ADB:Hollmann, Samuel Christian

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Artikel „Hollmann, Samuel Christian“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 760–762, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hollmann,_Samuel_Christian&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 15:53 Uhr UTC)
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Hollmann: Samuel Christian H., Philosoph und Naturforscher des 18. Jahrhunderts, geb. den 3. December 1696 zu Stettin, † den 4. September 1787 zu Göttingen. Nach dem frühen Tod seines Vaters, königlich schwedischen Hofpredigers, besuchte er die Gymnasien zu Stettin und Danzig, studirte seit 1718 in Königsberg, später in Wittenberg Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften, wurde 1720 Magister, docirte darauf in Jena, Greifswald, Wittenberg, wurde hier 1724 Adjunct der philosophischen Facultät, 1726 außerordentlicher Professor, folgte dann aber 1734 einem Ruf als erster ordentlicher Professor der Philosophie und natürlichen Theologie an die neugegründete Universität Göttingen, wo er am 30. September eintraf und – nach mancherlei, von ihm selbst mit drastischer Lebendigkeit geschilderten Erlebnissen („Die Georg-Augustus Universität“, Göttingen 1787 S. 5 ff.) – am 14. October die erste akademische Vorlesung hielt. Fast 53 Jahre lang gehörte er hierauf der Georgia-Augusta an und theilte alle ihre Schicksale in „ihrer Wiegenzeit, ihrer blühenden Jugend und ihrem reiferen Alter“. Als Docent fand er vielen Anklang, zuerst durch seine philosophischen Vorlesungen über verschiedene Zweige der Philosophie, später besonders durch seine physikalischen Vorlesungen, denen er immer ausschließlicher sich widmete und in denen er auch von Officieren und Adeligen gern gehört wurde, so daß er eine Zeit lang genöthigt war, dieselbe Vorlesung täglich in einer zweiten Stunde zu wiederholen. Als Prorector machte er sich besonders während des siebenjährigen Krieges um die Universität verdient, indem er die der Stadt von den Franzosen drohenden Gefahren abzuwenden und den ungestörten Fortgang der akademischen Arbeit nach Kräften zu ermöglichen suchte. Wesentliche Verdienste erwarb er sich auch in Verbindung mit Albrecht v. Haller um die Gründung der Göttinger Societät der Wissenschaften, zu deren ersten Mitgliedern und [761] Directoren er in den Jahren 1751–61 gehörte. Im J. 1761 legte er letztere Stelle nieder; seine Vorlesungen aber setzte er fort bis in sein 88. Lebensjahr, feierte 1770 sein 50jähriges Doctor-, 1784 sein Göttinger Professorenjubiläum und starb, nachdem er noch fortan mit gelehrten Arbeiten sich beschäftigt, fast 91 Jahre alt, als erster und ältester Göttinger Universitätslehrer, kurz vor der ersten Jubelfeier der Georgia Augusta den 4. September 1787. – Seine litterarische Thätigkeit war eine sehr rege und ausgebreitete; doch ist unter den zahlreichen Schriften keine, die heute noch ein anderes als höchstens ein local- oder culturgeschichtliches Interesse beanspruchen könnte. Seine ersten Schriften waren einige philosophische Abhandlungen, in denen er die Leibnitzsche Monadologie und prästabilirte Harmonie bestritt („De stupendo naturae mysterio, anima humana sibi ipsi ignota“, Greifswald 1722; „Comm. philos. de harmonia praestabilita“, 1724; „Brief an Bilfinger“, 1725). Dann schrieb er, mehr und mehr der Wolf’schen Philosophie sich annähernd, eine Reihe von philosophischen Lehrbüchern, die um ihrer populären Darstellung willen beliebt waren, und wurde dadurch einer der Hauptwortführer der sogenannten Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts; dahin gehören seine „Institutiones philos.“ 1725 in 2 Theilen; „paulo uberior in philos. introductio“, Wittenberg 1734 und in mehreren neuen, zu Göttingen erschienenen Auflagen; dann „Inst. pneumatologiae et theolog. naturalis“, 1747; „Philosophia prima s. metaphysica“, 1747; „Phil. moralis s. ethicae“ und „Jurisprudentiae nat. primae lineae“, 1751 und 1768; nur an die Politik wagte er sich nicht (politicae manum nunquam admovere constitui – sagt er in einem Brief an Harenberg, handschr. auf der Göttinger Bibliothek). Ueberhaupt aber ließ mit zunehmendem Alter sein Interesse an der Philosophie nach, zumal da er seit 1769, also um dieselbe Zeit, wo ein neues philosophisches Gestirn in Kant aufging, eine große Veränderung in der Litteratur, eine nächstens einbrechende allgemeine Finsterniß glaubte prophezeien zu müssen (M. S. Gött.). Zwar recapitulirte er selbst noch einmal seine Leistungen auf dem Gebiet der Philosophie („illorum, quae per univ. philosophiam ab ipsomet reperta sunt, anacephalaiosis“, 1781): seine Hauptthätigkeit aber wandte sich schon seit Anfang der vierziger Jahre immer mehr den Naturwissenschaften zu: 1742 erschienen seine „Grundlinien der Physica experimentalis“; 1749, 1753, 1766 seine „Naturphilosophie“, dann beschäftigte er sich mit anatomischen, botanischen, paläontologischen, insbesondere aber mit meteorologischen Untersuchungen und Beobachtungen, schrieb über barometrische Höhenmessung, über Elektricität, Erdbeben, künstliche Kälteerzeugung, über Thermo- und Barometer etc., lieferte Abhandlungen in die Göttinger Societätsschriften, in die Göttinger gel. Anzeigen, gab auch selbst eine Zeit lang eine Wochenschrift heraus u. d. T. „Der Zerstreuer“. Eine Sammlung seiner zerstreuten Abhandlungen veranstaltete er selbst noch u. d. T. „Sylloge Commentationum“, Gött. 1762, 1775, ed. nova 1784. Mittheilungen über sein Leben gibt er selbst in seinen „Zufälligen Gedanken über verschiedene Materien“, 6. Sammlung 1776, sowie in einem Werk, das ihn noch in seinen letzten Lebenstagen beschäftigte, einer „Ausführlichen Geschichte von Anfang und Fortgang der Universität Göttingen“. Im Jubeljahr der Universität (17. Mai 1787) kündigte er das Erscheinen desselben an; aber nur 7 Bogen davon sind wirklich gedruckt (Gött. 1787/88, herausgeg. von Beckmann); von der weiteren Herausgabe mußte man abstehen, da sich nach dem Tod des Verfassers statt eines druckfertigen Manuscripts nur unverarbeitete Notizen vorfanden. Dieselben befinden sich noch auf der Göttinger Bibliothek.

S. Adelung zu Jöcher, II. S. 2099; Götten’s jetztleb. gel. Europa, I. 601 ff.; II. 814 ff.; III. 787 ff.; Brucker, Pinacotheca, II. 7, 1747 (mit [762] seinem Bild), Meusel, Lexikon, VI. 73 ff.; Baldinger, Biogr. der Aerzte etc., I. 3, 49; Pütter, Gött. Gel. Gesch., I. S. 165; II. 49, 395; Wendt bei Ersch u. Gruber.