecclesiasticas“ (Leipzig 1712); andere betreffen den geistlichen Stand, z. B. „De velo virginum sacrarum“ (1708); „De matrimonio iterato“ (1712), „De Albatis“ (1713), „De antiquitate doctoratus theologici“ (1734); andere die Papst-, Bischofs- und Einsiedlergeschichte, z. B. „Enchiridion Sixti II., Pontificis et Martyris ut Christianum saec. III. monumentum“ (1725), „Telesphori, pontificis Romani vita ab erroribus purgat.“ (1714), „De B. Chrysostomo“, „De Caesareae Palaestinae Episcopis“ (1734), „S. Spyridionis ep. Trinithuntini vitam eiusque in Turcas a Corcyrensi obsidione profligato fortitudinem examinat“ (1718), „De sanctis columnaribus“ (1714). Besonderes Ansehen erwarb er sich durch seine Studien über die griechischen Hymnen, z. B. durch die Licentiatenarbeit „Historia melodorum ecclesiae Librisque Liturgicis“ (1714) und sein „Martyrologium Ecclesiae Graecae metricum ex Menaeis, Codice Chrifletiano, Actisque Sanctorum primum collectum, interpretatum et illustratum“ (1727). Außerdem ist zu erwähnen „Apostasia Porphyrii“ (Misc. Lips. I, 305), „De Gaza Palaestinae oppido“ (1715) und seine Erstlingsschrift aus dem Gebiete der neutestamentlichen Theologie „De σκληροκαρδἰᾳ s. de duritia mentis“. Außerdem hinterließ er eine stattliche Reihe von Handschriften. – Wiewohl er in seiner Schrift „De velo virginum sacrarum“ das Cölibat scharf verurtheilte und auch sonst, z. B. in der Schrift „Qualis imperantibus expediat uxor“ (1712) mit großer Hochachtung vom weiblichen Geschlechte sprach, starb er doch unvermählt. Vielleicht hielt ihn von dem Entschlusse sich zu vermählen, seine Kränklichkeit zurück, über die er mehrfach klagt. Er starb 1741.

Joh. Mart. Chladenii Opuscula Academica. Lipsiae 1741. I, 321–368. – Fabricii Bibliotheca, tom. IV. V. VI. – Götte, Das jetztlebende gelehrte Europa. II, 317–326. – Ranfft, Leben und Schriften aller Chur-Sächsischen Gelehrten. Leipzig 1742. II, 1203–1211, wo die Schriften mit genauen Litteraturangaben aufgezählt werden S. 1211–1223. – E. H. Albrecht, Sächsische Evangelisch-Lutherische Kirchen- und Predigergeschichte. I, 319, wo die ältere Litteratur verzeichnet ist. – F. A. Hermann, Führer durch die Thomaskirche in Leipzig. Leipzig o. J. S. 47. 86. – A. H. Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Kgr. Sachsen. Dresden 1883. S. 464. – Im Archiv der Ephorie Leipzig I und der Stadt Leipzig finden sich eine Reihe handschriftlicher Mittheilungen über S. – Sein Bild befindet sich im südöstlichen Beichthause der Thomaskirche in Leipzig.