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Artikel „Christoph von Stadion“ von Anton von Steichele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 224–227, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christoph_von_Stadion&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 19:00 Uhr UTC)
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Christoph von Stadion, Bischof zu Augsburg, 1517–1543, stammte aus der schwäbischen Adelsfamilie v. Stadion, wurde im März 1478 wahrscheinlich zu Schelklingen geboren, bezog 1490 die Universität Tübingen, wurde hier 1491 Baccalaureus, 1494 Magister, ging einige Jahre später zum Studium des geistlichen Rechtes nach Bologna, wo er sich das Doctorat erwarb, und kehrte, reich an Bildung und Kenntnissen, im J. 1500 nach Deutschland zurück. Er widmete sich dem geistlichen Stande, wurde bald bischöflicher Rath zu Augsburg, 1507 Domherr, dann Officialis, 1515 Domdecan daselbst und erhielt den Rang eines kaiserlichen Rathes. Der altersschwache Bischof Heinrich von Lichtenau wählte bald darauf mit Zustimmung des Domcapitels den Domdecan v. Stadion zu seinem Coadjutor, und als dieser Bischof am 12. April 1517 gestorben war, nahm Ch., vom Papste Leo X. noch am 10. April neuerdings als Coadjutor mit dem Rechte der Nachfolge bestätigt, wirklich Besitz vom bischöflichen Stuhle zu Augsburg. Am 5. Juli 1517 erhielt er in der Pfarrkirche zu Dillingen durch Bischof Gabriel von Eichstätt die bischöfliche Weihe.

Man begrüßte den hochbegabten, gelehrten, klugen, milden und eifrigen Mann mit freudigen Hoffnungen als Bischof, und sein erstes Auftreten war auch ganz geeignet, dieselben zu rechtfertigen. Schon auf den 1. Oct. 1517 berief er die Geistlichkeit seines Bisthums zu einer Synode nach Dillingen, welche er persönlich durch eine geistreiche Rede voll christlich frommer Gesinnung und apostolischen Eifers beschloß; die auf der Synode verkündeten Decrete bezielten hauptsächlich Abstellung von Mißbräuchen und Hebung der Kirchenzucht. Im Anschlusse daran sollte eine Visitation der Diöcese, im folgenden Jahre durch bewährte Männer vorgenommen, in die mehrfach tiefgesunkenen Zustände derselben thatsächlich bessernd eingreifen.

Diese ersten Amtshandlungen Bischof Christophs fallen der Zeit nach zusammen mit den Anfängen der großen Religionsbewegung in Deutschland, welche bald auch den deutschen Süden berührte und namentlich einige Gebiete des Bisthums Augsburg in ihre Kreise zog. Luther, welcher im J. 1518 selbst in Augsburg gewesen war und unerschüttert vor dem päpstlichen Legaten, Cardinal Thomas de Vio, gestanden hatte, zählte hier Freunde und Anhänger. Ch. nahm [225] anfangs gegen die neue Glaubensrichtung eine entschieden schroffe Stellung. Zeuge dessen ist sein Verfahren gegen Kaspar Aquila (Adler), Pfarrer zu Jengen (vgl. o. Bd. I, S. 509). Am 8. Nov. 1520 verkündigte er auf wiederholtes Drängen von Johann Eck in seiner Diöcese die Bannbulle, welche Leo X. am 20. Juni 1520 gegen Luther und seine Anhänger erlassen hatte. Auf dem Reichstage zu Worms 1521 trat er dagegen in der Sache Luther’s mit Ruhe und Mäßigung auf und zeigte Scheu vor übereilten oder rechtsverletzenden Schritten.

Mittlerweile gewann aber die Bewegung zu Gunsten der neuen Lehre in seiner eigenen Diöcese immer mehr Boden; namentlich machte sie in Augsburg, wo Urbanus Regius nach seiner Entlassung von der Domkanzel seit 1522 bei St. Anna entschieden lutherisch predigte, und in der Reichsstadt Memmingen, wo Christoph Schapeler dasselbe that, rasche Fortschritte. Die Bemühungen Christophs, die Bewegung zu hemmen oder den alten Stand zu retten, hatten in diesen Orten wenig oder keinen Erfolg. Um einen Halt zu gewinnen, trat er im J. 1524 dem Bündnisse katholischer Fürsten zu Regensburg bei, das scharf gegen die Neugläubigen gerichtet war, und verkündigte am 1. Oct. 1524 in seiner Diöcese die vom päpstlichen Legaten Laurentius Campeggio gleichfalls zu Regensburg erlassenen Disciplinar–Verordnungen. Zu diesen schweren Sorgen trat für Ch. der große Bauernaufstand von 1525, welcher den Abfall der hochstiftischen Lande im Allgäu herbeizuführen drohte; die Gefahr ging aber vorüber, da der Aufstand bald niedergeschlagen wurde. Erfolglose Kämpfe mit den Reichsstädten Augsburg und Memmingen, welche fortfuhren, katholische Religionseinrichtungen und Gebräuche abzuschaffen und ihre Kanzeln mit lutherisch gesinnten Predigern zu besetzen, beschäftigten den Bischof Ch. in den folgenden Jahren. Um womöglich dem Umsichgreifen des Protestantismus noch zu steuern, verkündigte er im 1527 seiner Diöcese neuerdings die erwähnten Verordnungen des Legaten Campeggio.

Bald hernach ist aber in der Gesinnung Christophs und in seiner Haltung gegen die Religionsbewegung eine Wendung wahrzunehmen; die religiöse und politische Zerrissenheit, welche in das deutsche Reich eingedrungen war und immer weiter um sich zu greifen drohte, that seinem Gemüthe wehe, und jeder zulässige Weg zur Ausgleichung und Versöhnung erschien ihm willkommen.

Diese Wendung beruhte gewiß wesentlich auf dem Einflusse von Erasmus, mit welchem Ch. seit 1528 in Verbindung getreten war. Von Erasmus wird er nun als Zierde der Bischöfe seines Zeitalters gepriesen, der an Gelehrsamkeit, frommem Wandel und kluger Mäßigung auf gleicher Linie stehe mit Erzbischof Alfons Fonseca von Toledo und mit Bischof Johannes Fisher von Rochester; von Ch. aber wird Erasmus bewundert und reichlich beschenkt; um ihn persönlich kennen zu lernen, macht Ch. im März 1530 eine siebentägige, nicht gefahrlose Reise nach Freiburg im Br.; Erasmus’ Bild sieht man in allen Gemächern von Christophs Residenz zu Dillingen. Des Erasmus Auffassung der Reformation wurde nun auch die Christophs; dieser bekennt, Erasmus’ Schriften seien ihm Führer geworden zur Erkenntniß evangelischer Lehre und christlichen Lebens; er gesteht mit Erasmus, daß menschliche Satzungen sich der christlichen Religion beigemischt haben, welche wenig mit dem Evangelium stimmen, und beklagt mit ihm, daß es Theologen und Reichsstände gebe, welche in Schriften von Lutheranern selbst dasjenige verwerfen, was mit dem Evangelium in Einklang stehe. Ein im Grunde weich angelegter Charakter, neigte sich Ch. leicht den Rathschlägen dieses Freundes auf Milde und Versöhnlichkeit zu, wie er eine solche Haltung namentlich auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 bethätigte.

[226] Schon aus den ersten Tagen der Reichsversammlung, welche den Bischof Ch. in den großen Religionsausschuß gewählt hatte, lauten protestantische Berichte dahin: der Bischof von Augsburg habe sich günstig über das vorgelesene Glaubensbekenntniß (Augsburger Confession) ausgesprochen und zeige sich mildgesinnt gegen die Bekenner desselben, wie überhaupt die Bischöfe eine versöhnlichere Haltung darthäten, als die katholischen weltlichen Fürsten; er habe, heißt es weiter, im Fürstenrathe ungescheut erklärt, ehe er wollt, daß man unvertragen abscheiden sollte, wollt’ er ehe die zwen Artikel von beder Gestalt des Sacraments und von der Priester Ehe nachgeben, und ob es Noth wäre, über das noch mehr zu thun, sollt zu Erhaltung Friedens und Einigkeit auch nit erwinden, – „welche Rede viele der Fürsten dem Bischof hoch verarget und gleichsam dafür achten wollen, als ob er auch Lutherisch wäre“. Auch dem in Augsburg anwesenden Prediger von Saalfeld, Kaspar Aquila, gegen welchen er einst so strenge vorgegangen sein soll, begegnete Ch. mit Freundlichkeit. Später verlas er im Fürstenrathe Luther’s Mahnbrief an den Erzbischof von Mainz (vom 6. Juli); ja in der Versammlung des Religionsausschusses vom 6. August, als Ch. wieder eindringlich zu Frieden und Eintracht mahnte, kam es zu heftigen Auftritten zwischen ihm einerseits, dem Cardinal-Erzbischof Matthäus Lang von Salzburg und dem Kurfürsten Joachim von Brandenburg andererseits, und die mildern Stimmen, zu welchen besonders die des Erzbischofs von Mainz zählte, wurden zurückgewiesen; Melanchthon aber dankte am 13. Aug. dem Augsburger Bischofe für seine hohe Mäßigung und für seine Einsprache gegen Maßnahmen der Gewalt. Noch erscheint Ch. in den Ausschuß jener vierzehn, der Mehrzahl nach mildgesinnten Vertrauensmänner aus beiden Parteien gewählt, welche am 16. Aug. zu neuen Ausgleichungsversuchen zusammentraten, ohne jedoch, wie bekannt, die erwünschte Verständigung herbeiführen zu können.

Nach dem Schlusse des Reichstags, dessen Abschied, Wiederherstellung und Aufrechthaltung des katholischen Religionswesens gebietend, für Ch. die Norm des ferneren Verhaltens bildete, erweist sich derselbe fortan als treuen Bischof der alten Kirche, ohne jedoch frühern reformatorischen Ideen, deren Ausführung er dem Besten der Kirche für förderlich hielt, zu entsagen, wie er sich noch in einem Schreiben an Erasmus vom 4. April 1533 (ungedr. in Stuttgart) für den Gebrauch der Muttersprache beim Gottesdienste und mit großer Entschiedenheit für Gestattung der Priesterehe ausspricht.

Die folgenden Jahre brachten für Ch. schwere und hartnäckige Kämpfe mit der Reichsstadt Augsburg, welche, das Werk der Glaubensänderung gewaltsam durchführend, endlich am 18. Jan. 1537 ein Rathsdecret veröffentlichte, in Folge dessen alles katholische Wesen in der Stadt unterdrückt, jede Kirche mit einem neugläubigen Prediger besetzt, selbst die Domkanzel dem katholischen Domcapitel genommen und dieses gleich dem übrigen katholischen Klerus genöthigt wurde, die Stadt zu verlassen. Auch Ch. sah Augsburg nie wieder; er blieb in Dillingen, geachtet von Kaiser und Fürsten, geehrt von gelehrten Freunden und hervorragenden Zeitgenossen, welche Briefe mit ihm wechselten und ihm Schriften widmeten. Zum Wohle von Armen, besonders aus seinem Stifte, baute und dotirte Ch. im J. 1534 in Zusmarshausen ein Hospital, das heute noch im Geiste seines Stifters fortlebt.

In politischer Beziehung nahm in dieser Zeit der sich zu Ende neigende schwäbische Bund Christophs besondere Thätigkeit in Anspruch; daneben wendete er den Einigungsversuchen zwischen Katholiken und Protestanten, wie sie auf dem Fürstenconvente zu Hagenau 1540, beim Colloquium zu Worms 1540 und auf dem Regensburger Reichstage 1541 hervortraten, eine besondere, meistens persönliche Theilnahme zu. Endlich aber fand auf dem Reichstage zu Nürnberg [227] 1543, an welchem sich Ch. als kaiserl. Commissarius zu betheiligen hatte, seine Thätigkeit als Bischof und Reichsfürst ein unerwartet schnelles Ende; denn von einem Schlaganfalle betroffen, verschied er in den Armen seines Domherrn Wolfg. Andr. Rehm am 15. April 1543 im St. Aegidienkloster zu Nürnberg. Sein Leichnam wurde nach Dillingen gebracht und in der dortigen Pfarrkirche beerdigt.

Christoph. a Stadion ep. Aug. oratio in syn. ad cler. habita, cum commentario de rebus ad Christoph. attinentibus (ed. Kolborn), Ulmae (1778). — Erasmi Epist. — Corp. Reform. II. — Veith, Bibl. August. 4, 52–69. – Zapf, Christoph von Stadion, Zürich 1799. – Braun, Gesch. der Bisch. von Augsb., 3, 178–357.