ADB:Schönemann, Johann Friedrich

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Artikel „Schönemann, Johann Friedrich“ von Paul Schlenther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 289–291, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%B6nemann,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 20:18 Uhr UTC)
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Schönemann: Johann Friedrich S., Theaterdirector, wurde am 21. October 1704 zu Crossen im Hannöverschen geboren und starb am 16. März 1782 in Schwerin. Er wurde von einem vornehmen Verwandten, dem General v. Brandt, erzogen und studirte in Frankfurt a. O. und wohl auch in Halle Medicin. Beim Theater findet er sich seit 1725, wo er zur Truppe des Zwickauer Predigersohnes Förster gehörte und mit dieser in Braunschweig auftrat. Das Repertoire der Förster’schen Wanderbühne wechselte zwischen Menschen und Marionetten und stand noch völlig im „ungereinigten“ Geschmack. 1730, wo S. sich mit der sentimentalen Liebhaberin Anna Rachel Weigler († 1770) verehelichte, kam er zu den Neubers (s. A. D. B. XXIII, 472) und spielte hier anfänglich Harlekins und französische Bediente. Aber er spielte auch in Gottsched’s epochemachendem Musterstück „Der sterbende Cato“ den Parther Artabanus und machte, an erster und bester Quelle, die Reform der Schaubühne mit. Wenn ihn Brachvogel noch 1732 beim starken Manne Eckenberg (s. A. D. B. V, 609) in Berlin auftreten läßt, so beruht das wohl auf einer Personenverwechselung. Ende der dreißiger Jahre stieß er von den Neubers ab und sammelte in seiner hannöverschen Heimath eine eigene Bande von anfangs 11 Personen. Von Lüneburg ausgehend bereiste er die Seegebiete und kam dann auch nach Leipzig, wo er seiner in Rußland verunglückten ehemaligen Principalin, der Neuberin, als gefährlicher Rival entgegentrat. Ihr Zerwürfniß mit Gottsched wurde sein Glück. Er wußte sich die Gunst dieses litterarischen Dictators zu verschaffen, und wenn Gottsched auch dem Zank um das sächsische Privileg müßig zusah, so gönnte er es doch dem jüngern Concurrenten, der freilich sein Ziel in Sachsen nicht erreichte. Er richtete daher sein Augenmerk auf Preußen. Ende 1742 schien es in Berlin zur Begründung eines festen Schönemanntheaters kommen zu sollen. Es sollte in der Burgstraße, an der jetzigen Kaiser Wilhelmsbrücke stehen. Bauholz und Material sollte der König liefern, und ein Kunstfreund wollte 4000 Thaler zinsfrei herleihen. Ueber dem Theater sollte auch noch eine Wohnung für den Director eingerichtet werden. Aber der schöne Plan zerf1oß, weil König Friedrich II. allem Deutschen in Poesie und Schauspielkunst abgeneigt war. Erst 1745 erhielt S. das Generalprivileg, in allen schlesischen und preußischen Städten „regelmäßige“ Dramen zu spielen, während die „unregulären“ nach wie vor dem starken Mann verblieben. Allmählich gelang es aber doch, die Macht dieses Concurrenten zu brechen und noch 1749 konnte S. in Breslau trotz aller Gottschedfreundschaft die „Asiatische Banise“ geben, und selber dabei in einem unsaubern Hemde auftreten. In Berlin erwachte ihm seit 1743 ein gefährlicherer [290] Feind in der aufblühenden Hofoper, deren Nebenbuhlerschaft ihn 1749 veranlaßte, Berlin aus seinem Städtegebiet auszuscheiden. Ein Jahr zuvor hatte er hier noch Lessing’s Erstling. „Den jungen Gelehrten“ zur Aufführung gebracht. Sein Hauptgebiet wurde nun Mecklenburg. Am 11. Mai 1751 eröffnete er das herzogliche Theater in Rostock, und am 5. Mai 1753 übernahm er in Schwerin das Ehrenamt eines Präses der von Ekhof gestifteten deutschen Schauspielerakademie, welche „die Grammatik der Schauspielkunst“ beibringen sollte. Aber der Ehrenpräses wandte sein persönliches Interesse mehr und mehr anderen Dingen zu, Pferde und Pferdehandel beschäftigten ihn und seinen Sohn eifriger als seine Bühne, und als deren letzte und größte Stütze, Ekhof, sich von S. trennte, war der Ruin der Rostocker Hofbühne, die J. F. Löwen (s. A. D. B. XIX, 312) vergeblich zu retten suchte, besiegelt. Am 2. December 1757 schloß er es mit Elias Schlegel’s „Hermann“. Die Truppe übernahm sein alter Gefährte und späterer Rival Koch (s. A. D. B. XVI, 380). S. jedoch wurde Rüstmeister beim Prinzen Ludwig von Mecklenburg. Seine Stellung am Hofe mag er sich dadurch befestigt haben, daß er 1756 in Hamburg eine neue Auflage von Conr. Christian Leopoldi’s Andachtsbuch „Der Bußfertigen gläubigen Seelen Heiliges Gnadenparadies und Ehrentag“ besorgte. Den großen Fleiß, womit das geschah, rühmt er auf dem umständlichen Titel selber. Seine Vorrede ist datirt aus Schwerin den 1. Januar 1756; in ihr verwahrt er sich gegen den Vorwurf der Heuchelei und der Gewinnsucht. Er berichtet dabei von allerlei Kreuz und Ungemach, wofür ihm das Buch ein Trost gewesen sei. Als er zwei Jahre alt war, wurden seine Eltern durch eine große Feuersbrunst ihrer Habe beraubt, dann ist er früh verwaist. Ungemach verfolgte ihn freilich bis in sein hohes Alter. Eine zweite Frau, die er 1771 geheirathet hatte, war, gleich ihm, dem Trunk ergeben und entging nur auf seine Fürsprache dem Zuchthause.

Wenn Eduard Devrient sagt, die Fortbildung der Schauspielkunst sei von der Neuber’schen Truppe auf die Schönemann’sche übergegangen, so liegt Schönemann’s Hauptverdienst weniger in der eigenen künstlerischen Tüchtigkeit, als in der Fähigkeit, hervorragende Kräfte heranzuziehen und zu sammeln. Er selbst wird in Molière’schen Typen, wie dem Tartüff und dem Geizigen gerühmt, während seine ernsten Rollen von unleidlicher Steifheit und Gespreiztheit gewesen sein sollen. Dennoch ließ er mit der Zeit seine guten komischen Rollen fallen und spielte mit Vorliebe Personen wie Corneille’s Essex, wobei er die Vornehmheit darin suchte, daß er die Augen schloß und sich ein überaus steifes Air gab. Besser als er war seine Truppe, wenn sie auch zeitweilig, z. B. 1743 durch Elias Schlegel, recht abfällig beurtheilt wurde und ebenfalls in gespreiztem Pathos sich ergehn mußte. Während zweier Jahrzehnte hat jedoch jeder irgendwie bedeutende Schauspieler ihr länger oder kürzer angehört. Ackermann und seine Frau, die Mutter des großen Schröder, haben sich hier zusammengefunden und sind dann, durch einen kleinlichen Gagenstreit mit S. zerfallen, von hier aus ihren eigenen Weg gegangen. Heydrich, Bubbers, Joh. Chr. Krüger, Uhlich, Antusch, das Ehepaar Starke, vor allem aber Ekhof, haben unter S. eine reiche Thätigkeit entfaltet, und ohne Ekhof wäre S. viel früher dem Theater entfremdet worden.

Die bei S. aufgeführten regelmäßigen Stücke gab er in einem Sammeldruck unter dem Titel „Deutsche Schaubühne“ in mehreren Bänden heraus. Es ist eine Weiterführung und Ergänzung von Gottsched’s Deutscher Schaubühne. Vielleicht aber hatte S. wegen einiger Nachdrucke ein schlechtes Gewissen, denn Gottsched wurde ohne Widmungsexemplar gelassen. Auch diese Freundschaft war bald zerstoben. Gottsched mochte wohl fühlen, daß der litterarisch höchst [291] unzuverlässige Komödiant weit ab stand von dem sachbegeisterten und zielbewußten Wesen seiner alten Freundin Neuber. S. ist der Vermittler der Tradition zwischen Neubers und Ackermanns. Er hat diese Tradition erhalten, aber kaum gehoben.

H. W. Bärensprung, Versuch einer Geschichte des Theaters in Mecklenburg-Schwerin (1837), S. 42–66. – Danzel, Gottsched und seine Zeit, 152–169. – Ed. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst II, 14–65. – Brachvogel, Geschichte des königl. Theaters zu Berlin I, 89 ff. – A. Hofmeister, Vierteljahrsberichte des Vereins für Mecklenburgische Geschichte 1891.