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Artikel „Peutinger, Konrad“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 561–568, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Peutinger,_Conrad&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:32 Uhr UTC)
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Peutinger: Konrad P., Stadtschreiber zu Augsburg und Humanist, geb. am 15. October 1465 zu Augsburg, † daselbst am 28. December 1547. P. stammte aus einem, seit dem Jahre 1288 zu Augsburg angesessenen Bürgergeschlecht. Obwohl sein Vater, Johann P., frühzeitig starb, wurde dem Knaben doch eine vortreffliche Erziehung zu Theil. Allerdings fehlen uns über die Zeit, die er lernend in der Vaterstadt verbrachte, jegliche Angaben. Dagegen steht es nach einer eigenhändigen handschriftlichen Bemerkung Peutinger’s fest, daß er im J. 1482 sich zu Padua aufhielt, um dort Jurisprudenz zu studiren. Seine Lehrer waren daselbst unter anderen Matthäus Collatius, Hermolaus Barbarus, Petrus Marcus und Jason de Mayno. Von Padua wandte er sich nach Bologna, wo er Philippus Bervaldus hörte, und nach Florenz, wo er sich an Picus v. Mirandula und Angelus Politianus anschloß. In Rom gehörte er zu den Schülern des Pomponius Laetus und wurde offenbar durch ihn für die Beschäftigung mit den Inschriften gewonnen. Auch gelang es ihm, den damaligen Papst Innocenz VIII., sowie den späteren Papst Alexander VI., welcher in jenen Jahren noch Cardinal war, „anzusprechen“. Wann er nach Augsburg zurückkehrte, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Jedesfalls war er im J. 1488 wieder in Deutschland, da wir ihn im Juni dieses Jahres als in Aachen befindlich nachweisen können. Hier hörte er, daß König Max von den Bürgern zu Brügge aus der Haft entlassen sei, und meldet diese freudige Nachricht sofort dem Kanzler des besorgten Kaisers Friedrich III.. Bald darauf trat P. in die Dienste seiner Vaterstadt, indem er am 11. Decbr. 1490 zunächst auf vier Jahre als der „Stadt Diener“ aufgenommen wurde, und zwar gegen ein Jahrgeld von 100 fl. Nach Verlauf derselben wurde er aufs Neue angestellt, man weiß nicht, in welcher Eigenschaft. Seine eigentliche Berufung zum Stadtschreiber auf Lebenszeit erfolgte nämlich erst am 9. September 1497. Er erhielt für seine Bemühungen einen Sold und Hauszins von 240 fl. rhn. „sampt dem, was mir von Briefen zu schreiben gefallen wirdet.“ Seine Thätigkeit in dieser Stellung war eine ungemein umfassende, harrt jedoch noch immer einer eingehenden Darstellung, welche ohne eine erneuerte Durchforschung der Acten im Augsburger Rathsarchiv nicht ausführbar ist, denn die fleißige Arbeit Herberger’s berührt nur einen Theil derselben, soweit nämlich P. im Dienste der Stadt mit Kaiser Maximilian I. in Beziehung trat. Als Stadtschreiber hatte P. zunächst die Rathsprotokolle zu besorgen, die Acten in Ordnung zu halten, die eingelaufenen Schreiben zu [562] beantworten und die Kauf- und Schuldbriefe auszufertigen. Aber auch die schwierigeren Rechtsfälle gingen durch seine Hand. An der im Jahre 1507 neu erlassenen Ordnung des Stadtgerichts hatte er z. B. den größten Antheil. Hervorzuheben ist auch sein warmes Interesse für die gerade in Augsburg zu seiner Zeit immer bedenklicher werdende Frage der Armenpflege. Er bekundete dasselbe unter anderem durch die im Jahre 1524 von ihm besorgte Uebersetzung einer Schrift des Oecolampadius über die Vertheilung der Almosen. (Von vßeylung des Almusens, erstmals von Joanne Oecolampadio in Latin beschribben, vnd yetz durch doctorn Chunradum Peutinger von Augspurg vertütschet … M D XXIIII. Basel, durch Andreum Cratandrum M D XXIIII 8°. Die höchst seltene Schrift befindet sich auf der königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden.) Wichtiger noch als diese Thätigkeit für die inneren städtischen Angelegenheiten erscheint Peutinger’s Vertretung ihrer Interessen nach außen hin. P. führte sowohl im Auftrage des Rathes als in dem des schwäbischen Bundes eine Menge Gesandtschaften aus. So war er im Jahre 1491 in Rom, um von dem päpstlichen Hofe die Erlaubniß, Bürgersöhne in das Domcapitel aufzunehmen, zu erwirken. Wahrscheinlich erlangte er auf dieser Reise zu Padua den Doctorgrad, den er jedesfalls nicht schon am Schlusse seiner italienischen Studienzeit erworben hatte. Da seine Mission ohne Erfolg blieb, ging er nach Linz, um bei Maximilian Hülfe zu suchen. 1496 wurde er auf den Reichstag nach Lindau geschickt. 1499 war er Abgesandter des schwäbischen Bundes zu Tübingen und Reutlingen. Ueber den Verlauf des im gleichen Jahre abgehaltenen Bundestags zu Eßlingen, auf welchem die Ordnungen des Bundes neu festgestellt wurden, erstattete er einen eingehenden Bericht, der nur wenigen hochgestellten Persönlichkeiten zugänglich gemacht wurde. Im folgenden Jahre kaufte er für den Kaiser das Meutingsche Haus in Augsburg, während er ihm 1502 bei Errichtung des Kammergerichts beigegeben war und in seinem Namen die Gesandten Spaniens und der Republik Venedig zu begrüßen hatte. Als Maximilian 1504 wieder nach Augsburg kam, nahm P. bereits eine solche Vertrauensstellung bei ihm ein, daß er wagen durfte, ihn durch sein vierjähriges Töchterlein Juliane in einer lateinischen Rede begrüßen zu lassen. 1505 folgte er dem Kaiser im Auftrage des Rathes zum Reichstag nach Köln. 1506 finden wir ihn wieder bei Maximilian in Graz, von wo er ihn nach Wien und Ungarn begleitete. Seine damalige Aufgabe löste er in überaus glänzender Weise, indem er drei wichtige Privilegien für Augsburg zu gewinnen wußte: die Freiheit de non appellando, die Freiheit, daß auch die kaiserlichen Diener der Stadt zinspflichtig sein sollten, und die Freiheit, daß diejenigen, welche das Bürgerrecht aufgaben, in Jahresfrist ihre liegenden Güter verkaufen und drei Nachsteuern bezahlen mußten. Als Maximilian im J. 1507 von den Kaufleuten zu Augsburg, Nürnberg, Memmingen und Ravensburg ein hohes Anlehen zum Romzuge verlangte, gelang es P., sie wenigstens gegen ähnliche Forderungen für spätere Zeit sicher zu stellen. Ueberhaupt scheute er sich nicht, gelegentlich den Kaiser, der ein säumiger Schuldenzahler war, an seine Verpflichtungen zu mahnen, und seinen Einfluß bei ihm zu Gunsten der großen Augsburger Handelshäuser, namentlich des ihm verwandten der Welser, geltend zu machen. 1513 reiste er in die Niederlande, um auf Befehl des schwäbischen Bundes beim Kaiser die Bestrafung Götz’s von Berlichingen zu beantragen. 1517 war er in München, wo es ihm gelang, den Streit, der zwischen Augsburg und Baiern wegen der Lechuferbauten entstanden war, zu schlichten. Neben diesen Reisen im Dienste der Stadt verwandte ihn jedoch Kaiser Max ebenso häufig in seinen eigenen Angelegenheiten, indem er Peutinger’s Geschicklichkeit nicht nur für seine politischen Geschäfte, sondern auch für seine privaten künstlerischen und wissenschaftlichen Neigungen [563] in Anspruch nahm. So hatte P. für die großen Prachtwerke, welche Maximilian’s Ruhm in aller Welt verbreiten sollten, fortwährend die nöthigen Künstler zu beschaffen, während ihm über die Ausführung des kaiserlichen Grabmals zu Innsbruck geradezu die beaufsichtigende Oberleitung anvertraut wurde. Es war daher nur eine billige Anerkennung seiner Verdienste und der entsprechende Ausdruck des thatsächlichen Sachverhalts, wenn ihn Maximilian zum kaiserlichen Rath ernannte, um so mehr, als P. niemals seinen eigenen Vortheil, sondern stets nur den Nutzen der Stadt und die Sache selbst im Auge hatte. Merkwürdiger Weise aber hat P. sich dieses Titels weder in seinen Schriften noch in seinen Briefen jemals bedient, während er es nie unterläßt, von seinem Doctortitel Gebrauch zu machen. Eines ähnlichen Ansehens erfreute er sich auch bei den übrigen Fürsten des Reiches; vor allen aber erwies sich ihm der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, stets als ein wohlwollender Gönner.

Der Tod Kaiser Maximilian’s bedeutete daher für P. einen schweren Verlust. Doch war er nicht in der Lage, sich den Pflichten seines Amtes zu entziehen, sondern sah sich vielmehr unter den immer schwieriger werdenden Verhältnissen erst recht in Anspruch genommen. Zunächst beschäftigten ihn die Angelegenheiten des schwäbischen Bundes, welcher sich gegen die Uebergriffe des Herzogs Ulrich von Würtemberg zur Wehr setzen mußte, in ungewöhnlichem Maße. Bald darauf empfing er die Weisung, sich zu dem neuen Kaiser Karl V. nach Brügge zu begeben, um denselben im Namen der Stadt zu begrüßen und ihm für den der Stadt betreffs des Blutbannes ertheilten Freiheitsbrief zu danken. Für den Reichstag zu Worms unterbreitete er dem Kaiser eine Reihe von Vorschlägen, welche den Ständen des Reiches vorgelegt werden sollten. Er war selbst auf dem Reichstage anwesend und erhielt am 21. Mai 1521 vom Kaiser nicht nur die Bestätigung aller bereits bestehenden Privilegien der Stadt Augsburg, sondern auch die Verleihung einer neuen Münzgerechtigkeit, gegen welche der Bischof Stadion vergeblich die Intervention des schwäbischen Bundes in Bewegung setzte. Welche bedeutende Wirksamkeit P. in Sachen der von Luther ausgegangenen Reformation während dieses Wormser Reichstages ausübte, und wie er Luther zum Widerruf zu bewegen suchte, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Seine vermittelnde Haltung trug ihm jedoch nur Unannehmlichkeiten zu. In Augsburg erregte dieselbe die größte Unzufriedenheit und man erzählte sich, P. sei von den Päpstlichen bestochen und habe als Lohn eine gute Pfründe zu Wege gebracht. Die Unruhen des Bauernkrieges und die in engem Zusammenhang mit dieser Bewegung stehende Zusammenrottung der radicalen Partei in Augsburg, brachten P. eine neue, nur schwer zu bewältigende Last von Geschäften, da die peinliche Untersuchung gegen die Verschwörer größtentheils in seinen Händen lag. (Ein officieller Bericht Peutinger’s über den von dem Barfüßermönch Johann Schilling in Scene gesetzten Aufstand des Jahres 1524 befindet sich im Augsburger Rathsbuch ad annum 1524. Vgl. Friedrich Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte 1517 bis 1527, München 1881, S. 127.) Ganz ähnlich erging es ihm einige Jahre später, als es galt die Wiedertäufer, die sich in Augsburg bedenklich ausgebreitet hatten, zu bekämpfen. Auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1530 brachte P. im Namen der Stadt die entschiedene Erklärung gegen den bekannten, den Protestanten feindlichen Reichstagsabschied vor. Doch konnte er sich einige Jahre später nicht entschließen, das eigenmächtige Vorgehen des Raths in Religionssachen gut zu heißen. Er behandelte die ihm vorgelegte Frage, ob die Stadt berufen sei, in Religionssachen Aenderungen vorzunehmen, in einer umfassenden Denkschrift im verneinenden Sinne, indem er die ungeduldigen Neuerer auf ein allgemeines Concilium verwies. Da seine Vorschläge kein Gehör mehr [564] fanden und er auch sonst mancherlei Zurücksetzung erfahren mußte, entschloß er sich, von einer weiteren Betheiligung an den öffentlichen Geschäften abzusehen. Der erbetene Abschied wurde ihm im Jahre 1534 in allen Ehren bewilligt, indem er mit einer Verehrung von 600 fl. in Gold entlassen wurde und den Fortbezug seines bisherigen Gehaltes zugesichert erhielt. Eine weitere Auszeichnung für seine Verdienste wurde ihm im J. 1538 durch Verleihung des Patriciates zu Theil. Seit seinem Austritt aus dem Amte lebte P. nur noch seinen wissenschaftlichen Studien, von deren Weiterführung ihn der Tod am 28. December 1547 abrief. Wenige Tage vorher hatte ihn noch Kaiser Karl V. durch Erhebung in den erblichen Adelstand erfreut. (Die darüber ausgefertigte Urkunde vom 1. December 1547 ist mitgetheilt von Zapf in den Litterarischen Blättern, Nürnberg 1803, Nr. V, Sp. 64–78.)

So umfassend und erfolgreich auch Peutinger’s Thätigkeit im Dienste seiner Vaterstadt war, so beruht doch sein Ruhm nicht in erster Linie auf ihr, sondern auf dem, was er als humanistisch gebildeter Gelehrter für die Wissenschaft und Kunst seiner Zeit geleistet hat. Aber auch auf diesem Gebiete muß eine Schilderung seiner Verdienste unvollständig bleiben, vor allem deßhalb, weil nur ein kleiner Theil seiner wissenschaftlichen Arbeiten durch den Druck bekannt geworden ist, während der andere größere noch der Veröffentlichung harrt. Wir besitzen nicht einmal eine vollständige Sammlung seiner ausgebreiteten Privatcorrespondenz und müssen annehmen, daß eine solche nicht nur eine Menge bisher übersehener wissenschaftlicher Beziehungen aufdecken, sondern überhaupt zu den lehrreichsten der Zeit gehören würde. Hielt sich doch P. in seinen Briefen möglichst frei von dem Phrasenthum seiner humanistischen Zeitgenossen, da es ihm weniger um den wohlgefälligen Ausdruck, als vielmehr um die Sache selbst zu thun war. Er hatte sich für seine amtlichen Schreiben einen trockenen, geschäftsmäßigen Ton angewöhnt und übertrug denselben auch auf seine privaten Briefe, an denen der reiche Inhalt wohlthuend berührt. Peutinger’s Interesse für die Wissenschaft galt aber nicht etwa nur einer einzelnen Disciplin derselben, sondern erstreckte sich auf fast alle ihre Zweige. Als Jurist hatte er sich eine tüchtige Kenntniß des römischen Rechtes erworben. Ulrich Zasius zählte ihn daher zu der geringen Zahl derjenigen, die mit richtigem Verständniß in das Wesen des römischen Rechtes eingedrungen wären und erfolgreich für dessen Verbindung mit dem einheimischen gewirkt hätten. Gleichwohl war P. im Stande, ein dreijähriges Mädchen lebendig begraben und einen zwölfjährigen Knaben enthaupten zu lassen, weil gegen sie die Anklage des Mordes erhoben worden war. (Eine bisher übersehene Schrift Peutinger’s zur Geschichte der Jurisprudenz, die ohne eigentlichen Titel 1529 zu Wien erschien, findet man abgedruckt im Neuen literarischen Anzeiger 1807, Nr. 50, Sp. 790–797.)

Viel mehr als die Jurisprudenz fesselte jedoch P. die Beschäftigung mit geschichtlichen und antiquarischen Forschungen. Diese gemeinsame Lieblingsneigung war es vornehmlich, die ihn mit Maximilian I. verband. P. hatte bei seinem Aufenthalt in Italien die Bedeutung der Inschriften für die geschichtliche Erkenntniß kennen gelernt. Seine Vaterstadt Augsburg bot ihm hinreichend Material in dieser Beziehung, und er ließ sich es angelegen sein, alle nur erreichbaren Fragmente altrömischer Inschriften zu sammeln und sie in einem besonders dazu bestimmten Hofe seines Hauses aufzustellen. Im J. 1505 ertheilte ihm Maximilian den Auftrag, diese Inschriften zu veröffentlichen, und so erschien denn im gleichen Jahre die erste bei Erhard Ratold gedruckte Sammlung dieser Art in Deutschland unter dem Titel: „Romanae vetustatis fragmeta in Augusta Vindelicorum et ejus dioecesi“. Allerdings umfaßte das Werk nur 22 Inschriften, doch setzte P. seine Sammlung unermüdlich fort, wobei [565] er durch den Kaiser beständig unterstützt wurde, der ihm zahlreiche Münzen und Inschriften, nicht minder auch alte Handschriften als „Beutepfennige“ zugehen ließ. Die zweite, vermehrte und besser ausgestattete Ausgabe dieser Inschriftensammlung erschien 1520 bei Schöffer in Mainz, während die späteren Ausgaben von Marx Welser besorgt wurden. Vgl. Corpus inscriptionum latinarum, vol. VI, pars I (Berlin 1876), p. XLVII und vol. III, pars I, p. XXXI, wo auf die handschriftlich von P. hinterlassenen Inschriftensammlungen, die sich weit über das Augsburger Gebiet hinaus erstrecken, hingewiesen ist.

Als P. sich 1506 bei Maximilian zu Klosterneuburg aufhielt, ertheilte ihm dieser den Auftrag, in Gemeinschaft mit den kaiserlichen Räthen die alten Briefe des Hauses Oesterreich zu berichtigen und einen Auszug daraus zu veranstalten. Zu diesem Zweck wurde ihm ein eigenes Gemach in der Wiener Hofburg eingeräumt, wohin „sein Maiestat von allen orten Cronica vnd historien bringen lassen“. P. verwandte drei Monate auf diese Aufgabe, sah sich aber durch dringende politische Geschäfte an ihrer Durchführung verhindert. Ebensowenig kam das Unternehmen des sogenannten „Kaiserbuches“, einer Art von Regestensammlung, zu Stande, obwol P. auf seinen vielen Reisen und durch zahlreiche schriftliche Anfragen eifrig für dasselbe thätig war. Es haben sich nur einzelne auf der Augsburger Stadtbibliothek aufbewahrte Fragmente erhalten. Wahrscheinlich hat P. auch Aufzeichnungen über die Geschichte seiner Zeit, namentlich über die Ereignisse in seiner Vaterstadt, hinterlassen, wozu ihn ja schon seine amtliche Stellung veranlassen mußte. Unter seinen Freunden wenigstens hatte sich die Nachricht davon verbreitet, wie eine Stelle in Scheurl’s Briefbuch beweist; doch bedürfen die verschiedenen P. zugeschriebenen handschriftlichen und gedruckten Chroniken noch eingehender Untersuchung, ehe seine Autorschaft als gesichert gelten kann.

Es war natürlich, daß P. auch auf seine nähere Umgebung anregend für die geschichtlichen Studien wirkte. Er brachte in Augsburg nach dem Muster der rheinischen gelehrten Gesellschaft eine ähnliche zu Stande, deren Mitglieder sich aus Geistlichen, Rathsherren und hervorragenden Bürgern zusammensetzten. (Leider liegt ihre Geschichte noch sehr im Dunkel; man kennt nur die Zahl und die Namen ihrer ersten Mitglieder, weiß aber nichts über die Dauer ihres Bestandes, noch über die Männer, welche ihr etwa später beitraten. Lotter, der Biograph Peutinger’s, hatte einst die Absicht, ihre Geschichte zu schreiben, mußte sie aber aus Mangel an Material wieder aufgeben. Vgl. Zapf im Neuen literarischen Anzeiger 1807, Nr. 8, Sp. 113–118.) Ihre Hauptaufgabe bestand in der Herausgabe und Bearbeitung wichtiger Quellenschriften. P. besaß selbst eine reiche Sammlung deutscher Geschichtsquellen und war mit Hilfe der Gesellschaft auf ihre Edition bedacht. Im J. 1496 hatte er die Ursperger Chronik entdeckt, deren erste Ausgabe im J. 1515 durch seinen Freund Johannes Mader (Foeniseca) veranstaltet wurde. An der Drucklegung des von Celtes aufgefundenen Ligurinus (1507) hatte P. einen wesentlichen Antheil, während er Beatus Rhenanus zu der Edition des Procopius anregte. 1515 erschien, von ihm trefflich bearbeitet, „Jordanis de Rebus Geticis“ und noch in demselben Jahr eine Ausgabe von Pauli Diaconi historia Langobardorum“. Dagegen scheint seine Ausgabe des Macrobius: „de somno Scipionis“ nicht fertig geworden zu sein. Ebenso scheint die Ausgabe des Antonius Musa und des Apulejus Celsus „de herbarum medicaminibus“, mit der sich P. bereits im J. 1513 beschäftigte, unvollendet geblieben zu sein, obwol Michael Hummelberg noch im J. 1525 an Beatus Rhenanus meldet, daß P. diese Schriften veröffentlichen werde. (Vgl. auch Hummelberg’s Schreiben an Rhenanus vom 29. Juni 1531.) Daß die von Celtes entdeckte und P. geschenkte tabula Peutingeriana erst spät nach seinem Tode veröffentlicht wurde, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Von [566] hohem Interesse für die Beurtheilung von Peutinger’s kritischer Befähigung sind seine 1506 veröffentlichten „Sermones convivales de mirandis Germaniae antiquitatibus“. Die umfangreichste Untersuchung in dieser Schrift behandelt im Anschluß an Wimpfeling’s Forschungen die Frage nach den alten Grenzen Galliens und Germaniens, als deren Ergebniß die Behauptung erscheint, daß die Städte diesseits des Rheins von Köln bis Straßburg und einige andere Städte von Cäsar’s Zeit an und schon früher nicht den Galliern, sondern deutschen Königen und nachher den römischen Kaisern unterworfen waren. Als Beweis dienen zumeist Stellen römischer Autoren, in denen sich P. sehr bewandert zeigt; gleichzeitig müssen aber auch modernere Geschichtschreiber herhalten, wobei es passirt, daß auch die Autorität des falschen Berosus angerufen wird. Hingegen zweifelt P. stark an der Echtheit des von seinem Freunde Trithemius aufgebrachten Hunibald, und Gaguinus erfährt die ihm gebührende Zurechtweisung. Gelegentlich kehrt sich P. auch gegen seinen ehemaligen Lehrer Pomponius Laetus, dessen Behauptung, daß die Buchdruckerkunst längst den Italienern bekannt gewesen und von den Deutschen nur neu entdeckt worden sei, seinen patriotischen Zorn erregt. Viel kürzer wird die Frage erörtert, ob der Apostel Paulus verheirathet gewesen sei. P. entscheidet sich unter Berufung auf eine Stelle in dem Briefe des Ignatius Martyr an die Philadelphier für die Bejahung derselben, war also kühn genug, seine eigene Meinung der Tradition der Kirche entgegen zu setzen. Allerdings mußte er um dieses Vorgehens willen den Angriff eines Mönches erfahren, was ihn jedoch nicht hinderte, sich in dem Streite Reuchlin’s und Pfefferkorn’s auf die Seite des ersteren zu stellen. Ebenso zeigte er ein ungemein lebendiges Interesse für die Sache der Reformation und die kirchlichen Fragen der Zeit. Mit Eifer lag er patristischen Studien ob, was die zahlreichen Randbemerkungen der in seinem Besitze befindlich gewesenen Ausgaben der Kirchenväter beweisen. Offenbar hielt Kaiser Maximilian auch in dieser Beziehung große Stücke auf P., denn als er auf den Einfall kam, in besonderen, für das Verständniß des gemeinen Mannes geeigneten Schriften die Geheimnisse des christlichen Glaubens darlegen zu lassen, erhielt auch P. den Auftrag, sein Gutachten über diesen Plan abzugeben.

Es ist daher nicht zu verwundern, daß P. das Auftreten Luther’s anfänglich mit Freuden begrüßte. Man weiß, mit welcher Freundlichkeit er jenen bei seinem Besuche in Augsburg im J. 1518 aufnahm. Ebenso unterhielt er zu Oekolampadius eine Zeitlang freundschaftliche Beziehungen, die auch noch fortdauerten, als dieser Augsburg den Rücken gekehrt hatte. Doch würde man fehl gehen, wenn man P. für einen entschiedenen Anhänger der Reformation ansehen wollte. Er gehörte zu den Männern, die mit einer Reformation im Sinne des Erasmus zufrieden gewesen wären, war aber nicht entschieden genug, vollständig mit der römischen Kirche zu brechen. Diese Gesinnung tritt am deutlichsten aus seinem vermittelnden Rath an Luther während des Wormser Reichstages von 1521 hervor. So wenig P. Bedenken trug, in einzelnen Punkten von der Lehre der Kirche abzuweichen, so wenig war er gewillt, einen besonderen Werth auf seine eigenen Ansichten zu legen; vielmehr versicherte er ausdrücklich, daß er durchaus nichts gegen jene behaupten wolle und daher hoffe, Gott werde ihm etwaige ungebührliche Aeußerungen in seiner Gnade nachsehen. Den Männern der durchgreifenden Reformation erschien er daher schon in den Anfängen der Bewegung als unzuverlässig; heißt es doch bereits im „gehobelten Eck“ von ihm, daß er veränderlicher als ein Chamäleon sei.

In seinen Neigungen für die humanistischen Wissenschaften aber blieb sich P. bis an das Ende seines Lebens treu. Da er in seiner Jugend keine Gelegenheit gehabt hatte, Griechisch zu erlernen, machte er sich auf den Rath seines [567] Freundes Reuchlin noch im Alker von mehr als vierzig Jahren an diese schwierige Aufgabe und erwarb sich auch auf diesem Gebiete tüchtige Kenntnisse. Bei dieser ausgeprägten Neigung für die Studien konnte es P. als einen besonders Glück verheißenden Umstand ansehen, daß er an seiner Gattin Margarethe eine gleichstrebende Genossin fand. Dieselbe war als Tochter des Memmingischen Stadthauptmanns Welser am 14. März 1481 geboren, vermählte sich am 27. December 1499 mit P. und überlebte ihren Gatten um fünf Jahre, da sie erst 1552 starb. Sie brachte ihrem Gatten nicht nur ein ansehnliches Vermögen zu, sondern zeichnete sich auch durch eine Fülle häuslicher Tugenden aus. Gleichzeitig war sie bemüht die Studien ihres Gemahls zu fördern, zu welchem Zweck sie das Lateinische erlernte. Sie schrieb selbst lateinische Briefe und hat sich sogar mit einer eigenen Abhandlung antiquarischen Inhalts versucht. (Margaritae Velseriae, Conradi Peutingeri Conjugis, ad Christophorum fratrem epistola multa rerum antiquarum cognitone insignis. Quam primus typis exscribendam curavit H. A. Mertens. Augustae Vindelicorum 1778, 8°.) Die mit ihr erzielte Nachkommenschaft Peutinger’s war sehr zahlreich. Von seinen Töchtern sind zwei in der Geschichte bekannt geworden: Juliane, die im Alter von vier Jahren Kaiser Maximilian mit einer lateinischen Anrede begrüßte, aber bereits als Kind starb, und Constantia, von Hutten, dem sie am 12. Juli 1517 bei der Dichterkrönung durch Kaiser Maximilian den Lorbeerkranz geflochten hatte, als die schönste und tugendhafteste der Augsburger Jungfrauen gepriesen. Das Erbe von Peutinger’s Ansehen und Gelehrsamkeit trat sein ältester Sohn Claudius Pius, geb. am 28. October 1509, † 1551, an. Auf das trefflichste vorgebildet, studierte er in Orleans und Ferrara Jurisprudenz, um nach seiner Rückkehr als Syndicus in städtische Dienste zu treten, in welchen er eine ähnlich weitverzweigte Thätigkeit wie sein Vater als häufiger Abgesandter der Stadt und später als Assessor am Matrimonialgericht entwickelte. Auch Christophorus, der zweite Sohn Peutinger’s, geb. 1511, † am 11. April 1576, trat in den Dienst seiner Vaterstadt Augsburg und brachte es bis zum Bürgermeister und Vorsitzer des Rathes. Weniger bedeutend waren die beiden anderen Söhne Peutinger’s: Johannes Chrysostomus und Karl. Diesen Söhnen vermachte P. in seinem und seiner Ehefrau Testament vom 29. März 1538 (abgedruckt in den Litterarischen Blättern, Nürnberg 1802, Nr. XX, Sp. 445–460) seine reichhaltige Bibliothek und seine sonstigen Sammlungen von Kunstgegenständen und Antiquitäten. Die Bibliothek ging im J. 1715 durch Geschenk des letzten Sprossen des Geschlechtes, des Ignatz Peutinger, in den Besitz des Augsburger Jesuitenklosters über (C. G. v. Murr’s Journal zur Kunstgeschichte und zur allgemeinen Litteratur, Theil XIII, Nürnberg 1784, S. 311–318: „Index codicum manuscriptorum bibliothecae Peutingerianae in Collegio Soc. Jesu“Augustae Vindelicorum), nach dessen Aufhebung ihre Schätze zum Theil in die kgl. Hof- und Staatsbibliothek nach München, zum Theil in die neu begründete Kreis- und Stadtbibliothek zu Augsburg kamen. Aber auch die Wiener Hofbibliothek und die kgl. Bibliothek zu Stuttgart besitzen Peutinger’sche Manuscripte. Doch mögen auch sonst noch in Privatbesitz mancherlei von P. herrührende oder auf ihn bezügliche Schriftstücke zu finden sein. Vgl. z. B. den Katalog der Bibliotheca Foeringeriana, hrg. v. K. Fr. Mayer, München 1880, S. 122, Nr. 3229.

Das Hauptwerk über P. ist immer noch die Historia vitae atque meritorum Conradi Peutingeri. Post Joh. Ge. Lotterum edidit Franc. Ant. Veith. Accedunt Conradi Peutingeri et aliorum eius aetatis eruditorum epistolae ineditae LI. Augustae Vindelicorum MDCCLXXXIII. 8°. Auf Veith stützt sich im wesentlichen der bisher nur von Böcking in seiner Huttenausgabe beachtete umfangreiche Artikel von K. Eckermann in der Allg. Encykl. [568] von Ersch u. Gruber. – Wesentlich Neues bringt dagegen Theodor Herberger, C. Peutinger in seinem Verhältnisse zum Kaiser Maximilian I. Augsburg 1851. – Vgl. ferner: Merkwürdigkeiten der Zapfischen Bibliothek. Bd. I. Augsburg 1788. 8°. S. 261–263; 288–301. – G. W. Zapf, Augsburgische Bibliothek. Bd. I, II. Augsburg 1795. (Register.) – H. A. Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens wissenschaftl. Bildung. Bd. III. Magdeburg 1832. S. 394–411. – J. Döllinger, Die Reformation. Bd. I. 2. Aufl. Regensburg 1851. S. 571–573. – H. A. Lier, Der Augsburgische Humanistenkreis. (Zeitschrift d. Hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg. Augsburg 1882. VII. Jahrg. Heft 1. S. 72 ff.) – L. Geiger, Renaissance und Humanismus. (Allg. Weltgeschichte, von W. Oncken II, 8. Berlin 1882. S. 370–872.) – Wegele, Geschichte der Deutschen Historiographie. (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, Bd. XX.) München 1885. S. 110–116.