Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Heinrich der Reiche, Herzog von Baiern-Landshut“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 474–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_XVI.&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Heinrich XIV.
Band 11 (1880), S. 474–476 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich XVI. (Bayern) in der Wikipedia
Heinrich XVI. in Wikidata
GND-Nummer 129432466
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|474|476|Heinrich der Reiche, Herzog von Baiern-Landshut|Sigmund Ritter von Riezler|ADB:Heinrich XVI.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=129432466}}    

Heinrich der Reiche, Herzog von Baiern-Landshut, ward 1386 als Sohn Herzog Friedrichs von Baiern und der Magdalene Visconti geboren. Nach dem Tode des Vaters (4. Decbr. 1393) übernahmen die Oheime Stephan III. und Johann II. seine Vormundschaft; den größten Einfluß auf die Regierung aber hatte, wie es scheint, seine Mutter, welcher der Viztum Oswald Törringer und fünf Räthe aus der Landschaft zur Seite standen. Magdalena starb 1404, in dem Jahre, in dem H. die Großjährigkeit erlangte und die selbständige Regierung übernahm. Das Jahr vorher hatte er sich zuerst im Kriege versucht, indem er seinen Vettern, den Herzogen Ernst und Wilhelm, gegen ihre aufständische Hauptstadt München Hilfstruppen zuführte. In jugendlicher Unbesonnenheit und von einigen adelichen Rathgebern mißleitet, erregte er aber bald auch bei seiner eigenen Hauptstadt gährende Unzufriedenheit, da er die von seinen Vorfahren der Bürgerschaft gewährten Freiheiten, auch, wie es scheint, die angestrebte, mehr demokratische Form der städtischen Verfassung nicht anerkennen wollte. Als gegen seine Eingriffe in die städtischen Rechte Widerspruch laut ward, lud er vier der einflußreichsten Rathsherren zu sich aufs Schloß, ließ sie dort festnehmen, verwies sie aus der Stadt und zog ihr Vermögen ein, während er vierzig anderen Bürgern schwere Strafgelder auferlegte. Bald aber ward ihm die Kunde von einer Verschwörung im Kreise der gereizten Bürgerschaft; in der Charfreitagnacht 1410 belauschte im Hause des Dietrich Röckl Junker Ulrich Ebran von Wildenberg, der vorgeblich mit Röckls Frau im Einverständniß war, gegen fünfzig Verschworene bei einer heimlichen Berathung. Der Herzog ließ alle Theilnehmer verhaften und nahm mit Hinrichtungen und Blendungen, mit Verbannungen und noch weitergehender Unterdrückung der städtischen Rechte grausame Rache. Später soll er sein Vorgehen gegen die Landshuter bereut und mit der Unreife der Jugend entschuldigt haben. Was von seiner plötzlichen Sinnesänderung erzählt wird, gehört freilich ebensowohl der Sage an wie die Geschichte von der treuen und überaus erfolgreichen Besorgung des herzoglichen Haushaltes durch einen Kaplan, während H. zweimal dem deutschen Orden zu Hülfe gegen die Preußen zog. Besser verbürgt scheint aber, daß H. in den männlichen Jahren Herrschertugenden erwarb, die ihm bisher gefehlt hatten, daß er seiner sorgfältigen Selbstthätigkeit, seiner geschickten und sparsamen Verwaltung, nicht nur den später geerbten Schätzen des Ingolstädter Vetters den Reichthum dankte, der den Landshuter Hof auszeichnete und noch seinen Nachkommen förderlich war. Mit den Weisesten und Besten des Landes, sagt Veit Arnpeck, führte er allein sein Regiment und achtete „der rothen Barette“ gar wenig. Und Fütterer bemerkt: zu Beamten nahm er vermögliche und im Dienste eifrige Leute, ohne Rücksicht, ob sie adelich seien oder nicht. Nicht lange nach seinem Tode findet man diese Züge schon zum Zerrbilde schmutziger Geldgier und ganz unfürstlichen Geizes entstellt. Daß er von jedem Bauern mit Dank ein kleines Geldstück angenommen, daß er die Kanzleigebühren selbst eingestrichen und zu diesem Behufe einen besonderen Rock mit einem langen spitzen Aermel auf der linken Seite getragen habe – derartige Erzählungen tragen den Grad ihrer Glaubwürdigkeit in sich selbst. Der Herzog war leutselig, gab jedermann selbst Bescheid, sein Lebenswandel war sittsamer, als man es bei Fürsten gewohnt war, seine [475] Justiz gerecht und streng, seine Sorge für den Landfrieden von Aufsehen erregendem Erfolge gekrönt, so daß man den Kaufleuten beim Eintritt in Niederbaiern das Wort in den Mund legen konnte: Jetzt sind wir sicher und bedürfen keines Geleites mehr. Zu tadeln fand man aber, daß H. zum Schaden des Volkes die Juden und den Wildstand zu sehr anwachsen ließ. Die oberbaierische Landschaft fand sich durch die vom Herzoge eingeführten neuen Zölle und durch Eingriffe in die Rechte ihrer Landsassen beeinträchtigt und erhob darüber auf dem Concil zu Basel Beschwerde. Auch in dem freilich schwierigen Verhältniß gegenüber einem bösen und unverträglichen Nachbarn hat sich H. durchaus nicht vorwurfsfrei benommen. Als nämlich der Ingolstädter Vetter Ludwig der Bärtige 1406 aus Frankreich in seine Lande kam, forderte er von H. Entschädigung für das, was dessen Vater Friedrich bei der Landestheilung zu viel erhalten habe. Schon die ersten Verhandlungen darüber führten zu hitzigem Wortstreit und noch im selben Jahre zu einem kurzen Waffengang. Das Jahr darauf erklärte ein Schiedsgericht, daß H. nicht schuldig sei etwas herauszugeben, und Ludwigs Rückkehr nach Frankreich verschaffte ihm für einige Zeit Ruhe. Auch mit seinen Münchener Vettern aber gerieth H. in Zwiespalt, als dieselben dem Herzoge Friedrich von Oesterreich Tirol abnehmen wollten. Seit 1405 mit einer Oesterreicherin, Margarethe, Tochter Herzog Albrechts IV. verlobt, versprach H. Oesterreich für den Fall eines neuen Angriffes Hilfstruppen zu stellen. Am 25. Novbr. 1412 ward zu Landshut seine Vermählung mit der Habsburgerin vollzogen. Das Verhältniß zu den Münchener Vettern aber besserte sich, als 1413 Ludwig der Bärtige wieder in der Heimath erschien; der Schrecken vor dem händelsüchtigen Nachbarn trieb im April 1414 alle anderen baierischen Herzoge zu einem Schutz- und Trutzbündnisse auf vier Jahre. Ludwigs Haß aber richtete sich vornehmlich gegen H.; auf dem Constanzer Concil überhäufte er ihn mit Beleidigungen. H. klagte beim Kaiser und das Fürstengericht, dem dieser die Sache übertrug, wiederholte den ersten Entscheid, daß H. im Besitze der angefochtenen Länder verbleiben solle. Als sich nun Ludwig dabei nicht beruhigte und am 20. Octbr. 1417 den Handel neuerdings vor den Kaiser brachte, auch neue Beleidigungen gegen den Vetter ausstieß, ließ sich dieser vom Zorn soweit hinreißen, daß er mit einer Schaar seiner Edelleute den Heimkehrenden nächtlich überfiel und schwer verwundete. Im Bewußtsein seines Frevels ergriff er dann die Flucht. Der Kaiser ward nur durch die Verwendung des Markgrafen Friedrich von Brandenburg davon abgebracht, die Acht über den Flüchtling zu verhängen. Der brandenburgische Schwager und die Münchener Herzoge unterstützten H. auch in dem nun beginnenden Kriege mit dem Ingolstädter; für diesen dagegen trat die Gesellschaft der Ritter ein, die wahrscheinlich unter seiner Begünstigung, geleitet von Kaspar von Törring, schon 1416 sich gebildet hatte. Gegen den Törringer wandte sich H. zuerst und zerstörte ihm die Stammburg, worauf Kaspar den Herzog vor dem Kaiser, und da er dort kein Gehör fand, vor der westfälischen Vehme verklagte und nach langen Verhandlungen seine Vervehmung durchsetzte. Erst nach des Törringers Tode (1430) wurde auf Verwendung einiger Fürsten das Urtheil zurückgenommen und Heinrichs Aussöhnung mit Kaspars Erben herbeigeführt. Heinrichs Lande wurden indessen durch die Hauptleute Herzog Ludwigs, die mit Geschick den kleinen Krieg führten, aufs Schrecklichste verheert. Ohne Erfolg belagerte er selbst im August 1418 Wasserburg, das erst vier Jahre später nach dem entscheidenden Siege seiner Verbündeten, der Münchener Herzoge, übergeben ward. Sigmunds Dazwischentreten und die Abreise Ludwigs nach Ungarn brachten endlich die Waffen zum Stillstand. In dem Processe wegen der Constanzer Frevelthat sprach der Kaiser das Urtheil, daß H. dem Verwundeten Arztlohn und Zehrung ersetzen und Abbitte leisten, daß er drei Messen stiften, mehrere Wallfahrten ausrichten und [476] gegen die Husiten ein größeres Aufgebot stellen solle, eine Sühne, der sich H. unterworfen zu haben scheint. 1428 und 1431 rüstete er gegen den böhmischen Reichsfeind und im letzteren Jahre wohnte er selbst der Niederlage des deutschen Heeres bei. Neue Streitigkeiten brachen im wittelsbachischen Hause aus, als 1425 in Holland Johann, der letzte Sprößling der Straubinger Linie, starb. Erst 1429, nach Jahre langem Zwist kam es auf Grund einer Entscheidung des kaiserlichen Hofgerichts in Preßburg zur Verloosung des Landes in vier Theile. H. fiel das beste Viertel mit Vilshofen zu. Die Niederlande aber ihrem Hause zu erhalten, hätte den Wittelsbachern wol auch bei größerer Einigkeit die Macht gefehlt. In dem Familienkriege von 1436, da Albrecht von Baiern-München, durch die Ermordung seiner Gattin gereizt, mit Ludwig von Ingolstadt gegen seinen Vater Ernst sich verbündete, machte H. gemeinsame Sache mit dem letzteren. Er nahm mehrere Schlösser ein und belagerte Dingolfing, das erste Mal vergebens; zu Pfingsten aber erneuerte er den Angriff, der nach Frohnleichnam die Stadt in seine Gewalt brachte. Zuerst ward mit Albrecht, auf einem Regensburger Tage dann auch mit Ludwig und dessen gleichnamigem Sohne Waffenstillstand geschlossen. In den mannigfachen Streitigkeiten der wittelsbachischen Familie war auch der Krieg zwischen Vater und Sohn nichts neues mehr, als Ludwig der Bärtige 1439 mit seinem Sohne, Ludwig dem Höckerigen, in Streit und 1443 in dessen Gefangenschaft gerieth. Nachdem der Sohn am 7. April 1445 gestorben war, kam der Gefangene durch die ihm feindselige Schwiegertochter, eine Brandenburgerin, in die Hand des Markgrafen Albrecht Achilles, im August 1446 aber gegen Bezahlung einer großen Geldsumme an Herzog H., der ihn nach Landshut, dann nach Burghausen bringen ließ. Vergebens erhoben die Ingolstädter Landschaft und die Pfalzgrafen Beschwerden. H. war nicht gewillt, einen Feind aus den Händen zu lassen, der ihm Jahrzehnte lang so viel Uebles zugefügt hatte und dessen Befreiung wahrscheinlich sofort das Zeichen zu neuem Kriege gegeben haben würde. Endlich gab er dem weitverbreiteten Unwillen nach und willigte in die Freigebung unter der Bedingung, daß ihm die Summe ersetzt würde, die er dem Markgrafen und der verwittweten Herzogin für Ludwigs Auslieferung gezahlt hatte. Der gefangene Greis aber beharrte unerschütterlich darauf, daß er widerrechtlich gefangen gehalten werde, also auch kein Lösegeld schulde. Darüber starb er im Gefängniß 1447. Auf die Gerüchte, daß H. den Einundachtzigjährigen habe vergiften lassen, ist nichts zu geben. Nun zog H. den Ingolstädter Antheil an sich und vergrößerte damit seine Lande fast um das Doppelte, aber mit Hintansetzung des Rechtes und auf Kosten seines guten Rufes. Albrecht von Baiern-München, dem die Hälfte des Landes gebührt hätte, mußte sich mit einigen Schlössern begnügen und zuletzt gelang es H. auch von Kaiser Friedrich III. für sein rechtswidriges Zugreifen Indemnität zu erwirken. H. starb in Landshut am 30. Juli 1450 und ward im Kloster Seligenthal daselbst begraben. Aus seiner Ehe waren drei Söhne und drei Töchter hervorgegangen.

Von den Chronisten besonders Veit Arnpeck, Veit v. Ebersberg, Ebran v. Wildenberg, Fütterer. Krenner, Baier. Landtagshandlungen, besonders Bd. III. Kluckhohn, Ludwig d. Reiche, S. 5–21 und Heinrich d. Reiche (Bayerische Zeitung, 1864, Morgenblatt, Nr. 360 ff.). Heigel in den Chroniken der deutschen Städte, XV, 266 ff. Der Vehmgerichtsproceß Kaspars des Törringers (bei v. Freyberg, Sammlung I, 201 ff.). B. Thiersch, Vervemung des Herzogs H. des Reichen, 1835.