Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gebirge zwischen Megara und Korinthia
Band VII,1 (1910) S. 12361239
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Gerania. 1) Geraneia (ἡ Γεράνεια; so Simonides Anth. Pal. VII 496 = frg. 114 Bgk.⁴. Thuc. I 105, 3. 107, 3. 108, 2. IV 70, 1 [an allen vier Stellen die besseren Hss.]. Diod. XI 80. [‌Lys.] II 49. Plut. Cleom. 20. Arat. 31. Lukian. Ikarom. 11. Herodian. I 275, 29 Lentz = Steph. Byz. Schol. Pind. Isthm. hyp. 3 S. 515 Boeckh. Etym. M. 228, 20. Suid. s. Γερανείη. Euphor. frg. 92 M.) und Gerania (ἡ Γερανία, Thuc. I codd. ABE. IV codd. b. Diod. XIX 54. Paus. I 40, 1. 43, 8. Dieuch. bei Harpokr.). Ableitung des Namens von den γέρανοι, deren Schrei den Megaros aus der deukalionischen Flut zum Bergesgipfel leitet bei Paus. I 40, 1, vielleicht nach Dieuchidas; vgl. Frazer Paus. II 523 mit Literatur. Über die Flutsage und den Kult des Zeus Ἀφέσιος s. Usener Sintflutsagen 41. 232f. Gruppe Griech. Mythol. 445. 832, 4. Die Geraneia ist das Grenzgebirge zwischen Megaris und Korinthia, also auch zwischen Mittelgriechenland und dem Peloponnes. Es durchquert die Landbrücke, die von Attika und Boiotien nach dem Peloponnes in westsüdwestlicher Richtung hinüberzieht, von Meer zu Meer in genau westöstlicher orographischer und geologischer Streichrichtung, also in spitzem Winkel zu den Küstenlinien. Während es steil zur südöstlichen Küste abfällt, ohne hier eine Ausbuchtung derselben zu veranlassen, springt es nach Westen in der hügeligen Halbinsel der Peraia (jetzt von Perachora) bedeutend in den Korinthischen Golf vor. So bedeutet es zugleich [1237] eine Absperrung und eine Verbreiterung der Landbrücke zwischen den beiden Isthmen von Megara und Korinth. Tektonisch ist die G. ein von Brüchen umgrenztes Stück des ostgriechischen Faltengebirges. Die beiden Isthmen bestehen aus mehr oder weniger niedrigen Tafeln ungefalteter jungtertiärer Ablagerungen, das Gebirge dagegen aus steil gefalteten, westöstlich streichenden mesozoischen Gesteinen: zuoberst einem mächtigen grauen, feinkörnigen, undeutlich geschichteten Kalk der Kreideformation, darunter einem System von eng verbundenen Serpentinen, bunten (besonders roten) Hornsteinen und Tonschiefern noch nicht genauer bestimmten Alters, unter denen hier und da noch ein älterer grauer Kalk hervortritt. Im Serpentin kommen Magnesitgänge vor.

Der östliche Teil des Gebirges wird aus einem einzigen einfach gestalteten Kalkkamm gebildet. Er beginnt an der Küste unmittelbar südlich von Megara und steigt allmählich nach Westen zu dem 1370 m hohen Gipfel, jetzt Makryplági genannt, an, dessen scharfe dreieckige Profillinie sich als eine auffällige Berggestalt in dem Panorama der Höhen von Athen zeigt. Dieser Kamm sinkt ziemlich flach nach Norden unter die jungtertiäre Tafel von Megara ein, bricht dagegen steil ab nach Süden zur Küste. Hier führt der im Altertum berüchtigte, erst von Hadrian zur Fahrstraße ausgebaute Skironische Engpaß (s. d.), jetzt Chaussee und Eisenbahn, an den Klippen und auf steilen Halden von Gehängeschutt in einiger Höhe über dem Ufer entlang. Der Kamm selbst hat 4 km östlich des Gipfels eine Einsattelung, jetzt Megaloderveni (731 m) genannt. Westlich des Gipfels wird der Kamm von einem tiefen Tal abgeschnitten; an seine Stelle tritt etwas weiter nördlich gerückt, ein sanfterer niedrigerer Rücken (800–1000 m) aus jenen Serpentin-Hornstein-Schiefer-Gesteinen, der nun seinerseits steil zur Nordküste abfällt. Der westlichste Abschnitt endlich, im wesentlichen die Halbinsel Peraia, ist ein welliges Hügelland aus wechselnden Zügen von Kalk und Tonschiefer (unter 600 m Höhe), aus dem sich aber im Süden noch ein steiler Kalkberg von 1057 m Höhe (vielleicht Aigiplankton des Aischylos Ag. 287; Reinganum Das alte Megaris 1825, 98) über dem heutigen Badeort Lutraki erhebt. Das nördliche Kap der Halbinsel hieß Olmiaí (Strab. VIII 380. IX 409); das westlichste war nach einem auf ihm errichteten Tempel der Hera Akraia genannt (Xen. hell. IV 5, 5. 8. Plut. Cleom. 20. Liv. 32, 23. Strab. VIII 380. Schol. Thuc. I 105. Eurip. Med. 1379. Apollod. I 9, 28. Suid. s. αἴξ). Nahe diesem Kap befindet sich ein tiefer Einbruch im Kalkstein mit einem salzigen See, der Gorgopis- (s. d.) oder Eschatiotis-Limne der Alten, jetzt Vuliasméni.

Im Süden des Gebirges legt sich, westlich vom Skironischen Engpaß, ein breites Terrassenland vor, das in mehreren durch Verwerfungen bedingten Stufen zur Südküste und zum Korinthischen Isthmus hinabsteigt. Dieses zerbrochene Stufenland der Krommyonia besteht zum Teil aus mesozoischem Kalk, meist aber aus jungtertiären Mergeln und Konglomeraten, dazu einigen Trachytmassen. Die Solfatara von Susaki, die im Altertum nicht erwähnt wird, und die heißen [1238] Quellen von Lutráki (Thermá bei Xen. hell. IV 5, 8) entspringen auf Verwerfungen. Tiefe Schluchten der Trockenbäche zerschneiden dieses Stufenland und münden mit gewaltigen Schuttkegeln, die wieder in kleinen anbaufähigen Ebenen an der Küste auslaufen (Ebenen von Kineta, H. Theodori, Susaki, Kaiamaki). Hier herrscht also vom Skironischen Engpaß an westlich Flachküste. An Quellen ist das ganze G.-Gebiet arm (Quellen in der G.: Alciphr. ep. III 45, 2. Paus. I 40, 1. 41, 2).

Die eigentliche G. und das Stufenland der Krommyonia ist, abgesehen von den Küstenebenen und einigen abgeholzten Stellen, von dünnem Wald, zum Teil mit Unterholz immergrüner Maquien, überzogen, und zwar von Beständen der Aleppokiefer (Pinus halepensis Mill.), in der Gipfelregion über 1000 m von Tannen und Schwarzkiefern. Hirsche, Wildschweine, Wölfe und Füchse kommen noch heute in dieser Waldwildnis vor, die, ganz ohne ständige Bewohner, nur im Sommer von Harzsammlern besucht wird. Nur auf den Ebenen der Südküste liegen einige kleine Weiler mit Feldern und Olivenpflanzungen, wo jetzt die Eisenbahn Athen–Korinth hindurchzieht. Abweichend davon sind die Höhenzüge in der Peraia kahl, die Talmulden aber angebaut; hier findet sich das große Dorf Perachora und zwei kleine. Das ganze Gebiet der G. hat 383 qkm und etwa 2200 Einwohner (6 auf 1 qkm). Die Bewohner sind Albanesen.

Die Bedeutung der G. liegt in ihrer Rolle als Grenzsperre zwischen Mittelgriechenland und dem Peloponnes. Nur drei Wege führen von der Megaris aus über das Gebirge: 1. der südliche Küstenweg des Skironischen Engpasses, der, wenn zugänglich gemacht, die kürzeste und bequemste Verbindung von Megara und Athen nach Korinth ist; 2. der Gebirgsweg von dem alten Ort Tripodiskos über das Joch Megaloderveni und weiter am Abhang des Gebirges entlang an der ,Fliegenquelle‘ (Mygaes-vrysis) vorbei zur Westseite des Isthmus von Korinth (Gell Itinerary of Greece 3. Dodwell Reise durch Griechenl., übers. von Sickler II 1, 285ff.); 3. von dem alten Küstenort Pagai an der steilen Nordküste entlang, dann durch die Peraia nach Lutraki, also ebenfalls zur Westseite des Isthmus (Ross Wanderungen I 113). Die beiden letzten Pässe sind Fortsetzungen der direkten Wege von Theben und Leuktra (Karte bei Grundy Persian War zu 368). Alle drei Straßen laufen in Korinth zusammen. In den Kriegen spielen die beiden Küstenstraßen, nach der uns vorliegenden Überlieferung wenigstens, gar keine Rolle. Von dem Skironischen Engpaß berichtet einzig Herodot. VIII 71; er wurde nach dem Kampf bei Thermopylai ungangbar gemacht. Für die Straße von Pegai fehlt jedes Beispiel trotz Curtius gegenteiliger Behauptung (Peloponnes I 8); denn über den Marsch von Kleombrotos und Archidamos 371 von Aigosthena aus schweigt Xen. hell. IV 4, 25f. Alle genaueren Berichte, namentlich Thukydides, sprechen so, daß man an die mittlere Straße denken muß. Folgende Übergänge über die G. werden erwähnt: 458 die Korinther, Thuc. I 105, 3. [Lys.] II 49. Busolt III 308. Die Athener besetzen die G., Thac. I 107, 3. Diod. XI 80. Busolt III 312. 457 die Spartaner, Thuc. 108, 2. Busolt [1239] III 315. 424 Brasidas nach Tripodiskos, Thuc. IV 70, 1. Busolt III 1188. 316 Kassandros, Diod. XIX 54 a. E. Droysen Hellenismus II 1, 323. 241 die Aitoler, Plut. Arat. 31. Droysen III 1, 433. 223 Antigonos, Plut. Cleom. 20 (zur Chronologie Kromayer Ant. Schlachtf. I 199, 1). Je größer der Landverkehr über diese Straßen, desto bedeutsamer das G.-Gebiet. Daher lagen hier im Altertum eine Reihe von heute meist eingegangenen Ortschaften: an der südlichen Küstenstraße Krommyon, Sidus und Schoinus in den Ebenen von H. Theodori, Susaki und Kalamaki, vielleicht auch Phalykos, östlich vom Skironischen Engpaß, Theophr. h. pl. II 8, 1. VIII 2, 11 an der Ruinenstelle Dami tu Mochlisu (Kiepert Formae orbis XIII Text 1); an der nördlichen Küstenstraße die Kastelle Gerania (s. d.) und Aris (Ἄρις s. d.) (Skylax per. 39), ferner Oinoe (bei dem jetzigen Skinó), Peiraion (bei Perachora oder Asprokampos); endlich lag an dem See Gorgopis (s. o.) eine alte megarensische Ortschaft, die später verschwunden zu sein scheint, Aigeiros oder Aigeiroi oder Aigeirusa (s. d.). Von Tempeln werden erwähnt der schon genannte der Hera Akraia an der Westspitze, einer des Zeus Aphesios auf dem Kamm des Gebirges (Paus. I 44, 9) und einer des Apollon Latoos (Paus. I 44, 10) am Westausgang des Skironischen Engpasses an der Ebene von Kineta. Westlich von diesem lag in späterer Zeit die Grenze zwischen Megara und Korinth, wie auch heute noch der Nomen Attika und Korinthia. Jedoch umfaßte in früherer Zeit, vor der dorischen Eroberung, das Gebiet von Megara auch die Krommyonia und Peraia, denn hier lagen von den fünf Komen der Megarenser (Plut. quaest. gr. 17) diejenigen der Ἡραεῖς und der Πειραεῖς, die dann an die Korinther kamen, und um die Krommyonia wurden vor und nach der dorischen Einwanderung zwischen den beiden Nachbarstaaten gekämpft. Curtius Peloponnesos I 25. II 598; Die Peraea von Korinth. Rh. Mus. N. F. IV (1846) 200ff. Bursian Geogr. v. Griechenl. I 365ff. Miliarakis Γεωγρ. πολ. 'Ἀργολίδας καὶ Κορινθίας. Athen 1886, 132ff. Philippson Der Peloponnes, Berlin 1892, 18ff. Photographie des athen. Inst. Megara 9.