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Artikel „Mylius, Christlob“ von Ernst Consentius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 545–558, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mylius,_Christlob&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 12:21 Uhr UTC)
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Mylius: Christlob M. wurde am 11. November 1722 zu Reichenbach an der Pulsnitz als fünfter und jüngster Sohn des Pastors Caspar Mylius geboren, dessen erste Frau die Schwester Johann Gottfried Lessing’s, und der selbst ein Vetter des Camenzer pastor primarius war; denn Caspar Mylius’ Vater und Johann Gottfried Lessing’s Mutter waren Geschwister. Christlob M. stammt aus einer zweiten Ehe, die sein Vater mit der Tochter eines Pfarrers Ehrenberg geschlossen hatte. Eine dritte Ehe blieb kinderlos. Der jüngste Sohn wurde bis zu seinem siebzehnten Jahre von dem Vater und dem greisen Dorfcantor Istrich unterrichtet; ihm blieb noch überreiche Zeit, in Garten und Feld herumzustreifen und Sterne und Wetter zu beobachten. Die Liebe zu den Naturwissenschaften offenbarte sich schon in dem Knaben. Ostern 1739 kam M. in die Schule des nahen Camenz, die er mit 18 Jahren beendete, um dann bis Ostern 1742 als „adjungirter Schulhalter“ im Orte zu bleiben. Hier übte der junge Rector Johann Gottfried Heinitz, der zum Mißvergnügen des Camenzer Bürgermeisters und des Oberpredigers im Theater eine Schule der Beredsamkeit sah, eine Schulbühne einrichtete, ein Schäferspiel dichtete, Gottsched’s „sterbenden Cato“ aufführte, Destouches und Holberg auf die Bühne brachte, wesentlichen Einfluß auf den jungen M. Heinitz war Gottschedianer.

Zu Gottsched bekannte sich auch M., als er, ein angehender Mediciner, im April 1742 die Universität Leipzig bezog und mathematische, philosophische, juristische und schönwissenschaftliche Vorlesungen besuchte. Aber schon im Juni 1742 starb sein Vater. M. war fortan bei den mehr als armseligen Vermögensverhältnissen seiner Familie auf Stipendien, Gelegenheitsgedichte, Privatstunden und journalistische Lohnarbeit angewiesen. Seine Armuth trug er in vernachlässigter Kleidung zur Schau. Doch an Freunden, die zwar selbst nicht viel hatten, fehlte es ihm während seines ganzen Lebens nicht. So war Abraham Gotthelf Kästner sein Lehrer und wurde sein Freund. Die gleichen naturwissenschaftlichen Interessen vereinigten Beide zu Excursionen und gemeinschaftlichen Studien. Im Colleg bei Gottsched hörte M. bewundernd, was der Meister verkündete und gedachte dann des Camenzer Rectors, für den er ein Glückwunschgedicht drucken ließ, als Heinitz 1743 das „rohe Volk“ und die „tolle Stadt“ verließ, um nach Löbau zu gehen. Der Camenzer Magistrat faßte dies Gratulations-Carmen als Schmähschrift auf, das den pastor primarius ebenso beleidigte, wie den Bürgermeister Lessing. Also wurde der Student, der in den Ferien nach Camenz kam, ins Gefängniß gesperrt und vom Schöppenstuhl in Wittenberg ein Urtheil eingeholt, das dem Verbrecher eine Geldstrafe und öffentliche Abbitte der Beleidigten auferlegte. Von [546] Mylius’ scharfer Beobachtungsgabe hatten die Camenzer eine überzeugende Probe gesehen. – Heinitz und dessen Kampf für die Schulbühne war auch der Ausgangspunkt zu einem Mylius’schen Aufsatze in Gottsched’s „Beyträgen zur critischen Historie“ (Bd. 8, 1742/4, Stück 30, S. 297 ff.), der zu erweisen sucht, daß „die Wahrscheinlichkeit der Vorstellung bei den Schauspielen ebenso nöthig ist, als die innere Wahrscheinlichkeit derselben“; M. forderte, die Kunst solle die Natur copiren. In diesem ersten Aufsatz, der vor die Oeffentlichkeit kam, behauptete M., der Pastorensohn, es sei nur richtig, die Bühne auf die gleiche Stufe mit der Kanzel zu stellen! Weitere Aufsätze in den „Beyträgen“ zeigen den von Gottsched abhängigen Schüler, der den Naturalismus verficht, mit Schlagworten des Leipziger Dictators arbeitet und, wie der Meister, die Schweizer bekämpft oder verspottet. Auch in Versen feierte M. in Schwabe’s „Belustigungen des Verstandes und Witzes“ (Bd. 5, 1743, S. 203 ff.) Gottsched’s Verdienste um das Schauspiel. Dieser junge Student, dem die „Belustigungen“ zu weiteren Beiträgen geöffnet waren, mußte ein brauchbares Werkzeug für Gottsched abgeben, zumal Mylius’ kecke Feder verrieth, daß er sich vor Niemandem, auch nicht vor den mächtigen orthodoxen Theologen, fürchtete. Er hatte in Kästner’s Rednergesellschaft „Betrachtungen über die Majestät Gottes“ vorgetragen („Belustigungen“, Bd. 5, S. 373 ff., 472 ff.), um zu zeigen, daß dem Naturforscher die Erkenntniß der Gottheit am nächsten liege, da er die Gesetzmäßigkeit des Weltalls zu seinem Studium mache, und hatte weiterhin – was schlimmer war – das Wunder aus Jesaia 38, 8 höchst rationalistisch auf physikalischem Wege erklärt. Ein Orthodoxer predigte von der Kanzel gegen M., schrieb gegen ihn, aber M. blieb bei seiner Erklärung. Seine Bibelkritik weist auf die Gedankenrichtung Wolff’s hin, den Gottsched zu popularisiren suchte. Und Gottsched suchte M. für seine eigennützigen Zwecke zu mißbrauchen.

Um seine in dem Litteraturkriege mit den Schweizern gefährdete Herrschaft zu vertheidigen, hatte Gottsched ein ihm blind ergebenes Blatt, das nur dem Kampfe dienen sollte, nöthig. M. und Johann Andreas Cramer, zwei Studenten, sollten dies Blatt, die „Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks“ – nach dem Verlagsort: „Hällische Bemühungen“ genannt – schreiben; das heißt, sollten schreiben, was ihr Lehrer Gottsched befahl. Das erste Heft erschien im Juli 1743. Dem Kampf um die litterarische Führung lag, neben persönlicher Eitelkeit, der enge dogmenmäßige Glaube zu Grunde, daß nur eine alleinrichtige Kunst möglich sei. Daß M. sich zu Gottsched hielt, ist sehr natürlich. Er war ein Schüler von Heinitz, war mit zwanzig Jahren nach Leipzig gekommen, fand hier die Autorität und fertige Urtheile, kannte aber nicht die Vorzüge der Gegenpartei, der Schweizer. Es war kein Kampf mit offenem Visir. Gottsched erklärte, er kenne die Verfasser der „Hällischen Bemühungen“ nicht, die aber jedenfalls sehr erfahrene, gerechte und unparteiische Kunstrichter seien; in Wahrheit dictirte er ihnen ihr Arbeitspensum. Sahen die Schweizer in Milton ihr Vorbild, so bekämpften die Leipziger Milton und legten an die Schriften der Schweizer, so an Bodmer’s „Noah“, den Maßstab der Parteikritik. M. hatte Haller’s Gedicht vom „Ursprunge des Uebels“ Zeile für Zeile durchzuhecheln, weil in Haller sich die poetische Potenz der Schweizer am deutlichsten offenbarte. Ihn zu vernichten, war nach Gottsched’s Meinung ein entscheidender Sieg; und M. war dreist genug, den anerkannten Dichter wie einen elenden Stümper zu behandeln. Keckheit und verstandesmäßige Schärfe zeichneten schon den jungen Kritiker aus, der bei seiner Begabung der rücksichtsloseste Recensent der Gottschedischen Schule wurde. Die Haller-Kritik machte großes [547] Aufsehen und rief die Gegner Gottsched’s zum Wort. Besonders in dem Berliner Conrector I. J. Pyra gewannen sie einen streitbaren Bundesgenossen, der den „Erweis daß die Gottschedianische Sekte den Geschmack verderbe“ im October 1743 und eine „Fortsetzung des Erweises“ im Sommer 1744 lieferte. Gegen ihn hatten sich M. und Cramer zu wenden. Keine der zahlreichen Gegenschriften blieb in diesem Streite unbeantwortet. Von vornehmer, sachlicher Ruhe war von Anfang an nicht die Rede gewesen; beide Parteien zerrten je länger, je mehr persönliche Dinge in ihre Auseinandersetzungen. Die Kritik verlor dabei ihr Ansehen. Wer aber, wie M., der für den hauptsächlichen Verfasser der „Bemühungen“ galt, im Kampfe stand, wer, wie er, von der einen Seite anerkannt und gelobt, von der anderen dafür aufs heftigste bekämpft und befehdet wurde, der lernte die Waffen, die in diesem litterarischen Streite dienten, auf das genaueste kennen und lernte es, sich mit ihnen zu wehren. Zum Dank für ihre „Bemühungen“ schenkte Gottsched seinen beiden Schülern zu Weihnachten abgelegte Pelzröcke. – So ermüdend wie die Streitigkeiten waren, mußte auch der Inhalt des Parteiblattes sein. Nur vereinzelt findet sich ein fruchtbarer Gedanke. Wird zum Urtheil über die „malende Dichtkunst“ der Schweizer als Sachverständiger Homer geladen, so weist diese weiterführende Gegenüberstellung auf Lessing’s „Laokoon“ hin. Und wird auch bei gelehrten Untersuchungen statt des Lateinischen und Französischen aus nationalen Gründen der Gebrauch der Muttersprache gefordert, so verräth M. seine Neigung zum Journalisten, der mit einem großen Publicum rechnet, das er belehren und aufklären will, und der zeigt, daß er vor den lateinisch schreibenden Gelehrten noch keinen Respect hätte, weil sie mit ihrem Wissen auch ihre Unwissenheit hinter der nur wenigen verständlichen Sprache verbargen. M. blieb bei der Gottschedischen Partei, so lange Pyra lebte, der die Herausgeber der „Bemühungen“ aufs heftigste angegriffen hatte. Als Pyra am 14. Juli 1744 gestorben war, zeigten M. und Cramer eine durchaus andere Haltung. Sie schlossen würdig den Streit, um dem Todten volles Lob als Dichter und Kritiker, als Schulmann und Mensch zu spenden. Der Gottschedianer Mylius hatte damit die Sache seines Lehrers verlassen. Es finden sich schon früher kleine Anzeichen, daß die Herausgeber selbständiger wurden und sich leise von Gottsched entfernten. Die Vorrede des zweiten Bandes (9. Stück, 1744) sprach es dann deutlicher aus; und das Ende des zweiten Bandes (16. Stück, 1747) enthält bei Gelegenheit einer Auseinandersetzung mit Lange, dem Lessing später sein „Vademecum“ widmete, die bündigste Absage an den einstigen Meister. Dies scharfe Schlußwort von M. hatte Gottsched selbst hervorgerufen. Denn Gottsched, der neue Streitschriften beförderte, war zu feige, sich zu ihnen zu bekennen und erklärte die „Bemüher“ für die Verfasser einer gemeinen Schimpfschrift, des „Volleingeschänkten Tintenfässels“. „Wer kann von uns verlangen – sagte da M. – daß wir aus unzeitiger Gefälligkeit und Erkenntlichkeit gegen einige Verdienste, vor der ganzen vernünftigen Welt zur Abscheu werden sollen?“ Mylius’ und Gottsched’s Wege waren fortan getrennt. M. war der „Todfeind“ Gottsched’s. – Die „Hällischen Bemühungen“ sind ebensowol das Document für Mylius’ blinde Anhängerschaft an Gottsched, wie für seine allmähliche Abkehr, die durch Gottsched’s unwürdige Art, auf Kosten Anderer seine Stellung zu behaupten, zu einem schroffen Bruche führte. Das Interesse an der Kampfschrift war seit Pyra’s Tode bei den Herausgebern erlahmt; die einzelnen Stücke erschienen nach immer größeren Pausen, eine Uebersetzung aus Pope, Gedichte, die mit der Kritik nichts zu thun haben, und anakreontische Lieder füllten die Bogen.

[548] Während des Erscheinens der „Hällischen Bemühungen“ war M. im Dienste Gottsched’s an einer Lucian-Uebersetzung thätig, die erst 1745 erschien („Lucians auserlesene Schriften durch verschiedene Federn verdeutscht, mit einer Vorrede von Gottsched“, Leipzig), hatte – von Cramer nur wenig unterstützt – ein eigenes, von Gottsched unabhängiges Journal, die „Philosophischen Untersuchungen und Nachrichten“ (Leipzig 1744–46) begründet, um in populären Abhandlungen seine Leser über Optik, Elektricität und Astronomie zu belehren, und zur Michaelismesse 1744 „Drei Gespräche über wichtige Wahrheiten“ erscheinen lassen. Wiederum ein Angriff auf die Orthodoxie. In der Form dramatisch zugespitzter Dialoge untersuchte M. „ausgemachte Wahrheiten“ und zweifelte, daß die „heiligen Schriftsteller“ „nur so hingeschrieben, was ihnen, ganz ohne ihr Zuthun, von sich selbst, durch Hülfe des heiligen Geistes, eingekommen wäre“, zweifelte, daß die Bibel „aus lauter unmittelbaren Gedanken des heiligen Geistes bestehe“. Die Orthodoxie eiferte gegen M.; später noch mehr gegen Lessing; denn Mylius’ „Drei Gespräche“ sind nur ein bescheidener Vorläufer der Lessing-Reimarus’schen Bekenntnißschriften. Wäre es zwischen M. und dem Leipziger Dictator auch zu keinem Bruche gekommen, Mylius’ Gesichtsfeld war nicht so eng, daß Gottsched’s kritische Händel sein Leben hätten ausfüllen können. Auch ihn drängte es, wie die Bremer Beiträger, zu denen er Beziehungen hatte (Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes, Bremen und Leipzig 1744 ff.) auf andere Wege.

In einer moralischen Wochenschrift, deren Titel – „Der Freygeist“, (Leipzig 1745) – die Strenggläubigen reizen mußte, gab M. sein Glaubensbekenntniß; es zeigt, daß er keineswegs gottlos war, auch wenn der Titel seines Wochenblattes sein ständiger Beiname wurde. Gern und oft entwickelte M. den alten Gedanken, daß die aufmerksame Betrachtung der Natur zu einem tugendhaften und glückseligen Leben führe, und das die Hauptbeschäftigung des Menschen sein müsse: Gott kennen zu lernen. Das geschehe, sobald „man den Fußtapfen seiner Allmacht und Weisheit in dem unendlichen Reiche der Natur, ohne Aufhören, nachgehet“. „Wie solte auch ein Mensch, der nur etwas über die Sphäre der unvernünftigen Thiere erhaben ist, bey Erblickung des Glanzes unzählicher Sonnen, ohne Empfindung seyn können, und nicht im Geiste sich von allen Enden der Welt, mit lauter Stimme, zuruffen hören: Es ist ein Gott!“ Nicht der Wortlaut der Bibel und das kirchliche Dogma, sondern die Werke des Schöpfers zwingen zum Glauben an Gott. Also Gedankengänge der englischen Deisten vertrat M. und predigte, daß mit der Verehrung des Höchsten die Ausbreitung der Tugend Hand in Hand gehe. Daneben bekämpfte er rationalistisch das Wunderbare, indem er das Wunder erklärte. Der moralische Schriftsteller zeichnete typische Charaktere, entlehnte einzelne Züge mitunter dem wirklichen Leben, um die Sitten zu bessern oder ließ seine Leser über die Albernheiten der Stutzer lachen – ganz nach dem Muster der englischen Wochenschriftsteller. Mylius’ Vorbild war der „vortreffliche Addison“, und ehe er sich hinsetzte ein Stück zu schreiben, las er in Steele’s[WS 1] Wochenblättern, ließ Verse mit Prosa und Dialogen wechseln und rückte zahlreiche Briefe, die ihm angeblich zugegangen waren, in sein Blatt. Nicht alle Briefe waren erdichtet. Christian Nicolaus Naumann war ein Mitarbeiter am „Freygeist“, ebenso Kästner. Den einzelnen Blättern hat M. Citate als Mottos vorangestellt; sie stammen aus den Alten, aus Pope, Addison[WS 2] u. s. w. Worte Haller’s zieren den Anfang von sechs Stücken; Gottsched theilt diese Ehre nur einmal mit seinem Gegner. Und nannte der „Freygeist“ auch die Oper „eine an sich schlechte Sache“, recht ketzerisch erklärte [549] er: die Regeln der Dichtkunst seien noch nicht „aus unumstößlichen Gründen erwiesen“, die Dichtkunst noch zu keiner „Wissenschaft“ geworden. Darin war M. jedoch mit Gottsched einig, daß die Alten die besten Muster wären, und was der „Freygeist“ von der Schäferpoesie sagte, war im Grunde kein Auflehnen gegen die Regeln des Magisters eher eine Kritik Gellert’s oder Uhlich’s. Die Handlung der Schäferspiele sollte sich nur auf unschuldiger Liebe gründen. Was M. aber in einem sogenannten „Originalstück“, in der „Schäfer-Insel“ (zuerst gedruckt in der „Deutschen Schaubühne zu Wien“ Bd. I, 1749 gegen Mylius’ Willen), selbst leistete, erscheint in hohem Grade albern und abgeschmackt.

Als Dramatiker war M. ein Compilator, der aus Molière und Holberg schöpfte. – Krüger’s „geistliche auf dem Lande“ waren confiscirt worden. Ein Buchhändler glaubte ein Geschäft zu machen, wenn er satirische Komödien über andere Stände in Verlag nähme und bestellte bei M.: „Die Aerzte, ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Zu finden in den Buchläden. 1745“. Also brachte M. eine eingebildete Kranke auf die Bühne, die in zwei unwissenden Medicinern, ihren Leibärzten, ihre Lebensretter sieht, diese unverschämten Herrn mit ihrem Reichthum unterhält und eine so hohe Meinung von den groben Patronen hat, daß sie ihre einzige Tochter den Medicinern zur Ehe bestimmt. Wer von ihnen die kranke Köchin curirt, soll die Hand der Tochter bekommen. Die Köchin hat einen dicken Bauch. Dr. Pillifex wird auf Wassersucht loscuriren. Dr. Recept müßte besser wissen, was es mit der Krankheit auf sich hat. Daß ihnen Beiden geholfen sei, machen die Collegen einen Contract; denn Pillifex will nur das Geld heirathen, und Recept freit nach Schönheit. Sie einigen sich: wie die Cour auch ende, und wer die Tochter erhielte – Pillifex soll ihr Geld, Recept ihren Leib besitzen. – Aber die schwangere Magd kommt mit einem Knaben nieder und gibt den Doctor Recept als Vater an. Da erkennt die eingebildete Kranke, die an den famosen Contract der Aerzte nicht glauben wollte, daß sie zwei Betrüger so lange mit ihrem Gelde genährt und weist ihnen die Thür. Den elenden Fuschern steht ein junger, gebildeter Arzt gegenüber, der die Tochter heirathen wird. So hat M., selbst ein Mediciner, nicht alle Aerzte als schmutzige und geldgierige Ignoranten zeichnen wollen. Sein Stück wurde auch nicht verboten. Dialog und dramatischer Bau sind hier besser als in Mylius’ zweiter Komödie: „Der Unerträgliche, ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Zu finden in den Leipziger Buchläden. 1746“. Der Unerträgliche, Herr Unhold, ist der aufdringlichste Mensch. Weil er glaubt, daß ein Mädchen ihn lieben würde, wenn er ein Officier wäre, verkleidet er sich in einen Bramarbas, wischt sich mit Kohle einen Knebelbart ins Gesicht und trägt dem Mädchen in prahlerischer Rede sein Herz an. Vergebens. Weil ein anderes Mädchen angeblich nur einem Gelehrten ihr Herz schenken würde, wechselt er das Kostüm, wird ein Schulmeister, spickt seine Rede mit lateinischen Phrasen und hält wiederum seiner Herzensdame eine ellenlange, schwülstige Rede. Wieder wird der Unerträgliche abgewiesen. Und endlich ist es nur eine Variation des gleichen Themas, wenn Unhold zum Schluß der Kammerzofe seine Liebe gesteht, die dem Ewig-verliebten in ihrer Verkleidung als Dame begehrenswerth erscheint und ihn dadurch straft, daß sie sich den Verlobungsring von ihm anstecken läßt. Die Gesellschaft, die den lästigen Menschen nicht los werden konnte, hatte ihn zu seinen Verkleidungen beredet oder die Zofe herausgeputzt, daß er für seine Werbungen doch noch Gehör fände, und sie über den Narren lachen könnte. Also ist die lustige Person die Hauptfigur des Stückes; der alte Gottsched-Schüler gibt dem Harlequin die erste Rolle und läßt seinen Späßen freien Raum; denn die scenarische [550] Anweisung ruft den abgehenden Narren beim zweiten Actschluß zu neuen Fragen auf die Bühne; aber der immer wieder hervortretenden lustigen Person sind keine bestimmten Worte für die Fragen vorgeschrieben. Statt auf die von Gottsched gereinigten Muster zu sehen, griff M. auf die Stegreif-Komödie zurück!

M. versuchte sich in allen Gattungen der Poesie; er schrieb, um zu leben; war ein Schriftsteller geworden. Sein medicinisches Studium brachte er nicht zum Abschluß. Dennoch hatte er die Neigungen des Gelehrten, sammelte eine Bibliothek um sich, machte seine Stube zum Naturaliencabinet und beobachtete unverdrossen ein ganzes Jahr lang die Sonnenflecke. Seine Journale waren die dürftigen Quellen für seinen Unterhalt. Er begann mit einer neuen Zeitschrift, ehe er die alte zu Ende geführt, und übernahm Aufsätze aus dem einen Blatt in das andere und saß mit seinen Freunden und Mitarbeitern in der Kneipe oder vor der Bühne der Neuberin. Das war ein Leben, das keine Aussicht auf eine feste Stellung bot, mochte es bei Witzen, Satiren und Cynismen noch so anregend sein. Es war ein Leben, das in seiner Vielseitigkeit den jungen Lessing, der nur die strenge Zucht des Vaterhauses und die klösterliche Enge St. Afras kannte, ungemein fesselte, als er im Herbst 1746 die Leipziger Universität bezog und bald darauf von dem älteren Vetter, von den Büchern weg, in das bunte Treiben der Wirklichkeit geführt wurde. Nicht zur Freude der Eltern. Ihnen galt der Freigeist Mylius schon seit dem Gedicht auf den Rector Heinitz als ein verlorener Mensch. M. wurde der Führer des um sieben Jahre jüngeren Gotthold Ephraim Lessing; Lessing der Mitarbeiter, der „anakreontische Freund“ von M.

Vom 1. Juli 1747 bis zum Schluß des Jahres 1748 gab M. in Leipzig den „Naturforscher, eine physikalische Wochenschrift“ heraus. Statt durch moralisch-satirische Betrachtungen nach dem Muster der bis zum Ueberdruß nachgeahmten englischen Wochenschriften das Publicum zu unterhalten, plauderte M. hier von seiner liebsten Wissenschaft und suchte in populärer Form einzelne Erscheinungen aus dem Reiche der Natur zu erklären. So plauderte er über die Entstehung des Gewitters, über Gespensterhistorien und Walfischfang, von Versteinerungen und seiner eigenen Naturaliensammlung, sprach vom Wetter, wenn es gerade schlechtes Wetter war, von der Kalendermacherei und den Gestirnen, oder wünschte sich aufmerksame und unparteiische Leserinnen zu seiner Abhandlung: „Von der Schädlichkeit der Schnürleiber“. M. dachte nicht an eine systematische Belehrung. Aber da er sein Gebiet beherrschte – mochte er aus eigener Erfahrung sprechen, oder zur Abwechslung eine ältere physikalische Nachricht bringen –, war er belehrend, räumte hier und da abergläubische Vorurtheile weg, vertrat seinen alten Satz, daß die Betrachtung der Natur zur Liebe und Verehrung Gottes führen müsse, und war doch zugleich unterhaltend. Das wollte er sein. Ihn unterstützten dabei Lessing, Heinrich August Ossenfelder, Christian Nicolaus Naumann u. A. vielfach mit anakreontischen Versen, die dem Blatte noch mehr den unterhaltenden Charakter gaben; mit Versen, die an den von M. gerade behandelten Gegenstand anknüpften; oder die Freunde lieferten Beiträge in Prosa, so daß der Herausgeber für eine Woche und länger das Blatt ihnen ganz überlassen konnte. „Der Naturforscher“ ist ein Denkmal des Leipziger Freundeskreises, dem der junge Lessing angehörte. Naturwissenschaft in populärer Form, Anakreontik und das Theater waren die drei Themen, welche die Freunde in gemeinschaftlichem Verkehr abhandelten. Sie Alle schwärmten für die Demoiselle Lorenz; und der „Naturforscher“ bringt auch Verse an die Sängerin, welche die Phillis im „Kuß“ gespielt. Das Zwischenspiel: „Der Kuß, oder das ganz neu musikalische Schäfer-Spiel, so [551] in einer Comödie aufgeführt, 1748. Frankfurt u. Leipzig“, zu dem M. auf Wunsch der Neuberin das Libretto geliefert – dieser Druck ist entstellt –, war seit Weihnachten 1747 wiederholt in Leipzig gegeben worden.

„Der Naturforscher“ war gleichsam Mylius’ Tagebuch. Er berichtete in ihm von seinen physikalischen Excursionen und auch von der Sonnenfinsterniß, die er in Berlin am 25. Juli 1748 im Garten des Barons v. Dobreslaw beobachtete.

Diese Reise nach Berlin ist ein Wendepunkt in Mylius’ Leben.

Er hatte schon nach der preußischen Hauptstadt geblickt, als er die Preisaufgabe der Berliner Akademie für das Jahr 1746 zu lösen versuchte. Sein „Versuch einer Bestimmung der Gesetze der Winde wenn die Erde überall mit einem tiefen Meere bedeckt wäre“, den M. seinen Grundsätzen entsprechend in deutscher Sprache der Akademie einreichte, wurde zwar nicht gekrönt, aber von der Akademie zum Druck befördert (Reflexions sur la cause génerale des vents. Pièce qui a remporté le prix proposé par l’academie royale pour l’année 1746 par M. d’Alembert, à laquelle on a joint les pieces qui ont concouru. Berlin 1747, S. 177–224). Immerhin eine Anerkennung. M. hatte weiter als Gratulations-Schriften zu den Promotionen seiner Freunde C. T. E. Reinhard und Christian Gottlieb Istrich ein „Sendschreiben von den Saamentierchen“ (Hamburg 1746) und „Gedanken über die Atmosphäre des Mondes“ (Hamburg 1746) veröffentlicht. Die „Göttingischen Zeitungen von gelehrten Sachen“ beachteten die zweite Schrift (1746 S. 557, 1747 S. 750). Es schien M. zu glücken, in der gelehrten Welt festen Fuß zu fassen; er wollte wol mit der Tagesschriftstellerei, die ihm nur so viel brachte, daß er unter Schulden leben konnte, ein Ende machen. Die Zeit, in der er in Leipzig auf den Ertrag seiner Feder angewiesen war, zunächst in Gottsched’s Dienste geschrieben, dann eigene Journale herausgegeben und schnell hingeworfene Beiträge zu den belletristischen Sammlungen seiner Freunde geliefert, so für Naumann’s „Liebhaber der schönen Wissenschaften“ (Jena 1747[46] –48) und für C. W. Agricola’s „Schriftsteller nach der Mode“ (Jena 1748 ff.) – Journale, die zeigen, daß die Herrschaft Gottsched’s überwunden war –, die Zeit, in der M. neben seinem wöchentlichen „Naturforscher“ gleichzeitig noch eine Monatsschrift, die „Ermunterungen zum Vergnügen des Gemüths“ (Hamburg 1747–48, 9 Stücke) herausaab und auch hier seine Freunde Lessing, Ossenfelder, Agricola, Freytag u. A. um sich sammelte – von Friedrich Gotthilf Freytag stammt die Uebersetzung der „Vénus physique“ –, diese Zeit konnte nicht fortdauern, wollte M. nicht an der Lohnarbeit zu Grunde gehen. Er zerplitterte sich, wenn er wahllos, um des Honorares Willen übersetzte, auf Bestellung Komödien schrieb, zahllose Gelegenheitsgedichte, Oden und Lehrgedichte machte und, musikalisch nicht unbegabt, Texte zu Compositionen lieferte, so ein „Oratorium auf die Kreuzigung Christi“, und konnte nie sein Ziel erreichen, der Naturforschung zu dienen.

Die Aufforderung in Berlin die ringförmige Sonnenfinsterniß zu beobachten, riß M. mit einem Male aus dem alten Kreise, der in ihm nur den geschäftigen Litteraten und den ewigen Candidaten der Medicin sah. M. blieb neun Wochen in der preußischen Hauptstadt, in dem „deutschen Paris“, wie er sie nannte, und fühlte sich hier als Gelehrter im Verkehr mit Mitgliedern der Berliner Akademie, die dem aufgeweckten, talentvollen Menschen Beachtung schenkten, weil er tiefere Interessen hatte, als seine Vielschreiberei vermuthen ließ. Auf der Sternwarte beobachtete er mit dem Astronomen Kies noch eine Mondfinsterniß und lernte Euler kennen. Zu astronomischen Beobachtungen fehlten in Leipzig die Hülfsmittel, welche Berlin bot. M. war mit Euler und [552] Kies auf dem Schießplatz, um an Versuchen mit schwerem Artilleriegeschütz theilzunehmen. Aber es fand sich zunächst keine Verwendung für den jungen Gelehrten, der sich mit Recht weit mehr dünkte, als den Redacteur einer Zeitung. Der Leiter der Haude- und Spener’schen Zeitung, Joseph Victor Krause, war für M. nur „ein einfältiger Zeitungsschreiber“. Und doch sollte M. in Berlin, wie Krause, Zeitungsredacteur werden. Als er nach Leipzig zurückgekehrt, berief ihn der Besitzer der Rüdiger’schen, später Vossischen Zeitung zum Redacteur seines Blattes. Am 6. November 1748 traf wieder in Berlin ein und begann seine neue Thätigkeit. Vom Journalismus mußte er wieder leben. Bei der primitiven Form der Berichterstattung, die sich im wesentlichen mit dem Abdruck von Nachrichten aus fremden Blättern begnügte, beschränkte sich die eigene Thätigkeit des Redacteurs, dem jede selbständige Leitung des politischen Theiles versagt war, auf Gedichte zum Jahresanfang und -schluß, auf die Ode zu des Königs Geburtstag und auf die Bücheranzeigen im Artikel: „Von gelehrten Sachen“. Für dieses Geschäft hatte M. bald auch an dem jungen Lessing, den er nach Berlin gezogen, einen Gehülfen. Der Wissenschaft ist es bisher noch nicht gelungen, den Antheil der einzelnen Mitarbeiter sicherzustellen. Bis zum 28. Februar 1752 war M. als Redacteur oder als Mitarbeiter an der Vossischen Zeitung, die unter seiner Leitung gegen Gottsched sehr entschieden Stellung nahm, thätig. Gewissermaßen als Feuilleton zur Zeitung gab M. seit dem 2. Januar 1749 unter dem Titel: „Der Wahrsager“ wiederum eine satirisch-moralische Wochenschrift heraus, die lediglich als eine Erwerbsquelle von M. zu nennen wäre, hätten sich die Schullehrer Berlins nicht über das 7. Stück des „Wahrsagers“, in dem sie sich gezeichnet glaubten, beschwert. Dies Stück darf man eine ironische Empfehlung der La Mettrie’schen Philosophie nennen. Es gab, wie das 9. Stück, das ein satirisches Lob der Hahnreihe brachte, den Ministern Friedrich’s des Großen Anlaß, beim Könige ein neues Censur-Edict zu beantragen und den Verfasser und Verleger des „Wahrsagers“ zu verwarnen. Daß die Leser satirischer Blätter stets nach lebenden Modellen suchten, war ein alter Uebelstand. Nach Mylius’ Ankündigung zum „Wahrsager“ hatten sie vielleicht auch ein Recht dazu. Jetzt, wo M. gewarnt war, lenkte er sein Blatt in die ruhige Bahn einer wohlgesitteten Wochenschrift und wurde nicht müde zu versichern, daß er Niemanden im Bösen meine; aber Friedrich der Große verbot trotzdem den „Wahrsager“ und erließ am 11. Mai 1749 das von den Ministern vorgeschlagene Censur-Edict. Das letzte (20.) Stück des „Wahrsager“ datirt vom 15. Mai 1749.

Wie der „Wahrsager“ zeigt, mußte M. auch in Berlin sein altes Leben als Schriftsteller fortsetzen. Nur hatte er in seiner Stellung als Redacteur hier einen festen Rückhalt, und die Gelehrten der Hauptstadt sahen in ihm nicht den Studenten, wie die Leipziger Professoren, zu deren Füßen er gesessen. M. wollte auch mehr geben, als satirische Aufsätze in Wochenschriften. Im Verein mit Lessing ließ er seit dem October 1749 „Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters“ (1.–4. Stück, Stuttgart 1750) erscheinen. Die Freunde stellten ein umfassendes Programm auf. Sie wollten eine Uebersicht geben, was bisher über die „Einrichtung der Schauspiele“ geschrieben sei, wollten zur Ergänzung ihre eigenen Ansichten mittheilen, sich dabei auf die Muster der Alten und Neuen stützen und die Regeln, die sie gefunden, zur Beurtheilung der neuesten Stücke anwenden; sie wollten vorbildliche Stücke aus dem Griechischen und Lateinischen, dem Französischen, Italienischen, Englischen, Spanischen und Holländischen übersetzen, Nachahmungen, die die Classiker gefunden, durchmustern und wollten endlich der Schauspielkunst, der Leistung [553] der Komödianten gedenken. Lessing nahm später – als Mylius gestorben war – den Plan dieses großen Unternehmens für sich in Anspruch. Von ihm stammen im wesentlichen aber nur die Plautus-Studien und eine Uebersetzung von Riccoboni’s „Schauspielkunst“. M. suchte durch Vielseitigkeit eher dem Programme gerecht zu werden. Er knüpfte an seine ersten dramaturgischen Abhandlungen wieder an, übernahm als Einleitung zum Ganzen aus den „Ermunterungen“ seinen „Beweis, daß die Schauspielkunst eine freie Kunst sei“ – ein Aufsatz, der Ekhoff’s Beifall fand – und bejahte die Frage, „ob man in Lustspielen die Charaktere übertreiben solle“. M. vertrat also auch in der Theorie nicht mehr, wie früher, den Standpunkt absoluter „Wahrscheinlichkeit“, forderte nicht mehr unbedingt, daß „man in der Dichtkunst die Natur nachahmen soll“, sondern sah in der bewußten Uebertreibung das beste Mittel der Komödie von der Bühne her zu wirken. M. berichtete an der Hand Voltaire’s über Shakespeare, übersetzte Hamlet’s Monolog:

Seyn, oder nicht zu seyn, das ist die Frage jetzt! …

und, von den Engländern zu den Italiern schweifend, brachte er im 3. Stück die „Clitia“ des Macchiavell. M. kannte kein besseres Stück der italienischen Bühne; auch Lessing kannte damals kein besseres. Zu einem so umfassenden Journal, wie es die „Beyträge“ sein sollten, fehlte die gründliche Beherrschung des Stoffes noch beiden Freunden; nicht der gute Wille, der sich durch keine Schwierigkeit schrecken ließ. Ihre Schrift sollte eine Vorarbeit zur „Historie des Theaters“ sein, und Lessing selbst dachte am wenigsten daran, daß der großartige Plan mit dem vierten Stücke ein Ende erreichen würde. Im 4. Stück versprach Lessing vielmehr, weitere Abhandlungen Riccoboni’s[WS 3] „ehestens“ in die „Beyträge“ einzurücken und wollte im 4. Stücke auch nicht das „letztemal“ vom Plautus „in dieser Monatsschrift“ gesprochen haben. Aber ein fünftes Stück erschien nicht.

Was Lessing über das Aufhören des Blattes im Vorwort seiner 1754 begonnenen „Theatralischen Bibliothek“ sagt – dem widersprechen seine eigenen Worte im vierten Stück der „Beyträge“. Lessing brach das Journal nicht ab, weil M. sich und ihn blamirt hatte, wo er von der italienischen Bühne kein besseres Stück, als die „Clitia“ wußte, sondern der Verleger war für eine Fortsetzung, die Lessing wünschte, nicht zu haben. Doch, wenn dies Unternehmen, das mit vollen Backen angekündigt war, nur ein so kurzes Leben hatte, so hat das M. ebensowenig, wie das Verbot des „Wahrsagers“ bei seinen Berliner Gönnern geschadet. M. stand in dem Rufe, daß er genug Kenntnisse in der historia litteraria besäße, daß er fremde Sprachen beherrsche, bei seiner vorwiegend verstandesmäßigen Veranlagung auch die nöthige Urtheilsfähigkeit hätte und ein gutes Deutsch schriebe. Diese Eigenschaften waren nöthig, um eine gelehrte Zeitung zu schreiben. Auf Eulers Empfehlung hin übernahm er mit dem Jahre 1751 die Redaction der „Critischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“ (Berlin, Haude & Spener). M. versprach dieser gelehrten Wochenschrift eine größere Reichhaltigkeit zu geben und sie wirklich mit gelehrten Nachrichten zu füllen. Darin lag ein Tadel für die früheren Herausgeber Sulzer und Ramler, die ihr Amt hatten niederlegen müssen. Aber es ist bezeichnend für Mylius’ gewandtes Auftreten, daß er zu Sulzer die besten Beziehungen hatte. Als Gegner Gottsched’s stand M. den Schweizern freundlich gegenüber, war aber keineswegs ihr blinder Anhänger, nahm vielmehr in wichtigen Fragen einen eigenen Standpunkt ein. Haller kritisirte er nicht mehr; der war ihm jetzt der einzige wirklich große Dichter; seinen Ruhm hätten „die ohnmächtigen Bemühungen des Neides, welcher seine Einfalt und Bosheit dadurch am meisten bloß gegeben hat, niemals … hemmen können“. [554] Stand M. doch mit Haller jetzt in lebhaftem Briefverkehr und spitzte gern, gegen Haller’s Gegner, gegen La Mettrie, seine Feder aufs neue. Auch Euler wurde von M. nur mit bewundernder Hochachtung genannt. Es waren Männer ersten Ranges, welche die höchste Anerkennung verdienten – und doch darf man fragen, ob M. mit seinen Kritiken, in Lob und Tadel, nicht auch zugleich persönliche Zwecke verfolgte? Das wäre für jene Zeit nichts auffallendes. Mußte der Kritiker damals doch auch auf die Verlagswerke seines Verlegers weitgehende Rücksicht nehmen und von Neuerscheinungen sprechen, die er lieber verschwiegen hätte. Mylius’ Recensionen verrathen, wie viele seiner Prosa-Aufsätze, den glänzenden Stilisten, der den Leser gerade bei der Anzeige elender Schriften durch witzige Pointen erfreut. Gegen jämmerliche Scribenten hat M. stets „eine gewisse Art von Schertz“ geübt. Wo M. die Gelegenheit hatte sich öffentlich auszusprechen, bedeutete er als Schriftsteller, der die Schärfe des Urtheils mit der Schärfe des Wortes verband, und der zugleich als Gelehrter in Ansehen stand, eine Macht im geistigen Leben. So sollte seine Vorrede den „Satiren des Prinzen Kantemir“, die der Oberstlieutenant Freiherr v. Spilcker übersetzt hatte, zur Empfehlung dienen (Berlin Haude & Spener, 1752).

Mit einzelnen Adeligen, mit Mitgliedern der Akademie, mit einem Musikgelehrten wie Friedrich Wilhelm Marpurg stand M. in Berlin in dauernder, wenn nicht freundschaftlicher Verbindung. Für Kästner’s bändereiches „Hamburgisches Magazin, oder gesammlete Schriften zum Unterricht und Vergnügen, aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften überhaupt“ (Hamburg 1748 ff.) schrieb und übersetzte er. Mit Interesse las er fremde Reiseberichte von fernen Ländern; es zog ihn auch dahin. Seinen „Naturforscher“ setzte er in Berlin in den „Physikalischen Belustigungen“ (Stück 1–20, Berlin 1751–52), einem Blatte wissenschaftlichen Charakters, fort. Hier machte er u. a. den Vorschlag zur Errichtung eines Wetterobservatoriums und theilte seine Wetterbeobachtungen mit. Neben ihm war Johann Gottlob Lehmann, der Theilnehmer seiner Berliner Excursionen, ein fleißiger Mitarbeiter, und Briefe wissenschaftlicher Größen, mit denen M. in Correspondenz stand, wurden abgedruckt. Zur Füllung der Monatshefte dienten Uebersetzungen, z. B. die „Beschreibung des großen Wasserfalls des Flusses Niagara“. Die Mittheilungen der „Physikalischen Belustigungen“ gehen weit über das Gebiet von Deutschland hinaus. War doch die Sehnsucht, selbst in fremde Länder zu gehen, bei M. allmählich so groß geworden, daß er in den Dienst der holländisch-ostindischen Gesellschaft treten wollte. Es sollte ihm noch möglich werden, zu reisen. Bis zu seiner Abreise redigirte M. die „Physikalischen Belustigungen“; dann vertrat ihn Kästner (Stück 21–30, Berlin 1753 bis 54) in der Erwartung auf des Freundes Heimkehr.

Sulzer hatte den Plan, einen Naturforscher nach Ostindien zu senden, angeregt; M. schien der rechte Mann für dies Unternehmen zu sein. Sein Eifer und seine Forschungslust waren bekannt. Euler hatte eine gute Meinung von ihm, der Astronom Kies war Mylius’ Freund, und auch Haller hatte den Herausgeber der „Physikalischen Belustigungen“ mit Anerkennung genannt. Mit ihm stand M., seit er die Redaction der „Critischen Nachrichten“ übernommen hatte, in regem Briefwechsel. Ihn, den bedeutenden Gelehrten, bat M. nun, Leitung und Aufsicht über das ganze geplante Reiseunternehmen zu führen. Vereinten Bemühungen, und besonders Haller’s Ansehen, gelang es, zahlende Mitglieder der sogenannten Reisegesellschaft, die M. drei Jahre lang reisen lassen sollte, zu gewinnen. Seit Haller an die Spitze getreten, war das Project gesichert. Aber an dem Plane selbst wurde [555] noch manches geändert. Nicht Ostindien, sondern Surinam und weiterhin Nord-Amerika sollte das Reiseziel sein. M. drängte schon zur Abreise, als die nöthigen Summen noch nicht gezeichnet waren. Er war bei dem Plane mit Leib und Seele, winkte ihm doch nach überstandener Reise eine Professur in Göttingen, und schon jetzt hatte ihn Haller zum Correspondenten der Göttinger Akademie gemacht. Da trat der Leibarzt Maria Theresia’s, der Baron van Swieten, mit dem Angebot hervor, M. solle für das kaiserliche Naturalien-Cabinet die Reise unternehmen, 3000 Thaler Reisekosten erhalten und nach Wien seine Sammlungen abliefern. Das Angebot war verlockend; auf Kosten eines Einzigen zu reisen war sicherer, als sich auf den guten Willen einer ganzen Gesellschaft, die sehr verschiedene Wünsche hatte, zu verlassen; zudem waren bei Haller damals noch nicht 3000 Thaler für die Mylius’sche Reise gezeichnet. Dennoch schlug M. aus Hochachtung für Haller den Wiener Antrag aus. Haller warb neue Mitglieder zur Reisegesellschaft; der König von Dänemark steuerte 300 Thaler schweren Geldes bei; M., der im April 1752 seine Uebersetzung von Clairaut’s „Anfangsgründen der Algebra“ drucken ließ, gab die Absicht, weitere Schriften Clairaut’s zu verdeutschen, auf und ließ sich von Sulzer einen Vorschuß geben, um sich für den großen Zweck recht vorzubereiten. Die Empfehlungsbriefe waren für ihn geschrieben. Jetzt hätte er reisen können und sollen. Aber er blieb noch Woche um Woche in Berlin. – Die Streitigkeiten zwischen dem allmächtigen Präsidenten der Berliner Akademie, Maupertuis, und dem Professor Samuel König im Haag, an denen Voltaire mit seiner „Diatribe du docteur Akakia“ theilnahm, fesselten den Journalisten. Es war für ihn eine Ehre, bei Voltaire vorgelassen zu werden, oder bei der Gräfin v. Bentinck zu speisen. Er kritisirte das Urtheil der Berliner Akademie, das Samuel König für einen Fälscher erklären wollte, gebührend; gab sich aber das Ansehen, als sei er nur auf Maupertuis’ Ruhm bedacht. Kurz, er hatte Freude daran, bei diesem Streite der Großen, in dem Friedrich II. sich für Maupertuis erklärt hatte, selbst eine Rolle zu spielen. Daß er in Wahrheit gegen Maupertuis schrieb – was Haller nicht unangenehm war –, konnte auf die Dauer nicht verborgen bleiben. M. gerieth dabei auch zu Euler in Gegensatz, kam sich aber durch sein Eintreten, Seite an Seite mit Voltaire, für Samuel König’s gerechte Sache bedeutender vor. M. übersetzte die „Diatribe“, die Friedrich der Große verbrennen ließ, und fertigte auf die Verbrennung ein Bänkelsängerlied, das er geschrieben in Berlin ausbreitete. Als er fürchten mußte, in Berlin arretirt zu werden, verließ er die Hauptstadt, sang seinen Freunden einen „Abschied aus Europa“ und reiste über Leipzig und Gera nach Göttingen, um sich von Haller die letzten Instructionen zu seiner Amerika-Fahrt zu holen.

Am 28. Februar 1753 hatte M. Berlin verlassen; am 28. März traf er in Göttingen ein. Aber Haller war nicht mehr dort; um seine Tochter zu verheirathen, war er nach der Schweiz gereist. So empfing M. vom Professor Hollmann 715 Thaler und 20 Groschen als Reisegeld fürs erste Jahr; selbst hatte M. in Berlin schon 391 Thaler zu seiner Ausrüstung für die ganze Reise erhoben. Mit dem Reste der fürs erste Jahr gezeichneten Gelder, mit 715 Thalern, wollte M. nicht reisen. Er bat um 200 Thaler Zuschuß; Hollmann versagte ihn; Haller bewilligte den Zuschuß; Hollmann glaubte es nicht, fragte deshalb bei Haller an, und erst am 9. October 1753 wurde M. der erbetene Zuschuß fürs erste Jahr ausgehändigt. So lange war M. natürlich nicht in Göttingen geblieben. Er hatte hier die Streitschriften gegen Maupertuis neu drucken lassen, um sich den Professor König besonders zu verbinden; denn von Holland wollte er die Ueberfahrt nach Amerika machen; [556] war dann nach dem Harze gegangen, um nach Sulzer’s Wunsche barometrische und thermometrische Beobachtungen in Bergwerken anzustellen; hatte den Brocken bestiegen und sich darauf nach Hannover gewandt. Hier gab ihm der Kammerpräsident v. Münchhausen eine Instruction mit – zum Besten des Forstwesens sollte er sich in Amerika umsehen – und ließ ihm eine erste Jahresrate von 100 Thalern auszahlen. So warb M. noch auf dem Wege neue Theilhaber zur Reisegesellschaft. Allerdings wurde der Reiseplan dadurch wieder verändert. Münchhausen wünschte, daß M. nach London ginge, sich dort Empfehlungsbriefe abhole und dann zunächst nach Nordamerika, nicht nach Surinam, reise. Deshalb gab aber M. seine Absicht, den Professor König im Haag zu besuchen, nicht auf. Ueber Hamburg und Bremen, wo er es sich wohl sein ließ, sich der Beachtung freute, die ihm, dem Weltreisenden, entgegengebracht wurde, und er manche unnütze Lustfahrt auf der Elbe und Weser machte, langte er am 8. Juli 1753 im Haag an, um wiederum wochenlang zu säumen. Er sandte seinen Auftraggebern zwar Naturalien aus Deutschland und Holland; das war aber nicht der Zweck der Reise. In Holland wartete er auf die erbetenen 200 Thaler, las die Briefe, die Voltaire, Kästner u. A. ihm dorthin gesandt, freute sich, daß er den Häschern Maupertuis’ entgangen war und entschloß sich endlich, auch ohne den geforderten Zuschuß, nach London weiter zu fahren.

Seit er in Hannover Münchhausen’s Ansicht gehört, konnte die Route über Holland nur ein kostspieliger und zweckloser Umweg sein. M. war jetzt nicht mehr der eilig drängende Reisende, der so schnell wie möglich auf das Schiff zur Abfahrt strebte. Es entsprach seiner Anlage, in der Gesellschaft und bei Gelehrten hervorzutreten, und er machte gern Aufsehen mit seinen neuesten Nachrichten über den König-Maupertuis’schen Streit; es gefiel ihm, auf Kosten der Gesellschaft, wie ein großer Herr, in Europa zu reisen. Einen festen Contract, der dem Reisenden einen bestimmten Weg vorgeschrieben hätte, hatte Haller mit Mylius nicht geschlossen. Haller war in Bern, Hollmann mit der Casse in Göttingen, M. seit dem 22. August 1753 in London. Er besuchte Sammlungen und Theater, die Sitzungen der Gesellschaft der Wissenschaften, beobachtete eine Sonnenfinsterniß, übersetzte noch eine Kleinigkeit für das „Hamburgische Magazin“ (Bd. 13, S. 1–8), veröffentlichte die „Beschreibung einer neuen Grönländischen Thierpflanze in einem Sendschreiben an Hrn. Albrecht von Haller“ (London 1753) zum Beweise, wie er seine „Zeit auf Reisen anwende“ und verdeutschte Hogarth’s[WS 4] „Zergliederung der Schönheit, die schwankenden Begriffe von dem Geschmack festzusetzen“ (London 1754; 2., billiger Abdruck: Berlin 1754). In der Vorrede vom 11. December 1753 klagte M., daß seine Durchreise durch London sich ohne seine Schuld in einen „ziemlich langen Aufenthalt“ in der Stadt verwandelt hätte, freute sich aber, in der Uebersetzung, nach Antritt seiner „weitern Reise“ ein „so angenehmes Andenken“ seines „Aufenthaltes in London hinterlassen zu haben“. M. schrieb und übersetzte, aber reiste nicht. Das Reisegeld war ihm unter den Händen zerflossen; er bemühte sich um neue Vorschüsse und kam nicht von London fort. Haller war entschlossen, von dem Unternehmen zurückzutreten und M. für einen Hochstapler und Betrüger in den Göttinger Zeitungen zu erklären. Flehende Briefe bestimmten ihn, einen letzten Versuch zu machen. Er wollte noch fünfzig Pfund Sterling schicken, und M. sollte dann sofort nach Amerika abfahren – da starb Mylius, der nicht allzukräftig war, nach vierwöchentlichem Krankenlager an einer Lungenentzündung in der Nacht vom 6. und 7. März 1754 in London. Er war gerade ein Jahr auf Kosten der [557] Gesellschaft gereist. An baarem Gelde fanden sich nur 36 Schillinge bei ihm, und dem Gastwirthe schuldete er 120 Pfund.

Das 23. Stück der „Physikalischen Belustigungen“ brachte Kästner’s – wiederholt gedruckten – Aufsatz zum „Andenken seines Freundes Christlob Mylius“, eine freundliche, biographische Charakteristik.

Von Mylius’ zahlreichen Aufsätzen fand nur einer in unserer Zeit größere Beachtung. Seine „Untersuchung, ob man die Thiere, um physiologischer Versuche willen, lebendig eröffnen dürfe“, wurde als „eine Abhandlung aus dem vorigen Jahrhundert über die Vivisektionsfrage“ (Rothenburg a. Tbr. und Leipzig) 1880 als Flugschrift gegen die unwissenschaftlichen Bestrebungen der Thierschutzvereine neu gedruckt. Der Aufsatz war in den „Belustigungen“ (Bd. 8 – 1745 – S. 325 ff.) zuerst veröffentlicht worden. Der populäre Stil, der klare und zugleich gefällige Vortrag, mit dem sich M. als Aufklärer an die breite Masse zu wenden liebte, machten diese Schrift zum brauchbaren Agitationsmaterial. In solcher Verwerthung der Ideen, die M. vertreten, liegt nicht seine Bedeutung. Aber sein Vorbild hat dem jungen Lessing den Weg zur Schriftstellerei gewiesen. Durch ungünstige Vermögensverhältnisse war M. auf diesen Weg getrieben worden. Nicht viel glänzender als seine eigene, war Lessing’s Lage. M. machte dem jungen Freunde einen Weg, der ihn von den Traditionen seiner Familie entfernte, leicht und gab in seinen Journalen den Erstlingen Lessing’s einen Platz. M. stand im litterarischen Streite. Von der Partei ausgegangen, wußte er sich selbständige Geltung zu verschaffen. Auch darin war er das Vorbild Lessing’s, dessen anakreontische Gedichte und dramatische Versuche dem Leipziger Kreise, dessen Mittelpunkt M. war, ihre Entstehung verdanken, ebenso wie M., den die Fülle der verschiedensten Interessen in steter Spannung erhielt, den jungen Lessing in Berlin, wo M. mehr als in Leipzig, wissenschaftlichen Aufgaben lebte, in die Kritik einführte. An Mylius’ Seite wagte Lessing nichts ungeheuerliches, als er sein Studium aufgab und den Beruf als Journalist wählte. M. hatte gezeigt, daß dieser Beruf eine Existenz zu geben vermochte und hatte den jungen Lessing in seiner schwersten Zeit, so weit er es konnte, auch materiell unterstützt. Bald zehn Jahre sind sie einen gemeinsamen Weg gegangen. Mylius’ Gönner wurden Lessings Förderer. So lange M. lebte, hat Lessing stets mit Anerkennung über den älteren Freund gesprochen. Als er gestorben war, gab Lessing seine „Vermischten Schriften“ (Berlin, Haude & Spener 1754, mit Birnstiel’schen Vignetten) heraus. Es ist keine glückliche Auswahl aus der Masse vieler nichtssagender Publikationen, die vielfach dem Zwange zu schreiben ihr Dasein verdanken. Lessing schrieb dazu eine Vorrede von großem feuilletonistischem Reize; aber sein Urtheil, das er über den Todten kalt und lieblos zu Papier gebracht, ist so ungerecht, daß man bei dem jahrelangen engen Verhältniß der Beiden erst nach einem Gesichtspunkt suchen muß, um diesen schlimmen Nachruf des Freundes zu verstehen. Freilich war M. in den Verdacht gekommen, daß er ein leichtsinniger Schuldenmacher sei. Pekuniäre Bedrängnisse jedoch konnte Lessing sehr wohl mitfühlen. M. hatte sich aber auch in Berlin vor Maupertuis und Friedrich dem Großen unmöglich gemacht, und gerade in Berlin, beim Könige, hoffte Lessing auf eine Verwendung. So suchte er als Herausgeber der Mylius’schen Schriften dem eigenen Interesse zu dienen und wurde dem Freunde gegenüber ungerecht.

Carl Heine, Ein Journalistenleben des 18. Jahrhunderts. (Hamburger Nachrichten, belletrist.-litterarische Beilage 1904, Nr. 10, 11, 12.) Dr. Carl Heine’s Artikel ist der Auszug aus einer umfangreichen Monographie, deren [558] Manuscript mir der Verf. frdlst. zur Verfügung stellte. – Joh. Christoph Mylius, Historia Myliana Bd. II. Jena 1752, S. 104 ff. – H. Graeve, Etwas über Chr. Mylius (Neues Lausitzisches Magazin, Neue Folge Bd. I – 1836 – S. 303 ff. – Consentius, Der Wahrsager. Zur Charakteristik von Mylius und Lessing. Leipzig 1900. – Consentius, Lessing und die Vossische Zeitung. Leipzig 1902. – Mylius’ Briefe an Haller: Euphorion Bd. 10 (1903) S. 518 ff., 776 ff.; Bd. 11 (1904) S. 65 ff. – [[[ADB:Murr, Christoph Gottlieb von|Chr. G. v. Murr]]] Der Zufriedene, 1763/64, Stück 43; auch Stück 15 und 27. – Chr. G. v. Murr, Anmerkungen über Lessings Laokoon. Erlangen 1769. S. 53 ff. – Olla Potrida, Bd. I. Berlin 1778, S. 153 ff. – R. M. Meyer, Vivisektionsdebatten im 18. Jahrhundert (Vossische Zeitung, Sonntagsbeilage 1903, Nr. 51). – Gustav Waniek, Gottsched und die deutsche Litteratur seiner Zeit. Leipzig 1897. – Gustav Waniek, Immanuel Pyra und sein Einfluß auf die deutsche Litteratur des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1882. – Ludwig Hirzel, Albrecht v. Haller’s Gedichte. Frauenfeld 1882. – Erich Schmidt, Lessing. Geschichte seines Lebens und seiner Schriften. 2. Aufl., Berlin 1899.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Sir Richard Steele (1672–1729); irischer Schriftsteller und Komödienautor
  2. Joseph Addison (1672–1719); englischer Dichter, Politiker und Journalist in der Frühzeit der Aufklärung
  3. Antonio Francesco Riccoboni (1707–1772); italienisch-französischer Schauspieler, Dramatiker und Schauspieltheoretiker
  4. William Hogarth (1697–1764); sozialkritischer englischer Maler, Grafiker und Buchautor