RE:Iuvenes
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Jugendgenossenschaften, Organisation der jungen römischen Ritterschaft | |||
Band X,2 (1919) S. 1357–1358 | |||
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Iuvenes, iuventus, ursprünglich sodales sacrorum iuvenalium einer Stadt oder sodales lusus iuvenalis, spät auch collegia iuvenum, ganz vereinzelt sodalicium, corpus, studium, thiasus, Jugendgenossenschaften, nicht die Gemeinschaft aller jungen Leute, wie die Epheben im demokratischen Athen, sondern eine Organisation der jungen römischen Ritterschaft, welche im municipalen Leben eine abgesonderte Stellung hat, und die männliche Jugend der einzelnen Städte (auch Mädchen zugelassen, so in Tusculum, s. Rosenberg Herm. XLIX 268 mit Wissowa Herm. L 12) als ein Ganzes erscheinen läßt. Nachgewiesen sind die I. in den meisten Städten Latiums, Italiens und Griechenlands im 2. Jhdt., in Germanien im 2. und 3. Jhdt. Übersicht ihres Vorkommens mit den epigraphischen Belegen bei Demoulin Musée Belge I 116ff. Waltzing Corporat. profession. IV 216ff., dazu Rostowzew Röm. Bleitesserae 81. 82. Ausgewählte Inschriften bei Dessau Inscr. Lat selectae II2 7301–7307 mit den Verweisen, dazu III2 mit den Indices.
Danach hat Rostowzew mit großer Wahrscheinlichkeit als Ort des Entstehens der Vereine im Anschluß an die Organisation der stadtrömischen I. durch Kaiser Augustus die der Stadt Rom am nächsten liegenden Municipien erschlossen und ihre Verbreitung von dort aus nach Mittel- und Norditalien und den westlichen Provinzen im 2. und 3. Jhdt. n. Chr., sehr wahrscheinlich in Anknüpfung an früher bestehende Einrichtungen in manchen Städten (s. dazu A. Rosenberg Herm. LI 269). Verfall der Vereine in Italien, im 2. und 3. Jhdt. aber starke Entwicklung in den Provinzen, ,wo sie aber, besonders an den Grenzen, den Charakter einer städtischen provinzialen Miliz annehmen‘ (Rostowzew).
Die Mitglieder der Vereine bestanden, wenigstens in den ersten Zeiten, durchweg aus Freigeborenen, zum großen Teil aus Rittern, ihre Magistrate fast nie aus Freigelassenen, sondern meist aus Angehörigen der municipalen Aristokratie. Deshalb bedeutende Rolle der I. im Municipalleben, dem Range nach gleich hinter den Augustales, ferner nahe Beziehungen zum Kaiserhaus. Kaiserköpfe auf den Tesseren der Vereine deuten auf Unterstützung der I. durch die Kaiser, welche nachweisbar ist für die Kaiser [1358] von Augustus bis Nero, Domitian, Gordian (Belege bei Barbagallo Lo stato e l'istruz. pubblica 23. 70. 107. 181).
Verfassung der I. unter magistri (maiores in Beneventum), quinqennales, curatores, aediles, procuratores, daneben auch praefecti und praetores, (praetor iuventutis), wie sonst nur in den militärisch organisierten Collegien, s. Rostowzew a. a. O. 86, einmal auch sevir equitum in Nepet, Dessau Inscr. Lat. sel. 6590, dazu Rosenberg Staat der Italiker 94, die weiteren Belege auch für den sacerdos oder flamen bei Jullian Dict. des antiq. III 1, 1900, 783. Mitunter sind die Magistrate der I. schwer zu trennen von denen der Gemeinde oder Priesterschaften, so in Tusculum CIL XIV 2636[1] mit Leuze Herm. LI 117f. und dagegen Rosenberg ebd. 267f.
Betätigung der I. im Kultus ohne Beziehung zur Iuventas, sondern in anderen Gottesdiensten z. B. iuv. cultores dei Herculis, iuv. Herculani, iuv. Dianenses u. a., vgl. Wissowa Relig. u. Kultus der Römer2 1912, 136. Über die Verbindung der I. mit den municipalen Kulten s. Rostowzew 87. Hauptbetätigung in dem lusus iuvenalis, der aus Tierhetzen und Gladiatorenspielen besteht, in denen die I. selbst auftraten. Belege bei Rostowzew a. a. O. 87f. Vgl. Art. den Iuvenalia.
Literatur: Usener Vorträge und Aufsätze 125ff. (aus dem J. 1893; Bedeutung der I. für Sitten- und Rechtsgeschichte) Demoulin Musée Belge I 1897 114–136. 200-217. III (1899) 177–192. Floss De collegiis iuvenum, Erlangen 1897. Waltzing Corporations profess. IV 216ff. Rostowzew Römische Bleitesserae, 3. Beih. der Klio 1905, 81 f. (dort die ältere Lit.). Zielinski Neue Jahrb. XVII (1905) 273ff. A. Rosenberg Der Staat der alten Italiker 1913, 92ff. (Bedeutung der I. im Staatsleben italischer Gemeinden) und Herm. XLIX 268 mit Wissowa Herm. L 9–15 Barbagallo Lo stato e l’istruzione pubblica nell' impero Romano 1911 passim.
Nachträge und Berichtigungen
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Band S VII (1940) S. 315–316 | |||
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- S. 1357 zum Art. Iuvenes:
Seit Erscheinen des ersten Artikels hat sich das epigraphische Material immer vermehrt und seine Bearbeitung und Durchdringung ist stark gefördert worden, besonders wieder durch M. Rostovtzeff ,Gesellschaft und Wirtschaft‘ I 240, ferner M. Della Corte Iuventus, Arpino 1924; Rendic. Accad. di Napoli, 1936 und von juristischer Seite durch L. Schnorr von Carolsfeld Geschichte der juristischen Person I (1933) 304–09. Zur geographischen Verbreitung vgl. Dict. Antiq. 3, 1, 1900, 782. Die Organisation der Jugend geht zurück auf Kaiser Augustus, der sie in 6 turmae einteilte und dem princeps iuventutis unterstellte. Die vornehme Jugend sollte auf dem Campus Martius Kraft und Mut stählen in militärischen Übungen. Darum waren Hauptzweck der Ausbildung gymnastische Übungen jeder Art, Reiten, auch Manöver und militärische Übungen der I. (CIL III 3438)[2] unter ihrem Praefectus (meist ein alter emeritus) und öffentliches Auftreten. Die Einrichtung verbreitete sich dann über Latium und ganz Italien, später auch über die Provinzen. Ihr Name schwankt anfangs, allein eine Bezeichnung wie sodales, lusus iuvenalis (CIL XIV 2640),[3] worin sodales auf ihren religiösen Charakter hinweist und lusus iuvenalis den besonderen Zweck angibt, kennzeichnet deutlich den Zusammenhang mit dem stadtrömischen Vorbild (so Egger Österr. Jahresh. XVIII [1915] 117). Später erscheinen sie als iuventus oder iuvenes (corpus iuvenum IX 4696 oder sodalicium iuvenum [V 6951], auch gentiles iuventutis Manliensium [III 4779]), auch iuvenae zugelassen, s. Schnorr v. Carolsfeld I 305 mit einem Beinamen, sei es von der Stadt wie iuvenes Lanuvini, Anagnini, Verulani, Tusculani, Veniterni, Fificulani, Nepesini, Lucoferonenses, Brixiani, Vobergenses, Sumeloecnenses oder von einer Gottheit wie Dianenses, Herculani Nemesii oder von dem Tagungslokal iuvenes forenses (vgl. XI 6362), A fano Iovis, Iuventus curiae etc. Schließlich aber gegen die Wende des 2. und 3. Jhdts. gleichen sie sich als collegia iuventutis den anderen Vereinen an.
Durch die weiteren Studien ist die hohe innerpolitische Bedeutung der Jugendverbände immer mehr hervorgetreten, die namentlich Rostovtzeff betont. Nach der ersten Blüte der Einrichtung haben die Nachfolger des Augustus namentlich Nero, Titus, Domitian viel getan zu ihrer Belebung und Verbreitung, aber im 2. Jhdt. der Kaiserzeit sind die Jugendbünde mehr in die Provinzen gewandert und haben sich im 3. Jhdt. über Gallien, Rheingebiet, Spanien, Griechenland, [316] Kleinasien, Afrika verbreitet. Sobald die Aushebung im römischen Reiche mehr und mehr den Provinzen überlassen wurde, suchten auch die collegia iuvenum überall die Cives Romani an den Grenzen auf, um dort zu wirken für den römischen Geist. So steht die Verbreitung der Jugendbünde in engem Zusammenhang mit den Castella und der Urbanisierung der Dörfer im ganzen Reiche, und ,die collegia iuvenum waren in der Tat nichts anderes als Vereine zum Zwecke der Einübung und Ausbildung loyalgesinnter Soldaten und Offiziere' (Rostovtzeff).
Die collegio iuvenum der nachflavischen Zeit blieben in den Rheinprovinzen nicht auf die regulären Städte beschränkt, sondern finden sich auch in den civitates, pagi, vici, Gemeinwesen, die sich eng an die germanischen und keltischen Stammverbände und Clans anschlossen (Rostovtzeff I 110), und bilden Pflanzstätten für die künftigen Soldaten.
Die Einzelheiten der Pflichten und des Auftretens der I. im öffentlichen Leben sind gut dargelegt an dem Beispiel von Pompei durch Della Corte, ihre Beteiligung am lusus serpentis (lusus Troiae), an den öffentlichen Spielen im Amphitheater, ihre Teilnahme und Mitschuld an den Unruhen und Kämpfen von 59 n. Chr. im Amphitheater (Tac. ann. XIV 17). Auch die Teilnahme der I. am Ballspiel hat Della Corte durch Inschriften gezeigt. Auch die öffentlichen Gebäude der Stadt, welche dem sodalicium iuvenum Pompeianorum dienten, zählt er auf.
Meine Angaben über die Verfassung der I. werden ergänzt durch Schnorr v. Carolsfeld I 306 mit Belegen auch für patronus, editor iuvenum (XI 4579), quaestor, auch arcarius, ebenso über Finanzen und Grundbesitz.
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Band R (1980) S. 138 | |||
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