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Artikel „Danzel, Theodor Wilhelm“ von Jacob Achilles Mähly in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 753–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Danzel,_Theodor_Wilhelm&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 17:20 Uhr UTC)
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Danzel: Theodor Wilhelm D., philosophisch gebildeter, geschmackvoller und eben so gründlicher Gelehrter, geb. den 4. Febr. 1818 zu Hamburg als Sohn eines Arztes, hatte von frühester Jugend an sein ganzes Leben hindurch mit einem gebrechlichen Körper und ungünstigen Verhältnissen zu kämpfen. Um so früher entwickelte sich jedoch sein geistiges Leben: in seinem Nachlaß fanden sich ganze Stöße und mehrere starke Bände von Dichtungen aus seiner Knabenzeit, von denen er, ein abgesagter Feind jedes Dilettantismus, nie Erwähnung gethan hatte, die aber gleichwol Zeugniß ablegen von einer diesem Alter sonst ungewohnten geistigen Reife und Entschiedenheit. Wohl ausgerüstet mit philologischen und philosophischen Kenntnissen – eine Abhandlung über Plato’s Lehre von der Seele, mit welcher er seine Schulzeit beschloß, gewann ihm die Anerkennung seiner Lehrer in ungewöhnlichem Grade – bezog er Ostern 1837 die Universität Leipzig, sah sich jedoch, besonders da ein heftiger Krankheitsanfall ihn Monate lang am strengen Studium hinderte, mehr gefördert durch die öfteren Besuche, welche er dem benachbarten Dresden und seinen Kunstsammlungen machte. In Halle und Berlin (1838 und 1839) studirte er mit großem Eifer die Hegel’sche Philosophie und erwarb sich (1841) zu Jena mit einer lateinisch geschriebenen, durchaus gründlichen und selbständigen Abhandlung über Plato’s philosophische Methode den philosophischen Doctorgrad. Sein Entschluß stand fest, sich der gelehrten (womöglich auch akademischen) Laufbahn zu widmen. Oeffentliche, in seiner Vaterstadt Hamburg gehaltene Vorlesungen über ästhetische Materien (worin er am ehesten glaubte, etwas leisten zu können) waren von Erfolg gekrönt, im übrigen waren die jetzt folgenden Jahre einem wissenschaftlichen, concentrirten Stillleben gewidmet, welches selbst durch geselligen Verkehr nur wenig unterbrochen wurde, denn D. war nicht gerade eine expansive Natur und das Verhältniß zu seiner Familie durch Schuld des Vaters ein unerquickliches. Die Mutter dagegen schenkte dem Schmerzenssohn die vollste Zärtlichkeit, welche dieser wiederum mit der kindlichsten Pietät lohnte. Eine gediegene Abhandlung über Goethe’s Spinozismus (1843) öffnete ihm sofort die Spalten einer ganzen Anzahl gelehrter wie litterarischer Zeitschriften; er sah sich dadurch in den Stand gesetzt, während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in Dresden seine Kunstanschauungen zu erweitern und zu vertiefen, und erst jetzt fühlte er sich innerlich reif und vorbereitet genug, zu seiner Habilitation als Privatdocent zu schreiten. Er wählte Leipzig, den Gegenstand seiner Habilitationsschrift lieferte wiederum Plato (Februar 1845), die von jetzt an ziemlich regelmäßig gehaltenen Vorlesungen bewegten sich vorwiegend auf dem ästhetischen Gebiet, entbehrten aber nie der solidesten historischen Grundlage (Geschichte der Aesthetik, Uebersicht über die bildende Kunst, Geschichte der dramatischen Poesie, Einleitung in Shakespeare, Geschichte der europäischen Litteratur, Goethe’s Dichtungen etc.). Die Form derselben war sorgfältig gefeilt und äußerst gewissenhaft: D. fand Beifall und Theilnahme. Bei den zerrütteten Vermögensverhältnissen seines Vaters fand sich leider D. ganz auf sich allein gestellt und ein übermäßiges Arbeiten für Zeitschriften aller Art, wozu ihn kein innerer Trieb, sondern die gewöhnlichsten Rücksichten auf Selbsterhaltung nöthigte, muthete seiner physischen Kraft zu viel zu. Es bedurfte einer moralischen Kraft [754] sonder gleichen, um mitten unter den beständigen Krankheitsanfällen, den Sorgen für die materielle Existenz und schwerer Gemüthsbewegung dem hohen Ziel treu zu bleiben und der Wissenschaft mit voller Seele zu leben. In diese trüben Zeiten fallen Danzel’s Studien über Lessing, als deren erstes Resultat im J. 1848 das Werk über Gottsched erschien. Die politischen Kämpfe desselben Jahres brachten den Einsiedler endlich einmal in intimere Berührung mit hervorragenden Männern, mit O. Jahn, M. Haupt und Theod. Mommsen; auch die Buchhändler Reimer, Hirzel und Wigand traten ihm gesellschaftlich näher. Der Verkehr in diesen Kreisen that ihm so wohl, daß er sich trotz seines unaufhörlichen Bluthustens körperlich wieder anfing kräftiger zu fühlen – vielleicht das erste Mal in seinem Leben! – und rüstig den ersten Band seines Lessing vollenden konnte. Aber der Tod seiner innig geliebten Mutter und, in noch höherem Grade, eine getäuschte Liebeshoffnung versetzten seinem Leben einen Schlag, der die letzten Fäden dieses zarten Gewebes vollends lockerte. Der Auftrag von Hirzel, ein exegetisches Handbuch zu Goethe’s Werken auszuarbeiten (eine Art von Scholien über alles zum Verständniß der Gedichte Nothwendige), fand zwar bei ihm beifällige Aufnahme, konnte ihn aber über seine Leiden und Enttäuschungen (wozu noch die immer wieder fehlschlagende Hoffnung auf eine endliche Professur kam) nicht hinwegheben. Gefaßt, ohne Hoffnung auf Genesung, aber mit bewunderungswerther sittlicher Kraft der Auflösung entgegensehend, legte er sich aufs Krankenlager und † den 9. Mai 1850, ein erhebendes Beispiel männlichen Ernstes, nie wankender Treue im Dienste der Wissenschaft und sittlicher Energie. Seine Werke sind folgende: „Plato quid de philosophandi methodo senserit etc. explicavit Th. G. Danzel“, 1841. – „Ueber Goethe’s Spinozismus. Ein Beitrag zur tieferen Würdigung des Dichters“, 1843. – „Plato philosophiae in discipl. form. redactae parens et autor. Dissertatio quam .... defendet Th. Guil. Danzel“, 1845. – „Gottsched und seine Zeit. Auszüge aus seinem Briefwechsel etc. von Th. W. Danzel“, 1848. – „Gotthold Ephraim Lessing, sein Leben und seine Werke. Von Th. W. Danzel“, I. 1850. – Außerdem eine große Anzahl Aufsätze, Kritiken, Anzeigen, von welchen ein Theil wieder abgedruckt ist in den „Gesammelten Aufsätzen“ Danzel’s, herausgegeben von Otto Jahn 1855.

Vgl. Biographische Aufsätze von Otto Jahn (Leipzig 1866, Hirzel), S. 167 ff.