Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Grammatiker aus Pergamon in der Kaiserzeit
Band V A,1 (1934) S. 369371
GND: 102407118
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2) Ein Grammatiker aus Pergamon. Da sein Landsmann Galenos (De san. tuenda V 4, 15. 12, 28) von ihm erzählt, daß er es durch einfache und streng geregelte Lebensweise fast auf 100 Jahre gebracht habe, kann er kaum später als 90 n. Chr. geboren sein. Man müßte seine Geburt sogar über das J. 80 hinaufschieben, wenn Ilberg (Rh. Mus. XLIV 225) die Schrift Galens mit Recht in die Regierungszeit des Marcus Aurelius setzte; sein Beweis scheint mir jedoch nicht zwingend. Wann T. nach Rom gekommen ist, wissen wir nicht, doch stand er dort gewiß auf der Höhe seines Ruhms, als ihn Antoninus Pius um 140 zusammen mit Hephaistion (o. Bd. VIII S. 296) zum griechischen Lehrer des zweiten Adoptivprinzen, des späteren Kaisers L. Verus (o. Bd. III S. 1836), berief (Hist. aug. Verus 2, 5). Er selbst scheint sich γραμματικός genannt zu haben (vgl. u. Nr. 1), worin ihm Galenos, Iulius Capitolinus (Hist. aug.) und Suidas folgen; nur Ailian. nat. an. X 42 gibt ihm die alte pergamenische Bezeichnung eines κριτικός.

Die Schriftstellerei des T. ist sehr umfassend und vernachlässigt der pergamenischen Tradition entsprechend neben Fragen sprachlicher, rhetorischer und literarischer Art auch das Historisch-Antiquarische nicht. Wir fassen die von Suidas aufgeführten Titel in teilweiser Anlehnung an Christ-Schmid zu Gruppen zusammen. 1. Der Einführung in die Philologie dient die Schrift Πόσα χρὴ εἰδέναι τὸν γραμματικόν, im Scholion A zu Il. X 545 kurz ὁ γραμματικός genannt (Dindorf hat fälschlich τῶν γραμματικῶν für τοῦ γραμματικοῦ gelesen). Nach eben diesem Scholion muß sie mindestens acht Bücher umfaßt und sogar die Gestaltung einzelner Homerstellen behandelt haben. Es wird deshalb erlaubt sein, ihr auch die Scholien A Il. X 53 (Polemik gegen Didymos wegen Annahme der aristarchischen Lesung Αἴαντε) und T Il. XV 668 (über einen Fall des σχῆμα ἐλλειπτικόν, von Schrader 574 ohne ausreichenden Grund aus den Zetemata des Porphyrios abgeleitet) zuzuweisen. Ähnlicher Art [370] ist vielleicht auch die Ποικίλη φιλομάθεια in zwei Büchern gewesen. 2. Eine kritische Bücherkunde wird man die Βιβλιακὴ ἐμπειρία in drei Büchern nennen dürfen, die an des älteren Zeitgenossen Herennios Philon Werk Περὶ κτήσεως καὶ ἐκλογῆς βιβλίων (o. Bd. VIII S. 653) erinnert, da sie gleichfalls τὰ κτήσεως ἄξια βιβλία nachweisen will. 3. Im Dienste des Attizismus stehen die Schriften Περὶ συντάξεως λόγου Ἀττικοῦ (fünf Bücher) und Ὅτι μόνος Ὅμηρος τῶν ἀρχαίων ἑλληνίζει. Der Titel der zweiten Schrift zeigt, daß T. zu denjenigen Attizisten gehört hat, die Homer als Vertreter einer πρώτη Ἀτθίς betrachteten (vgl. darüber o. den Art. Moiris). 4. Literarhistorisch sind die Βίοι τραγικῶν καὶ κωμικῶν. 5. Unter dem scherzhaften Titel Ὠκυτόκιον gab er für den Gebrauch des Rhetors ein Synonymenlexikon heraus, eine συναγωγὴ ἐπιθέτων εἰς τὸ αὐτὸ πρᾶγμα ἁρμοζόντων πρὸς ἕτοιμον εὐπορίαν φράσεως. Aus diesem Lexikon kann die durch Ailian. nat. an. X 42 überlieferte Notiz stammen, daß sowohl eine Ameisen- wie eine Wespenart den Namen λαέρτης führten; der Redner sollte dadurch in den Stand gesetzt werden, statt des gemeinen μύρμηξ oder σφήξ das gewiß sehr gewählte λαέρτης zu gebrauchen. 6. Daß ihm als Vater der Rhetorik Homer galt, beweisen die Schriften Περὶ τῶν παρ’ Ὀμήρῳ σχημάτων ῥητορικῶν in zwei Büchern und Περὶ τῆς καθ’ Ὅμηρον ῥητορικῆς. Über die zweite erfahren wir etwas Näheres aus den Prolegomena zu den Στάσεις des Hermogenes (VII 1, 5 Z. 23 Walz): καὶ ὅτι Ὅμηρος τὰ σπέρματα τῆς τέχνης κατέβαλεν, ἐδήλωσε Τήλεφος ὁ Περγαμηνός, ὅστις τέχνην συγγραψάμενος ἐπέγραψε Περὶ τῆς καθ’ Ὅμηρον ῥητορικῆς κἀκεῖ περὶ τῶν ιγ' συνεγράψατο στάσεων. Nach diesen Worten hat es sich in der Ῥητορικὴ καθ’ Ὅμηρον um eine vollständige Ars gehandelt, die neben anderen ein Kapitel über die 13 Status der Rede enthielt und offenbar jede Art der Rede durch ein Beispiel aus Homer belegte. Da die Zahl der στάσεις zuerst von Minucianus, einem Vorläufer des Hermogenes, auf 13 festgelegt worden ist, kann die sie verwendende τέχνη des T. nicht vor dem 6. Jahrzehnt verfaßt sein (vgl. Schrader Herm. XXXVIII 145f.). Obgleich sich unser Wissen über die Ῥητορικὴ καθ’ Ὅμηρον in dem erschöpft, was Suidas und die angezogene Stelle der Hermogenesscholien berichten, hat man diesem Werk eine große Wirkung auf die gesamte Homer-Interpretation zugeschrieben. Während Georg Lehnert (De scholiis ad Homerum rhetoricis, Diss. Lips. 1896, 99–106) sich darauf beschränkte, die Homerscholien rhetorischen Inhalts auf die von der Stoa beeinflußte pergamenische Tradition zurückzuführen, ohne mit Bestimmtheit T. als Vermittler dieser Tradition in Anspruch zu nehmen, glaubte Schrader nicht nur alle rhetorischen Homerscholien, sondern auch die untereinander verwandten rhetorischen Behandlungen homerischer Reden in den Zetemata des Porphyrios, in der sog. Vita Homeri Plutarchs, in der Techne des Dionysios von Halikarnaß und sogar in des Hermogenes Schrift Περὶ μεθόδου δεινότητος aus der Ῥητορικὴ καθ’ Ὅμηρον ableiten zu dürfen. Diese kühne Konstruktion entbehrt jeden festen Grundes, da sich keiner der genannten Autoren auf T. beruft und die namentlichen [371] Zitate in den Homerscholien anderen Schriften als der Ῥητορικὴ χαθ’ Ὅμηρον entnommen sind (vgl. Nr. 1 und 9). Berechtigte Bedenken gegen die These Schraders haben K. Fuhr (Berl. phil. Woch. 1902, 1499) und Fritz Wehrli (Zur Gesch. d. allegorischen Deutung Homers im Altertum, Diss. Bas. 1928, 6–10) vorgetragen. 7. Der Titel Περὶ τῆς Ὁμήρου καὶ Πλάτωνος συμφωνίας kann nur so verstanden werden, daß T. durch allegorische Erklärung Homers die Anstöße zu beseitigen versuchte, die Plato an dem Dichter genommen hatte. 8. Ein altes stoisch-pergamenisches Problem (s. o. Krates Bd. XI S. 1688) scheint er mit der Schrift Περὶ τῆς Ὀδυσσέως πλάνης wieder aufgegriffen zu haben. 9. Sachliches Interesse verrät auch das nach Suidas alphabetisch angeordnete Onomastikon Περὶ χρήσεως ἤτοι ὀνομάτων ἐσθῆτος καὶ τῶν ἄλλων οἷς χρώμεθα. Aus ihm scheint die Erklärung von θώραξ und ζῶμα Schol. B T Il. IV 133 zu stammen. 10. Der Erklärung der attischen Redner dienten die Schriften Περὶ τῶν Ἀθήνησι δικαστηρίων und Περὶ τῶν Ἀθήνησι νόμων καὶ ἐθῶν. Ihnen dürften die Zitate Schol. Aristoph. Plut. 725 und Eust. Od. 1827, 49 zuzuweisen sein, die sich mit der Bedeutung der ἐπωμοσία und dem mehrfachen Sinn des Wortes ἐπιστάτης beschäftigen. 11. Schließlich hat T. 3 historisch-antiquarische Werke seiner Heimat gewidmet: eine Περιήγησις Περγάμου, 2 Bücher Περὶ τοῦ ἐν Περγάμῳ Σεβαστείου (gemeint ist wohl der in der Kaiserzeit berühmte Tempel des Augustus und der Roma) und 5 Bücher Περὶ τῶν Περγάμου βασιλέων. FHG III 634. Christ-Schmid Gesch. d. gr. Lit. II6 869. Herm. Schrader Herm. XXXVII 530–581.