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Artikel „Wüstemann, Ernst“ von Friedrich Koldewey in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 367–369, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:W%C3%BCstemann,_Ernst&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 04:28 Uhr UTC)
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Wüstemann: Ernst Friedrich W. wurde am 31. März 1799 zu Gotha geboren, wo sein Vater, Joh. Christoph W., als Hofadvocat und Regierungsfiscal eine angesehene Stellung einnahm. Die kleine thüringische Residenz war damals unter dem Scepter eines für edlere Zwecke leicht zu erwärmenden Fürsten, des Herzogs Ernst II. (1772–1804), wie auch unter dessen Sohn und Nachfolger, Herzog August (1804–1822), der Sitz eines regen wissenschaftlichen Lebens, das nicht zum wenigsten an dem dortigen Gymnasium illustre hervortrat und dieser Anstalt zu einer hohen Blüthe und Berühmtheit verhalf. W., der anfangs von seinem vielseitig gebildeten und auch mit den Schriften des classischen Alterthums wohl vertrauten Vater unterrichtet worden war, besuchte sie seit Ostern 1808 und gewann durch die tüchtigen, theilweise geradezu hervorragenden Schulmänner, die daran wirkten, – außer dem langjährigen Director Fr. W. Döring (s. A. D. B. V, 289 ff.), waren es Kaltwasser (XV, 49 f.), K. Gotth. Lenz (XVIII, 277 f.), Galletti (VIII, 332), Fr. Kries, Chr. Ferd. Schulze (XXXII, 765 ff.), Ludwig Regel († 1826), Fr. A. Ukert (XXXIX, 175 f.), seit 1814 auch Val. Chr. Fr. Rost (XXIX, 278 f.). – für seine späteren Studien eine feste und umfassende Grundlage. Auch der Oberbibliothekar Friedr. Jacobs (s. A. D. B. XIII, 600 ff.), die edelste Zierde des gothaischen Gelehrtenkreises, blieb auf Wüstemann’s Entwickelungsgang nicht ganz ohne Einfluß. Daneben förderte ihn in hohem Maße die vortreffliche Büchersammlung seines Vaters, die er schon als Knabe im Verein mit seinem älteren Bruder, dem [368] späteren sachs.-altenburgischen Geheimen Rath und Minister Karl Christian W. (s. u. S. 369), mit unersättlichem Eifer zu durchforschen begann. So bezog er denn, mit einer vorzüglichen Schulbildung ausgestattet, im Herbst 1816 die Universität zu Göttingen und schloß sich bei dem Studium der Alterthumswissenschaften, dem er sich aus innerster Neigung widmete, aufs engste an Dissen (s. A. D. B. V, 254 ff.) an, ohne jedoch die beiden anderen Philologen der Georgia Augusta, Mitscherlich (s. A. D. B. XXII, 15) und Welcker (XLI, 653), zu vernachlässigen. Bald erwarb sich der talentvolle und namentlich mit einer seltenen Gedächtnißkraft begabte Student durch Fleiß und Fortschritte die Achtung und Zuneigung seiner Lehrer und erweckte namentlich durch seine Arbeiten im Seminar und in Dissen’s philologischer Societät von seinen Fähigkeiten eine so gute Meinung, daß Lord Guilford, der englische Gouverneur der Ionischen Inseln, ihm auf Empfehlung des in Göttingen studirenden Epiroten Konstantin Asopios noch vor Vollendung seines Trienniums an der Akademie, die er in Korfu zu errichten beabsichtigte, die Professur der lateinischen Sprache und Litteratur anbot. W. nahm jedoch die ehrenvolle Berufung nicht an, da sein alternder Vater ihn nicht gern in eine so weite Ferne ziehen lassen wollte, kehrte vielmehr im Herbst 1819 in seine Geburtsstadt zurück, wo er alsbald, hauptsächlich auf Rost’s Betrieb, an demselben Gymnasium, das er noch vor drei Jahren als Schüler besucht hatte, als Collaborator angestellt und als solcher am 4. October des genannten Jahres vom Director Döring feierlich eingeführt wurde. Er zählte erst 201/2 Jahr; aber seine offenkundige Gelehrsamkeit, sein klarer und fesselnder Vortrag, sein gesetztes und taktvolles Auftreten, nicht zum wenigsten auch die unermüdliche Hülfsbereitschaft, mit der er sich seiner Schüler auch außerhalb der Lehrstunden annahm, halfen ihm über die Schwierigkeiten, die ihm seine Jugend in den Weg legte, mit Leichtigkeit hinweg. Schon nach kurzer Zeit gehörte er zu den geschätztesten und erfolgreichsten Lehrern der Anstalt. Mit seinen Amtsgenossen verknüpften ihn die Bande einer freundschaftlichen und pietätvollen Collegialität. Auch bei der Bürgerschaft erfreute er sich großer Beliebtheit, und daß auch Regierung und Landesherr seiner Tüchtigkeit Anerkennung zollten, geht u. a. daraus hervor, daß er 1842 zum Professor aufrückte und 1853 den Titel „Hofrath“ erhielt. Nicht minder günstig gestaltete sich Wüstemann’s Privatleben. Mit seiner Gattin, Nanny Salbach, der Tochter eines angesehenen und begüterten Rechtsgelehrten, lebte er in glücklicher, mit zwei Kindern gesegneten Ehe. Das stattliche, von einem Garten umgebene Haus vor der Stadt, das er mit seiner Familie bewohnte, bildete den Mittelpunkt einer heiteren und anregenden Geselligkeit und wurde auch von Fremden, die entweder die Gastlichkeit des Besitzers oder das Verlangen nach dessen litterarischem Beirath herbeiführte, vielfach besucht. Nach allem begreift man, daß W. sich von seiner Vaterstadt nicht zu trennen vermochte und die ehrenvollen Berufungen, die von verschiedenen Seiten her an ihn ergingen, sämmtlich zurückwies. Groß war die Zahl der auswärtigen Gelehrten, mit denen W. in wissenschaftlichem und freundschaftlichem Briefwechsel stand. Das Archäologische Institut in Rom ernannte ihn in wohlbegründeter Würdigung seiner Verdienste zu seinem Mitgliede.

Im Anfang seiner Schulthätigkeit hatte W. auf verschiedenen Stufen sowohl griechischen als lateinischen Unterricht zu ertheilen, übernahm aber, als im Herbst 1833 der Director Döring in den Ruhestand trat, an dessen Stelle das Lateinische in den oberen Classen allein und setzte diese Wirksamkeit ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode fort. In der That hätte man für diese Aufgabe einen geeigneteren Vertreter nicht zu finden vermocht; denn W. verstand es, die Sprache Latiums in Wort und Schrift in seltener Reinheit und Eleganz zu handhaben, und galt nach Eichstädt’s Tode († 1848, s. A. D. B. V, 742) für [369] den besten Latinisten seiner Zeit. Mit wie gutem Rechte lassen seine Schriften, vor allem die von ihm veröffentlichten Gedächtnißreden, Carmina und Votivtafeln, auch heute noch deutlich erkennen. Von seinen Schülern haben sich später verschiedene, beispielsweise Friedrich Dübner (s. A. D. B. V. 440 ff.), Raphael Kühner (XVII, 353) und der erst am 25. August 1895 verstorbene Lexikograph Georges, als tüchtige Philologen hervorgethan. – In seinen wissensschaftlichen Publicationen bevorzugte W. anfangs das Gebiet der griechischen Sprache und Litteratur. Mit seinem Collegen und Freunde, dem schon erwähnten späteren Director und Oberschulrath Rost, gab er seit 1820 die bekannte „Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen in das Griechische“ heraus, von der der erste Theil (1. und 2. Kursus) 1876 in 11., der zweite (3. und 4. Kursus) 1861 in 4. Auflage erschien. Außerdem veröffentlichte W. 1823 eine Ausgabe der Euripideischen Alkestis und 1830 eine solche des Theokrit, beide mit lateinischem Commentar. Als jedoch das letztgenannte Werk, zu dem auch Friedrich Jacobs werthvolle Beiträge geliefert hatte, von einem Recensenten ungünstig und unbillig beurtheilt wurde, machte dieses auf W. einen so schmerzlichen Eindruck, daß er die griechischen Studien bei Seite setzte und seine litterarische Thätigkeit fast ausschließlich nur noch den Römern zuwendete. Von den zahlreichen Früchten derselben ist neben der neuen Ausgabe, die er 1843 von Heindorf’s Commentar zu Horazens Satiren veranstaltete, besonders seine Sammlung lateinischer Sinnsprüche (Promptuarium Sententiarum e veterum scriptorum Romanorum libris congessit E. F. Wuestemann. Gothae 1856. 16°. Editio altera curavit Mauritius Seyffertus. Nordhusae 1864. 16°) zu erwähnen, die als das Ergebniß einer langjährigen und eindringenden Lectüre im Jahre seines Todes erschien und seinem Namen bei den Liebhabern des römischen Alterthums noch für lange Zeit ein ehrenvolles und dankbares Andenken sichern wird. Populär gehalten, aber auf streng wissenschaftlicher Grundlage beruhend, sind verschiedene Beiträge, die W. der Kunstgärtnerei der Alten gewidmet hat. Seine umfangreichen lexikalischen Collectaneen blieben ungedruckt.

W. starb infolge eines gastrischen Fiebers am 1. Juni 1856. Schüler, Vorgesetzte, Mitbürger und Freunde empfanden den Tod des verdienstvollen, liebenswürdigen, edelgesinnten und allezeit hülfsbereiten Gelehrten als einen schweren Verlust.

Vgl. Fr. Berger, Oratio in memoriam Ern. Frid. Wuestemanni habita. Abgedr. im Programme des Gothaer Gymnasiums von 1857. – C. E. Georges, Ern. Frid. Wuestemanni Memoria. Gothae 1857. – Nekrolog und Bildniß in der Illustrirten Zeitung (Leipzig, Weber) vom 12. Juli 1856, Nr. 680. – Nekrolog in der Augsburger Allgem. Zeitung, Jahrg. 1857, Beilage zu Nr. 31. – Biographie von A. Schumann. Abgedr. bei Petzholdt, Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft, Jahrg. 1883, S. 198–205 und 221–229. – Pökel’s Philolog. Schriftsteller-Lexikon, S. 309. – Bursian’s Gesch. der klass. Philologie in Deutschland, I, 604. – Die Verzeichnisse der von W. veröffentlichten Schriften bei Berger, Georges und Pökel bedürfen der Ergänzung. Erschöpfend ist allein das Verzeichniß bei Schumann.