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Artikel „Edzardus, Esdras“ von Karl Rudolf Wilhelm Klose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 650–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Edzard,_Esdras&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 10:30 Uhr UTC)
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Edzardus: Esdras E., nicht Edzardi, wie die Familie fast durchweg in neuerer Zeit genannt wird, da der Vater des Esdras, Jodocus Edzardi Glanaeus, sich gewöhnlich im Genetiv nannte, als Sohn des E. Ludolf Middochius, der Pastor in Tetten im Jeverlande in Oldenburg war: Pastoren waren auch entferntere Vorfahren des Esdras. Durchaus falsch ist daher auch die Meinung, als stamme Esdras von jüdischer Herkunft ab, eine Meinung, die sich wahrscheinlich aus dem Eifer der Familie für die Bekehrung der Juden gebildet hat. Esdras’ Vater schon hat einen Theil seiner Bildung in Hamburg erworben, nach Vollendung seiner Studien ward er 1623 Pastor zu Billwerder an der Bille, einem hamburgischen Dorfe, und 1626 an der kleinen Michaeliskirche in Hamburg. Er war es, der besonders den Bau der großen Michaeliskirche betrieb und 1661 als erster Prediger daselbst angestellt wurde. Esdras E. wurde geboren am 28. Juni 1629, er erhielt von seinem Vater eine sehr sorgfältige Erziehung, besuchte das hamburgische Johanneum und akademische Gymnasium [651] und studirte dann zu Leipzig, Wittenberg und Tübingen Theologie und orientalische Sprachen. Dieser Sprachen wegen hielt er sich auch ein halbes Jahr in Zwickau auf, um den Unterricht des dortigen Rectors Zechendorf und seines Nachfolgers Daum zu benutzen. Dann lernte er in Basel bei Buxtorf die Rabbinen und den Talmud kennen, reiste noch nach Straßburg, Gießen, Greifswald und Rostock und ward an diesem letzteren Orte Licentiat der Theologie. Nachdem er auf diese Weise 10 Jahre auf Universitäten zugebracht hatte, kehrte er 1656 in seine Vaterstadt zurück. So thätig und arbeitsam Esdras war, bewarb er sich doch nie um ein Amt, vielmehr wies er die verschiedenen Anträge, die ihm gemacht wurden, auch eine Professur am hamburgischen Gymnasium, entschieden zurück, er wollte als ein freiwilliger Streiter Christi der Kirche dienen. Zu seinem Lebensunterhalte brauchte er kein Amt, denn außer dem väterlichen Vermögen besaß er eine Vicarie am Dom, auch hatte er am 26. Januar 1657 eine reiche Jungfrau Engel Leß, eine Enkelin des Pancratius Pilgrim in Nürnberg, der seines evangelischen Glaubens wegen aus Kärnthen vertrieben worden war, geheirathet. Er wurde in dieser Ehe Vater von 8 Söhnen und 2 Töchtern, jedoch starben 4 Söhne und 1 Tochter in frühen Jahren. Ueber 50 Jahre hat Esdras E. Unterricht in den Grundsprachen der heiligen Schrift ertheilt; regelmäßig hielt er am Mittwoch und Sonnabend Katechismuslehre mit Juden. Zu anderer Zeit kamen Studenten, um sich bei ihm im Rabbinischen zu vervollkommnen, denn bald wurde auf allen Universitäten von den Professoren denjenigen, die tüchtige Hebräer werden wollten, der Rath ertheilt, einige Zeit in Hamburg Edzardus’ Unterricht zu genießen. Das haben viele ausgezeichnete Männer gethan, unter andern Aug. Herm. Francke, Hermann v. d. Hardt, Danz, Pfaff, Majus etc. In den Nachmittagsstunden hatte er oft 50–60 Zuhörer um sich versammelt. Jeglichen Unterricht ertheilte er unentgeltlich, nahm auch nie Geschenke. Zu Privatgesprächen über die christlichen Lehren war er beständig bereit. Es gelang ihm auch, seiner Kirche viele Seelen zu gewinnen, Katholiken, Calvinisten und Wiedertäufer; ja auch einige Türken und Mohren führte er zum christlichen Glauben. Ganz besonders aber lagen ihm die Hamburger Juden am Herzen, die sich hier in portugiesische und deutsche theilten, unermüdlich war er, sie zu gewinnen. In Hamburg wenigstens hat nie ein Missionär mit solchem Erfolg für die Judenbekehrung gearbeitet. In den Jahren 1691–1698 sollen in Hamburg mehrere 100 Juden zum Christenthum bekehrt sein, und kaum der vierzigste Proselyt soll dem neuen Glauben wieder untreu geworden sein. Um die von ihren ehemaligen Glaubensgenossen verlassenen und oft verfolgten bekehrten Juden vor Noth zu schützen, gründete er eine Proselytencasse, deren Jahreseinnahme in späterer Zeit auf 3000 Mark stieg und die noch bis jetzt besteht. Für Schriftstellerei war E. nicht, dadurch meinte er, mache man die Leute nur faul. Noch am 1. Januar 1708 hatte er seine Proselyten um sich versammelt und ermahnte sie, treu im wahren Glauben zu bleiben; gleich nach Mitternacht am 2. Januar 1708 entschlief er sanft. Von seinen Schriften, deren im Hamb. Schriftsteller-Lexikon Bd. 2 S. 126 ff. 11 angeführt werden, mögen genannt werden: „Consensus Judaeorum cum explicatione Christianorum de Messia ad Ps. 110 etc.“, 1678; „Beschreibung der Methode, der er sich beim Unterricht und Bekehrung der Juden bedient“, 1690 und 1693 in J. F. Meyer’s Museum Ministrorum ecclesiae, Th. 3. Cap. 3. S. 46–48: „Fragen an einen Juden, der getauft werden soll“, in Ch. Ziegra’s Grundlage zur Hamb. Kirchenhistorie neuerer Zeiten, Th. 3. S. 145–212.

C. W. Gleiß, Esdras Edzardus, ein alter Hamburger Judenfreund, 2. Aufl. Hamburg 1871.