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Artikel „Torringer, Kaspar“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 467–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Torringer,_Kaspar&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 08:22 Uhr UTC)
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Torringer: Kaspar T., bairischer Ritter, erbte nach dem Tode seines Vaters Wilhelm T. die Stammburg Torring im Salzburgischen und die Anwartschaft auf zwei Erbämter des Herzogthums Baiern, das Jägermeister- und das Banneramt. In einer Aufzeichnung über die Gründung des Klosters Wessobrunn aus dem 11. Jahrhundert wird ein Jäger Tharingeri als Begleiter des Herzogs Thassilo genannt; Riezler nimmt an, daß darunter ein Törring zu verstehen, die Familie demnach schon mindestens im 11. Jahrhundert im Besitz des Jägermeisteramtes gewesen sei. Gegen diese Hypothese dürften aber wohl sprachliche Bedenken zu erheben sein, abgesehen davon, daß die Bezeichnung venator für das Jägermeisteramt eigentlich nichts beweist. Auch erscheint im 14. Jahrhundert im Besitz des genannten „Gejaidlehens“, womit die Befugniß verbunden war, „das er wild im (bairischen) lande jagen mocht, wo swan er wollt“, ein anderes Geschlecht, die Harskircher; erst 1355 trat Harprecht Harskircher das Amt an seinen Oheim Seiz v. T. ab; Seiz erhielt darüber von Herzog Stephan 1356 einen eigenen Lehensbrief. Daß sich die damit verbundene Jagdbefugniß auf ganz Baiern erstrecke, wurde auch von Herzog Heinrich von Niederbaiern nicht bestritten; trotzdem ließ er 1413, angeblich weil Kaspar T. versäumt habe, auch von ihm die Lehensbestätigung zu erbitten, einen im herzoglichen Forst jagenden Törring’schen Jäger gefangen nehmen. T. beschwerte sich bei den Herzogen von Baiern-Ingolstadt und Baiern-München, und diese baten den Vetter, er möge den T. „bei seinem Gejaid lassen nach seiner brief sag und alter gewonhait“. Thatkräftiger Schutz aber wurde dem Ritter weder von jenen Herzogen, noch von seinem Landesherrn, dem Erzbischof von Salzburg, geleistet; deshalb verband er sich mit anderen bairischen Rittern, die über Bedrückung durch den herrischen Heinrich zu klagen hatten. Als 1416 auch Ludwig im Bart von Baiern-Ingolstadt mit Heinrich in Fehde geriet, trat er jenem Ritterbunde bei, und Kaspar T. wurde zum [468] Bundeshauptmann erkoren. Nachdem T. auf einem Bundestage zu Wasserburg (10. März 1420) gegen den Landshuter Herzog Klage erhoben hatte, wurde zu Recht erkannt, daß der Bund um des Uebergreifens willen, welches Heinrich dem T. wider Recht gethan, Hülfe schaffen sollte; auch Herzog Ludwig gelobte Beistand. Dagegen wandte sich nun Heinrich an Kaiser Sigmund und dieser verfügte die Auflösung des Ritterbundes. Der kaiserliche Befehl blieb unbeachtet, und Herzog Ludwig überrumpelte Neustadt an der Donau, worauf neuerdings in ganz Baiern die Fehde entbrannte. Heinrich, von den Bürgern von Reichenhall, Burghausen, Oetting und Braunau unterstützt, zog vor die Stammburg des Bundeshauptmanns T. bei Tittmoning, erstürmte und zerstörte dieselbe; die Steine wurden zur Befestigung der Stadt Burghausen verwendet („pauet alda ain Zwinger, haist noch der Törringer“ erzählt Aventin). T. floh nach Regensburg, wo er sich die glücklich geretteten Urkunden über die Gerechtsame seines Hauses durch den Abt des Schottenklosters vidimiren ließ; mit diesen Zeugnissen trat er sodann in Nürnberg vor den Kaiser. Wirklich befahl Sigmund (18. September 1422), Herzog Heinrich sollte dem T. gerecht werden, und die Streitfrage neuerdings durch neun oder sieben von seinen Räthen, lauter Wappengenossen, untersuchen lassen. Doch auch diesmal wurde das Wort des Kaisers nicht beachtet, um so weniger, da sich gerade damals der Ritterbund infolge der Niederlage bei Alling zur Auflösung genöthigt sah, und die meisten Mitglieder Herzog Heinrich’s Verzeihung erbaten. Nun wandte sich T. an die hl. Veme. Vor dem Freistuhl zu Sachsenhausen in der Herrschaft Waldeck beschwerte er sich, daß Herzog Heinrich ihm das Jägermeister- und Banneramt vorenthalte, die Burg Törring zerstört habe und der Ehre wie dem Recht ausgewichen sei. Im ganzen Reiche erregte es nicht geringes Aufsehen, daß einer der angesehensten Landesfürsten vor die Veme geladen wurde, um sich vom Vorwurf ungerechter Bedrückung eines Unterthanen zu reinigen. Herzog Heinrich erkannte die Zuständigkeit des Gerichts dadurch an, daß er sich durch Bevollmächtigte vertreten und den Schöffen eine Vertheidigungsschrift übergeben ließ; darin war gegen T. selbst die Anklage erhoben, daß er schuldlose Kaufleute überfallen und beraubt habe, daß er sich förmlich zum Haupt aller Feinde des Herzogs gemacht und diesen durch allerlei Hinterlist zu schaden versucht habe; auch die Echtheit der vorgelegten Documente war in Zweifel gezogen. Im November 1424 stellte sich der Herzog selbst dem Gericht, während T. aus Furcht, von den Leuten des Herzogs überfallen zu werden, wegblieb. Nun war der Ausgang nicht zweifelhaft; „zu den Freienhagen unter den Linden an dem Freistuhl“ wurde geweiset: der Herzog soll, da er gegen T. gerechte Sache habe und die Burg Törring erst nach förmlicher Absage genommen worden sei, aller Zusprüche, Schuld und Klage quitt und ledig sein. Gegen dieses Urtheil legte jedoch T. Berufung ein, weil Kurd Rube weder ein wirklicher Freigraf, noch in der heimlichen Acht sei; ja es konnte sogar nachgewiesen werden, daß Rube selbst vor mehreren Jahren vervemt worden war. Im Auftrag Kaiser Sigmund’s übernahm nun Erzbischof Dietrich von Köln die Untersuchung. Am pflichtigen Tage erschien diesmal T. in der Kirche des hl. Cassius zu Bonn, während der Herzog ausblieb; dementsprechend wurde entschieden, daß das Urtheil des Kurd Rube als Ungericht zu erachten sei, und der T. ebenso gut in seinen Rechten stehe, wie vor dem Spruche. Darauf trat T. sogar mit neuer Klage vor die Veme; er forderte jetzt im Namen des Ritterbundes strenges Gericht über den Mann, der den eigenen Blutsverwandten, Herzog Ludwig von Ingolstadt, in Konstanz während des hl. Concils trotz freien Geleits überfallen und tödlich verwundet habe. Vor dem Freistuhl des Albert Swind zu Limburg erschien T. mit sechs echten Eideshelfern, welche mit ihm beschworen, daß [469] der trotz richtiger Vorladung nicht erschienene Herzog jene Unthat begangen habe; darauf wurde Vollgericht beschlossen und Herzog Heinrich vervemt (21. Juni 1429); Hals und Lehen des Verurtheilten sollten dem römischen Reich und dessen König verfallen, die Unterthanen des Gehorsams entbunden sein. Der Freigraf Albert Swind bat den Kaiser um Vollstreckung des nach Recht der heimlichen Acht gefällten Urtheils, aber Sigmund war dazu nicht geneigt. Herzog Heinrich legte vor dem Freistuhl zu Halfer Verwahrung ein mit der Begründung, daß er nach Limburg nicht richtig geladen worden sei, und die Vervemung wurde wieder aufgehoben. Während der Proceß noch fortdauerte, starb Kaspar T.; in einer westfälischen Urkunde vom 26. März 1430 wird er schon „der seelige“ genannt. Ueber sein Ende fehlt jegliche Nachricht; um so weniger konnte ausbleiben, daß sich die Sage des dankbaren Stoffes bemächtigte und den trotzigen Ritter bald unter den Streichen herzoglicher Dienstmannen verbluten, bald den mit Strang und Dolch ausgerüsteten Häschern des Kurd Rube zum Opfer fallen ließ. Weder das Eine, noch das Andere ist wahrscheinlich. Ein „Vollgericht“ wurde über T. gar nicht gefällt; auch wurden, wie Lindner nachgewiesen hat, in jener Zeit überhaupt nur wenige Todesurtheile vollzogen. Ebenso unbegründet ist der gegen Herzog Heinrich laut gewordene Verdacht, denn sonst würde sich kaum Jörg v. T. unmittelbar nach dem Tode seines Vaters mit dem Herzog verglichen haben; er erlangte Rückgabe der väterlichen Allode und Lehen, doch blieben Jägermeister- und Banneramt dem Hause T. entzogen, und die Stammburg durfte nicht wieder aufgebaut werden. Mit Recht wendet sich Töpfer ebenso gegen die Historiker, die den T. wegen seiner Auflehnung gegen den Herzog als Hochverräther brandmarken wollten, wie gegen die entgegengesetzte Auffassung, die einen Märtyrer ständischer Freiheit feierte. Im Licht seiner Zeit betrachtet, verdient der Ritter, der nur sein eigenes Recht beharrlich vertheidigt hat, weder dieses Lob, noch jenen Unglimpf.

Bernh. Thiersch, Die Vervemung des Herzogs Heinrich’s des Reichen von Baiern (1835). – Der Fehmgerichtsproceß Caspar des Törringer, in Freyberg’s Sammlung historischer Schriften l, 201. – (Friedrich Töpfer), Das Oberstjägermeister- und Banneramt, zwei Erbämter des Herzogthums Bayern im Besitz des Hauses Törring, zugleich Darstellung des von Kaspar v. T. gegen Herzog Heinrich von Bayern-Landshut geführten Vehmprocesses (1842). – Riezler, Geschichte Baierns III, 249 ff. – Th. Lindner, Die Veme S. 591. – Der Stoff ist wiederholt dramatisch behandelt worden, u. A. von Josef August Graf v. Törring, Kaspar der Thorringer, ein Schauspiel in fünf Auszügen (1785).