ADB:Ernst (Herzog von Bayern-München)

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Artikel „Ernst, Herzog von Baiern-München“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 246–249, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernst_(Herzog_von_Bayern-M%C3%BCnchen)&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 07:23 Uhr UTC)
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Ernst, Herzog von Baiern-München, geb. 1373, der älteste Sohn des Herzogs Johann von Baiern-München und der Katharina, geb. Gräfin von Görz und Tirol, ein Urenkel Kaiser Ludwigs des Baiern. Seit Januar 1393 trifft man ihn zu Regierungsgeschäften zugezogen; 1395 lag er mit seinem Vater zu Felde gegen den jugendlichen Vetter Ludwig, Sohn Stephans von Baiern-Ingolstadt. Er nahm Friedberg ein, brannte den Markt Schwaben nieder, konnte aber das dortige Schloß so wenig wie früher Aichach gewinnen. Das Jahr darauf vermählte er sich mit Elisabeth, der reichen Tochter des Herzogs Galeazzo Visconti von Mailand. Nach dem Tode Johanns (8. August 1397) wollte dessen Bruder Stephan seinen jugendlichen Neffen E. und Wilhelm keinen Antheil an der Regierung gönnen, wiewol ein Vertrag vom September 1395 die Münchner und Ingolstädter Gebiete wieder zusammengeworfen hatte. Einige Jahre vergingen unter erbitterten Streitigkeiten, wie sie in der wittelsbachischen Familie bereits herkömmlich waren. Einem Ritter Stephans, Warmund Pienzenauer, hat der jähzornige E. damals nach heftigem Wortwechsel eine schwere Verwundung beigebracht. Ein Schiedsgericht vermittelte am 4. Juli 1398 zwischen den Verwandten, worauf die Stände des nach München benannten Gebietstheiles den Brüdern E. und Wilhelm huldigten. München selbst aber, wo eben gewaltige Gährung herrschte, weil die Gemeinde die Geschlechter vom Regiment verdrängt hatte, weigerte den Huldigungseid, als die Herzoge auf die Forderung, sämmtliche Freiheitsbriefe der Stadt zu bestätigen, nicht eingehen wollten. Ludwig, der Ingolstädter Vetter, trat mit München in Bündniß und nahm den Herzogen Pfaffenhofen und mehrere Schlösser weg. Im Mai 1399 ward Friede auf Grund eines Schiedspruches, der den Münchnern Vergessenheit alles Vorgefallenen und das Strafrecht über ihre Mitbürger zusicherte. Nun erst kehrten E. und Wilhelm, die während dieser Wirren meist, wie es scheint, in Wolfratshausen gesessen, in die Stadt zurück, wo jedoch auch fortan eine ihnen feindliche Partei, an den Ingolstädter Herzog angelehnt, die Oberhand behielt. Konnten die Herzoge doch nicht einmal hindern, daß drei ihnen ergebene Bürger von der Gemeinde wegen heimlichen Bündnisses verurtheilt und hingerichtet wurden. Da sich Oheim und Neffen nicht vertragen konnten, griffen sie im December 1402 auf die frühere Landestheilung zwischen Baiern-München [247] und Baiern-Ingolstadt zurück. München wollte sich diesem Vertrage nicht fügen, worauf E. und Wilhelm und ihre Vettern Johann von Baiern-Straubing und Heinrich von Baiern-Landshut die Stadt mit Kriegsmacht umlagerten. Ein Ausfall der Bürger ward zurückgeschlagen, die Uebergabe jedoch nicht erzwungen. Endlich (31. Mai 1403) vermittelte Burggraf Friedrich von Nürnberg einen Vertrag, wonach die Münchner ihre der herzoglichen Feste gegenüber aufgeworfene Befestigung abtragen, dagegen bei ihren Freiheiten, auch dem Strafrechte über ihre Mitbürger verbleiben sollten. Am folgenden Tage hielt E. mit seinen Bundesgenossen Einzug in die Stadt und empfing deren Huldigung. Im Frühjahr 1410 schien sich den Wittelsbachern eine Gelegenheit zu bieten, Tirol, dessen Verlust sie noch nicht verschmerzt hatten, wieder an ihr Haus zu bringen. Heinrich von Rothenburg, Hauptmann von Kaltern und Hofmeister von Tirol, erschien am Münchner Hofe und forderte die Herzoge auf, seinen Herrn, Herzog Friedrich von Oesterreich, mit dem er zerfallen war, zu bekriegen. E., Wilhelm und Stephan rückten mit ansehnlicher Macht gegen Tirol, der erstere aber kehrte schon von seiner Grenzstadt Rattenberg aus nach Hause, veranlaßt durch Gerüchte von neuen Unruhen in München; Wilhelm und Stephan konnten die Burg Matzen nicht erobern und das Unternehmen endete mit einem Waffenstillstand auf zwei Jahre. Nach dessen Ablauf unternahm Stephan einen zweiten Feldzug nach Tirol, der noch unglücklicher endete als der erste; E. scheint auch an diesem keinen Antheil genommen zu haben. Voll Argwohn standen die Münchner Herzoge stets Stephans Sohne, dem unruhigen Ludwig dem Gebarteten von Baiern-Ingolstadt, gegenüber; wiederholt traten sie Bündnissen bei, deren Spitze sich gegen diesen richtete. 1421 betheiligten sie sich an dem Kriege, den Heinrich von Baiern-Landshut und andere Fürsten gegen Ludwig und den mit ihm verbündeten baierischen Ritterbund führten. Mit furchtbaren Verwüstungen mußten die baierischen Lande die Zwietracht ihres Fürstenhauses entgelten. Nachdem E. und Wilhelm im Sommer 1422 Friedberg, eine der bedeutendsten Städte Ludwigs, erobert und Wasserburg umschlossen hatten, sandte Ludwig in ihrem Rücken einen Heerhaufen gegen München, der die westlich der Stadt gelegenen Dörfer Gauting, Germaring, Aubing und Pasing, den sogenannten Münchner Milchmarkt, in Flammen aufgehen ließ. Die Feuerzeichen riefen die eben in München weilenden Herzoge herbei und am 19. September kam es zwischen Alling und der jetzt verödeten Burg Geggenpoint bei Bruck a. d. Amper zu einem heißen Treffen. Ernsts jugendlicher Sohn, Albrecht, wagte sich hier im Vertrauen auf seine gute Rüstung und sein auserlesenes Roß zu weit vor, ward umzingelt und schien verloren. Da dies sein Vater gewahrte, sagt einer unserer Berichterstatter, entbrannte er vor jäher Hitze und Zorn; mit beiden Händen ergriff er den bereits von Blut überströmten Streitkolben und klopfte rechts und links „dermaßen plump und küebig“ darein, daß er endlich auf todten Körpern sich einen Weg zu seinem Sohne bahnte und ihn befreite. Der Zusammenstoß endete mit einer so entscheidenden Niederlage der Ingolstädter, daß Ludwig bald darauf Frieden schloß. Ein Votivgemälde in der zum Andenken des Sieges auf dem Schlachtfelde erbauten Capelle zu Hoflach, unter den erhaltenen Denkmälern altbaierischer Kunst eines der bedeutendsten, zeigt die Münchner Herzoge an der Spitze ihres Adels und Volkes den Heiligen auf den Knieen dankend. Der Tod Herzog Johanns, des letzten männlichen Sprossen der Linie Straubing-Holland (6. Januar 1425), säte neue Zwietracht unter den wittelsbachischen Vettern. Schon 1427 ergriffen die Herzoge E., Wilhelm und Heinrich Besitz von den niederbaierischen Landschaften, erst 1429 aber kam es zu einem Vertrage über deren Theilung, wobei E. durch Loos die Landgerichte Straubing, Mitterfels und Haidau, der Hof, die Münze und andere [248] Rechte zu Regensburg zufielen. Die niederländischen Provinzen ihrem Hause zu erhalten, fehlte es den Wittelsbachern an Macht und vor allem an Einigkeit. An den außerbaierischen politischen Angelegenheiten nahm E. keinen bedeutenden Antheil: auf der Konstanzer Kirchenversammlung scheint er, wie die meisten oberdeutschen Fürsten, ab- und zugegangen zu sein; 1430 ward er von Kaiser Sigmund mit dem Auftrage betraut, an dem Herzog von Lithauen die Königskrönung zu vollziehen, aber das Dazwischentreten des Königs Ladislaus von Polen zwang ihn, unverrichteter Dinge heimzukehren; in den Husitenkriegen trugen seine Reisigen nichts als Niederlagen davon. Mit seiner Schwester Sophie, die an König Wenzel von Böhmen vermählt war, stand E. wegen ihrer Hinneigung zur husitischen Lehre auf schlechtem Fuße; gleichzeitige Chronisten wollen sogar wissen, daß er seinem Mißfallen über ihre religiöse Gesinnung eines Tages durch einen kräftigen Backenstreich, den er ihr versetzte, Ausdruck gegeben habe. Von Ernsts kirchlichem Eifer zeugt auch die kurz vor seinem Tode unternommene Wiederaufrichtung der Propstei in Andechs.

Mehr als dies alles hat die schreckliche That, die der Herzog am Abende seines Lebens an Agnes Bernauerin verüben ließ, seinem Namen zu dauerndem Andenken verholfen. Wir verweisen für die Einzelnheiten dieses Justizmordes auf den Artikel „Albrecht III. von Baiern“, Bd. I. S. 232, müssen aber betonen, daß uns eine kirchliche Einsegnung des Bundes zwischen dem Herzogsohne und der Baderstochter doch wahrscheinlicher dünkt, als das Gegentheil, und daß sich nur unter dieser Annahme unseres Erachtens die richtige Beurtheilung des Vorganges gewinnen läßt. Zwei Berichte, der deutsch gefaßte des im allgemeinen gut unterrichteten Veit Arnpeck (v. Freyberg, Sammlung, I. 174) und der des Ladislaus Suntheim (Oefele, Script. II. 570) sprechen von einer Ehe: auch die Erzählung des Andreas von Regensburg, daß Albrecht wegen seines Verhältnisses zu Agnes aus den Turnierschranken gewiesen ward, ist nur im Falle einer unebenbürtigen Ehe wahrscheinlich, während sie im Falle eines bloßen Liebesverhältnisses – der Ausdruck amasia kömmt auf Rechnung des Chronisten und darf nicht beirren – nur als ungeschickte Erfindung betrachtet werden könnte. Denn dieses Zeitalter war von einer Freiheit der Sitten wie kaum ein anderes und nahm an unehelichen Verhältnissen zwischen fürstlichen und niedrigen Personen keinen Anstoß. Herzog E. selbst hatte von Anna Winzer, die er später an einen Zöllner verheirathete und mit einem Hause in München ausstattete, und vielleicht noch aus einer anderen Verbindung drei oder vier uneheliche Kinder, von denen eines, Hans Grünwalder, wol nach dem an der Isar gelegenen herzoglichen Jagdschlosse benannt, sich zum Doctor decretorum und Cardinal aufschwang (Oefele II. 228 und Freyberg I. 174). Es ist kaum anzunehmen, daß eine ähnliche Lebensführung seines Sohnes oder selbst dessen augenblickliche Weigerung, eine standesgemäße Ehe einzugehen, den Herzog zu einer so furchtbaren Unthat hätte hinreißen können. Dagegen durchkreuzte eine kirchlich eingesegnete, also nur durch den Tod des einen Gatten trennbare Verbindung des einzigen Sohnes mit der Biberacher Baderstochter die dynastischen Pläne des alternden E. in der empfindlichsten Weise. Des Herzogs Bruder Wilhelm, mit dem er stets in Eintracht gelebt, war kurz vorher mit Hinterlassung eines kränkelnden Sohnes gestorben. Alle Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß die Nachfolge in Ernsts Herrschaften, falls Albrecht mit Agnes Bernauerin vermählt blieb, dereinst den rührigen Ingolstädter Vettern zufallen würde, den langjährigen Feinden, gegen die der Münchner nur Groll und Rachegedanken im Herzen trug. Die Angst vor solchem Ausgang der Dinge muß man in Betracht ziehen, um Ernsts Vorgehen nicht zu entschuldigen, aber begreiflicher zu finden. Er ließ Agnes als Zauberin anklagen und den durch das [249] Gesetz für Hexen und Zauberer bestimmten Wassertod sterben, gleich als ob ihm die ernste und ganz außerordentliche Wendung, welche sein Sohn durch Abschluß der Ehe einem gewöhnlichen Liebesverhältnisse gegeben, nicht anders als durch Zauberei erklärbar geschienen hätte. Wie sich sein Verhältniß zum Sohne weiter gestaltete und mit dem Ingolstädter Ludwig nochmals Fehde entbrannte, findet man in dem oben erwähnten Artikel „Albrecht III.“ dargestellt. E. starb am 2. Juli 1438 und ward bei der alten Frauenkirche in München begraben. Die Stadt war unter seiner Beihülfe mit neuen Mauern und Gräben umgeben, unter seiner Zustimmung aber auch – ein sprechendes Zeugniß für die weitverbreitete Sittenlosigkeit – mit dem ersten Frauenhause ausgestattet worden. Die baierischen Chronisten des 15. Jahrh. heben in ihrer Charakteristik des Herzogs besonders seine körperliche Stärke hervor; wenn sie ihn heißblütig, tapfer und kriegerisch tüchtig nennen, so finden wir diese Schilderung durch unsere Kenntniß seines Auftretens bestätigt, und die Klugheit, die sie an ihm rühmen, haben wir keinen Anlaß in Zweifel zu ziehen. Wenn aber der Prior Veit von Ebersberg dem Herzoge auch das Lob „utique justus“ spendet, so werden wir von dem Urheber eines nicht einmal durch die Staatsraison, sondern nur durch dynastischen Ehrgeiz veranlaßten empörenden Justizmordes anders denken.

Die baierischen Chronisten des 15. Jahrh., Andreas von Regensburg, Ebran v. Wildenberg, Veit Arnpeck, Fütterer u. a.; Urkunden besonders bei Oefele, Script.; Quellen u. Erörterungen z. baier. u. deutsch. Gesch. VI; v. Lerchenfeld, Altbaier. landständ. Freiheitsbriefe; Krenner, Baier. Landtagsverhandlungen, I–IV; Katzmaier’s Chronik bei Schmeller, München unter der Vierherzogregierung; v. Lang, Ludwig d. Bärtige; Buchner, Gesch. v. Baiern, VI. Bd.