ADB:Holzschuher, Rudolf Sigmund Freiherr von

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Artikel „Holzschuher, Rudolph Sigmund Freiherr von“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 32–34, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holzschuher,_Rudolf_Sigmund_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 00:48 Uhr UTC)
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Holzschuher: Rudolph Sigmund Freiherr v. H. (Holtzschuher), v. Harrlach, Vestenbergsgreuth und Thalheim; Jurist, geb. am 22. Januar 1777 zu Nürnberg, gest. dortselbst am 20. Juli 1861. Reich an Ehren, reich an Verdiensten ist die Familie der Holzschuher, welche zu dem ältesten Patriziate Nürnbergs gehört; denn schon zu Anfang des 12. Jahrh. wurde Lorenz H. in der dortigen Sebaldkirche bestattet, eine Ehrenbezeigung, welche damals nur angesehenen, rittermäßigen Personen zu Theil wurde. Die fortlaufende Stammreihe eröffnet Siegfried H. welcher 1272 das Zeitliche segnete; Carl V. gewährte mit Urkunde vom 28. Sept. 1547 auf dem Reichstage zu Augsburg, welchem Hieronymus H. als Botschafter seiner Vaterstadt anwohnte, dem Geschlechte alle Edelmannsfreiheiten und bestätigte die 1503 erfolgte Wappenmehrung. Martin II. († 1476) wurde Stammvater der älteren grünen oder Sigismund’schen, Georg I. († 1526) der jüngeren grünen oder Veit’schen Linie, welch’ beide Linien heute noch blühen, und mit den angesehensten Familien Süd- und Mitteldeutschlands versippt sind. Rudolph Sigmund Freiherr v. H. stammt von ersterer, und war in späteren Jahren Senior der Familie. Sein Vater Joh. Karl Sigmund v. H. geb. 5. Oktober 1749, Senator und (1793) jüngerer Bürgermeister, galt als feingebildeter Mann, der seine Nebenstunden literarischen Arbeiten widmete. Der Sohn, Rudolph Sigmund erregte schon als Knabe durch „Lerneifer sowie durch schnelle Beurtheilungs- und Fassungskraft“ die Aufmerksamkeit seiner Lehrer; Ostern 1795 bezog er die reichsstädtische Hochschule zu Altdorf; dort trieb er hauptsächlich Fichte’sche Philosophie, und schrieb die 1796 zu Augsburg erschienenen „Philosophisch-moralischen Gedanken über einige der wichtigsten Gegenstände des menschlichen Denkens. Das Studium der verschiedenen philosophischen Systeme beschäftigte ihn noch im reiferen Mannesalter; erst gegen sein Lebensende wandte er sich einer strengpositiven Richtung zu. In Jena, wo H. 1797 immatrikulirt wurde, hörte er Fichte, Walch, Hufeland; vollendete jedoch seine juristischen Studien in Altdorf; dort promovirte er auch am 25. April 1799 als Doktor beider Rechte, aus welchem Anlasse der hocherfreute Vater dem „geliebten Sohne“ ein durch den Druck veröffentlichtes Gedenkblatt widmete. Die großen politischen Ereignisse, welche sich zu Anfang dieses Jahrhunderts in Deutschland theils vorbereiteten, theils vollzogen, der Verfall der reichsstädtischen Gemeinwesen, die Auflösung des Reiches, der Uebergang Nürnbergs an die Krone Baiern, die Entfaltung ständischen Lebens in den Mittelstaaten, – all’ diese Ereignisse hat H. im Mannesalter miterlebt; er ist ihnen aber nicht als stummer Zuschauer gefolgt, sondern hat an denselben wenn auch nur mittelbar und untergeordnet thatsächlich Antheil genommen. Zunächst widmete er seine Thätigkeit seiner Vaterstadt, dann im Landtage seinem neuen Heimathlande, und als ihm die Freude am politischen Leben getrübt wurde, da schrieb er mit deutscher Gründlichkeit für den deutschen Juristen seine „Theorie und Casuistik des gemeinen Civilrechts“. Um Holzschuher’s vielseitige Thätigkeit für das öffentliche Wohl im Einzelnen zu verfolgen, wird auf den Ausgangspunkt zurückzugreifen sein, auf die durch Rathsdekret vom 2. April 1799 erfolgte Ernennung zum Advokaten. Damals veröffentlichte er u. A. die Flugschrift: „Ein prüfender Blick auf die neuesten inneren Staatseinrichtungen Nürnbergs gerichtet von einem Vaterlandsliebenden Bürger“ 1801, 8°, in der er die mißliche Finanzverwaltung seiner Geburtsstadt offen darlegte; er lud hiedurch den schweren Unwillen der kais. Subdelegation auf sich, und wurde sogar in Untersuchung gezogen, diese jedoch durch Reichshofrathsdekret vom 8. Juli 1803 niedergeschlagen. Trotz [33] oder vielleicht wegen dieses Vorganges ernannte ihn der Magistrat allerdings gegen den Einwand des genannten Collegiums bereits im folgenden Jahre zum Stadtsyndikus und am 2. März 1805 zum reichsstädtischen Consulenten. Als solcher war er häufig mit Strafsachen befaßt, und genoß wegen seiner criminalistischen Kenntnisse große Vertrauen. Diese Umstände brachten ihn mit dem Buchhändler Johann Philipp Palm in vorübergehende Beziehung. Als nämlich Letzterer im August 1806 wegen Verbreitung der Schrift: „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“ durch List in Nürnberg verhaftet worden war, bat die unglückliche Familie H. um seinen Rechtsbeistand zur Rettung des schwer Gefährdeten. H. fuhr mit Palm ins französische Hauptquartier nach Ansbach, wurde jedoch von Marschall Bernadotte nicht vorgelassen, und erkannte alsbald, daß Palm’s Schicksal bereits entschieden sei. Trotzdem beruhigte er ihn über seine Zukunft, und versah ihn mit Geldmitteln zum Transport nach Braunau, wo der Unglückliche wenige Tage später – am 26. Aug. Nachm. als Opfer französischer Militärjustiz in Deutschland erschossen wurde. In demselben Jahre kam durch die Rheinbundsacte Nürnberg mit seinem gesammten Gebiete an die Krone Baiern, und sollte auf Vorschlag der angeordneten Spezialcommission die damals zu 2% verzinste Nürnberger Staatsschuld mit nur 50% des Capitals übernommen werden. Die Mehrzahl der Staatsgläubiger hatte durch die Verhältnisse gedrängt beigestimmt; v. H. überreichte als Mandatar eines Theiles der Nürnberger Staatscreditoren der baierischen Regierung eine Vorstellung, welche in 50 Paragraphen mit juristischer Schärfe die für Vollzahlung der Schuld sprechenden Rechtsgründe entwickelte; und es ist vornehmlich Holzschuher’s Bemühungen zuzuschreiben, daß man auf dem ersten baierischen Landtage durch Gesetz vom 22. Juli 1819 die volle Nürnberger Staatsschuld zu einem integrirenden Theil die baier. Landesschuld erhob, wodurch den betheiligten Gläubigern – darunter mehrere Stiftungen – an 10 Millionen Gulden (also gegen 17 Mill. M.) gerettet wurden. Von nun an beginnt Holzschuher’s parlamentarische Thätigkeit. Die Adeligen des Rezatkreises wählten ihn 1825, 1831 und 1837 in die Kammer der Abgeordneten, die Wahl von 1831 lehnte er ab, dagegen entwickelte er während der beiden anderen Sessionen rege Thätigkeit bei allen Justiz- wie Finanzfragen, erstattete u. A. über die bekannte Prozeßnovelle von 1837 „einige Verbesserungen in die Gerichtsordnung betr.“ Vortrag, und schrieb in 2 Bänden eine „Geschichte des baierischen Landtages vom Jahre 1825“. Der erste Band (1826) hat das Budget und Staatsschuldwesen, der zweite (1827) die Nationalökonomie und die Justizgesetzgebung zum Gegenstande. Das Werk gibt Zeugniß für den eindringenden, praktischen Verstand des Verfassers und ist ein werthvoller Beitrag zur Geschichte der Landstände, welche so umfassend wie in Baiern in keinem anderen deutschen Lande bearbeitet wurde. Als die Regierung dem 1847 Wiedergewählten den Urlaub zum Eintritt in die Kammer versagte, zog sich H. vom politischen Leben zurück, und fand hiefür Ersatz in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen. Im genannten Jahre veröffentlichte er den 3. Band (Obligationenrecht) seiner umfassend angelegten „Theorie und Casuistik des römischen Rechts, Leipzig, 1843–54, 8°“, welche in Form von Fragen und Antworten die wissenschaftlichen Ergebnisse zweifelhafter Rechtsfragen mit Hinweisung auf die Literatur möglichst vollständig darlegt. Die Zielpunkte der Arbeit liegen sohin nicht in einer Fortbildung der Rechtswissenschaft, sondern in der Zusammenstellung deren gegenwärtigen Zustandes für den Praktiker; und so fand das Werk wegen seiner Gründlichkeit, seiner zweckmäßigen Anordnung und seines Citatenreichthums in den Gerichtshöfen raschen Eingang, erschien 1856 und 57 in verbesserter Auflage, und wurde nach des Verfassers Tode von Dr. J. E. Kuntze 1865 neu bearbeitet und vermehrt herausgegeben. [34] Im Greisenalter erinnerte Holzschuher’s äußere Erscheinung an seinen Ahnherrn, den Septemvir (1526) Hieronymus v. H., welchen Dürer’s Meisterhand in jenem Gemälde verewigte, das für alle Zeiten das erste Porträtbild der deutschen Schule bleiben wird. Obwol einem der vornehmsten, zum Regimente des Freistaates berufenen Geschlechter angehörend kannte H. keine Standesvorurtheile; wie wenige seiner Genossen hatte er sich von den in der Jugend eingesogenen politischen Anschauungen losgelöst und den Geist der neuen Zeit erfaßt. Als er aufgefordert wurde, einem in Nürnberg gegründeten Adelsclubb beizutreten, erwiderte er lächelnd: „An einem baufälligen Hause baue ich nicht mehr mit“. Nach angestrengter Tagesarbeit verkehrte er gerne mit schlichten Bürgern. Für alles Erhabene noch im vorgerückten Mannesalter erglühend konnte er sich mit der Wärme und der Lebendigkeit eines Jünglings in die Erinnerungen seiner reichen Vergangenheit vertiefen. So blieb sein Umgang ein gern gesuchter, während sein Charakter wegen seiner Biederkeit allgemein hoch verehrt wurde.

(Ueber die Familie H.) Gatterer, Hist. geneal. dom. Holzschuherorum.Kneschke, Adelslexikon B. 4, S. 466–68. – (Ueber den Vater Joh. K. Sigm. H.) Will’s Nürnb. Gel.-Lex. fortges. v. Nopitsch, B. 6, S. 124 bis 128. – (Ueber Rud. Sig. H.) Will a. a. O. 128. – Kiefhaber’s Anzeigen, Jahrg. 1800 und 1801. – Mohl, Gesch. d. Staatswissenschaften, B. 2, S. 359. – Der aus verwandschaftl. Feder stammende Nekrolog im Nürnb. Correspondenten, Jahrg. 1861, N. 398, 400. Verh. der K. d. Abgeordn. f. d. J. 1837, Beil. B. 3, 6, 12.