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Artikel „Roßbach, August“ von Gustav Türk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 507–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ro%C3%9Fbach,_August&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:51 Uhr UTC)
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Roßbach: Georg August Wilhelm R. wurde am 26. August 1823 in der kurhessischen Stadt Schmalkalden geboren. Sein Vater Johann Georg Roßbach war dort Schulinspector und Rector des Progymnasiums, die Mutter Amalie geb. Sommer die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns. Den ersten Unterricht genoß R. auf der Bürgerschule und dem Progymnasium seiner Heimathstadt und lernte außerdem viel aus der reichhaltigen Büchersammlung [508] seines Vaters. Immerhin zeigte es sich, als er 1840 in das Gymnasium zu Fulda aufgenommen wurde, daß seine Vorbildung den jetzt an ihn herantretenden Anforderungen nicht voll genügte. Doch gelang es ihm, durch großen Fleiß die vorhandenen Lücken auszufüllen. Director des Fuldaer Gymnasiums war damals Nicolaus Bach. Sonst wirkte auf R. besonders anregend der Lehrer des Griechischen, Friedrich Franke, ein Schüler Gottfried Hermann’s, daneben auch E. F. J. Dronke und Franz Dingelstädt. Ostern 1844 bestand R. das Abiturientenexamen. Er bezog die Universität Leipzig, indem er Franke’s Beispiel und Rath folgte. Anfangs widmete er sich gleichmäßig der Philologie und der Theologie, gab aber allmählich der ersteren den Vorzug, ohne ganz auf theologische Vorlesungen zu verzichten. Von nachhaltigstem Einfluß auf R. war Gottfried Hermann, der ihn im Anfang des dritten Semesters in seine Griechische Gesellschaft aufnahm; auch Westermann und W. A. Becker hörte er eifrig. Kurze Zeit gehörte er während seines ersten Semesters der Leipziger Burschenschaft an. Die freie Zeit nützte R. für sein Fach so eifrig aus, daß er in zwei Jahren alle classischen Dichter und die meisten hervorragenden Prosaiker der Griechen durchlas. In den Sommerferien 1844 sah er seinen Vater zum letzten Male. Dieser war seit einiger Zeit schwer krank und starb im Januar 1845. Ostern 1846 siedelte R. nach Marburg, der Universität seiner Heimath Kurhessen, über, weil er nur dann, wenn er einige Jahre hier studirte, Anspruch auf Anstellung im kurhessischen Staatsdienste hatte. Er hörte hier verhältnißmäßig wenig Vorlesungen, darunter Römische Antiquitäten bei J. Rubino. Besonders anregend waren außerdem die Vorlesungen und Seminarübungen bei Th. Bergk, sowie die Theilnahme an seiner Philologischen Gesellschaft. In dieser wurde R. mit dem Studenten der Theologie Rudolf Westphal bekannt. Westphal trieb unter Leitung von Gildemeister semitische Sprachen, Sanskrit, Zend und vergleichende Grammatik. Obgleich die Richtung der beiderseitigen Studien gar nicht übereinstimmte, befreundeten sich R. und Westphal miteinander und gewannen jeder den andern für seine Lieblingsfächer. Westphal ging ganz zur Philologie über, und R. trieb Sanskrit, Arabisch und Sprachvergleichung. In seinem letzten Semester (Winter 1847/48) hörte er nur bei Gildemeister, und zwar drei Vorlesungen: Sanskrit, vergleichende Grammatik, semitische Geschichte und Antiquitäten. Am 26. Mai 1848 bestand er das Staatsexamen. Der Tod seiner Mutter veranlaßte ihn, sich bis zum Ende des Jahres 1848 in Schmalkalden aufzuhalten. Dann kehrte er nach Marburg zurück, um seine Studien fortzusetzen. Im October 1849 wurde er vom kurhessischen Ministerium dem Gymnasium zu Hanau als Praktikant überwiesen und gab dort seit dem 19. November namentlich griechischen und deutschen Unterricht. Nicht bloß durch seine umfangreichen Kenntnisse, sondern auch durch die Festigkeit seines Auftretens bei stattlicher Gestalt schien er berufen, ein ausgezeichneter Schulmann zu werden. Allein die Anstellungsaussichten waren ungünstig, und die Neigung, möglichst uneingeschränkt der Wissenschaft leben zu können, hatte in R. tiefe Wurzeln geschlagen. Hierzu kam der Wunsch, auch fernerhin an der Seite seines Freundes Westphal zu arbeiten und zu wirken. Westphal war es nicht gelungen, seine Studien so zu regeln, daß er die Staatsprüfung für das Lehramt bestehen konnte. Die beiden Freunde beschlossen sich der Universitätslaufbahn zu widmen und bereiteten sich gemeinsam dazu vor.

R. wohnte seit 1850 in Westphal’s Vaterhause in Obernkirchen, welches mit der Grafschaft Schaumburg zu Kurhessen gehörte, und fühlte sich hier sehr wohl. Er schildert das Leben in dieser Familie in dem Lebensabriß, den er über Rudolf Westphal in der Allgemeinen Deutschen Biographie verfaßt [509] hat. In Obernkirchen trieben R. und Westphal besonders eifrig metrische und grammatische Untersuchungen. Am 30. April 1851 erhielt R. auf seine Bitte den Abschied aus dem kurhessischen Staatsdienste. Bald darauf zog er mit Westphal und einem dritten Studiengenossen, C. D. A. Freihr. v. Knoblauch-Hatzbach, nach Tübingen. Unterwegs sah er Straßburg. Für die zu dem beabsichtigten Zwecke zunächst erforderliche Doctorpromotion reichte R. als Dissertation, die nicht gedruckt zu werden brauchte, einige Abschnitte eines Werkes über die römische Ehe ein. Nachdem er auch die mündliche Prüfung ohne Schwierigkeiten bestanden hatte, erhielt er das Diplom unter dem 5. Januar 1852. Seine Habilitationsschrift, die gedruckt werden mußte, handelte über „Peirithoos und Theseus“. Die Behandlung des Gegenstandes zeigte für die damalige Zeit eine beachtenswerthe Vielseitigkeit und führte zu neuen Ergebnissen. Wichtiger als diese Schrift waren für den zu erreichenden Zweck die gleichzeitig veröffentlichten Thesen, die am 11. März 1852 vertheidigt wurden. Als Gegner Roßbach’s traten der Philologe Chr. Walz, der Historiker Haug und der Bibliothekar F. Tafel auf. Am heftigsten griff Walz die von R. aufgestellten neuen Ansichten an. R. vertheidigte sich mit Geschick und Entschiedenheit. Der Redekampf dauerte von 8–3 Uhr, also sieben Stunden. Schließlich wurden R. und Westphal als Privatdocenten der Philologie zugelassen. Das darauf bezügliche Ministerialschreiben ging ihnen am 29. März 1852 zu. Roßbach’s Vorlesungen behandelten zunächst die Erklärung griechischer und römischer Schriftsteller; dazu kamen seit dem Winter 1854/55 auch systematische Collegien. Daneben war er mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, besonders mit seinem Buche über die römische Ehe. Er suchte ihre geschichtliche Entwicklung aufzuklären und verglich zu diesem Zwecke auch die Bräuche verwandter Völker. Er wies nach, daß die verschiedenen Eheformen der Römer nicht auf die verschiedenen Bestandtheile des römischen Volkes zurückzuführen seien und erklärte sie theils aus dem Uebergange der patriarchalischen Verfassung in die des entwickelten Staates theils aus religiösen Bräuchen. 1853 erschien das Buch unter dem Titel: „Untersuchungen über die römische Ehe“ in Stuttgart. Es fand allgemeine Anerkennung als das erste Werk, welches die Methode der vergleichenden Grammatik auf das Gebiet der „Antiquitäten“ übertrug und einen derartigen Stoff unter dem weiteren Gesichtspunkt der Culturgeschichte behandelte. Im folgenden Jahre, 1854, erschien der erste Band der Metrik, die R. und Westphal gemeinsam herausgaben. Er behandelte die Rhythmik auf Grund der griechischen Rhythmiker, aber ebenso sehr der erhaltenen Dichterwerke selbst. In demselben Jahre 1854 gab R. im Teubner’schen Verlage den Catull heraus, für den ihm J. Sillig in Dresden seine Vergleichungen wichtiger Handschriften zur Verfügung stellte. Die erste Stelle unter den Codices wies R. dem Germanensis zu. Im J. 1855 erschien in demselben Verlage der von R. herausgegebene Tibull, für welchen zu den von Lachmann benutzten keine neuen Handschriften hinzugezogen waren; doch ging R. Lachmann gegenüber selbständig vor. Am 6. Februar 1855 erhielt R. den Titel eines außerordentlichen Professors der Universität. 1½ Jahre später wurde er zum ordentlichen Professor in Breslau ernannt, wo kurz nacheinander Ch. F. Schneider und J. A. Ambrosch gestorben waren. Das Amt war Michaelis 1856 anzutreten. R. hatte sich mit Westphal’s Schwester Auguste verlobt und vermählte sich jetzt mit ihr. Westphal entschloß sich ebenfalls nach Breslau zu gehen. Er reiste dahin voraus. Die Neuvermählten hielten sich unterwegs in Berlin auf, wo R. die Museen besichtigte und die Fachgenossen aufsuchte, namentlich Boeckh, Meineke und E. Gerhard, außerdem auch Jacob Grimm.

[510] In Breslau hatte R. eine vielseitige Thätigkeit zu entfalten. Außer dem philologischen Lehramte, welches er, wie in Tübingen, auch auf die Archäologie ausdehnte, hatte er als einer der beiden Professoren der Eloquenz Programme und Reden auszuarbeiten. Ferner war er Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission und hatte das „Museum für Kunst und Alterthum“ zu leiten, bei dessen noch sehr unentwickeltem Zustande eine mühevolle Aufgabe. Den Vorlesungen widmete er seine Hauptthätigkeit, wobei ihm sein rednerisches Geschick zu statten kam. Sein Vortrag fesselte durch großzügige Auffassung und gewandt geprägte Schlagworte. Er las über griechische Litteratur, Grammatik, Metrik, Religionsgeschichte, römische Staats-, Privat- und Sacralalterthümer und erklärte Homer, Pindar, die drei Tragiker, ferner Catull und Tacitus. Dazu kamen archäologische Collegien: Einleitung in die alte Kunstgeschichte, Erklärung der Denkmäler des Museums, griechische und römische Kunstgeschichte, Geschichte der griechischen Architektur, Geschichte der griechischen Plastik, Denkmäler von Pompeji und Herculaneum. Die Arbeit an dem Museum für Kunst und Alterthum hatte den Erfolg, daß der Bestand dieser von J. G. G. Büsching in den Jahren 1810–12 aus den 91 ehemaligen schlesischen Klöstern zusammengebrachten Sammlung festgestellt und für bessere Unterbringung Raum geschaffen wurde. Daneben nahmen die sonstigen Arbeiten Roßbach’s ungehinderten Fortgang. 1856 erschien, von ihm mit Westphal zusammen bearbeitet, der dritte Band der Metrik mit dem Nebentitel: „Griechische Metrik nach den einzelnen Strophengattungen“, Boeckh und dem Andenken G. Hermann’s gewidmet. Auf der 1857 vom 28. September bis 1. October in Breslau stattfindenden Philologenversammlung machte ein Vortrag Westphal’s über „Terpander und die früheste Entwicklung der griechischen Lyrik“ besonderen Eindruck. R. durfte sich darüber wie über einen eigenen Erfolg freuen, da es sich um die Anwendung ihrer gemeinsamen in der Metrik geübten Forschungsweise und um Ergebnisse gemeinsamer Untersuchungen handelte. Von 1857–1862 erschienen Jahr für Jahr Programmabhandlungen, die sich größtentheils mit der Metrik oder mit der Erklärung des Aeschylus beschäftigten, dazwischen einmal eine Abhandlung zu Catull, dessen Text im J. 1860 in zweiter Auflage erschien. Die Professur der Eloquenz hatte außer R. noch F. Haase. Mit diesem gerieth R. wegen der Vertheilung der Obliegenheiten in Streit. Auch in ihrer wissenschaftlichen Richtung lag ein Gegensatz begründet. Haase behandelte mehr den sprachlichen Ausdruck und die Ueberlieferung der Texte und vorwiegend das römische Alterthum, R. hauptsächlich griechisches Wesen und griechische Kunst, und zwar mit dem Streben nach der Erfassung großer antiker Gedanken, ohne gleichzeitig auf die Kenntniß aller zufälligen Einzelheiten und erschöpfende Benutzung der darüber erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten Werth zu legen. Das eine ist immer sein Vorzug geblieben: er besaß eine aus den Quellen geschöpfte abgerundete Anschauung von dem Alterthum und eine ehrliche Begeisterung für dessen große Leistungen und war wohl im Stande, seinen Hörern die in seinem festen Besitz befindliche Summe von Kenntnissen und Anschauungen mit solchem Geschick und solcher Wärme mitzutheilen, daß sie ihrerseits einen Schatz daran hatten, der z. B. für den Unterricht an den höheren Schulen eine brauchbare Grundlage abgab. Also zur Vorbildung tüchtiger Schulmänner war R. durchaus geeignet. Dagegen machte sich mit zunehmendem Alter auch die andere Eigenschaft in gesteigertem Maaße geltend, daß er die Forschungen Anderer, neue Bestrebungen, die sich in der Philologie geltend machten, veränderte und erweiterte Ziele dieser Wissenschaft nicht gebührend würdigte. Freilich muß hierbei in Betracht gezogen werden, daß ihm ein Augenleiden, das schon in [511] jungen Jahren aufgetreten war und sich später wiederholte, auch äußerlich ein schweres Hinderniß bereitete. Wer etwa in dem letzten Jahrzehnt seiner Wirksamkeit von R. einen Ueberblick über den damaligen Stand der Philologie zu erhalten hoffte, um an einem geeigneten Punkte auch mit eigener Arbeit ansetzen zu können, wird schwer auf den rechten Weg gekommen sein. In dieser Zeit fühlte sich Mancher ebenso enttäuscht, wie ältere Zuhörer Roßbach’s mit Recht seine anregende Wirksamkeit rühmen konnten. Als im J. 1861 die Universität Breslau ihr 50jähriges Jubiläum feierte, wobei R. die lateinische Festrede in der Aula Leopoldina hielt, konnte er als einer der leistungsfähigsten und würdigsten Männer seines Standes gelten.

Eine grundlegende Thätigkeit entfaltete R. gerade in dieser und der nächstfolgenden Zeit für die Pflege der Kunst und Kunstwissenschaft in Breslau. Aus dem vorhandenen „Museum für Kunst und Alterthum“ wünschte der „Verein für schlesische Alterthümer“ die mittelalterlichen und neueren Werke an sich zu bringen. R. war diesem Wunsche zunächst abgeneigt, ließ sich aber von dem damaligen seit kurzem im Amte befindlichen Curator der Universität, dem Oberpräsidenten Frhr. v. Schleinitz von den Vortheilen überzeugen, die das dann übrigbleibende Alterthumsmuseum haben würde. Dieses wurde jetzt erst wirklich werthvoll. Durch die Miethe, welche der genannte Verein zahlte, wurden die Mittel zur Anschaffung guter Abgüsse vermehrt. Dazu kam bald eine Sammlung griechischer Originale, welche der griechische Ministerialrath und Baudirector E. G. Schaubert zusammengebracht hatte. Nachdem er seine letzten Jahre in seiner Heimath Breslau verlebt hatte, wurde die Sammlung mit Ausnahme der Münzen von den Erben dem Museum geschenkt. Die Münzen wurden dann käuflich erworben.

So bot jetzt das Museum eine gute Gypssammlung und außerdem die Möglichkeit, von der alten Kleinkunst eine unmittelbare Anschauung zu gewinnen. Im J. 1861 veröffentlichte R. das „Verzeichniß der Gypsabgüsse und Originalien antiker Bildwerke im Kgl. Museum für Kunst und Alterthum an der Universität Breslau“. Ein Stück der Schaubert’schen Sammlung, ein corinthisches Salbgefäß, auf welchem der Kampf des Herakles mit der Hydra dargestellt war, wurde auf Roßbach’s Anregung von dem Studiosus Clemens Konitzer behandelt. Die Veröffentlichung erfolgte bei Gelegenheit des Universitätsjubiläums im Namen der von R. geleiteten „Archäologischen Gesellschaft“. Roßbach’s Verdienste um die Archäologie wurden durch seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede des archäologischen Instituts anerkannt (8. December 1861). Auch wo außerhalb der Universität sich Pflege der Kunst und ihrer Geschichte zeigte, war R. gern zur Theilnahme bereit. In Breslau bestand ein Kreis von Kunstliebhabern und Kunstkennern, von denen hier Buchhändler E. Quaas (später in Berlin), Gymnasiallehrer Dr. R. Schillbach (später in Potsdam) und Frhr. v. Wolzogen genannt seien. Diese Männer pflegten sich zu gelegentlichen Besprechungen über neu erschienene Kunstblätter und ähnlichen gegenseitigen Mittheilungen zusammenzufinden. R. wurde mit ihnen bekannt und nahm gern an ihren Zusammenkünften Theil. Bald darauf entstand aus diesen Zusammenkünften der Verein der Geschichte der bildenden Künste (1862), zu dessen Vorsitzenden R. gewählt wurde. Er behielt dieses Amt bis zu seiner Reise nach Italien (1869) und hat es mit Eifer verwaltet, ohne etwa die Archäologie einseitig zu begünstigen. In der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur“ begründete er 1866 zur besonderen Pflege der Archäologie eine archäologische Section, an deren Spitze er bis 1869 stand. Auch an den Bestrebungen, welche zur Gründung des „Museums der bildenden Künste“ in Breslau führten, nahm R. lebhaften [512] Antheil. Er wies im Verein für Geschichte der bildenden Künste wiederholt auf den fühlbaren Mangel einer großen Kunstanstalt hin. Nicht bloß ein Museum, sondern auch eine Akademie wünschten die Schlesier vom Staate zu erhalten.

Im J. 1866 schien nach dem siegreichen Kriege der rechte Zeitpunkt gekommen, mit diesem Anliegen hervorzutreten. Eine Deputation, zu der unter anderen der Vorsitzende der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, Prof. Göppert, und R., damals Rector der Universität, gehörte, überreichte dem Könige Wilhelm I. eine Bittschrift, welche dieser wohlwollend aufnahm. Die Regierung forderte den Oberpräsidenten v. Schleinitz zum Bericht auf. Dem von dem Oberpräsidialrathe Marcinowski abgefaßten Berichte lagen die ausführlichen Erhebungen Roßbach’s über die Bestände der Breslauer Kunstsammlungen zu Grunde. Damit war die Angelegenheit in die rechte Bahn gebracht und wurde nun, wenn auch nicht sehr eilig, doch stetig weiter verfolgt, bis das Ziel erreicht war.

Nicht so leicht wie R. gelang es Westphal, in Breslau Boden zu gewinnen. Vgl. darüber Roßbach’s Darstellung unter „Westphal“. Am 1. April 1861 schied er auf sein Gesuch aus dem Staatsdienste aus und verließ bald darauf Breslau. Der zweite Theil der ersten Auflage der Metrik (1863: I. Harmonik und Melopöie der Griechen; 1865: II. Allgemeine griechische Metrik) wurde von Westphal allein druckfertig gemacht und trägt auf dem Nebentitel nur seinen Namen. Westphal wich hier und in der zweiten Auflage der Metrik, die in zwei Bänden von ihm allein bearbeitet wurde, in manchen Punkten von R. ab. An Westphal’s Stelle kam Martin Hertz aus Greifswald, und zwar, wie schon dort, als ordentlicher Professor. R. gab jetzt seinen Antheil an der Professur der Eloquenz an Hertz ab. Auf dessen Bitten überließ er es ihm auch, über römische Alterthümer zu lesen. R. betrachtete von jetzt ab das Griechische als sein Hauptgebiet. Im J. 1866 nahm er als Rector der Universität unter den Spitzen der Behörden an der Begrüßung des siegreichen Königs Wilhelm I. bei seinem feierlichen Einzuge in Breslau am 18. September Theil und war, wie schon erwähnt, Mitglied der Deputation, welche am 20. November 1866 dem König die Bittschrift wegen eines zu gründenden Museums überreichte. Als im August 1867 F. Haase starb, trat an seine Stelle August Reifferscheid, der bis 1884 neben R. und Hertz wirkte. Von Roßbach’s Schülern habilitirte sich Alwin Schultz 1867 für neuere Kunstgeschichte, R. Förster 1869 für Archäologie und Philologie, H. Blümner 1870 für dieselben Fächer.

Den Winter 1869/70 verlebte R. in Italien. Längere Zeit hielt er sich in Florenz, Neapel und namentlich in Rom auf, wo er an den Arbeiten des archäologischen Instituts theilnahm und mit dessen Leitern Henzen und Helbig in Beziehung trat. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Ergebniß seiner italienischen Reise die 1871 veröffentlichte Abhandlung aus: „Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler, erläutert von August Roßbach“. Es war ein archäologischer Nachtrag zu seinem früheren Buche über die römische Ehe. Ein großes Werk, das er demnächst plante, ist unausgeführt geblieben, nämlich eine griechische Religionsgeschichte in drei Bänden, deren erster nach einer 1871 erschienenen Ankündigung die Perioden der griechischen Religionsgeschichte, deren zweiter die specielle Mythologie, gegliedert in das Göttersystem und die Heroensage, deren dritter die religiöse Ethik und den Cultus behandeln sollte. Kurz vor der Reise nach Italien hatte R. eine Dienstwohnung im Sandstift bezogen, die in Verbindung mit dem archäologischen Museum stand und ihm ein ruhiges Arbeiten in behaglicher Stille sicherte. Das archäologische Museum in seiner [513] jetzigen Gestalt wurde in diesen Jahren durch Erweiterung und Umbau der für die sehr vermehrte Sammlung nicht mehr genügenden Räume geschaffen. 1877 erschien die zweite Auflage des Kataloges. In den siebziger Jahren stieg die Zahl der Philologiestudirenden zu einer noch nie erreichten Höhe, sodaß im Winter 1878/79 die Vorlesung über die griechische Formenlehre 149 Zuhörer fand. Demgemäß war auch die Last der Amtsgeschäfte in den Doctor- und Staatsprüfungen erheblich, sodaß die wissenschaftliche Muße karg bemessen war. Dazu kam jetzt gerade häufig Roßbach’s altes Augenleiden, sodaß er etwa Anfang der achtziger Jahre die weitere Ausarbeitung der „Religionsgeschichte“ aufgeben mußte. Im J. 1884 wurde W. Studemund aus Straßburg nach Breslau versetzt, um an Reifferscheid’s Stelle zu treten, während dieser nach Straßburg ging. Studemund war für R. und Hertz nicht gerade der erwünschte Mann, wußte sie aber allmählich für sich zu gewinnen. Ein Mann von rastloser Thätigkeit, in seinem Vortrage von sprudelnder, bisweilen geradezu stürmischer Lebhaftigkeit, dazu offenbar ein geübter Führer, der gern den Weg zu neuen Forschungsgebieten wies, brachte er es in kurzer Zeit dahin, daß das wissenschaftliche Leben in der Breslauer Philologie unter seinem Einflusse stand. Dabei verbarg er nicht ganz eine gewisse Geringschätzung der Leistungen seiner beiden älteren Collegen. Obwohl R. davon vielleicht am meisten betroffen wurde und auch davon Kenntniß haben mußte, hat er doch in dem Nekrolog, den er nach Studemund’s im J. 1889 im besten Mannesalter erfolgtem Tode verfaßte, mit keinem Worte einer Verstimmung, zu der er Grund genug hatte, Ausdruck gegeben und dadurch sich als großdenkenden Mann bewiesen, der auch einen Gegner unparteiisch, ja mit Wärme zu würdigen verstand. Im J. 1889 erschien von R. neubearbeitet die specielle griechische Metrik in dritter Auflage mit einer ausführlichen Vorrede, die wichtige Aufklärungen über Roßbach’s wissenschaftliche Bestrebungen und besonders auch über den Antheil Westphal’s an der „Metrik“ enthielt und außerdem als ein stilistisches Meisterwerk beachtenswerth ist. An Studemund’s Stelle trat zu Roßbach’s Freude 1890 R. Förster aus Kiel, der bereits 1870/75 als außerordentlicher Professor in Breslau gewirkt hatte. Zwischen den jetzt nebeneinander thätigen Collegen herrschte das denkbar beste Einvernehmen. In seiner Familie erlebte R. zwar einen großen Schmerz, doch noch mehr Freude. Einer seiner Söhne wurde nach Beendigung seiner Studien von einem unheilbaren Nervenleiden befallen, sodaß er in eine Anstalt aufgenommen werden mußte; sein ältester Sohn aber erreichte eine ähnliche Stellung wie der Vater, während der jüngste, der sich der Chemie gewidmet hatte, ebenfalls auf dem besten Wege zu einer geachteten Lebensstellung war. Roßbach’s älteste Tochter war glücklich verheirathet, die jüngste neben seiner liebevollen Gemahlin ihm eine treue Pflegerin. So verbrachte er ein schönes Alter. In seinem letzten Jahrzehnt hatte er noch einmal Gelegenheit, eine Universitätseinrichtung zweckmäßig neu zu gestalten, nämlich das Institut für Kirchenmusik, dessen Leitung ihm am 28. Juni 1889 übertragen wurde. Gegen Ende des Sommers 1895 begannen seine Kräfte abzunehmen. Im J. 1896 und 1897 traten schwere Erkrankungen ein. 1898 am 23. Juli erlag er einer Lungenentzündung, zu der ein Schlaganfall kam, im Alter von fast 75 Jahren. Ein Denkmal in Gestalt einer attischen Stele bezeichnet sein Grab, und in dem Auditorium seines Museums hängt in Erz getrieben sein Bild, gewidmet von seinen Freunden, Verehrern und Schülern.

Nekrolog von Richard Förster in der Chronik der Universität zu Breslau 1898/99, S. 123–146. – Otto Roßbach, August Roßbach. [514] Eine Erinnerung an sein Leben und Wirken. Königsberg i. Pr. 1900. – Nekrolog von Wilhelm Kroll in Bursian’s Jahresbericht über die Fortschr. der classischen Alterthumswissenschaft 1900, Bd. 107, S. 75–85.