ADB:Spengler, Lazarus
Albrecht Dürer. 1514 übersetzte er das Leben des h. Hieronymus, seines Patrons, ins Deutsche, 1520 veröffentlichte er die allmählich entstandenen „vernünftigen guten Lehren und Unterweisungen“ bestehend in deutschen Abhandlungen, lateinischen Sentenzen und deutschen Reimen zu je einer der Haupttugenden unter dem Titel: „Ermanung und Undterweysung zu einem tugendhaften Wandel von L. S.“ – Von seiner Freundschaft mit dem großen Maler zeugen viele kleinere oder umfangreichere scherzhafte und neckische Gedichte, welche noch erhalten sind. – Zur Entfaltung seiner bedeutendsten [119] Gaben und Fähigkeiten gab ihm indeß erst die Kirchenreformation Gelegenheit. Seine Vaterstadt und deren durch Reichthum und Bildung vor vielen anderen ausgezeichnete Bürgerschaft ward bald nach dem ersten Auftreten Luther’s ein fester Stützpunkt der neuen Bewegung. Hieronymus Ebner, Hieronymus Holzschuher, Christoph Scheurl, Anton Andreas und Martin Tucher, Sigm. und Christoph Fürer, Albrecht Dürer und Lazarus S. bildeten den Kreis feingebildeter und geistvoller Männer, welcher sich um Johann Staupitz während seines Aufenthaltes zu Nürnberg 1512 bis 1516 schaarte und von ihm die ersten Anregungen zur Annahme der evangelischen Lehre empfingen. Nachdem Staupitz Nürnberg verlassen hatte, wurde Wenzeslaus Link, gleich Staupitz Augustiner und Freund Luther’s, Mittelpunkt des Kreises. Man versammelte sich häufig im Augustinerkloster bei Link und dem Prior Volprecht und nannte sich danach gern, wie man früher den Namen Staupitzianer angenommen, jetzt Augustinianer, später Martinianer. Denn durch die Berichte Link’s war man für Luther gewonnen, noch bevor er die Thesen veröffentlichte; und als diese bekannt wurden und Luther auf der Augsburger Reise 1518 Nürnberg zweimal berührte, brachte ihm der Freundeskreis die begeisterteste Theilnahme entgegen. S. aber, den seine sittlich tief angelegte und thatkräftige Natur nicht nur bei Gefühlen und Empfindungen stehen bleiben ließ, trieb es, für den kühnen, vielgeschmähten Wittenberger Augustiner ein tapferes Bekenntniß abzulegen. Er verfaßte die „Schutzred und christliche Antwort aines erbaren Liebhabers göttlicher Warhait der heiligen Geschrifft auff etlicher Widersprecher mit Anzeigung, warumb Doctor Martini Luther’s Leer nitt samer unchristlich verworfen, sondern mer als christenlich gehalten werden soll. Apologia offen für Luther. 1519.“ Aber die Folgen blieben nicht aus. S. wurde gleich Pirckheimer, Luther, Karlstadt u. a. m. von dem Banne getroffen, den Eck als päpstlicher Protonotarius und Nuntius nach der Leipziger Disputation über die Anhänger Luther’s verhängte (September 1520.) So fest standen S. und Pirckheimer noch nicht in der evangelischen Wahrheit, und so sicher war auch ihre Stellung in der Stadt nicht, daß sie es gewagt hätten, dem päpstlichen Spruche zu trotzen. Da alle anderen Versuche, einmal durch die Vermittlung des Bischofs von Bamberg, sodann durch die des Herzogs von Baiern, endlich sogar durch eine unmittelbare Berufung an den Papst von dem Banne loszukommen, sich vergeblich erwiesen, entschlossen sich beide, bei dem verhaßten Gegner selbst um Absolution nachzusuchen. Nach vielen Schwierigkeiten wurde sie ihnen endlich und zwar in der strengsten Form der absolutio simplex d. h. nach Abschwörung der vorgeworfenen Ketzereien und nach Abgabe des eidlichen Versprechens, dem Papste und der Kirche Treue und Gehorsam zu leisten, gewährt (1. Februar 1521). – 1521 wohnte S. im Auftrage des Rathes dem Reichstage von Worms bei und fand dort auch durch Luther’s Beispiel die einen Augenblick ins Wanken gerathene Glaubensfestigkeit wieder. – Sein Bericht von den dortigen Vorgängen ist einer der anschaulichsten und treffendsten, welche wir von jener Begebenheit besitzen. Vor allem sind es der religiöse Kaltsinn und die Völlerei, welche er an Geistlichen wie Weltlichen beklagt: Den „größten Theil des Reichstages und fürnemlich die Zeit der heiligen 40 Tagen der Fasten bis in die Marterwoche“ hätten sie „mit täglichem Panketiren, Trinkhöfen, übermäßigen Spielen und Zutrinken“ zugebracht, und dies sei geschehen „von denen, die solches vor andern billig Scham oder Entsetzen haben sollten, zuvor aber den geistlichsten fürnehmsten Prälaten (weiter will ich nicht gehen).“ Zu einer Mahlzeit habe man „die ganzen Fasten“ hindurch „über 40 Gerichte zum köstlichsten zubereitet“ aufgetragen. Ein vornehmer Geistlicher habe in einer Woche 3400 Gulden, ein anderer Herr hohen Standes in der anderen Nacht „auf ein Mal oder Sitzen bei 60 000 Gulden verspielet, und von dem, der solche Summen gewonnen, [120] dieselbe ganze Summe der 60 000 Gulden einem Andern in ein Schanz oder auf einmal wiederum geschlagen; so haben ihrer etlich von Herrn und von Adel, der 72 gewest, auf eine Nacht in einem gehaltenen Panket 1200 fränkische Maß Weins und darüber ausgetrunken.“ – Natürlich tritt er für Luther gegen Rom und die Vertheidiger des Papstthums ein: „Luther hat sich in diesem Handel so tapfer, christlich und ehrbar gehalten, daß ich meine, die Romanisten und ihre Anhänger sollten viel 1000 Gulden darum geben, daß sie ihn des Orts (Worms) nie erfordert, gesehen oder gehört hätten.“ – Wenn er sich jemals von ihr entfernt hatte, jetzt war er wieder ganz für die Reformation und besonders für Luther gewonnen. Er sendete seinen ältesten Sohn Lazarus zum Studium nach Wittenberg und gab seiner erneuten Glaubenszuversicht einen lebendigen und freudigen Ausdruck in der kleinen Schrift: „Eine trostliche christenliche anweisung und artznei in allen widerwertigkeiten. Qui seminat in lachrimis, in exultatione metet. Nürnbergk 1521.“ Sie war „meiner freundlichen lieben Schwester Margaretha, Jörgen v. Hirnkofens, Pflegers zu Hilpoltstein ehelicher Hausfrauen“ gewidmet und steht völlig auf dem Grunde der evangelischen Glaubenslehre. – Noch tiefer im Evangelium gegründet erscheint seine 1522 zu Wittenberg anonym erschienene Schrift: „Die Hauptartikel, durch welche gemeine Christenheit bisher verführt worden ist, daneben auch Grund und Anzeigen eines ganzen rechten christlichen Wesens.“ Offenbar war sie verfaßt, um auf seine Mitbürger für den im Frühjahr 1522 zu Nürnberg anberaumten Reichstag einzuwirken. Sie darf dem Besten, was in dieser Zeit aus der Feder eines Laien floß, an die Seite gestellt werden und hat, wie es scheint, ihren Zweck erreicht. Auf dem Reichstage, der erst im Herbste 1522 zusammentrat, war die Zahl der Anhänger der neuen Lehre nicht gering, besonders unter den fürstlichen Räthen, welche „des mehreren Theils gut lutherisch“ dachten. Vor allen gehörten dazu das einflußreiche Mitglied des Reichsregimentes, der Jurist Joh. v. Schwarzenberg und die kursächsischen Räthe Hans v. d. Planitz und Philipp v. Feilitzsch, die wie ihr Herr mit der Stadt Nürnberg, insbesondere mit Lazarus S., Kaspar Nützel und anderen Mitgliedern des Rathes auf vertrautem Fuße standen. – Natürlich wirkte die Theilnahme, welche sich auf dem Reichstage von 1522 und 1524 für Luther und die neue Lehre kund gab, auch auf die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse in Nürnberg. Der Reichstagsabschied von 1524 war den Lutheranern noch günstiger als der des Jahres vorher. Weder ein kaiserliches Mandat, noch ein päpstliches Breve, noch endlich der Widerstand des Bischofs von Bamberg vermochten den Lauf der Dinge aufzuhalten. Nürnberg wurde evangelisch und der venetianische Gesandte berichtete kurzweg nach Hause, daß die Stadt für die katholische Kirche verloren sei. – An diesem Umschwunge hatte S. nicht am wenigsten mitgewirkt. Allerdings tritt seine Thätigkeit nicht überall bestimmt hervor; aber gerade an einer der wichtigsten Stellen vermögen wir sie deutlich zu erkennen, nämlich bei der Veranstaltung[WS 1] und Durchführung des Religionsgespräches in Nürnberg (März 1525). S. hatte mit Osiander die 12 Artikel entworfen, welche der Disputation zu Grunde gelegt wurden. Er fungirte mit Scheurl als Vertreter des Rathes und brachte es durch seine Entschiedenheit dahin, daß trotz vorzeitigen Rücktrittes der Katholischen die Verhandlungen zu einem gedeihlichen Ende geführt wurden. Nürnberg erklärte sich damit offen und förmlich für die Reformation. – Auch als Dichter geistlicher Lieder wirkte er auf das Volk. Gerade in der Zeit, als Nürnberg von den ernstesten Gefahren des Bauernkrieges innen und außen bedroht wurde, dichtete er das weit verbreitete Lied: „Durch Adam’s Fall ist ganz verderbt“, welches zuerst in Walther’s geistlichem Gesangbüchlein 1524 erschien und bald eine solche Verbreitung erfuhr, daß es sogar in mehrere fremde [121] Sprachen übersetzt wurde. Weniger bekannt ist das später gedichtete und erst 1535 in J. Klug’s Wittenberger Gesangbuch mitgetheilte Lied: „Vergebens ist all’ Müh’ und Kost’.“ – Natürlich wurde er von seinen Gegnern auf das bitterste gehaßt und geschmäht; und nicht nur von den Päpstlichen, sondern auch zum Theil von bisherigen Freunden, die an manchen Erscheinungen im Gefolge der Reformation ein Aergerniß nahmen; so besonders von B. Pirkheimer, der in seiner Verbitterung nicht müde wurde, S. und Osiander zu verunglimpfen: „Ein stolzer Schreiber ohne alle Ehrbarkeit“ und „ein hoffärtiger Pfaffe ohne alle Erfahrung sollen eine löbliche Stadt wie Nürnberg eigenmächtig regieren“, oder ein andermal: „Ei daß ihr den hochfertigen Pfaffen nit an sein gulden Ketten hängt, und den lasterredenden, ehrabschneidenden Schreiber nit ertränkt … Es wäre besser, die zween Schalk zahlten mit der Haut, denn daß ihr entgelten soll’n so viel frumme Biederleut“; und von S. allein: „Ich wollt Ihr sollt wissen, was der Mann für Händel treibt, würdet ihr euch nit genug können verwundern, wie sich in einem Menschen Wort und Werk so widerwärtig können halten,“ ein Satz, der auf Pirckheimer gerade in jener Zeit eine viel richtigere Anwendung finden konnte, als auf S. – Aber darin stimmten beide überein, daß wer die Schäden der Zeit heilen wolle, für die gute Erziehung der Jugend sorgen müsse. Darum setzte er es mit Hilfe Nützel’s, Ebner’s und Baumgärtner’s bei der Stadt durch, daß man eine gute Gelehrtenschule zu gründen beschloß. S. reiste Anfang 1525 selbst nach Wittenberg, um Melanchthon’s und Luther’s Rath zu erbitten. Auf des ersteren Vorschlag wurde das Schottenstift St. Egidien in ein evangelisches Gymnasium umgewandelt und dieses 1526 von Melanchthon selbst feierlich eröffnet. Bis an sein Lebensende hat S. nicht aufgehört der Anstalt und ihren bedeutenden Lehrern seine hilfereiche Theilnahme zuzuwenden. – Aber auch für das Kirchenwesen wurde er nicht müde zu sorgen; um eine gründliche Neuordnung desselben herbeizuführen. schlug ihm Luther eine Kirchenvisitation vor. Aeußere Umstände kamen der Durchführung derselben zu Hilfe. Da der Markgraf Georg von Brandenburg 1528 in seinen Landen gleichfalls eine Visitation abhalten lassen wollte, machte S. ihm den Vorschlag gemeinschaftlich mit Nürnberg an das Werk zu gehen. Man einigte sich über 23 Visitationsartikel, welche am Mittwoch nach Frohnleichnam 1528 auf dem Convente zu Schwabach beiderseits anerkannt wurden. S. nahm nicht nur an diesem theil, sondern förderte durch seinen Einfluß das oft sehr schwierige Unternehmen auf das eifrigste. – Aber alles, was er in dieser Richtung unternahm, erhielt erst Festigkeit und Dauer durch die von ihm entworfene Kirchenordnung. Sie war wegen der mannigfachen Gegensätze und Widerstände, die besonders von dem ehrgeizigen und hartnäckigen Osiander ausgingen, für Nürnberg schwieriger herzustellen als für das Nachbargebiet. Dennoch gelang es der Ausdauer und Thatkraft Spengler’s die Hindernisse zu überwinden. Ende 1532 wurde die Nürnbergische Kirchenordnung gedruckt und 1533 öffentlich eingeführt. – Durch alle diese Erfolge wuchs sein Ansehen in evangelischen Kreisen mehr und mehr. Sein Rath wurde in fast allen wichtigen Angelegenheiten erbeten. Selbst der Herzog Albrecht von Preußen forderte 1531 sein Gutachten über seine Apologie. Sein besonnenes und gewissenhaftes Urtheil bewährte sich in allen ernsten Fragen. Den Nürnbergern rieth er die Wiedertäufer nicht zu tödten, sondern höchstens auszuweisen (1529). Auf dem gleichzeitigen Nürnberger Convent bestritt er in Schrift und Wort das Recht des bewaffneten Widerstandes der evangelischen Fürsten gegen den Kaiser. „Mit unerbittlicher logischer Schärfe vertrat er die Eidespflicht, die Lehnstreue, den christlichen Gehorsam im Dulden.“ Er stimmte darin mit Luther völlig überein, dessen Lehrmeinung er auch gegenüber den Zwinglianern vertrat. Gerade in den zu diesem Zwecke verfaßten Schriften und Briefen offenbart sich [122] seine Glaubensfestigkeit und seine siegreiche Dialektik. Von einem Versöhnungsversuche zwischen Lutheranern und den Schweizern versprach er sich nichts. Er hat nie seine Hand dazu geboten. – Sein arbeitsreiches Leben verfloß nicht ohne Prüfungen und Trübsal. Seine Gattin starb frühzeitig; sie hatte ihm neun Kinder geboren. Keiner seiner Söhne hat es zu einer bedeutenderen Stellung gebracht. Seine zweite Schwester, Magdalena, war Subpriorin in Weyda, später in Nördlingen und starb als Katholikin 1536. Seiner jüngsten Schwester, Martha, sandte er gleichwie seiner Schwester Margaretha ein herrliches glaubensvolles Trostschreiben, welches noch im Druck vorliegt: „Wie sich ein Christenmensch in Trübsal und Widerwärtigkeit trösten und wo er die rechte Hilf’ und Ertzney deshalben suchen soll. Nürnberg 1529.“ Mit gleicher Liebe wendete er sich an seinen Bruder Georg, der sich in Venedig aufhielt, mit der Schrift: „Ein kurzer Begriff, wie sich ein wahrhafter Christ in allem seinem Wesen und Wandel gegen Gott und seinen Nächsten halten soll. Nürnberg 1525.“ – Nach einem ziemlich beschwerlichen Alter rüstete er sich gefaßt und gläubig auf seinen Tod. Noch ist sein herrliches Glaubensbekenntniß erhalten, das Luther mit einer Vorrede herausgab unter dem Titel: „Bekantnus Lazari Spengler, weyland Syndici der Stadt Nürnberg. Wittenberg 1535.“ S. starb am 7. Sept. 1534.
Spengler: Lazarus S., Rathsschreiber zu Nürnberg und eifriger Förderer der Reformation, wurde am 13. März 1479 zu Nürnberg als das neunte (von 21) Kind seiner Eltern, des Stadtschreibers Georg S. und dessen Gattin Agnes Ulmer, geboren. Schon mit 16 Jahren bezog Lazarus S. die Universität Leipzig um die Rechte zu studiren, kehrte aber nach zwei Jahren, ohne seine Studien vollendet zu haben, nach Hause zurück. Sein Vater war gestorben, und bei der großen Zahl seiner Geschwister und dem Mangel an Mitteln war an eine Rückkehr zur Universität nicht zu denken. Um bald zu Brot für sich und die Seinen zu kommen, trat er in die Rathskanzlei seiner Vaterstadt und erhielt 1507 das arbeitsreiche und verantwortungsvolle Amt eines vordersten Rathsschreibers. 1516 erfolgte seine Aufnahme unter die Genannten des großen Rathes und damit erweiterte sich sein schon bisher bedeutender Einfluß in dem Grade, daß in allen wichtigeren Angelegenheiten der Stadt, ganz besonders bei der Theilnahme derselben an den religiösen Neuerungen nichts ohne seinen Rath unternommen wurde. Es war ein fleißiger, gewissenhafter und charaktervoller Mann, der den Zeichen der Zeit mit Aufmerksamkeit folgte und mit richtigem Verständniß ihre Weisungen erkannte. Trotz stetig wachsender Arbeit im Amte fand er noch Muße zu litterarischen Beschäftigungen und zu heiterem und anregendem Verkehr mit gleichgesinnten Freunden, insbesondere mit- Vgl. Th. Pressel, Lazarus S., Elberfeld 1862. – J. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes. Bd. II. Freiburg 1882. S. 89 u. 350. – Fr. Roth, die Einführung der Reformation in Nürnberg 1517–28. Würzburg 1885. – K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. 2. Aufl. 1886. Bd. II., S. 178.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Verananstaltung