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Artikel „Rosolenz, Johannes“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 504–507, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rosolenz,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:51 Uhr UTC)
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Rosolenz: Johannes R., Historiker (Johannes mit dem Taufnamen, Jacob mit dem Klosternamen), wurde zu Köln am Rhein um 1570 geboren. Er widmete sich dem geistlichen Stande, erscheint unter dem 12. August 1588 als S. Pontificis Alumnus und Rhetoricae auditor in den Matrikel der Universität Graz eingetragen und trat in das 1229 von Leutold von Wildon und seiner Gemahlin Agnes gegründete, 1246 vom Papste Innocenz bestätigte, in der westlichen Mittelsteiermark gelegene Augustiner-Chorherren-Stift Stainz; bis 1596 war er Pfarrer in dem ansehnlichen Orte Leibnitz, südlich von Graz, und wurde 1596 von seinen geistlichen Mitbrüdern zum Propst gewählt und am 29. Juni 1597 als solcher infulirt. Er war der 27. Propst dieses Stiftes. In seinem Kloster führte er eine so strenge Mönchszucht ein, daß die Stainzer Chorherren mehrfach bei dem Fürstbischof von Seckau, Martin Brenner, darüber Klage führten, der auch in der That mit Erfolg Fürsprache für sie einlegte. Hingegen stand er in hoher Gnade bei dem Landesfürsten Erzherzog Ferdinand (später Kaiser Ferdinand II.), der ihn wegen seines Eifers im Kampfe gegen die evangelische Lehre zum [505] landesfürstlichen Kammerpräsidenten und Geheimen Rath ernannte und ihn für eine noch höhere geistliche Stellung bestimmt hatte.

Zur Kräftigung des Katholicismus beabsichtigte nämlich Erzherzog Ferdinand 1611 ein Bisthum in Graz zu gründen. Das Collegiatcapitel des Chorherrenstiftes Stainz sollte Domcapitel, die Stiftsgüter theilweise wenigstens zur mensa episcopalis herbeigezogen und Propst Jacob R., den Ferdinand hochschätzte, den seine Conventualen aber haßten, sollte der erste Bischof der Landeshauptstadt werden. Der neue Bischof und die ihm beigegebenen Kanoniker sollten in Graz ihren Wohnsitz nehmen und Theile von Mittel- und Untersteiermark das Diöcesangebiet bilden. Lebhafte Verhandlungen wurden darüber mit dem Fürstbischof von Seckau, dessen Diöcese dadurch würde verkleinert worden sein, und mit dem Erzbischof von Salzburg, zu dessen Erzdiöcese die Steiermark gehörte, gepflogen. Die Chorherren von Stainz protestirten auf das Heftigste gegen jede, insbesondere gegen eine derartige Umwandlung ihres Stifts und gegen die Entfremdung des Stiftsvermögens zu diesem ihnen fremden Zwecke. Lange zogen sich die Verhandlungen hin, und es kam auch zu keiner Entscheidung; als R. starb, war die Angelegenheit noch nicht ausgetragen und auch späterhin unterblieb die Errichtung eines Bisthums Graz.

In Radkersburg an der Mur in Untersteiermark baute R. zu einer Kirche, die dem Stifte Stainz gehörte, ein Kloster und übergab 1614 beide den Capuzinern. – Als Propst des Stiftes Stainz hatte R. Sitz auf der Prälatenbank und Stimme im ständischen Landtage des Herzogthums Steiermark. Es ist auffallend, daß im 16., ja auch noch im Beginne des 17. Jahrhunderts der Fürstbischof von Seckau und die Prälaten der steirischen Stifte und Klöster im Landtage, wo sie Sitz und Stimme hatten, nur eine sehr bescheidene Thätigkeit entwickelten, eine unbedeutende, fast passive Rolle spielten und in dieser Versammlung gegenüber dem in der Mehrzahl weitaus noch evangelischen hohen und niederen Adel nie als Glaubenseiferer auftraten. So auch R., der übrigens außerdem noch im Landtage eine arge Niederlage und schwere Demüthigung über sich mußte ergehen lassen.

Nachdem die Gegenreformation in Steiermark, Kärnten und Krain sich bereits soweit abgespielt hatte, daß Bürger und Bauern nahezu vollständig rekatholisirt waren und nur der Adel der Mehrzahl nach das evangelische Bekenntniß sich gewahrt hatte, erschienen zwei Schriften, welche sich mit den Vorgängen bei der Gegenreformation in den innerösterreichischen Landen befaßten.

David Rungius, Professor der heiligen Schrift in Wittenberg, ließ 1601 seinen „Bericht und Erinnerung von der Tyrannischen Bäpstischen Verfolgung des heil. Evangelii in Steyermark, Kärnten und Krain“ erscheinen; er enthält nur ganz kurze, allgemein gehaltene Mittheilungen über den Verlauf der Gegenreformation in Steiermark und Kärnten; der Haupttheil ist theologischen Inhalts und sucht die Lehren Luther’s gegen die Angriffe von katholischer Seite zu vertheidigen. Der Titel der Gegenschrift von R. lautet: „Gründlicher Gegen Bericht Auf Den falschen Bericht vnnd vermainte Erinnerung Dauidis Rungij, Wittenbergischen Professors, Von der Tyrannischen Bäpstischen Verfolgung deß H. Evangelij, in Steyermarckt, Kärndten, vnd Crayn. In welchem mit Grund der Warheit außführlich dargethan vnd erwiesen wird, daß solcher Bericht ein lauters Lugenbuch, Lästerkarten vnd Famoßschrifft sey: Auch in Ewigkeit nit könne erwiesen werden, was ermeldter Ehrenrhürische Predicant, wider die Gottselige, Hailsame, vnd Nutzliche Steyrische Religions Reformation, Vnverschämbter, Lugenhaffter weiß gegayfert vnd außgossen hat. Gestellet [506] Durch JACOBVM, deß Löblichen Stiffts Stayntz in Steyr, Probsten, der H. Schrifft Doctorem, vnd deß Durchleuchtigisten, etc. Ferdinandi, Ertzhertzogen zu Oesterreich etc. Rath. – Responde Stulto, iuxta stultitiam suam, ne sibi sapiens esse videantur. Prouerb. 26, v. 5. Antworte dem Narren nach seiner Narrheit, damit er sich nicht Weiß lasse düncken. Gedruckt zu Grätz, bey Georg Widmanstetter. Anno MDCVI.“ 8°. Die Rückseite des Titels enthält das Motto aus Lactantius, lib. 5. instit. diuin. c. I. lateinisch und in deutscher Uebersetzung; dann folgen neun nicht paginirte Seiten Dedicatio: „Dem Durchleuchtigisten Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Maximiliano, Pfalzgrafen bey Rhein, Hertzog in Ober vnd Nider Bayern“, sodann 158 Blätter Text, 40 nicht paginirte Seiten Register und auf der letzten Seite ein lateinisches Schmähgedicht in acht Distichen auf Rungius.

Die Schmähschrift des Propstes R. erregte argen Anstoß im steirischen Landtage (1607), der durch die Herren und Ritter noch immer in überwiegender Anzahl evangelisch war. Es wurde beantragt, den Propst für so lange, als er die ehrenrührigen in der Schrift enthaltenen Anklagen gegen die steirische Ritterschaft entweder bewiesen oder dafür „genugsame Satisfaction“ gegeben, von den Sitzungen auszuschließen. Am 30. Januar 1607 wurde darüber im Landtage eine Verhandlung eingeleitet, bei welcher der Landesmarschall Freiherr Hans Friedrich v. Hoffmann, der Landesverweser Freiherr Hans Sigmund v. Wagen, der Verordnetenpräsident Freiherr Rudolf v. Teuffenbach und die Verordneten Freiherr Gottfried v. Stadl und Herr Georg v. Stubenberg und Kapfenberg sich bemühten, R. zum Widerruf und zur Abbitte zu bewegen. Er hielt jedoch seine Anklagen aufrecht. Daher wurde am 2. Februar ein Ausschuß zur weiteren Behandlung dieser Angelegenheit eingesetzt, für den der Propst den Abt Johann v. Admont und Hans Sigmund v. Wagen, die Ritterschaft die Freiherren Gottfried v. Stadl, Dietrichstein, Stubenberg und Wolf v. Saurau bestimmte. Noch an demselben Nachmittage hatte der Ausschuß den Beschluß gefaßt, „daß der Propst genugsambe Satisfaction öffentlich thun solle“; am 5. Februar wurde der Wortlaut der Erklärung von den Verordneten festgestellt und am 7. Februar mußte R. in der Ständeversammlung vor der Schranke stehend die Erklärung vorlesen des Inhalts, daß es seines Sinnes nicht gewesen sei, in seinem Buche die Ritterschaft des Herzogthums Steyer zu calumniren, zu schwächen und an ihrer Ehre anzutasten, sondern daß ihm von dieser Ritterschaft nur Ehre, ritterliche Thaten, adelige und löbliche Sitten bewußt seien, und bitte, ihn wieder als treues Mitglied des Landtages aufzunehmen. Rudolf v. Teuffenbach antwortete im Namen der Ritterschaft, sie wolle nach dieser Erklärung des Propstes ihre Anklage fallen lassen und ihn wieder als treues Mitglied des Landtages erkennen und halten.

Ein ähnlicher Vorgang hatte zwar im steirischen Landtage schon 1589 gegen den Propst von Pöllau, Peter Muchitsch, stattgefunden, als dieser die Evangelischen in seiner Schrift: „Pädagogia oder Schulführung der württembergischen Theologen“ angegriffen hatte; in jener Zeit aber war die Macht der Protestanten in Steiermark noch fast unbeschränkt, während 1606 und 1607 die Gegenreformation durch Erzherzog Ferdinand in den Städten vollständig durchgeführt war; der energische Vorgang der Stände gegen R. beweist, daß diese in ihrer großen Mehrheit noch evangelisch und selbst der in seiner Maßregelung der Evangelischen siegreiche Erzherzog Ferdinand nicht im Stande war, seinen Günstling, Geheimrath und hochgestellten katholischen Parteikämpfer vor dem Schicksale dieser Demüthigung zu erretten.

[507] Nicht mit Unrecht verfuhren die Stände der Steiermark gegen R. mit Ernst und Strenge; denn seine Schmähschrift, abgesehen von dem rüden Tone, in dem sie geschrieben, enthält Unwahrheiten, ja geradezu Lügen, welche durch die neuere Kritik, durch die Erforschung des Quellenmaterials evident als solche nachgewiesen sind. So seine Behauptung über das angeblich unsinnige und wüthende Toben der Prädicanten (evangelischen Prediger) auf der Kanzel, die Beschuldigung, daß die Prädicanten, die evangelischen Herren und Ritter, Bürger und Bauern es darauf abgesehen hätten, dem Landesfürsten in weltlichen Dingen den Gehorsam zu kündigen, daß der evangelische Herren- und Ritterstand am Brucker Tage 1578 eine Zusage des Erzherzogs gefälscht habe (eine Fälschung des erzherzoglichen Vicekanzlers Wolfgang Schranz), daß die Evangelischen die Abwesenheit Erzherzog Karl’s in Spanien benützt hätten, um hinter seinem Rücken die Stiftskirche in Graz zu errichten, und anderes mehr; und bei vielen Einzelheiten, die R. über Vorgänge in verschiedenen Ortschaften der Steiermark bei Gelegenheit der Rekatholisirung des Landes und seiner Bewohner erzählt, weicht er oft stark von der Wahrheit ab, wie es aus den amtlichen noch vorhandenen Acten nachgewiesen werden konnte, und bringt lügenhafte Berichte, obwohl er bei seiner hohen Stellung in der Kirche und als Mitglied der Ständeversammlung den wahren Sachverhalt wissen mußte. Die Schrift des Propstes R. muß daher als ein charakteristisches Merkmal der Gegenreformation und der Mittel, deren sie sich bediente, bezeichnet werden, darf aber und soll nie und nimmer als eine Quelle zur Darstellung der Geschichte der traurigen Religionswirren in der Steiermark im 16. Jahrhundert benützt werden.

R. starb zu Graz am 3. März 1629; 32 Jahre war er als Propst an der Spitze des Chorherrenstiftes Stainz gestanden; das Stift besteht nicht mehr; es wurde 1785 von Kaiser Joseph II. aufgehoben und zur Staatsherrschaft umgewandelt; im J. 1841 erwarb Erzherzog Johann das großartige, herrlich gelegene Schloß sammt dem ausgedehnten dazugehörigen Grundbesitz durch Kauf, und jetzt befindet es sich im Eigenthum des Enkels des kaiserlichen Prinzen, des Geheimen Rathes und erblichen Mitgliedes des Herrenhauses Dr. Johann Graf von Meran.

v. Zwiedineck-Südenhorst, Fürst Christian der Andere von Anhalt und seine Beziehungen zu Innerösterreich. Graz 1874. – Loserth, Die Reformation und Gegenreformation in den innerösterreichischen Ländern im 16. Jahrhundert. Stuttgart 1898. – Schuster, Fürstbischof Martin Brenner. Ein Charakterbild aus der steirischen Reformationsgeschichte. Graz und Leipzig 1898. – Ilwof, Der Protestantismus in Steiermark, Kärnten und Krain vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Graz 1900. – Loserth, Zur Kritik des Rosolenz. (Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung XXI. Bd., 1900.) – Lang, Beiträge zur Kirchengeschichte der Steiermark und ihrer Nachbarländer aus römischen Archiven. (Veröffentlichungen der Historischen Landescommission für Steiermark XVIII, Graz 1903, und dasselbe in den Beiträgen zur Erforschung der steirischen Geschichte, XXXIII. Jahrg. Graz 1904.) – Matrikel (Hs.) der Universität Graz.