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Artikel „Becker, Wilhelm Adolf“ von Karl Ludwig Urlichs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 229–231, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Becker,_Wilhelm_Adolf&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:49 Uhr UTC)
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Becker: Wilhelm Adolf B., Wilhelm Gottliebs Sohn, geb. 1796 in Dresden, † als ordentlicher Professor der classischen Alterthumswissenschaft in Leipzig, am 30. Septbr. 1846 zu Meißen. Ursprünglich zur Erlernung kaufmännischer Wissenschaften bestimmt, wurde er, als er sich der Philologie zu widmen beschlossen hatte, 1812 in Schulpforta als Schüler aufgenommen, dann 1816 in Leipzig als Student der Theologie und Philologie, hierin besonders von Beck, Hermann und Spohn unterrichtet, 1822 als Conrector in Zerbst, 1828 als Professor an der Landesschule in Meißen angestellt, 1836 als außerordentlicher Professor der classischen Archäologie an die Universität Leipzig versetzt und 1842 zum ordentlichen Professor befördert. Durch einen zu frühen Tod wurde er der gedeihlichen akademischen Wirksamkeit und der Wissenschaft gerade zu einer Zeit [230] entrissen, da er auf dem Höhepunkt seiner Thätigkeit angelangt war. Becker’s erste Arbeiten (eine Ausgabe einiger kleineren Schriften des Aristoteles: „Aristotelis de somno et vigilia, de insomniis et divinatione per somnum libri“ etc. 1823, eine Frucht seiner akademischen Studien, „Der Symbolik Triumph“, 1826. „Elegia Romana s. selectae P. Ovidii, Alb. Tibulli et S. Aur. Propertii elegiae“ etc. 1827, eine Schulausgabe) bewiesen eine gründliche Bildung und selbständiges Urtheil, ohne besonderes Aufsehen zu erregen. Anders diejenigen Schriften, welche er in Leipzig in rascher Folge mit bewunderswürdigem Fleiße herausgab. Den Weg zur Professur hatten ihm die „De comicis Romanorum fabulis maxime Plautinis quaestiones“, 1833. 4. gebahnt. B. zeigte darin, wie weit die römischen Komiker ihre griechischen Originale nachahmten oder selbständig benutzten, und erörtert specieller die bei Plautus in Betracht kommenden Alterthümer, später unter dem Titel: „Antiquitatis Plautinae p. I.“ 1837 herausgegeben. Hatte er schon in dieser Schrift den bei der Erklärung ausgewählter Elegien eingeschlagenen Weg weiter verfolgt, indem er die zum Verständnisse der alten Dichter nöthigen Erläuterungen der Archäologie und den Privatalterthümern entnahm, und archäologische Kenntnisse auch in den 1837 erschienenen Berichtigungen und Nachträgen zu Becker’s „Augusteum“ gezeigt, so bewiesen die spätern Werke eine hervorragende Begabung zu antiquarischen Untersuchungen und deren deutlicher Darstellung. B. war wol durch den Einfluß Böttiger’s auf die antiquarische Betrachtung der Kunstwerke, zu einer novellistischen Verbindung der einzelnen Bemerkungen durch dessen Vorgang und die belletristischen Leistungen seines Vaters geführt worden. Dazu gesellte sich aber leitend und regelnd die philologische Methode, welche er in Leipzig erworben hatte, und eine eben so gründliche wie umfassende Lectüre. Sowol die griechischen als die römischen Privatalterthümer behandelte er in zwei in ihrer Art classischen Werken, die letztern in seinem „Gallus oder römische Scenen aus der Zeit August’s“, 1838, in zweiter Ausgabe mit wichtigen Nachträgen aus des Verfassers Papieren und im Einzelnen berichtigt von Rein herausgegeben 1849. 3 Bde. 8., (dritte Auflage 1856), worin am Leben eines vornehmen, zuletzt in Ungnade gefallenen Zeitgenossen August’s das Privatleben der Römer geschmackvoll und gelehrt geschildert wird. Wissenschaftlich sind natürlich nur die Anmerkungen und Excurse bedeutend, sie sind eine Fundgrube der mannigfaltigsten Belehrung und zeigen eine seltene Vereinigung der Kenntnisse der Litteratur und der Monumente. Das Buch, auch ins Englische übersetzt, wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Noch weniger Vorarbeiten der Neuern konnte B. für sein zweites Werk „Charikles. Bilder altgriechischer Sitte“, 1840, in zweiter Auflage herausgegeben von K. F. Hermann 1854, 3 Bde. 8., benutzen. Eben so sorgfältig und mit kritischer Genauigkeit ausgearbeitet, fand es dieselbe Gunst. Von den Privatalterthümern wandte sich Becker’s rastloser Fleiß dem Werke seines Lebens zu, das leider von ihm unvollendet bleiben sollte, einer systematischen Behandlung der gesammten römischen Alterthümer. Den Anfang machte eine Topographie der Stadt Rom, wozu B. umfassende Vorarbeiten, auch im Winter 1838 bei einem dreimonatlichen Aufenthalt in Rom, gemacht hatte. Seine Schrift „De Romae veteris muris atque portis“, 1842, gab von der Methode und den Studien des Verfassers eine viel versprechende Probe, welcher in dem ersten Theil seines „Handbuchs der römischen Alterthümer nach den Quellen bearbeitet“, 1843, eine ausführliche Topographie der Stadt folgte. Beide Werke erregten gleich großes Aufsehen. Sie zeigten dieselben Vorzüge, wie die beiden vorhergegangenen Bücher, eine gründliche Durcharbeitung der alten Litteratur und eine voraussetzungslose Kritik der neuen. Da dazu der für den Gebrauch sehr bequeme ausführliche Abdruck der alten Zeugnisse kam, gelangte es als brauchbarstes und zuverlässigstes Handbuch [231] bald in Aller Hände. Man findet darin weniger überraschende neue Entdeckungen als zuverlässige und gründliche Belehrung über die sichern Punkte, genaue Unterscheidung der zweifelhaften und zahlreiche Berichtigungen alter und neuer Irrthümer. Da aber B. den neuern Topographen mit großer Heftigkeit widersprach, auch manchmal sie mit Unrecht tadelte, wurde er in eine gereizte Polemik verwickelt, welche er mit steigernder Gereiztheit, aber mit Ehren durchfocht. („Die römische Topographie in Rom, eine Warnung“, 1844. „Zur römischen Topographie. Antwort an Herrn Urlichs“, 1845). Der zweite Theil des Werkes (erste Abtheilung 1844, zweite Abtheilung 1846, 8.) behandelt die Staatsalterthümer der königlichen und republicanischen Zeit. Mit schöner Freimüthigkeit bekennt sich der Verfasser im Wesentlichen zu Niebuhr’s Grundansichten (Vorrede S. XI, XII), indem er sich zugleich das Recht des Widerspruchs gegen manche seiner Sätze wahrt, und man muß ihm das Zeugniß geben, daß er auch in der römischen Staatsverfassung durchaus auf einem umfassenden Quellenstudium und auf eigenen Füßen steht. Dies letzte Werk ist zugleich sein reifstes und wird auch neben und nach den vielfältig abweichenden, zum Theil diametral entgegengesetzten neuesten Untersuchungen eine dauernde Grundlage dieser hochwichtigen Disciplin bleiben. Nimmt man den seltenen Fleiß, die umfassenden litterarischen und monumentalen Kenntnisse, die sichere Methode, der Wahrheitsliebe und begeisterte Hingabe dieses Forschers an seine Aufgaben zusammen, so wird man ihn den Zierden der deutschen gelehrten Welt beizählen dürfen.