Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Grammatiker und Mythograph
Band VII,1 (1910) S. 215227
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3) Fulgentius der Grammatiker und Mythograph. An den Namen knüpfen sich mannigfache literarhistorische Probleme.

I. Die Überlieferung.

Die Helmsche Ausgabe (Leipz. 1898), die man bis auf weiteres als kritische benützen muß, und nach deren Seiten und Zeilen daher hier zitiert wird, vereinigt folgende fünf Schriften: 1) Drei Bücher allegorisch erklärter mythischer Geschichten, in den In- und Subskriptionen der Hss. mitologiae betitelt (fortan M. bezeichnet); an der Spitze [216] eines vorausgeschickten Inhaltsverzeichnisses steht außerdem noch fabulae secundum philosophiam (moraliter fügt eine Hs. zu) expositae. Dieser Titel muß wohl auch alte Überlieferung sein, da mit ihm der nur hier erscheinende Name des Adressaten (ad Catum presbiterum Cartaginis Hs.-Klasse a, ad Cantiam pr. Kart. β) verbunden ist. Der Verfasser heißt in In- und Subskriptionen Fabius Planciades Fulgentius v. c. und gibt sich selbst S. 10, 11. 12, 22. 14, 21 den ersten bezw. dritten dieser Namen. 2) In denselben Hss. wie 1 und zum Teil unmittelbar darauf folgend – sonst geht 3 voran – ist überliefert Expositio Virgilianae continentiae secundum philosophos moralis (die Wortstellung ist in den Hss. verschieden; β gibt keine oder verkürzte In- und Subskription, vgl. den Titel von 3). Inhalt: allegorisch-moralisierende Erklärung der Aeneis. Den Adressaten redet F. zu Anfang Levitarum sanctissime an; er mag also mit dem der mitologiae identisch sein. Wenn eine Hs. der Klasse β ihn im Titel als Calcidius grammaticus bezeichnet, so ist das von 3 her eingedrungen. Der Verfassername, durch In- und Subskriptionen bezeugt, ist wie bei 1. Weiterhin wird diese Schrift mit V.C. bezeichnet. 3) Zum Teil in denselben Hss. wie 1 und 2, zum Teil in anderen unter grammatischen Schriften, Glossensammlungen u. dgl. (Übersicht bei Wessner Commentat. philol. Jen. VI 63ff.) steht die Expositio sermonum antiquorum, eine Sammlung 62 seltener Worte mit Belegen (über den Titel s. Jungmann Quaestiones Fulgentianae. Acta soc. phil. Lips. I 17. Wessner a. a. O. 129). Der Verfasser heißt in In- und Subskriptionen Fulgentius oder Fabius Planciades Fulgentius V.C. oder auch Fulgentius episcopus. Der Adressat ist, wie bei der jetzigen Kenntnis der Überlieferung nicht zweifelhaft sein kann, C(h)alcidius grammaticus (in zwei Hss. Calcidius presbyter, in einer Catus presbyter, aus den Mitologiae eingedrungen, also die Umkehrung der bei der Virgiliana continentia beobachteten Erscheinung). Die ganz unerheblichen Einwände gegen diese Tradition beleuchtet Wessner 130f. Die Schrift wird fortan mit E., Exp. oder Expos. bezeichnet. 4) Einige Hss. des 12. und 13. Jhdts. (bes. Palat. 886 und Reg. 173) enthalten die Schrift De aetatibus mundi et hominis. Nach einer Einleitung, die den absurden Grundgedanken des Werks ausspricht (den 23 Buchstaben entsprechen in mundo XX et tres temporum motus, daher solle in den 23 Büchern des Werkes je ein Buchstabe von a bis z fehlen), folgt das opus λειπογράμματον selbst, doch nur bis zum 14. Buch (ohne o), so daß entweder der Verfasser sein Werk nicht zu Ende geführt hat oder der Rest verloren gegangen ist. Die Inskriptionen geben als Verfassernamen Fabius Claudius Gordianus Fulgentius vir clarissimus. Der Adressat ist nicht genannt, nur zu Anfang virorum excellentior angeredet. 5) Der Parisinus 3012 s. XIII enthält eine Abhandlung S. Fulgentii episcopi super Thebaiden, eine allegorische Mythendeutung, ähnlich an Statius Thebais anknüpfend, wie V.C. an die Aeneis.

II. Der Verfasser der 5 Schriften.

Die erste Frage ist die nach der Identität der Verfasser. Die Namen gehen in dem Generalnenner [217] Fabius Claudius Gordianus Planciades Fulgentius auf; vollständig überliefert ist dieser aber nirgendwo. Über die persönlichen Verhältnisse des Verfassers fehlen in den Schriften 2–5 alle greifbareren Angaben (als Afrikaner scheint sich der Verfasser von De aet. S. 130, 27 und 131, 7. 14 zu bezeichnen; die Zeitschilderung in der V.C. zu Anfang ist zunächst nicht faßbar). Einigermaßen konkret drücken sich nur die Mitologiae aus. Und doch fällt auch hier das gewöhnlich als entscheidend angesehene Wort aus. Nämlich aus den galagetici impetus der Überlieferung S. 4, 15 hat man Getici oder Gallaecici oder dgl. herauslesen und danach die Schrift örtlich und zeitlich fixieren wollen. Dem steht in jedem Falle die Unsicherheit der Verbesserung im Wege; sodann aber glaube ich, daß in dem Zusammenhange überhaupt kein Volksname am Platze ist. F. hat sich urbanis extorris negotiis in den ruralis otii torpor zurückgezogen, er will agrestem secure adipisci quietem evitans aerumnosa calamitatum naufragia, quibus publicae vexantur incessabiliter actiones usw.; sopitisque in favilla silentii raucisonis iurgiorum classicis quibus me †galagetici quassaverant impetus, defaecatam silentio vitam agere creditabam, ni me illuc quoque maerorum (β M.2; memorum Helm mit den übrigen Hss., was auf die Steuereinzieher gehen soll, die nach 5, 1ff. F. auch auf dem Lande belästigen) angina improbior sequeretur usw. Es ist doch wohl klar, daß durchaus nur vom Gegensatz der ländlichen Ruhe zu städtischen Streitigkeiten die Rede ist (gerichtlichen meine ich; vgl. Firmic. IV prooem. 1–3 und des F. eigene abfällige Äußerungen über die Advokaten 98, 24ff.), und daß auch me quassaverant, das man natürlich nicht durch Konjekturen beseitigen darf, auf private Widerwärtigkeiten, nicht auf einen feindlichen Einfall hinweist (vgl. Zink Der Mytholog Fulgentius, Würzburg 1867, 5f.). Tatsächlich folgen die bellici incursus erst S. 5, 7 als eine Zugabe zu den vorher geschilderten miseriae. Von Anspielungen auf die Zeitgeschichte bleibt demnach auch hier nur die Häufigkeit dieser feindlichen Einfälle (bellici frequenter incursus a. a. O.) und die Ankunft des Königs, die sonnengleich die finstere Angst vertreibt. Das ist natürlich auch kein greifbarer Anhalt. Und die Identifikation des Verfassers der fünf Schriften läßt sich daher nur auf innere Gründe hin vollziehen. Solche sind wenigstens bei vier Schriften in völlig ausreichendem Maße vorhanden; sie zerfallen in inhaltliche und sprachlich-stilistische und können hier zwar nicht ausführlich dargelegt, aber doch in Beispielen gekennzeichnet und gewürdigt werden, wodurch sich zugleich ein ausreichendes Bild des Schriftstellers F. ergeben wird (man vgl. für das Folgende die Arbeiten von Jungmann und Zink, ferner Helm Philol. LVI 276 und Rh. Mus. LIV 111ff.).

1. Inhaltlich ist für die F.-Schriften charakteristisch a) die tolle Allegorisiererei, meist mit Hilfe wüster, namentlich auf nicht ganz einwandfreier Kenntnis des Griechischen (vgl. Jungmann Philologos Germaniae salutant scholae Thomanae magistri, Leipzig 1872, 27ff.) aufgebauter Etymologien, ferner b) die phantastisch gequälten Einkleidungen, endlich c) die Schwindelhaftigkeit [218] der Zitate, teils auf bloßer Liederlichkeit, teils auf bewußter Fälschung beruhend. Darüber hier einiges Nähere.

a) Myth. II 2 bringt die Geschichte von Hercules und Omphale. Hercules, heißt es da, Eracles graece dicitur, id est ero⟨o⟩n cleos quod nos latine virorum, fortium famam dicimus, unde et Homerus ait: cleos yon acusamen (merkwürdig, daß die Herausgeber nicht gemerkt haben, daß die Überlieferung – mit ganz vereinzelten Ausnahmen wie S. 22, 3. 26, 11 – durchaus darauf führt, daß F. alles Griechische mit lateinischen Buchstaben transkribiert hatte), hoc est: famam solam audivimus. Ideo et Alcei nepos dicitur: alce enim Graece praesumptio interpretatur; nam et Almenam matrem habet quasi almera quod Graece salsum dicitur. Denn die fortitudinis gloria gehe hervor ex igne ingenii ut ex Iove et ex praesumptione et ex salsidine sapientiae. Et tamen a libidine superatur; omfalon enim Graece umbilicum dicitur; libido enim in umbilico dominatur mulieribus, wie Ezech. 16, 4 zeige. Anderes möchte ich aus den Mythologiae nicht erst ausschreiben, obgleich einzelne Fälle ihr besonderes Interesse haben, z. B. die Erklärung des Ericthonius II 11 (eris graece certamen dicitur, tonos vero non solum terra quantum etiam invidia dici potest; zur Gleichsetzung cthonos pthonos s. Niedermann Rh. Mus. LX 1905, 460) oder parallele lateinische Etymologien wie Mercurium quasi mercium curum I 18. Ganz Ähnliches gibt nun die Virgil. continent. (z. B. S. 91, 11: colus Graece quasi eon olus ·i· saeculi interitus, unde et Homerus ait ulomene meta miri Aceis alge edocen) und die Schrift super Thebaiden (S. 182, 21ff. nascitur Edipus ·i· lascivia. Hoc nomen ... sumptum est ab edo quod animal valde lascivum est ... Ethos Grece, Latine mos dicitur ... ocleos dicitur interitus [?], inde Ethiocles morum interitus, hoc est avaritia per quam, mores intereunt); zuzugeben ist freilich, daß das Griechische der Schrift super Thebaiden noch einen Grad toller ist als das der anderen (besonders schlimm 183, 11; vgl. Helm Ausg. S. XV). Die Schriften Expos. serm. ant. und De aet. mundi können ihrem Inhalt nach nichts Ähnliches bieten.

b) Die phantastische Einkleidung teilen M. und V.C.; dort muß zu Beginn dem Dichter Calliopea mit Philosophia und Urania, hier Vergil selbst erscheinen und mit ihm über seine Absichten Zwiesprache im wüstesten Schnörkelstil halten, die, tiefsinnig und witzig gemeint, auf den Leser als ein lasciate ogni speranza wirkt. Wie die Form dieser Einleitungen mit eingelegten Hexametern und (in der Prosodie recht fehlerhaften) trochäischen Septenaren ohne weiteres an die Menippeische Satire mahnt – die Worte et ut in verba paucissima conferam, nox erat S. 13. 17, womit die vorausgehenden Verse zusammengefaßt werden, klingen so selbstironisierend wie das puto magis intelleges, si dixero: mensis erat October, dies III idus bei Sen. apoc. 2 –, so fühlt man sich ganz besonders an die ähnlich abgeschmackte Phantastik des Martianus Capella erinnert. Daß diese Reminiszenz berechtigt ist, könnte die Einzeluntersuchung gewiß mit leichter Mühe zeigen; in unserem Zusammenhang hier ist es besonders [219] wichtig, darauf zu verweisen, daß in der Expos. Martianus Capella mit Namen zitiert wird (cap. 45).

c) Die Zitiermethode beweist Gleichheit des Autors für die M., die V.C. und die Expos. Dies sieht man schon bei einem Blick auf die Namen der Zitierten (s. die Übersicht in Helms Ausg. S. 187f.). Apuleius ist oft zitiert in M. und E.; Fenestella (s. Bd. VI S. 2179), Mnaseas Europa, der Komödiendichter Sutrius begegnen je einmal in M. und E. Derselbe ist doch wohl auch Diophantus Lacedaemonum auctor mit 14 libri antiquitatum M. 15, 21 und Diofontus Lacedaemonius de sacris deorum Exp. 112, 17. Optatianus Porfyrius erscheint in M. und V.C., Petron mit ganz einzigartigen Zitaten und Tiberianus in allen drei Schriften. Bibelzitate sind außer in M. und V.C. zahlreich in De aet., das für sonstige Zitate keinen Raum bietet. Aber mehr als dies beweist die Art der Zitate. Es ist das Verdienst von L. Lersch, hierüber wenigstens für die Expositio in seiner Ausgabe dieser Schrift (Bonn 1844) das Richtige im wesentlichen festgestellt zu haben; diese Dinge sind aber allen vier obengenannten Werken des F. gemeinsam. F. ist nicht nur oft sehr flüchtig, sondern ein Schwindler wie Ptolemaeus Chennus (Hercher Jahrb. f. Philol. Suppl. I 269ff.) oder Virgilius Grammaticus, dem er auch zeitlich nahesteht. Verfassernamen, Titel und Zitate erfindet er ganz oder teilweise; ob der Zweck dabei bloß war, mit dem Scheine ungewöhnlicher Gelehrsamkeit zu glänzen, wird vielleicht feststellen können, wer die Verbindungslinien zwischen den drei Ehrenmännern zu ziehen versucht (vgl. Hercher 276. 282). Wenigstens auf einige besondere Manieren bei F. soll hier hingewiesen werden. Einfache Flüchtigkeit ist es, wenn F. Zitate aus Plautus, den er recht gut kennt, so daß er sogar Verse daraus mit Geschick in seinen Kontext verflicht (s. namentlich V.C. 86, 18f. = Plaut. Pseud. 469f., von Helm nicht beachtet!, sonst z. B. M. 23, 19 Men. 155), einem falschen Stücke zuschreibt (M. 17, 19; E. 115, 17 u. a.). Mehr als Flüchtigkeit mag es auch nicht sein, wenn der Saurea der Asinaria zur Matrone wird (13, 2) und Vidularia als Cacistus, Bacchides als Chrysalus zitiert werden (E. 116, 10. 120, 2). Aber hier schließen sich bedeutend schlimmere Dinge an. Die Melaenis der Cistellaria wird nicht nur zum Titel, sondern sie bekommt einen eigenen Dichter Flaccus Tibullus (s. o. Bd. VI S. 2435) und ein aus Plautusreminiszenzen zusammengeflicktes Zitat. Wenn aber hier zwei berühmte Poeten ihre Cognomina zur Ausstattung des erlogenen Kollegen hergeben mußten, so scheint der oben erwähnte Sutrius der Erwähnung der Stadt Sutrium bei Plautus Cas. 524 sein Dasein zu verdanken. Die Zitate selbst sind überaus oft wie bei der Melaenis ein Gemenge Plautinischer Floskeln (z. B. Lucretius comicus in Nummolaria ,nescio quorsum mihi eveniant tua verba tam delenifica‘ Exp. cap. 62 = Most. 395 + Epid. 32 + Mil. 192; ähnlich Pammacius S. 120, 12 = Poen. 270 + Pseud. 199f. usw.). Bei den Titeln ist eine eigenartige Prozedur die Trennung von Verfasser- und Buchnamen: S. 114, 8 erscheint Cincius Alimentus [in historia de Gorgia Leontino], S. 115, 8 [‌Varro] in mistagogorum libro. Schließlich aber [220] gibt es eine große Masse von Titeln, wo jeder Halt verloren und die Lügenhaftigkeit ganz ins Blaue zu gehen scheint. Das ist namentlich bei der großen Masse der griechischen Namen und Titel der Fall, wovon ich wenigstens das librorum bisduodenum volumen Xenofontis poetae in singulis libris singulis litteris diminutis anführen will, das für De aet. Vorbild gewesen sein soll (S. 130, 21), aber selbstverständlich Schwindel ist, wenn es auch von des Lasos ὠιδὴ ἄσιγμος bis auf F. manch anderes ähnlich absurdes Produkt gegeben haben wird und eines von diesen wirklich den F. angeregt haben mag. Die sonstigen zahlreichen Schriftsteller und Werke, womit F. die antike Literatur bereichert hat, findet man außer bei Lersch namentlich von Zink 62ff. eingehend kritisiert.

Es ist bei dieser Sachlage für die Einschätzung des F. ziemlich gleichgültig, daß sich doch in einzelnen Fällen seine Zuverlässigkeit den Angriffen von Lersch, Zink u. a. gegenüber überraschend bewährt hat. So besonders bei dem Zitate V.C. S. 103, 17: Plautus in Cistolaria ,Quid tu amicam times ne te manuleo caiet?‘, das früher als Hirngespinst des F. galt, aber von Studemund wenigstens teilweise noch im Palimpsest gelesen werden konnte (Cist. 252; nicht einmal dies ist bei Helm notiert). Überhaupt aber hat eine Untersuchung der Plautuszitate gezeigt, daß sie in der Exp. zum Teil in geordneter Reihe aus den Stücken exzerpiert worden sind (Lersch 82 und besonders Leo De Plauti Vidularia, Ind. schol. Gotting. 1894, 15. 16), daher das Zitat Plautus in Baccide S. 119, 14 richtig und mit frg. IV L. zu identifizieren ist (Helm bezieht es falsch auf Stich. 352). Aber auch über die Plautuszitate hinaus rechtfertigen sich bisweilen die Angaben des F., und die fortschreitende Forschung mag noch manches heute verdächtige Zitat verifizieren. Man vergleiche z. B. für die bei Helm zum Teil unbelegten Zitate aus den hermetischen Schriften Reitzenstein Poimandres 210. Ferner ist die Stelle V.C. S. 97, 4, wo ramus und rapsodia verbunden werden, sicut Dionisius in Graecis articulationibus memorat, offenbar auf Dionysius Thrax S. 8, 4ff. zu beziehen (vgl. M. S. 77, 20 in grammaticis prima lectio, secunda articulatio), womit sich Zinks Weitläufigkeiten S. 91 aufs einfachste erledigen. Immer aber wird bei F. das Echte und Gute Ausnahme bleiben.

d) Es gibt schließlich auch noch manche Einzelheiten des Inhalts, die den Zusammenhang der F.-Schriften klarstellen. So wird die Geschichte von Metennia, der ihr Alkoholismus das Leben kostete, Exp. 126, 2 und De aet. S. 168, 18 erwähnt.

2. Einheitlich sind die unter dem Namen des F. gehenden Schriften auch sprachlich und stilistisch. Hierüber sehe man außer der früher angeführten Literatur (besonders Zink und Helm Philol. a. O.) namentlich noch die wertvollen Programme von Nestler Die Latinität des F. (Böhmisch-Leipa 1905 und 1906). Die Übereinstimmungen sind sehr groß im Lexikalischen, wie man das in Helms und Nestlers Verzeichnissen leicht überblicken kann. Sie gehen aber darüber hinaus auf ganze Wendungen (man vgl. [221] namentlich die Einleitungen zu V.C. und De aet., deren ganz ähnlicher Gedankengang schließlich zu folgender captatio benivolentiae führt: V.C. S. 84, 19 esto ergo contentus, mi domine, leviori fasciculo quem tibi Hesperidum florulentis decerpsimus hortulis; aurea enim mala si expetis, esto Euristeus alio fortiori, qui ut Alcides suam pro nihilo reputet vitam De aet. S. 129, 13 esto ergo contentus huic oneri, quod tibi florulentis Pieridum decerpsimus hortulis et sicut Euristeus mihi inponendo sudori Herculeo praefuisti). Aber auch in Formenlehre und Syntax ist die Ähnlichkeit unverkennbar (s. Nestler, z. B. II 22 über Stellung und Rektion von propter). Vielleicht der überwältigendste Einheitsbeweis aber ist der aus dem Stil. F. ist über seine Muster Apuleius und Martianus Capella zu einem Grade von Bizarrerie fortgeschritten, der in aller römischen Literatur seinesgleichen sucht. Die Fähigkeit, sich schlicht und sachlich auszudrücken, scheint ihm abhanden gekommen, nicht bloß in De aetat., wo sich das ja aus der lexikalischen Selbstkastration erklären könnte, sondern, mit Ausnahme mancher einfach erzählender oder darlegender Partien, auch in den übrigen Schriften. Wie ihm die ausgefallensten Vokabeln die liebsten sind, so gibt er den Worten gern, wie es in aller künstlichen Sprache leicht geschieht (s. o. Bd. VI S. 1183), eine neue, auf dem Wege einer Art künstlicher Volksetymologie gewonnene Bedeutung (z. B. flāgitare ,wehen‘ unter Anlehnung an flare; gute Beobachtungen über dergleichen bei Helm Archiv f. Lexikogr. XI 71ff.: über Metaphern u. dgl. Zink 50ff.). Alle fünf Schriften sind rhythmisch geformt mit den üblichen Klauseln, eine Erkenntnis, die in einer künftigen Ausgabe verwertet werden muß und viel Eigenartiges in Syntax und namentlich Wortstellung aufklärt; am wenigsten konsequent in der Rhythmisierung (also auch hierin wieder einigermaßen besonders gestellt) ist die Schrift super Thebaiden. Das Hauptcharakteristikum des F. aber ist für unser Empfinden der übermäßige Gebrauch der Redefiguren (Proben bei Zink 55), besonders Antithesen mit Isokolon und den verschiedensten Paronomasien sowie paralleler oder chiastischer Stellung der Worte

(M. 11, 8 haec lumen quāērĭt ēxtīnctŭm, illa dēflēt īncēnsŭm, ut Psyche videndo perderet et Hero nōn vĭdēndō pĕrīssĕt;
17, 1 timoris pŏtĭŭs ēffēctŭ quam amōrĭs āffēctŭ;
44, 6 Graecia quantum stupēndă mendacĭo, tantum est admirāndă cômmēntŏ;
VC 84, 18 ne dum quis laudēm quāērit nōmĭnīs, fragumen rĕpērīāt căpĭtĭs;
Exp. 111, 5, wo wahrscheinlich spŭmīs zu messen;
De aet. 133, 29 nudus qui mūndŭm īngrĕdītŭr, nudus mūndŏ ēgrĕdītŭr;
139, 21 suorum adulterōrŭ(m) mōrtīfĕră, moriēntĭūm ădultĕrā;
169, 17 quod răpŭīt rēddīdīt et quŏd hăbŭīt pērdĭdīt;
sup. Theb. 180, 17 ut habeas nucleum, frangēndá ēst tēstā; ut figurae pateant, quatiēndā ēst līttĕrā

mögen hier als ein paar Fälle aus Hunderten stehen und die gleichmäßige Verbreitung über alle fünf Schriften exemplifizieren). Eine besonders beliebte Form ist auch eine, die man συναθροισμός oder ἀσύνδετον benennen mag; z. B.

S. 36, 14 cura macerat, fama ornat, pascit spes; das. Z. 16;
S. 67, 19 habuit vocālĕ sērvĭtĭŭm, ventosum dominium, noctūrnūm [222] cōmmērcĭūm, ignotum coniugium usw.

Das copiosum dictionis enormeque fluentum, das der Verfasser De aetat. S. 130, 18 an sich rühmt, müssen wir ihm zu unserem Verdruß zugestehen.

Wir erhalten so unter Zugrundelegung der fünf Schriften ein vollkommen einheitliches Bild einer schriftstellerischen Persönlichkeit, in das sich auch die sonstigen gelegentlich von F. selbst zitierten aber nicht erhaltenen Werke passend einfügen lassen, nämlich ,anakreonteische‘ Gedichte (S. 10, 11; vgl. S. 8, 18), satirische Erzeugnisse (S. 1, 11 und 10, 14; jedenfalls Menippeische nach Art der Satura des Martianus Capella, in deren Spuren, wie früher gesagt, auch M. und V.C. wandeln), endlich ein liber physiologus de medicinalibus causis et de septenario et de novenario numero (S. 92, 1). Ohne Gewähr ist ein angeblicher Kommentar zu Vergils Buc. und Georg., Lersch 96. Eine Reihenfolge der erhaltenen Werke läßt sich nicht mit Sicherheit aufstellen (vgl. Helm Philol. LVI 288); nur Lerschs Beobachtung S. 60 scheint richtig, daß das angebliche Apuleiuszitat Exp. S. 121, 11 des F. eigene Wiedergabe der Apuleiuserzählung M. S. 67, 11 voraussetzt, und deutlich ist V.C. 98, 24 (superius exposuimus) auf M. I 6 verwiesen (Jungmann 55).

Aber der Mensch hinter dem Schriftsteller ist uns noch nicht sichtbar geworden. Einen Terminus post quem haben wir durch die Nachahmung des Martianus Capella, zu der noch Nachahmung des Orosius kommt (Helm Rh. Mus. LIV 116f.; was Helm sonst von Imitationen anführt, ist unsicher). Auf die Herkunft aus Afrika kann die Bevorzugung afrikanischer Vorbilder weisen (Apuleius, vgl. u. S. 226; Martianus Capella; Orosius; Nonius, Wessner Comment. Jen. VI 134; Pervigilium Veneris und Tiberianus, die in den Versen S. 7 wörtlich benutzt sind, Helm Ausg. S. IV). Aber das sind unsichere Indizien und für alles Weitere scheint vollends jeder Anhalt zu fehlen.

III. Der Bischof Fulgentius.

Die erwünschte Klarheit geben uns erst die Nachrichten über den gleichnamigen Bischof. Über diesen berichtet seine (von Fulgentius Ferrandus stammende?) Vita (Migne lat. 65, 119): avus eius nomine Gordianus hatte einen Sohn Claudius, der in Tellepte mit seiner Frau Mariana den späteren Bischof zeugte, eumque statim quasi praescius qualis esset futurus Fulgentium nominavit (es war also der erste F. in der Familie). Ausdrücklich wird dann von seinen griechischen (Homer, Menander) und seinen lateinischen Studien erzählt (Latinis litteris, quas magistri ludi docere consueverunt, in domo edoctus artis etiam grammaticae traditur auditorio). Darauf verwaltet F. die väterlichen Güter, aber im Beginn seiner staatlichen Laufbahn (als procurator ordinarius) beschließt er plötzlich, auf die weltlichen Güter zu verzichten und schlägt den Weg ein, der ihn im J. 507 zum Episkopat von Ruspe führt. Sein Leben fällt in die J. 467–532; über seine ausgedehnte christliche Schriftstellerei vgl. Jülicher oben Nr. 2.

Ich brauche nicht erst hervorzuheben, wieviel für die Identifikation mit unserem F. spricht. Man wird insbesondere nunmehr darauf Gewicht [223] legen, daß in der Schrift Super Thebaiden der Verfasser ausdrücklich als episcopus bezeichnet ist. So würde man denn auch die Gleichsetzung gewiß allgemein anerkennen, wenn man nicht in der Vita des Bischofs (und bei Isidor vir. illustr. 27) jeden Hinweis auf die unter I aufgeführten Schriften vermißte. Und da die Vita nun einmal diese Lücke hat, so erhebt man auch stilistische Bedenken: der Bischof soll so ungefähr der stilistische Antipode des Mythologen sein. Nach Zink 2f. Reifferscheid Rh. Mus. XXIII 135ff. Teuffel5 § 480 u. a. ist des Bischofs ,Schreibweise ebenso nüchtern und trocken wie die seines geckenhaften Namensvetters verschroben‘. Was das Hauptargument angeht, so wird man Helm Rh. Mus. LIV 111 darin recht geben müssen (auch wenn man seine Gründe nicht immer gutheißen kann), daß die mythologisch-grammatischen Schriften des F. durchaus in seine Jugend fallen können und daß die frommen Biographen des F. nicht nur kein Interesse an ihrer Erwähnung, sondern sogar Interesse an ihrer Nichterwähnung haben mochten: für die Gottseligkeit des F. trugen sie im besten Falle sehr wenig auf. Werden aber die mythologischen und die apologetischen Werke des F. zwei verschiedenen Lebensaltern oder Entwicklungsperioden des Verfassers zugeschrieben, so könnte die Stilverschiedenheit selbst dann nichts beweisen, wenn sie von Zink, Teuffel und den anderen richtig geschildert wäre. Sonderbarerweise ist das aber gar nicht der Fall; ja es ist überhaupt offenbar eine Stilvergleichung nie versucht worden, sonst hätte sofort auffallen müssen, daß trotz einer unleugbaren Schwenkung der Stil des Bischofs mit dem von M., V.C. usw. noch immer die auffallendste Ähnlichkeit besitzt. Auch Helm hat (a. a. O. S. 133) den Bischof nur eben einmal daraufhin angelesen; trotzdem ist es auch ihm nicht entgangen, daß ,sich Anknüpfungspunkte genug finden‘. Ich kann hier natürlich unmöglich ins einzelne gehen, möchte auch meinem Schüler O. Friebel, der die Dinge in kurzem eindringend behandeln wird, nicht vorgreifen, aber ein paar Richtlinien sollen gezogen werden. Eins scheidet den späteren Stil des F. von dem früheren, das ist die verhältnismäßige Freiheit von glossematischen Ausdrücken. Mit der schwindelhaften Gelehrsamkeit fehlen auch die absonderlichen, zum Teil fingierten Worte fast gänzlich. Und doch läßt sich auch manches Lexikalische, das Beweiskraft hat, mit leichter Mühe zusammenstellen. Ich gebe ein paar Dinge, die mir gerade bei flüchtiger Lektüre in die Hand gekommen sind; die christologischen Schriften zitiere ich nach Seiten und Perikopen von Migne Bd. 65, die Parallelen aus den mythographisch-grammatischen Werken findet man, wo ich keine Zahlenzitate gebe, in den Indices von Helm und Nestler: aliquatenus (dreimal bei Helm), nullatenus (zweimal) Lieblingsworte des Bischofs, z. B. 394 D. 389 C (je zweimal), baratrum (scaevae) [caecae?] credulitatis 17, 7 H., nefariae assertionis 253 C), credulitas (z. B. 387 C), crementum (fünfmal bei Helm, 351 B), ergastulum (fünfmal bei Helm, 246 B), maestificare (435 C), senium (228 A, Myth. 63, 23). Dasselbe Wort liegt doch auch wohl vor 229 C fetulentae carnis inquinamenta non sensit, qui ad ... mundandam [224] carnis fetulentiam venit (so Migne) und 98, 22 H. ergo dum ad tempus multae scientiae quis pervenerit, in temporales gurgitum cenositates morumque feculentias transit (vgl. 159, 7). Auch 228 C tenebratur hāctĕnūs līppĭtūdŏ und 173, 22 cadit ex oculis albigātă līppīdŏ (hier verlangt die Klausel diese Form, dort jene) wird man vergleichbar finden. Aber ich mag nicht weiter Raubbau treiben; systematische Arbeit wird die Fälle mindestens verzehnfachen.

Dem entspricht nun die völlige Übereinstimmung beider Fulgentii in den rhetorischen Künsteleien; der Bischof ist genau der gleiche Wortjongleur wie der Mythograph. Auch gibt es nicht etwa, wie man zu glauben scheint, bei dem Christologen Gradunterschiede in diesen Dingen, sondern sämtliche Schriften sind, soweit ich gesehen habe, darin gleich, höchstens etwa, daß die Predigten noch über die systematischen Schriften (ad Thrasamundum usw.) und Briefe hinaus gesteigert sind. Auf getürmten Periodenbau ist zugunsten antithetisch gebauter rhetorisch bis ins kleinste ausgetüftelter Parallelsätze meist Verzicht getan, wie sich genau dasselbe in den grammatisch-mythologischen Schriften außerhalb der Einleitungen zeigt. Wenn man Beispiele aufzuzählen anfängt, um die Ähnlichkeit mit den vorhin aus dem Mythologen aufgeführten aufzuzeigen, kommt man besonders in Gefahr, sich ins Ungemessene zu verlieren, denn nur wenige Sätze eignen sich nicht zum Beleg. Ich will auch keineswegs die Meinung erwecken, als hätte ich das Wirksamste ausgesucht; ich greife aufs Geratewohl heraus.

330 D: in opere corporālĭūm nuptĭār ŭm virginitas cārīŭs amittĭtŭr, ut ad carnis fecunditātĕ(m) vĕnĭatŭr. Ubi tamen nonnumquam sic incertāē spěi frūctŭ fraudātŭr hūmānă dēlĕctātĭō, ut quae virgo esse destitit (l. ēssĕ dēsīstĭt), mater ēssĕ nōn pōssĭt, et sterilitātĭs ōbstācŭlō cŏērcĭtā (oder -stācŭlō coērcĭtā) nec in corpore queat reparārĕ quōd, pērdĭdīt nec ex corpore valeat habere quod cupit (l. habērĕ quōd cŭpĭīt).
331 A: sic enim ibi non est mortalis frūctŭs ēx cōrpŏrē, ut inmortalis fetus non desĭt ēx cōrdĕ.
338 B: datur enim, ut humiles essĕ īncĭpĭānt, et datur ut humiles ēssĕ nōn dēsĭnānt. Gratia igitur Dei facit ut ĕt hŭmĭlēs sīmŭs et humiles perseverārĕ pōssīmŭs. Qui enim potuit quod nōn hăbŭĭmus dărē, ipse potēst quŏd āccēpĭmūs cūstōdīrĕ.
354 D: in quo et omnipotens mĭsĕrĭcōrdĭä et omnipotentĭá mĭsĕrĭcōrs ĕst. Tanta est autem et benignitas ōmnĭpŏtēntiāē et omnipotentia benignitatis in Deo, ut ... (ein bei F. besonders beliebtes chassez-croisez).
356 B: sic ut potest per iustitiam damnārĕ āvērsŭm, sic potest per misericordiam semper salvārĕ cōnvērsŭm.
740 D: Paratus excepīt pērcūssōrĭs īctŭm, et animum solī Dĕō sūbdītūm etiam ipsa mors serrāvĭt īnvīctŭm. Denique nihil eum revocavit a pastoris gregīsquĕ cūstōdĭā (folgt starkes vielgliedriges Asyndeton. Dann):
Nam et in ēxĭtĭō cōnstĭtūtŭs atque ab ecclēsĭā sĭbĭ cōmmĭssā corpore tāntūm, nōn mēntē sēpǎrātŭs; pāūpĕrum ălĭmēntǎ; et in occūltŏ ābscōndĭtŭs disciplīnaĕ cēnsūrăm; et a prīncĭpĕ dētēntŭs virginūm pŭdīcĭtĭăm; et ad tribūnăl ēxhĭbītŭs clericōrŭ(m) tūdēlǎm (Mythol. 40, 8);
ēt mĭnīs āctŭs rōbūstām cōnscĭēntīām; et subdole consumptus (?) spiritālĕ(m) cāutēlăm (auch dies Wort [225] wiederholt in den Mythologiae); ĕt ĭnīque iūdĭcātŭs Christianam patiēntĭām cūstōdīvĭt.

Ich überlasse die Einzelanalyse, der ich durch Zeichen nach Möglichkeit vorgearbeitet habe, dem Leser; sie läßt keinen Zweifel, daß das stilistische Bild des Bischofs bisher zur Unkenntlichkeit verzeichnet war, das korrigierte aber schlagende Ähnlichkeit mit dem des Mythologen hat. Die Identität der beiden darf als Faktum der römischen Literaturgeschichte gelten. Und vielleicht gelingt es also nunmehr jemandem festzustellen, welches Königs Ankunft in den Mythol. 5, 15 H. gemeint ist.

IV. Quellen und Benützung des Fulgentius.

Was über die Quellen des F. bisher bekannt ist, hat im Lauf der Darstellung bereits Erwähnung gefunden: von Einzelheiten darf ich absehen. Aber auf das Verhältnis des F. zu Mai’s vatikanischen Mythographen muß hier noch eingegangen werden. Zwar bei Mythogr. II liegt die Sache ebenso klar wie bei III, der den F. wiederholt nennt (S. 164. 165 usw. M.): die Abhängigkeit von F. ist nicht zweifelhaft (F. Keseling De mythographi Vaticani secundi fontibus, Halle 1908, 67ff.). Dagegen glaubt man aus den Übereinstimmungen des Mythogr. I mit F. auf eine gemeinsame Quelle, eines der heutzutage so beliebten mythologischen Handbücher schließen zu dürfen. Mich hat auch die letzte und eingehendste Darlegung dieser Ansicht durch R. Schulz (De mythographi Vaticani primi fontibus. Halle 1905, 13ff. 69ff.) nicht überzeugt. Der treffliche Zink scheint mir vielmehr S. 14 mit vollstem Recht hervorzuheben, daß die gemeinsamen Stücke im Stil, in dem gelehrten Beiwerk, den ,weitgeholten Zitaten‘, den ,ermüdenden Räsonnements‘ und ,mystischen Reflexionen‘, endlich in den ,absonderlichen Etymologien‘ durchaus die uns so wohlbekannte Fabrikmarke des F. (und zwar eben nicht nur die der M., sondern sämtlicher Schriften) zeigen. Aber auch Einzelargumente erweisen F. als die Quelle des Mythographen – sonderbarerweise gerade solche, mit denen Schulz u. a. ein anderes Verhältnis der beiden feststellen wollten. II 16 erzählt F. die Geschichte von Luna und Endymion nicht, sondern gibt nur allegorische Deutungen dafür; der Mythograph aber schickt (fab. 229) seiner wörtlich zu F. stimmenden Erklärung eine kurze Erzählung des Mythus voran, die er mit den Worten beschließt: cuius rei mysticam quandam volunt rationem. Hier nimmt Schulz 19 Verkürzung der gemeinsamen Quelle durch F. an. Aber (um ganz davon abzusehen, daß F. andererseits in der Erklärung viel mehr bietet als der Mythograph) die Erzählung des Mythographen deckt sich wörtlich mit Serv. Georg. III 391, wo der Abschluß lautet: cuius rei mystici volunt quandam secretam esse rationem. Nach Schulz soll nun auch Servius aus dem Handbuch geschöpft, aber seinerseits die Erklärung weggelassen haben. Diese Meinung wäre aber doch nur dann haltbar, wenn Servius sonst als Vorlage des Mythographen I nicht nachgewiesen wäre. Da er aber vielmehr dessen wieder und wieder wörtlich benutzte Hauptquelle ist, so ist die einzig mir annehmbare Lösung vielmehr die, daß fab. 229 aus F. II 16 und Servius kontaminiert ist (mag immerhin auch in der Quelle des Servius [226] einst eine allegorische Erklärung auf die jetzt am Schlusse stehenden Worte gefolgt sein). Zu einem entsprechenden Ergebnis führt mich das von R. Förster Herm. XIV 473 und Schulz 20 anders beurteilte Kapitel III 6, die Wiedergabe der Apuleianischen Erzählung von Amor und Psyche, deren größerer Teil bei dem Mythogr. fab. 231 wörtlich wiederkehrt; die beiden Stellen sind dadurch noch besonders aneinander geknüpft, daß sie denselben Fehler enthalten (68, 15 H. Iove petente, wo etwa a Iove petens die Apuleianische Erzählung richtig wiedergegeben hätte). Hiernach setzt Förster eine Epitome der Apuleianischen Erzählung als Quelle an. Aber die beiden Stellen können für eine solche Epitome nichts beweisen. Daß F. seines Landsmanns Metamorphosen unverkürzt gelesen hat, ist wohl a priori wahrscheinlich, mögen auch die direkten Zitate daraus (117, 1. 121, 11 [vgl. o. S. 222, 23]. 122, 3. 123, 1) nach Art des F. verdreht oder erschwindelt sein. Ganz sicher ist eine Imitation wie die des Anfangs der Metamorphosen auresque tuas benivolas lepido susurro permulceam im Anfang der Myth. S. 1, 15 tuarum aurium sedes lepido quolibet susurro permulceam (außerdem z. B. pigra quiete S. 13, 25 Met. XI 1 u. v. a.). Aber nicht nur das: auch Förster kann nicht umhin, zuzugeben, daß F. außer der Epitome einen vollständigen Apuleius da benutzt haben muß, wo er nach Schluß des auch beim Mythogr. Vatic. stehenden Stückes fortfährt: Poteram quidem totius fabulae ordinem hoc libello percurrere, qualiter et ad infernum descenderit usw. und nun sich in ein Detail einläßt, das er eben nur aus dem Originalwerk haben kann. Schwerlich würde auch die Epitome die Buchteilung des Originals gewahrt haben, mit der sich F. 68, 21 bekannt zeigt. Kaum wird es also nötig sein, auch hier erst noch besonders auf den durchaus Fulgentianischen Stil unseres Kapitels hinzuweisen. Zum Schlußstein der Beweisführung aber wird eine bisher übersehene Einzelheit. F. schreibt 67, 11 perfecto iamque coragio puella per montis declivia ... rapitur, der Mythogr. S. 81 wörtlich so, aber er schiebt hinter coragio die Worte id est virginali funere ein. Damit vergleiche man die Expos. serm. ant. 121, 10 Coragium dicitur virginale funus sicut Apuleius in metamorfoseon ait ,Coragio itaque perfecto omnes domuitionem parant‘. Mir scheint klar, daß der Mythograph die Erklärung aus der anderen Fulgentiusschrift beigesetzt hat (warum F. 67. 11 die Erklärung, wenn sie in seiner Quelle stand, weggelassen haben sollte, ist nicht abzusehen; vgl. die mit id est angefügten Interpretationen 48, 3. 6. 15. 17 usw. usw.). Findet man solche Assoziation unwahrscheinlich? Dann möchte ich darauf hinweisen, daß sie bei dem Schreiber des Gudianus 331 tatsächlich eingetreten ist. Dieser hat an der Stelle der M. über coragio geschrieben virginali funere d. h. die aus der Expos. serm. ant. genommene Erklärung, wie doch wohl niemand bezweifeln wird, wenn auch Helm den Ursprung der Worte anzumerken vergessen hat.

Nach all dem scheint mir Zinks Annahme gesichert, daß die gleiche Abfolge der Stoffe bei F. Myth. I 2–18 und bei dem Myth. Vatic. fab. [227] 102–119 sich aus der Benutzung des ersteren durch den letzteren erklärt. Für die Quellenforschung bei F. fällt der erste Mythograph also ebenso aus wie die beiden anderen. Die Lücke mit Besserem zu füllen bin ich nicht in der Lage; daß die etymologisch-allegorische Weisheit ein Spätling stoischer Kunst ist, sieht man natürlich. Aber eine Etymologie, die auf die lateinische Namensform gebaut ist wie 48, 14 Ulixes Graece quasi olon xenos id est omnium peregrinus dicitur, zeigt, daß F. entweder eigene Schulreminiszenzen und Einfälle ausstreut oder höchstens lateinische Quellen benutzt.

Die Schriften des F. haben sich im frühen Mittelalter außerordentlicher Beliebtheit und Benutzung erfreut. Die Ausbeutung in den Myth. Vatic. ist ein Zeichen davon. Sodann spricht die große Zahl der Handschriften von saec. IX (oder VIII? s. Helm S. X über Regin. 1467) bis XII, die bei Helm keineswegs ausgeschöpft ist; vgl. den wichtigen Aufsatz von P. Lehmann Rh. Mus. LXI 1906, 107ff. Im Mindensis des Firmicus de err. s. IX/X hat ein wenig jüngerer Schreiber auf fol. 5 v beigeschrieben Fulgentius de fabulis, allerdings ohne klare Beziehung (S. 15, 1 Ziegler; vgl. Berl. phil. Woch. 1909, 1200 und das Scholion zu Firm. math. II 2, 2 S. 42, 14 K.-S. in den Hss. PR saec. XI). Ins 9. Jhdt. fällt die wörtliche Benutzung des F. durch Sedulius Scottus (Hellmann in Traubes Quellen und Untersuchungen I 1, München 1906 S. XIV). Um 950 schöpft Atto in seinem Polipticum zahlreiche Glossen aus der Expos. serm. antiqu. (Lersch 91). Im 11. Jhdt. begegnen uns Worte aus der Expos. bei Benzo von Alba (Monum. German. XI 591ff. Lersch Rh. Mus. V 312f.). Eigene F.-Glossare, auf Grund der Expos. gefertigt, liegen in Handschriften des 10.–13. Jhdts. vor; in andere Glossensammlungen vom 10. Jhdt. ab sind einzelne Glossen oder ganze Artikel der Expos. übergegangen (Wessner a. a. O. 139f.). Diesem Interesse an der Expos. verdanken wahrscheinlich auch die mit quid sit eingeleiteten Lemmata, die nicht von F. selber herrühren können, ihre Entstehung (Wessner 134f.). Um 1100 spricht Sigebertus Gemblacensis von F. und den vier Schriften Myth., Expos., Virg. Cont. und De aet. (De scriptor. eccles. 28). Im 12. Jhdt. benutzen den F. Johannes Sarisberiensis, Bernardus Carnutensis u. a. (einiges, besonders neuere Literatur bei A. Gasquy Berl. Stud. f. klass. Philol. VI 1. Berl. 1887, 30ff.). Die Dinge weiter zu verfolgen, hat kaum Interesse: auch so liefern sie schon eine eigenartige Illustration des Dichterworts, daß das Echte der Nachwelt unverloren bleibt.

V. Zur Kritik.

Ältere Beiträge nennt Teuffel § 480. Einiges hat kürzlich Bücheler meisterhaft verbessert (Rh. Mus. LIX 1904. 36f.) . Außerdem vgl. Ellis Journ. of Philol. XXIX 61ff.