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Artikel „Grimald“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 701–703, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Grimald&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 04:03 Uhr UTC)
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Grimald: Erzcaplan, Abt von St. Gallen, gest. am 13. Juni 872. Ein Neffe des 847 gestorbenen Erzbischofs Hetti von Trier und ein Bruder des durch die Ehehändel Lothars II. in so schwere, selbstverschuldete Mißlichkeiten verwickelten Nachfolger desselben, des Thietgaud, stammte G. jedenfalls aus einer angesehenen fränkischen Familie. G. kam noch an den Hof Karls des Großen, wo er, wenn man dem anekdotenreichen Mönch von St. Gallen glauben darf, noch Alkuins’s Unterricht genossen haben soll. Hernach vertauschte er die Hochschule mit der unter Haito (s. d. Art.) und besonders unter Abt Erlebald, 822 bis 838, durch den Klosterlehrer Reginbert († 846) erblühenden Schule von Reichenau, wo er Mitschüler des nachherigen Schulvorstehers Tatto († 847) war. Aber mit dem Jahre 833, als König Ludwig nach der zweiten Erhebung gegen den kaiserlichen Vater die selbständige Regierung der ostrheinischen Gebiete antrat, begann G. seine staatsmännische Wirksamkeit. Zwar hatte er schon 824 nach einer Widmung des Walahfrid Strabo, welcher ihn dabei als seinen Lehrer bezeichnet, in der kaiserlichen Capelle eine Stellung inne, infolge deren wol auch die Abtei Weißenburg im Speiergau ihm, durch Kaiser Ludwigs Gunst wahrscheinlich, zugekommen war. Doch mit dem October 833 erscheint G., an der Stelle des Abtes Gozbald von Altaich, des späteren Bischofs von Würzburg (841-855), als Vorsteher der Canzlei des Königs Ludwig. G. begab sich, als der Umschwung der Stimmung gegen Lothar, zum Behufe der Herstellung des entthronten und gefangenen Kaisers, bereits hervortrat, im Anfange des Jahres 834, im Auftrage seines Herrn, mit einem anderen treuen Anhänger Ludwigs des Frommen, als Bote zu demselben nach Aachen, um ihm die Ehrerbietung ihres Auftraggebers auszudrücken. Mit dieser bleibenden Anhänglichkeit an den alten Kaiser hing es wol auch zusammen, daß G. 837 für längere Zeit aus der Führung der Canzlei Ludwigs sich hinwegbegab, weil er an der wenn auch nur der Noth entsprungenen Erhebung des Königs, wie sie 838 eintrat, nicht sich betheiligen mochte. Dennoch verlor G. in den Wirren zunächst vor dem Tode des Kaisers an den Erzbischof von Mainz, Otgar, seine Abtei Weißenburg. Allein G. gewann durch König Ludwig 841, als derselbe nach der Entscheidungsschlacht von Fontanetum seine Herrschaft in Schwaben bleibend befestigte, reichlichen Ersatz in der Würde des Abtes von St. Gallen, von wo Engilbert, obschon er als Nachfolger Bernwik’s in gewaltsamer Weise eben erst durch König Ludwig eingesetzt worden war, wieder weichen mußte, weil er inzwischen die lotharische Politik seines [702] Vorgängers neu aufgenommen hatte. Seit 847 befand sich G., infolge des Todes Otgars, wieder im Besitze von Weißenburg, wozu noch ein drittes unbekanntes Kloster (ob Ellwangen, steht nicht fest) kam. Weit wichtiger jedoch war, daß G., vielleicht schon seit 847, jedenfalls aber 854 Erzcaplan des ostfränkischen Königs, in diesem letzteren Jahre auch wieder an die Spitze der Canzlei Ludwigs trat, so daß also von nun an die oberste Leitung wie der Capelle, so der Canzlei in seiner Hand allein lag. Als einer der hervorragendsten Staatsmänner diente er fortan seinem Könige, vielleicht mit einer Unterbrechung seiner Wirksamkeit in der Zeit der von ihm nicht gebilligten Eroberungspolitik desselben gegenüber dem westfränkischen Könige Karl – vom August 857 bis April 861 stand G. der Canzlei ferne und nahm nur im Juni 859 an den Verhandlungen über die Aussöhnung zu Worms Theil –; dann aber bethätigte er sich von neuem als verständnißvoller, rastloser Träger der politischen Bestrebungen Ludwigs, dabei wol bei der Haltung des ostfränkischen Reiches in den lothringischen Händeln als Bruder des Thietgaud, seit dessen schuldvoller Betheiligung an Lothars II. Ehezwist, seine Stellung nicht völlig verleugnend. 870 zog sich G. vom Hofe zurück und begab sich in die Ruhe nach St. Gallen, wo er im zweiten Jahre starb, in sehr hohem Alter, falls er wirklich noch den 804 verstorbenen Alkuin zum Lehrer gehabt hatte. – Wegen seiner sehr großen praktischen Thätigkeit war G. wenig zu wissenschaftlichen Arbeiten, trotz seiner umfassenden Gelehrsamkeit, gelangt. Um so größere Verdienste erwarb er sich durch die Amtsführung als Abt seiner Klöster. Von Weißenburg zwar ist nur bekannt, daß G. daselbst durch Bauten an der Kirche nach einer Feuersbrunst Dank gewann. Dagegen wurde zu St. Gallen mit gutem Grunde noch nach anderthalb Jahrhunderten durch Ekkehart IV. rühmend hervorgehoben, wie blühend das Kloster unter G. geworden sei. Seine Einsetzung zwar, ein Weltgeistlicher unter Verletzung der erst vor kurzem durch den König selbst bestätigten Wahlfreiheit der Mönche, hatte dieselben höchst peinlich berührt. Allein bald genoß G. durch seine eifrige Sorgfalt, indem er die auf ihm ruhende königliche Gunst auch seinem Kloster zu Theil werden ließ, der ungetheilten Liebe. Er gab den Mönchen bei seinen unvermeidlichen langen Abwesenheiten in der Person des seit 849 ständigen Decans, des höchst trefflichen Schülers seines Freundes Hraban, Hartmut, einen befähigten Stellvertreter, welchem geradezu schon zu Lebzeiten seines Vorgesetzten durch den König die Versicherung der Nachfolge gegeben wurde. 854 war es nach seiner abermaligen Uebernahme des Canzleramtes für G. das Erste, St. Gallen aus seinen letzten Verpflichtungen gegenüber dem Bisthum Constanz zu lösen, wodurch das Kloster zu dem Range einer königlichen Abtei emporstieg. Zu den Bauten Gozbert’s (s. d. Art.) fügte G. die Abtswohnung, sowie für die 864 erhobenen Gebeine des h. Otmar die 867 für dieselben vollendete Kirche, und der Oekonomie des Klosters, dessen Besitz gerade unter ihm durch sehr zahlreiche Tradition sich vermehrte, nahm er sich mit großem Verständnisse an. Durch Hartmut ließ er die Bibliothek ansehnlich vermehren und schenkte selbst derselben eine werthvolle Sammlung von Büchern. Die ersten hervorragenden Lehrer an den Schulen, der 853 bis 865 genannte Schotte Möngal oder Marcellus an der inneren, der 871 außerhalb St. Gallens im Kloster Grandval im Jura verstorbene Thurgauer Iso an der äußeren Schule, wirkten unter G. Besonders aber fällt auch aus der zwischen 850 und 855 durch den Ellwanger Mönch Ermenrich in Form eines lobpreisenden Briefs an G. geschriebenen Abhandlung ein mehrfaches Licht auf das unter dessen Oberleitung in St. Gallen immer mehr erwachende wissenschaftliche Leben und die Träger desselben, unter welchen auch schon Ratpert (s. d. Art.) erwähnt ist. – Indessen zeigt sich die von G. bekleidete Doppelstellung als Erzcaplan und [703] Canzler und als Abt noch nach einer Seite für St. Gallen förderlich. Während von seiner Leitung der königlichen Capelle nicht viel feststeht, brachte G. in die königliche Canzlei, wie anfangs Weißenburger, so später alamannische und besonders St. Galler Mönche, deren dann bis auf Otto I. daselbst als niederes Personal blieben. Hinwieder aber vermittelte er St. Gallen und dessen Kalligraphen die für die karolingische Ornamentik leitend gewordenen Kunstgattung. Die einen unleugbaren Aufschwung darlegende künstlerische Fortentwicklung, wie sie in dem von Folchard (seit 855 genannt) geschriebenen Codex Nr. 23, noch herrlicher aber in dem berühmten glänzenden Werke des goldenen Psalter (Nr. 22) hervortritt, ist für St. Gallen auf die von G. gegebene Anregung zurückzuführen.

Vgl. besonders Dümmler, St. Gallische Denkmale aus der karolingischen Zeit (Mittheil. der zürcher. antiquar. Gesellsch., Bd. XII. S. 248 ff.), sowie Geschichte des ostfränkischen Reiches Bd. I. S. 867 ff.; ferner Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen (Bd. I, 4. Aufl., besonders S. 182, 220 ff.), Rahn, Das Psalterium Aureum von St. Gallen (Text), sowie vom Verfasser des Artikels: St. Gallische Geschichtsquellen Bd. II (Commentar).