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Artikel „Ekkehart IV., Mönch von St. Gallen“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 792–793, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ekkehard_(Chronist)&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 02:55 Uhr UTC)
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Ekkehart IV., Mönch von St. Gallen, † um 1060 (an einem 21. Oct.). Ekkeharts Geburtszeit und Heimath sind nicht bekannt: nur annähernd läßt sich aus seinen eigenen Andeutungen entnehmen, daß er etwa zwei Jahrzehnte vor 1000 geboren worden sei, und aus dem Umstande, daß sein Bruder Ymmo Abt des Klosters Münster im Gregorienthale war und daß er selbst elsässische Oertlichkeiten kennt, wird kaum geschlossen werden dürfen, E., welcher ohne Zweifel dem alamannischen Stamme angehörte, habe im Elsaß seine Familie gehabt. Zu St. Gallen genoß er den vielseitigen Unterricht und Umgang des berühmten gelehrten Klosterlehrers Notker Labeo des Deutschen, dessen er häufig dankbar gedenkt. Nach dessen Tode 1022 verließ er St. Gallen und begab sich nach Mainz, wo er bis zum Tode des Erzbischofs Aribo (vgl. Bd. I. S. 524 bis 526) 1031, welcher dem St. Galler mehrmals wissenschaftliche Aufgaben gestellt hatte, als Schulvorsteher wirkte: einmal in dieser Zeit, am Osterfeste 1030, wurde ihm auch in Ingelheim die Gunst Kaiser Konrads II. zu Theil. Als nach dem Tode des Abtes Thietpald von St. Gallen 1034 mit dem neuen von Stavelot her durch den klösterlichen Reformator Poppo entsandten Abt Nortpert die cluniacensischen Einrichtungen aus Lothringen mit Konrads II. Einwilligung auch auf St. Gallen übertragen wurden, war E. schon wieder nach seinem Kloster zurückgekehrt. Das äußerste Mißbehagen der älteren mit berechtigtem Stolze auf die unbeeinflußte Entwickelung und die Leistungen ihrer Stiftung zurückblickenden Mönche, den wol nicht blos in passivem Widerstand sich zeigenden Widerwillen gegenüber den Neuerungen der als anmaßende Heuchler betrachteten, als Schismatiker verachteten und gefürchteten wälschen Anhänger Poppo’s hat E. mehrfach sehr deutlich ausgesprochen. Die Unternehmung der Fortsetzung der durch Ratpert (vgl. den Art.) begonnenen Klosterchronik, der Casus s. Galli, durch E. ist zunächst aus dieser Gesinnung zu erklären. Doch seine Hauptthätigkeit fiel auf das Gebiet der Schule, und seine schriftstellerische Arbeit als lateinischer Dichter stand damit in engem Zusammenhang. Nachweisbar aus den von seinem Lehrer Notger geleiteten metrischen Uebungen gingen die Anfänge der zahlreichen lateinischen Gedichte in nahezu ausnahmslos leoninisch-hexametrischer Form hervor, wie sie E. später zum größten Theile in dem Buche der Segnungen vereinigte und dem Abte Johann von St. Maximin, einem Freunde aus der Zeit des Mainzer Aufenthaltes, widmete. Dieselben stehen formal keineswegs hoch und bilden, falls an die noch vorhandene Gestalt des Gedichtes gedacht werden muß, einen nicht günstigen Gegensatz zu Ekkeharts I. lateinischem Waltharius, von welchem doch E. behauptet, er habe auf Aribo’s Wunsch deutsch gedachte Stellen desselben in ein besseres Latein gebracht. Dagegen zeigt sich sowohl im „Liber Benedictionum“ als in sehr fleißigen Glossen zu eigenen und zu zahlreichen älteren St. Galler Handschriften unermüdliche kritische Thätigkeit und in derselben hinwieder eine ganz anerkennenswerthe Kenntniß der kirchlichen und der classischen Litteratur. Wie alle Gelehrten St. [793] Gallens war E. auch ein verständnißvoller Kenner der Musik. Aber sein Hauptverdienst liegt in den Casus s. Galli, welche er nach 1047 und im J. 1053 in der Arbeit hatte. E. hatte sich vorgenommen, von Salomon III. an bis auf seine Zeit die Klostergeschichte zu schreiben, gelangte aber nur bis in die Regierung des Abtes Notger, zum J. 972. Ueberdies ist sein Buch sehr wenig systematisch angelegt, weit mehr eine Sammlung von Geschichten und Ueberlieferungen über berühmte Klosterbrüder, als eine eigentliche Geschichte des Gotteshauses. Dazu kommen sehr bedeutende Irrthümer auch in St. Gallen’schen Nachrichten, besonders in chronologischen Dingen, eine gänzliche Vernachlässigung urkundlicher Quellen gegenüber einer nicht stets parteilosen Tradition. Besonders in der Behandlung der auf eine Reform sich richtenden Bemühungen Otto’s I., in dem entstellten Bilde der Aebte Ruodman von Reichenau und Sandrad von Gladbach, zeigt sich eine bewußte Tendenz des Autors. Dagegen hat Ekkeharts Geschichtswerk einen sehr bedeutenden culturgeschichtlichen Quellenwerth und wegen einer Reihe höchst anmuthiger Schilderungen steht E. als Erzähler, trotz seiner oft dunkeln und schwerfälligen Sprache, unter den mittelalterlichen Leistungen in erster Reihe.

Ekkeharts Casus s. Galli stehen von J. v. Arx in Bd. II der Mon. German. abgedruckt, sind aber mit einläßlichem Commentar in den Mittheilungen des histor. Vereins f. St. Gallen, Heft XV. XVI. (1877) von dem Verf. d. Art. neu herausgegeben (vgl. die Einleitung dazu über den Werth des Buches als Geschichtsquelle, worüber schon früher Heidemann in den Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. VII u. VIII). Ueber den litterarischen Charakter und das Wissen Ekkeharts im Allgemeinen gab Dümmler, Ekkehart IV. von St. Gallen, in Haupt’s Zeitschrift für deutsches Alterthum, N. F. Bd. II., den gründlichsten Aufschluß und fügte eine Auswahl der lateinischen Dichtungen, insbesondere aus dem Liber Benedictionum, Cod. Sangall. Nr. 393, dem Aufsatze bei. Aus dem gleichen Codex gaben J. v. Arx die wegen ihrer Beziehungen zu den Casus bemerkenswerthen Rhythmi de s. Othmaro (Mon. German., Bd. II. S. 55–58) und F. Keller die Benedictiones ad mensas, eine culturhistorisch interessante Uebersicht der zu Ekkeharts Zeit in St. Gallen vorkommenden Speisen (Mittheilungen der antiqu. Gesellschaft in Zürich, Bd. III. S. 106–116, mit Erläuterungen) heraus. Wattenbach hat (Deutschlands Geschichtsquellen, 3. Aufl., Bd. I. S. 288) die Glaubwürdigkeit der Casus Ekkeharts wol etwas zu hoch angeschlagen. Vgl. auch vom Verf. des Art.: Die Ekkeharte von St. Gallen (Basel 1876).