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Artikel „Eck, Johann Maier, genannt“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 596–602, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eck,_Johannes&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:07 Uhr UTC)
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Eck: Johann Maier, genannt Eck (seit 1505 Eckius, Eccius) von seinem Geburtsorte Eck, einem Dorfe an der Günz im Allgäu, Theolog, heftigster Gegner der Reformation; geb. am 13. Novbr. 1486, † 10. Febr. 1543. – Sein Vater, Michael Maier, war ein Bauer und lange Jahre hindurch Amtmann zu Eck. Seine Erziehung übernahm von 1495 an sein Oheim, Martin Maier, Pfarrer in Rothenburg[1] am Neckar, der ihn nach dem nöthigen Vorunterricht schon im 12. Jahre (1498) auf die Universität nach Heidelberg, im Jahre darauf nach Tübingen, 1501 (Oct.) nach Köln, endlich 1502 (Juni) nach Freiburg schickte. Ausgestattet mit guten Anlagen, von seinem Oheim wenigstens bis zu seinem 16. Jahre unterstützt und vor äußeren Sorgen bewahrt, erlangte er die akademischen Grade in ungewöhnlich jugendlichem Alter. Mit 14 Jahren wurde er Magister artium mit 19 Baccalaureus der Theologie, mit 20 Sententiarius, [597] mit 23 Licentiat und mit 24 Jahren Doctor und Professor der Theologie. Er hatte die berühmtesten Lehrer gehört, in Tübingen den Humanisten Heinr. Bebel und die Theologen Summerhardt und Stainbach, in Köln Theod. von Süstern und Arnold von Tongern, in Freiburg neben den Theologen Northofer und Breisgau den Juristen Zasius und den Kosmographen Georg Reusch; hatte in fast allen Wissenschaften sich versucht; hatte in Disputationen sich schon damals hervorgethan; hatte früh begonnen, öffentliche sehr besuchte Vorlesungen zu halten – kein Wunder also, wenn der durch so viele Erfolge begünstigte, wenig mehr als 20jährige Docent, dem es überdies weder an Selbstbewußtsein noch an Energie gebrach, sich der Hoffnung wie dem Streben nach einer ihm beschiedenen bedeutenden Zukunft hingab. Da er aber diese in Freiburg schon wegen seiner schroffen Stellung zum akademischen Senate nicht zu finden fürchtete, wendete er sich 1510, durch Peutinger empfohlen, nach Ingolstadt. Er erhielt dort die theologische Professur, die bis dahin Zingel inne gehabt hatte, und verließ Freiburg am 31. Oct. 1510 nicht ohne Bitterkeit und Groll, dem er in einem für ihn nicht gerade vortheilhaften Processe gegen den dortigen Senat noch von Ingolstadt aus Luft machte.

Von hier ab beginnt die bedeutendste Periode seines Lebens. Denn nicht nur auf den ihm nächstliegenden Wirkungskreis, auf die Universität und ihre Entwicklung, übt er während der nächsten 30 Jahre als Prokanzler und als Docent tiefgreifenden Einfluß aus, sondern er tritt geradezu in den Vordergrund der Geschichte seiner Zeit als gewandter und meist siegreicher Disputator in allen wichtigeren Streitfragen auf dem theologisch-ethischen Gebiete, und in dem großen, welthistorischen Kampfe zwischen der alten und neuen Kirche als erster Vorkämpfer und unermüdlicher, wenn auch keineswegs selbstloser und immer geschickter Vertheidiger des Alten gegen das Neue.

Allerdings hatte er sich den neuen Bestrebungen, wie sie sich, der kirchlichen Reformation vorausgehend, auf dem Gebiete des Humanismus und der Philosophie geltend machten, schon frühzeitig mit jugendlichem Eifer angeschlossen. Seine Rede „De diva Catherina et artibus liberalibus“, welche er 1508 in Freiburg im Auftrage der philosophischen Facultät hielt, ebenso die „De fidei christianae amplitudine ultra reliquas infidelium sectas“, gehalten 1511 (18. December) zu Ingolstadt, priesen die Vorzüge seines Jahrhunderts, welches aus der Barbarei zu neuen Studien und Bildungszielen fortgeschritten sei. Seine engen Beziehungen zu den schwäbischen und oberrheinischen Humanistenkreisen, von denen sich in seinen Schriften so zahlreiche Zeugnisse finden, hatten ihn in dieser Richtung nur befestigt. Bei seinen gelehrten Zeitgenossen galt er nicht blos für einen Humanisten, sondern sogar für einen Reuchlinisten.

Damit ging natürlich Hand in Hand seine Abneigung gegen die scholastische Behandlung der Philosophie. Es war schon bezeichnend für ihn gewesen, daß er, obgleich von Köln kommend, in Freiburg in die Bursa pavonis d. i. modernorum eingetreten und 1505 zu ihrem Rector erwählt worden war. Er hatte in dieser Stellung seine Commilitonen so heftig gegen die Gegner, die Antiqui, aufgereizt, daß er vom akademischen Senate deshalb bestraft worden war. In seinem Erstlingswerke: „Logices exercitamenta“ (Freiburg 1507) hatte er sich mit Bestimmtheit auf die Seite der „Neoterici“ gestellt, und auch in Ingolstadt war er in seiner Fortentwicklung diesem Standpunkte nicht gerade untreu geworden. Er hatte sich für einen Mittelweg entschieden. Er verwarf weder die „Moderni“ noch die „Antiqui“, sondern vermittelte synkretistisch beide Standpunkte, so daß er, die „Antiqui“ zu Grunde legend, in seinen weiteren Ausführungen sich wesentlich der Grundsätze der „Moderni“ bediente. So war er ganz besonders befähigt erschienen, zur Beilegung der langwierigen Kämpfe [598] zwischen „Antiqui“ und „Moderni“, die den Ruf Ingolstadts zu untergraben drohten, mitzuwirken. Er hatte die Auszeichnung erfahren, daß ihm die herzogliche Commission, welche mit der Beilegung jener Streitigkeiten beauftragt war, die Abfassung von Commentaren zu Aristoteles und Petrus Hispanus übertragen hatte. Man verband mit diesem Auftrage mehr als einen blos wissenschaftlichen Zweck. Es knüpfte sich an die Ausführung desselben die weitergehende Hoffnung, die in der Vergangenheit durch scholastisch-sophistische Behandlung geschädigten philosophischen und theologischen Studien überhaupt neu zu beleben. Eck hatte den in ihn gesetzten Erwartungen in seinen Commentaren zu den Summulae des Petrus Hispanus (1516), zur Dialektik (1517), Physik (1518) und den kleineren naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles, de coelo etc. (1519), de anima etc. (1520) in einer solchen Weise entsprochen, daß nach ihrer Vollendung dieselben als Cursus Eccianus in den Vorlesungen der Artisten officiell zu Grunde gelegt wurden und der Scholasticismus in Ingolstadt von da ab als beseitigt angesehen werden konnte. Freilich hatten hierzu die auf allen Universitäten in dieser Zeit bemerkbaren Wandlungen der Anschauungen nicht unwesentlich beigetragen. Trotz der Spuren eiliger Arbeit, welche jene Schriften an sich tragen, sind sie immerhin recht ernst-wissenschaftliche Leistungen, die in anerkennenswerther Weise durch Entfernung der bisherigen scholastischen Subtilitäten und durch unmittelbares Zurückgehen auf Aristoteles zur Anbahnung einer gesunden Entwicklung der Philosophie, insbesondere der Logik, ihr gutes Theil geholfen haben.

Auch in der Theologie durfte man Eck im Einklange mit jener wissenschaftlichen Richtung wenigstens in den ersten Jahren seiner Ingolstädter Wirksamkeit wol unter die „Neueren“ rechnen. Er trug auch hier die Merkmale der Freiburger Schule, wie sie unter Northofer und Breisgau in geistiger Verbindung mit Wimpheling und Geiler von Kaisersberg sich entwickelt hatte, an sich. Der letztere scheint ihm eine Zeit lang als Ideal vorgeschwebt zu haben. In seinem Geiste und nach seinen Predigten hatte er 1512 „Das Schiff des Heils“ verfaßt. Seine und Gerson’s Erklärungen legte er in Freiburg und wol auch in der ersten Zeit in Ingolstadt bei seinen Vorlesungen über die heil. Schrift zu Grunde, freilich ohne mit gleicher Klarheit wie der erste zu dem Grundsatze zu gelangen, daß die heil. Schrift die Grundlage des Glaubens wie der Theologie sei. Es war wol unter diesem Einflusse geschehen, daß er in seiner Rede „Adversus priscam et ethnicam philosophiam“ 1509 die fidei christianae philosophi non minores Aristotele setzte, ja sie in scientia doctiores, in fide veriores, in vita meliores als die alten Philosophen erklärte, eine Anschauung, die er allerdings charakteristisch genug gleich darauf in einer „Palinodia in philosophorum laudem“ widerrief.

Man kann nicht leugnen, Eck hatte in seiner Entwicklung einen guten und glücklichen Anlauf genommen. Er war von frühester Jugend auf sehr fleißig gewesen und hatte mit seltener Ausdauer sich auf den verschiedensten Gebieten heimisch gemacht. Das Hebräische freilich war immer seine schwache Seite geblieben, aber er schämte sich nicht, selbst in den Jahren seines Glanzes noch einmal in die Collegien seines Hausgenossen Reuchlin einzutreten, um unter seiner Leitung seine Lücken auszufüllen (1519, 1520). Seine Gelehrsamkeit, durch schnelle Auffassung und ein bewunderungswürdiges Gedächtniß unterstützt, war besonders auf dem philosophisch-theologischen Gebiete durchaus nicht zu unterschätzen. Damit verband er einen anerkennenswerthen Eifer, die Beschäftigung mit den Wissenschaften warm zu empfehlen und besonders in dem Stande zu fördern, in dessen Unwissenheit und Verderbtheit er mit den Besten seiner Zeit die Quelle der Schäden des Jahrhunderts erkannte, – in dem Klerus. Es war [599] nach dieser Seite wirklich ein gesunder reformatorischer Zug in ihm und B. Pirkheimer hatte in der That ein gewisses Recht, ihn unter diejenigen Theologen zu rechnen, welche seinem in der Epist. apologetica pro Reuchlino (30. Aug. 1517) aufgestellten Muster eines Theologen am meisten entsprachen. Aber das war doch trotz seiner mannigfachen Vorzüge das Entscheidende in seinem Wesen geblieben: er hatte von dem Alten, Ueberkommenen sich innerlich zu lösen, zur Freiheit, sei es in der Wissenschaft, sei es in der Religion, sich niemals völlig zu erheben vermocht. Sein Fleiß, seine Gelehrsamkeit, seine ganze Gedankenwelt hatten als Grundlage und Grenze die Institutionen der mittelalterlichen Kirche mit ihrem gesammten Geistes- und Erscheinungs-Apparat behalten. Auf diesem Boden war er erwachsen, hatte er es zu gewissem Ansehen gebracht; momentane Ablenkungen, die von außen an ihn herangetreten waren, hatten ihn innerlich doch wenig bewegt; neue Ziele des Geistes zu setzen, hatte er keinen Antrieb empfunden; früher und in höherem Grade als er es vielleicht selbst glauben mochte, hatte er sich mit den Traditionen der Zeit in Uebereinstimmung gesetzt. Und doch drängte ihn der rasche Zug seines Charakters irgendwohin vorwärts; die zu innerlicher Freiheit nicht durchgedrungene Werdelust wendete sich nach außen; Ehre und Ruhm beherrschten fortan sein Streben.

So lange nicht bedeutendere Aufgaben vorlagen, genügte es ihm, die Macht seines Wissens und seines dialektischen Talentes auf dem Kampfplatz der Disputationen zur Geltung zu bringen. Der Gegner der Scholastik trug kein Bedenken, von ihr Genre und Mittel seiner Triumphe zu entlehnen. Schon in Freiburg, dann in Neuburg a. Rh. und Landshut hatte er sich darin hervorgethan. Dann hatte er 1514 in Augsburg, dem Hauptsitz des deutschen Geldhandels, über die den Kaufleuten besonders am Herzen liegende Frage, ob es erlaubt sei, für ein Darlehen Zins zu nehmen, und im folgenden Jahre über dieselbe Frage und über die Prädestination in Bologna disputirt. Der „rex denariorum“ Fugger in Augsburg, wol der intellectuelle Urheber beider Disputationen, hatte ihn dabei unterstützt. In Wien endlich hatte er 1516 sich neue Lorbeeren dazu erworben. Es war natürlich, daß er sich durch solche Erfolge außerordentlich gehoben fühlte. Es fehlte zwar nicht an Männern, die ihn durchschauten und strenger beurtheilten, wie Cochläus und der scharfsichtige Bernh. Adelmann, für den er immer nur ein garrulus sophista blieb; ja selbst Pirkheimer konnte Tadel und Mißmuth über sein Gebahren nicht immer zurückhalten. Aber das machte doch alles wenig Eindruck auf ihn. Schon jetzt trat in seinem Wesen ein zweifaches Streben deutlich hervor: einerseits sich in Deutschland die Stellung einer wissenschaftlichen Autorität zu erwerben, andrerseits – und das war das Neue – sich zum Vertheidiger des Papstthums und der Kirche aufzuwerfen. Dies gewährte sicherere Ehre und greifbarere Vortheile als das leicht verlorene Lob der kritischen Humanisten. Die Verbindung mit den Fugger und deren Einfluß beim päpstlichen Stuhle hatte eine solche Wandelung mindestens begünstigt. Vorläufig galt es, sich an entsprechender Stelle zu empfehlen und Eifer zu zeigen. Daher der sonst durch nichts motivirte Angriff gegen das alte Haupt der oberrheinischen Humanisten, seinen alten Lehrer und Freund Zasius, wegen einer vor 10 Jahren von demselben aufgestellten Doctrin, und gleichzeitig gegen Erasmus wegen seiner Annotationes in Nov. Testamentum.

Dieser Streit war jedoch nur das Vorspiel gewesen zu einem weit umfangreicheren Kampfe, zu dem Luther Eck die gewünschte Gelegenheit bot. Beide waren einander nicht unbekannt. Der Nürnberger Syndicus Christoph Scheurl, der eine wahre Leidenschaft besaß, Freundschaften zu stiften, hatte sie zu einem Austausch von Briefen vermocht. Auch seine Thesen vom 4. Sept. und vom [600] 31. Oct. hatte Luther 1517 Eck zustellen lassen. Er konnte nach dem Bisherigen erwarten, daß derselbe mit einem offenen Urtheile nicht zurückhalten werde. Statt dessen erfolgten von Eck’s Seite die erst handschriftlich verbreiteten „Obelisci“, zu deren ursprünglicher Abfassung es wol kaum der Aufforderung des Bischofs von Eichstädt bedurft hatte. Es war bemerkenswerth, daß schon in ihnen der Vorwurf böhmischer Häresie gegen Luther erhoben wurde. Man weiß, mit welchem Geschick E. es verstand, in den folgenden Verhandlungen mit Karlstadt und Luther sich die Rolle des Angegriffenen beizulegen und die Leipziger Disputation herbeizuführen (1519); aber besonders bezeichnend für seine Taktik und seine weiteren Pläne war es, daß er gerade jetzt seinem Gegner, mit dem Rom eben noch verhandelte, die Beantwortung der Frage über des Papstes Obergewalt zuschob. – Es war im Grunde sehr wenig, was er wissenschaftlich in Leipzig geleistet hatte; aber seine Absicht, Luther’s Ketzerei vor aller Augen klar zu legen, hatte er erreicht. Nicht weniger als 8 Schriften ließ er noch 1519 gegen ihn erscheinen. Dann eilte er 1520 (Januar) nach Rom, um seinen Lohn für die Vertheidigung des Papstthums zu empfangen und die äußersten Maßregeln von der zögernden Curie gegen den Wittenberger Häretiker zu erwirken. Dabei versäumte er nicht, die Gebildeten Deutschlands, vor allen die Humanisten, als eine wachsende Gefahr der Kirche darzustellen. Zur Würde eines päpstlichen Protonotars erhoben und mit der Ausführung des römischen Urtheils beauftragt, kehrte er (im August) als päpstlicher Nuntius mit der Bulle Exsurge Domine vom 15. Juli 1520 nach Deutschland zurück. Er benutzte sie als Urkunde seines Ansehens und als Mittel zur Rache an seinen Feinden. Aber welcher Widerstand bei ihrer Veröffentlichung! Hatte er schon früher den beißenden Spott Pirkheimer’s (Eccius dedolatus), die Angriffe Spengler’s (Schutzrede) und Oecolampad’s (Canonicorum indoctorum responsio) erfahren, Beleidigungen, die er jetzt mit dem Bann beantwortete, so mußte er nun von Bischöfen und Universitäten Zurückweisungen und schimpfliche Behandlung erfahren. Er hatte allen Grund, auf einer Votivtafel in seinem Pfarrhof in Ingolstadt seinen Schutzpatronen seinen Dank für seine glückliche Rückkehr aus Sachsen und Meißen abzustatten. Von einem moralischen Siege wagte er selbst innerhalb seiner Mauern nicht zu sprechen. – Es mußte ihm jetzt klar sein, daß er nur noch auf dem Wege der Gewalt vorwärts[WS 1] schreiten könne. Am 18. Febr. 1521 verfaßte er die „Epistola ad … Carolum V.“, worin er ihn zum Einschreiten gegen Luther aufforderte. Das Wormser Edict entsprach seinen Bitten. Nach seiner zweiten Reise nach Rom (1521 und 22), wo er Bericht über den Erfolg der Bulle abstatten wollte, gab er mit seinen Collegen Hauer und Burkhard die Anregung zum Erlaß des baierischen Religionsedictes (1522), nach welchem der akademische Senat von Ingolstadt ein förmliches Inquisitions-Tribunal gegen alle lutherisch Gesinnten eröffnete. Denunciationen, Confiscationen von Büchern, Amtsentsetzungen, Einkerkerungen und Verbannungen beschäftigten ihn in der nächsten Zeit unaufhörlich. In dem Processe gegen den unglücklichen Leonhard Käser fungirte er als Ankläger und dessen Feuertod (1527) war namentlich sein Machwerk. Er versuchte vergeblich, sich öffentlich wegen dieses grausamen Verfahrens zu rechtfertigen. Auf dem Augsburger Reichstage war er es endlich, der immer von neuem bedauerte, daß der Kaiser nicht von Anfang an gegen die Evangelischen mit Gewalt vorgegangen sei.

Inzwischen war er auch auf anderen Gebieten nicht unthätig geblieben. Die Herzöge von Baiern, anfänglich der Verfolgungspolitik abhold, waren durch seinen Einfluß besonders beim päpstlichen Stuhle schließlich ganz für seine Bestrebungen gewonnen worden. Bei seinem dritten Aufenthalte in Rom (1523) [601] war es ihm gelungen, seinen Herren nicht nur bedeutende Erweiterungen ihrer kirchlichen Rechte und den fünften Theil alles kirchlichen Eigenthums, zunächst allerdings zur Bestreitung eines Türkenkrieges, sondern auch der Universität Vermehrung ihrer Lehrkräfte durch Verleihung von Canonicaten an 4 Domcapiteln des Landes zu erwirken. Seine diplomatische Gewandtheit hatte sich dabei im besten Lichte gezeigt.

Indessen hatte er die Hauptaufgabe seines Lebens, den Kampf gegen die Neuerer, nicht aus dem Auge verloren. Die Jahre 1522–1526 lieferten acht größere Streitschriften gegen dieselben. Aber es war doch zu bemerken, daß seine Polemik sich allmählich sachlicher gestaltete, besonders seit Luther nicht mehr entgegnete. Für eine kurze Zeit beschäftigten ihn dann die Schweizer Reformatoren. 4 Sendschreiben an die Eidgenossenschaft (Aug. bis Nov. 1524) bezeugen die Erregtheit, mit der er in den Kampf trat. Er hoffte Zwingli auf einer Disputation zu überwinden und ihm den Schutz der Züricher zu entziehen. Zwingli selbst glaubte, man wolle ihn bei der Gelegenheit nur gefangen nehmen. Daher fand die Disputation zu Baden i. A. ohne ihn nur zwischen E. und Murner einerseits und Oekolampadius und Imli andrerseits Statt. Trotzdem sich E. den Sieg zuschrieb, konnte er es doch nicht abwenden, daß in den nächsten Jahren die Reformation gerade in der Schweiz außerordentliche Fortschritte machte. Von nicht besserem Erfolg waren seine Bemühungen in Constanz, Ulm und Memmingen. – Zu dem Reichstage von Augsburg hatte er sich ganz besonders gerüstet. Im Auftrage des Herzogs von Baiern hatte er im Verein mit der theologischen Facultät einen Auszug aller ketzerischen Artikel der lutherischen Lehre nebst ihrer Widerlegung zusammengestellt. Vom Kaiser im Verein mit 20 Theologen mit der Beantwortung der evangelischen Confession beauftragt, scheint er davon einen zu weitläufigen Gebrauch gemacht zu haben. Erst der 5. sehr gekürzte Entwurf wurde angenommen. Auch in die Ausschußverhandlungen mit den Evangelischen wurde er entsendet. Er war natürlich der Wortführer der katholischen Partei, wie Melanchthon der der evangelischen. „Wie ein Censor“ billigte oder verwarf er die Vorschläge der Gegner, überzeugt, daß zuletzt doch nur mit dem Schwerte etwas gegen sie zu machen sei. – Die folgenden Jahre widmete er seiner Amtsthätigkeit in Ingolstadt und neben anderen kleineren Schriften der Herausgabe seiner „Opera contra Ludderum“ 1530–1535 und seiner höchst dürftigen Bibelübersetzung 1537. Das Wormser Religionsgespräch (1540) und die Regensburger Reichstagsverhandlungen (1541) riefen ihn noch einmal auf den Kampfplatz. Es war immerhin anzuerkennen, daß er sich trotz seiner Instruction in Worms für seine Person der protestantischen Anschauung in einer Weise näherte, die in Melanchthon mehrfach den Eindruck der Uebereinstimmung hervorrief. Anders allerdings benahm er sich in Regensburg bei den Interimsverhandlungen. Hier brach noch einmal seine alte heftige Natur durch, so daß ein Verkehr mit ihm kaum noch möglich wurde. Eine plötzlich eingetretene Krankheit entzog ihn der ferneren Mitwirkung an einem Werke, das wesentlich auf Grund seines Gutachtens von den Katholiken verworfen wurde. Die alte Streitnatur ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Noch das letzte Jahr vor seinem Tode ist ausgefüllt mit 2 Streitschriften gegen Bucer, in denen er ganz wie in jungen Jahren über seinen Gegner leidenschaftlich herfällt und ihn zur Disputation herausfordert. Aber körperlich war er erschöpft. Erst 53 Jahre alt starb er und wurde in der Frauenkirche zu Ingolstadt beigesetzt.

E. war zweifellos eine bedeutende Persönlichkeit, die wir nicht nur nach den gefärbten Berichten der gegnerischen Zeitgenossen beurtheilen dürfen. Er war der geistesmächtigste Vertreter, den die alte Richtung der neuen gegenüberzustellen [602] vermochte. Aber zu der Größe, welche man ihm neuerdings mehrfach vindicirt, fehlte ihm vor allem zweierlei: die Tiefe und Freiheit des Wissens und die Reinheit des Charakters. Seine Bildung war wesentlich formal. Etwas Neues aus sich zu schöpfen hat er nicht vermocht, wenn es ihm auch nicht an Geschick gebrach, Gegebenes weiter zu entwickeln. Seine sittlichen Mängel haben nicht nur seine Gegner überliefert. Seine Trunksucht, Unkeuschheit, Habsucht und sein rücksichtsloser Ehrgeiz sind nur zu gut verbürgt. Man braucht nur einmal seine Briefe an den treuherzigen Ellenbog zu lesen, um eine Vorstellung von den beiden letzten Eigenschaften zu gewinnen. Im Grunde diente er bei allem, was er that, zu einem guten Theile sich selbst. Auch die Kirche durfte nicht unbedingt auf ihn rechnen. Seine Hingabe an sie stand oft nur zu sehr im Verhältniß zu der Höhe der Belohnungen, die er empfing. Es waren mehr als hingeworfene Aeußerungen, wenn er sich zweimal, besonders ernsthaft, wie es scheint, auf dem Augsburger Reichstage, wegen getäuschter Erwartungen von Seiten seiner Partei den Evangelischen geradezu antrug.

Th. Wiedemann, Dr. Johann Eck. Regensburg 1865. – K. Werner, Geschichte der apologet. u. polem. Litteratur der christl. Theologie. Bd. IV. 1865. – Prantl, Geschichte der Logik IV. S. 284–290. – Derselbe, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität. I. S. 186 ff. II. S. 485. – R. Albert in der Zeitschrift für die histor. Theologie. 1873. S. 382 ff. – D. Köstlin, Martin Luther. 1875. – Chr. Scheurl’s Briefbuch, herausgegeb. von v. Soden u. Knaake. 1867–72. – C. Schmidt, Melanchthon. Elberfeld 1861. – L. Geiger, Nicolaus Ellenbog, in der Oesterr. Zeitschrift für kathol. Theologie. 1870 S. 45–113. S. 161–219.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 596. Z. 7 v. u. l.: Rottenburg. [Bd. 12, S. 795]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: vorwärs