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Artikel „Uhlich, Adam Gottfried“ von Franz Ferdinand Heitmüller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 168–171, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Uhlich,_Adam_Gottfried&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 04:19 Uhr UTC)
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Uhlich: Adam Gottfried U., Schauspieler, Komödiendichter, Uebersetzer und Journalist in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde als Sohn des Bürgers und Schneidermeisters Adam U. und seiner Ehefrau Marie Susanne im J. 1720 zu Bischofswerda (Sachsen, Kr. Dresden) geboren. In Elsterwerda (Rgbz. Merseburg, Kr. Liebenwerda), wohin die Eltern bald nach seiner Geburt übersiedeln und einen Grützhandel betreiben, verlebt er im Verein mit drei jüngeren Geschwistern die erste Kindheit, bis die in kümmerlichen Verhältnissen hindarbende Familie abermals zum Wanderstab greift und nach Dresden zieht. Hier findet der heranwachsende Knabe am 10. Mai 1732 unter dem Rector Schöttgen in die Kreuzschule Aufnahme und ist bald, „außerordentliche Fähigkeiten“ verrathend, einer der tüchtigsten Schüler der Anstalt. Fünf Jahre später wird er Student in Wittenberg, treibt „ungefähr drey viertel Jahr“ Jurisprudenz und drängt dann, völlig mittellos und einer lange schon sich entwickelnden Neigung nachgebend, zum Theater: Den kaum Siebzehnjährigen nimmt die Neuber in ihren Dienst. Als Secretär der Truppe, der Rollen und Stücke abschreibt, kommt er mit ihr 1738 zum ersten Mal nach Hamburg, verläßt sie, weil er wegen seiner noch unentwickelten Figur nicht auf die Bühne darf, und findet bei einem Advocaten in „Belgern“ als Schreiber „mit seiner guten leserlichen Hand“ ein behäbiges Auskommen. Aber das Theaterblut in seinen Adern will nicht zur Ruhe kommen: Anfang 1740 in Lüneburg auftauchend, wird er hier von Schönemann für dessen junge Truppe gewonnen und erlangt bald, „wohlgewachsen“ wie er jetzt ist, „vornehmlich in ernsthaften Alten und kaltblütigen Rollen“ einen gewissen künstlerischen Ruf. Hier lernt er auch Hanna Rudolf, mit der er sich zwei Jahre später in Hamburg verheirathet, kennen.

Der Aufenthalt in Schönemann’s Truppe ist entscheidend für sein ganzes Leben geworden. Ein unstätes, von Entbehrung zu Entbehrung treibendes Wanderleben hebt an, dessen erste vielverheißende Station Leipzig wird, wo die junge Künstlerschaar in der Ostermesse 1741 spielt und Gottsched’s allmächtige Gunst, die bis dahin den Neubers zugewandt war, sich zu sichern weiß. Von U., dem strebsamen, für seine Kunst begeisterten Acteur, gewinnt der Gewaltige die beste Meinung; kurze Zeit später finden wir beide in regem Briefwechsel. In Hamburg, wo die unternehmende Gesellschaft am 16. August 1741 die urwüchsige und noch heute nicht ganz vergessene Localkomödie „Der Bookesbeutel“ von Hinrich Borkenstein auf die Bühne brachte und sich damit ein bedeutendes Verdienst erwarb, tritt U. mit seiner schnell Carriere machenden Braut und Ackermann zu Sophie Schröder über, verläßt diese aber schon vor dem völligen Zusammenbruch ihres Unternehmens und sucht Ende Sommer 1743 wieder bei Schönemann in Berlin anzukommen, der ihn denn auch auf Gottsched’s warme Fürsprache hin, aufs neue engagirt. Mit dieser Truppe kommt er auf unruhigen Wegen über Frankfurt a. O., Breslau nach Königsberg, wo er mit seinem Gönner Gottsched zusammentrifft, und lernt das ganze unsägliche Elend einer zigeunernden Komödiantenexistenz von Grund aus kennen. Mehrere Kinder sind ihm geboren, die Noth ums tägliche Brot wird größer. Schönemann erkrankt wiederholt und kommt aus Zahlungsschwierigkeiten nicht heraus. Um das Leben zu fristen, müssen sich die Uhlichs von Breslau aus zusammen mit „elenden Burleskenspielern“ im Herbst 1745 von Mingotti nach Hamburg engagieren [169] lassen und sind dann auch kurze Zeit bei der künstlerisch damals noch unbedeutenden Bande Schuch’s, ohne es auch nur zu halbwegs erträglichen Lebensverhältnissen bringen zu können.

So reift der Entschluß vom Theater loszukommen. Vom Herbst 1746 bis dahin 1748 siedelt er sich – wahrscheinlich als „Schutzverwandter“, da er kein Bürger geworden ist – in Hamburg an und gibt hier „Poetische Zeitungen“ heraus. Das erste Stück dieses ganz in Versen geschriebenen Wochenblattes erscheint am 12. November 1746. Von drückender Schuldenlast kann er aber auch jetzt sich nicht befreien, und als er sich in Händel mit der Censurbehörde, die auch eine Nummer seines journalistischen Unternehmens confiscirt, verwickelt, ja gar zu einer unerschwinglichen Geldbuße verurtheilt sieht, schnürt er abermals sein Bündel und wirft sich wieder Schuch in die Arme, der wenigstens erst einmal die Hamburger Schulden bezahlt. Kurz vor der Herbstmesse 1748 stößt er mit seiner Frau in Frankfurt a. M. zu der jetzt ernsteren künstlerischen Idealen nachlebenden Gesellschaft. Schuch ist inzwischen ein Parteigänger Gottsched’s geworden und U. weiß sich ihm bald unentbehrlich zu machen. Er wird der „Autor seiner Truppe“ und schreibt in seinem Dienst und Auftrag die vielen allegorischen Festspiele, welche vornehmlich bei den glänzenden Rathskomödien mit „einem abscheulichen Aufwand von seinen Gewändern und stolzen Zierrathen“ überall bei gefüllten Häusern in Scene gingen. Ueberall, denn nun ging für den wandermüden Mann das unstäte Leben und Treiben erst recht an. Von Frankfurt aus, wohin die Truppe immer wieder zurückkehrt, werden Regensburg, Nürnberg, Altenburg, Kassel, Mannheim und viele andere Städte bereist, doch muß sich Ende September 1751 der jetzt auf der Höhe seines Ruhmes stehende und in Frankfurt populäre U. infolge der ausgestandenen Reisestrapatzen dauernd von der Bühne zurückziehen. Aber er kommt vom Regen in die Traufe und die vielersehnte und nöthige Ruhe und Gelassenheit des Gemüthes ist ihm nicht beschieden.

Der alte Feind des Schauspiels hatte wieder einmal sein Haupt erhoben. In das Jahr 1751, während eine schleichende Krankheit bei ihm sich mehr und mehr entwickelt, fallen die ersten ernsteren Kämpfe Uhlich’s mit den Frankfurter orthodoxen Geistlichen und verleihen dem arbeitsreichen Leben des armen Durchschnittskomödianten jene typische Bedeutung, infolge deren es für unsere spätere Zeit allein noch bemerkenswerth ist und bleiben wird. Vom Frankfurter Rath selbst unterstützt, wollte Schuch 1751 ein ständiges Schauspielhaus in der Stadt errichten. Ein Sturm bigotter Entrüstung erhob sich und die orthodoxe Geistlichkeit – Goethe’s Onkel, der Senior Starck, an der Spitze – beantragte sogar, „künftighin auf keine Art einige Komödien-Arten hier mehr zu erlauben“. U., der schon früher das Schauspiel in Gedichten vertheidigt und gefeiert hatte, war der natürliche Verfechter der Rechte der verfolgten Kunst und ihrer Angehörigen. Und bald wurde aus dem Streit der Principien ein Kampf ihrer Vertreter auf Leben und Tod, ein Zweikampf zwischen dem Senior Starck und dem in Mode gekommenen Festspieldichter und Schauspieler U. Er war der Rufer im Streit; war er vernichtet, so war der Sieg auf allen Linien entschieden. Die Gelegenheit scheint günstig. Man verweigert ihm, weil er Schauspieler sei, das Abendmahl. Aber statt zusammenzubrechen, sucht der in seinem frommen Herzen aufs tiefste verletzte, strenggläubige Mann sein gutes Recht von der geistlichen Behörde zu ertrotzen, und die reife goldene Frucht dieses, wie es scheint, erfolglosen Kampfes ist die noch heute ergreifende (von mir a. a. O. neu gedruckte) „Beichte Eines Christlichen Comödianten an Gott bey Versagung der öffentlichen Communion“, die mehr als seine zahllosen poetischen Werke seinen Namen merkwürdig gemacht hat. Er wird ein Märtyrer seines Standes, den die Herzensnoth [170] zum Dichter gemacht hat: Ihm gab sein Gott zu sagen, was er leidet. Dem verfehmten Sänger freilich hat sein Protest nichts genützt, aber kommenden Geschlechtern ist dauernder Segen daraus erblüht und keinem Komödianten ist das Sacrament mehr vorenthalten worden. Bis 1756, wo er in Frankfurt „Historische, politische u. d. g. Neueste Briefe“ sowie „Vermischte Neueste Briefe“ herausgiebt, läßt sich noch die Spur dieses an Mühe und Arbeit reichen, aber gewiß nicht köstlichen Lebens verfolgen. Ob er noch seinen Frieden mit der Kirche gemacht hat? Jedenfalls hat er nach 1753 nichts Theatralisches mehr drucken lassen. Sein Tod dürfte bald nach 1756 erfolgt sein.

Seine eigentlichen zahlreichen Werke bieten heute nur noch dem Forscher ein gewisses zeit- und culturgeschichtliches Interesse, manche mehr, manche weniger. Es genügt zu erwähnen, daß er sich auf fast allen Gebieten poetischen Schaffens – mit Ausnahme der Tragödie hohen Stils – versucht hat; aber alle seine Luft- und Schäferspiele, Vor- und Nachspiele, Allegorien, Satiren und Novellen, seine vielen Uebersetzungen aus dem Französischen und Holländischen haben ihm des Dichters heißersehnten Kranz nicht eingebracht. Dabei war er ein geschickter Journalist, dem, wie seine zwei Bände „Poetische Zeitungen“ zeigen, Vers und Reim leicht zuströmten, und gerade in der Leichtigkeit seiner Production liegt auch seine Bedeutung für die Bühne seiner Zeit, die er auf seine ehrliche Art – zusammen mit den Gottscheds, Neubers u. A. – mitzureformiren erfolgreich geholfen hat. Die Prinzipale sind ihm vielen Dank schuldig geworden und zwei seiner Stücke – das nach dem Holländischen des Cats bearbeitete Schäferspiel „Elisie“ und das fünfactige Lustspiel in Versen „Der Unempfindliche“ – hat Gottsched in seine deutsche Schaubühne aufgenommen. Sein Versuch in das schemenhafte, farblose Schäferspiel realistische Bauerngestalten einzuführen („Der faule Bauer“) ist nicht eben glücklich gewesen, dazu fehlte ihm die dichterische Kraft und Ursprünglichkeit. Viel belacht ist von den Zeitgenossen seine den Ton des Originals zu treffen suchende Fortsetzung zu der robusten, von gesundem Humor durchsetzten hamburgischen Burleske Borkensteins „Der Bookesbeutel“, die er, wie schon erwähnt, auch zuerst, und zwar in plattdeutscher Sprache, mit aufführen half. Sehr verdienstlich endlich war die von ihm in Hamburg besorgte Herausgabe der Gedichte des jung verstorbenen Christian Friedrich Zernitz (1748).

Die Litteratur über U. ist nicht ganz gering. Außer Goedeke erwähnte ich: Schröder, Hamb. Schriftstellerlexikon VII, 451. – Schütze, Hamb. Theatergeschichte, S. 232, 257, 265, 267. Hamburg 1794. – Chronologie des deutschen Theaters, S. 78 ff., 86, 103 f., 109, 116, 120, 125 f., 135, 168. – Reichard, Theaterjournal XIV, 55. – Löwen, Schriften IV, 34. – Schink, Gallerie von Teutschen Schauspielern und Schauspielerinnen der ältern und neuern Zeit, S. 245. – Allg. Theaterlexikon, S. 142 f. – Reichard, Theaterkalender von 1775, S. 102 ff. – Hallische Bemühungen 1746. II, 554 ff. – Hamburgischer Correspondent, 22. Mai und 10. November 1742. – Frankfurter Journal 1751 und 1752. – Frankfurter Oberpostamtszeitung 1751 bis 1753. – Critischer Sylphe 1751, 32., 36. u. 69. Stück. – Hamburgische Blätter, 7. Juni 1834. – Zeitschrift des Vereins für Hamb. Geschichte II, 3. Heft, 491 ff. – Danzel, Gottsched und seine Zeit, S. 160, 162 f., 169. Leipzig 1855. – Plümicke, Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin, S. 191 und 199, Berlin und Stettin 1781. – Devrient, Geschichte der Deutschen Schauspielkunst II, 288, 313. Leipzig 1848. – F. E. Hysel, Daß Theater in Nürnberg, S. 35–46. Nürnberg 1863. – E. Mentzel, Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt a. M., S. 215, 221, 224, 226 bis 230, 234, 469–473. – Berthold Litzmann, Schröder I, 11, 22–24, 26, 30, 43 f. – Ferd. Heitmüller, Hamburgische Dramatiker zur Zeit Gottscheds, [171] S. 87–91. Dresden und Leipzig 1891. – Ferd. Heitmüller, Adam Gottfried Uhlich (Theatergeschichtliche Forschungen VIII), S. 1–96. Hamburg 1894. – Hans Devrient, Die Schönemann’sche Truppe in Berlin, Breslau, Danzig und Königsberg 1742–1744. Jenenser Diss., a. v. O. Hamburg 1895.