Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
t.t. im Prozeßwesen: vorlegen, angeben, verabfolgen von Abschriften
Band V,2 (1905) S. 19601967
Bildergalerie im Original
Register V,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|V,2|1960|1967|Editio 1|[[REAutor]]|RE:Editio 1}}        

Editio. 1) Edere bedeutet im juristischen Sprachgebrauch vorlegen, angeben, verabfolgen u. dgl., z. B. nomina servorum bei den consules behufs Freilassung der Sklaven (Dig. I 10, 1, 1); nomina tutorum (Dig. XXXVIII 17, 2, 23. Cod. Iust. V 31, 2); delator (compellitur) edere mandatorem (Dig. XLIX 14, 2, 5); patrimonium, die Höhe des Vermögens (Dig. I 12, 1, 7); censum, professiones census (Dig. L 15, 2. 4, 9); Aktenabschriften im Appellationsverfahren (Dig. XLIX 4, 3. 5, 6. Cod. Iust. I 21, 2). Über das Vorlegen (edere) des Originals zur Abschriftnahme, später die sich daraus entwickelnde Verabfolgung der vom Beamten unterschriebenen Kopie (auch edere) vgl. Mommsen Ber. d. sächs. Gesell. d. Wiss. III (1851) 378. Einer eingehenden Betrachtung bedürfen folgende Anwendungsfälle von edere.

I. Editio actionis.

1) Klassischer Privatprozeß.

a) Die außergerichtliche e. actionis.

Im Formularverfahren war der ,Kläger‘ – genauer: is qui agere volet, acturus est, s. Wlassak Art. Actor Bd. I S. 326f. – verpflichtet, vor der in ius vocatio, also außergerichtlich, den Beklagten mit seinem Anspruche bekannt zu machen (Lenel Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. XXVIII 385ff.). So erklärt sich ungezwungen das den Digistentitel de edendo (II 13) einleitende vielbesprochene Fragment Ulpians (ad edict. lib. IV. Qua quisque actione agere volet, eam edere debet: nam aequissimum videtur eum qui acturus est edere actionem, ut proinde sciat reus, utrum cedere an contendere ultra debeat, et, si contendendum putat, veniat instructus ad agendum cognita actione [1961] qua conveniatur. Vgl. auch Jörs Röm. Rechtsw. (1888) 221, der aber die Außergerichtlichkeit des Akts durch ein Vadimonium erklären will. Außerdem läßt es sich nur so begreifen, daß im praetorischen Album das Edikt de edendo dem de in ius vocando vorangeht (Lenel a. a. O. 385f.) und dazwischen das Edikt de pactis et conventionibus (außergerichtliche Vereinbarungen gelegentlich der E.) steht. Diese außergerichtliche e. actionis bezieht sich natürlich nicht auf eine bereits perfekte Formel, ist kein edere formulam – so mißverständlich (vgl. Lenel 389. Wenger Actio iudicati [1901] 121. Cod. Iust. III 9, 1. II 1. 3) aufgefaßt und darum unnötig bekämpft von Schott Gewähren des Rechtsschutzes (1903) 35 –, sondern bezieht sich auf den erhobenen Anspruch. Daher ist an der zitierten Stelle actione echt und nicht für formula interpoliert (Lenel Edict. perpet. 48, 13, zweifelnd Wlassak Litiskont. 40, 4). Diese Bekanntmachung des Beklagten mit dem Anspruche des Klägers kann naturgemäß auf verschiedene Weise erfolgen. Einige Formen dieser E. sind von Ulpian Dig. II 13, 1, 1 besonders hervorgehoben. Edere est etiam copiam describendi facere (Übergabe einer schriftlichen Aufzeichnung des Anspruchs zur Abschriftnahme) vel in libello complecti et dare (Überreichung einer ,Klagschrift‘) vel dictare (Diktat der Actio). eum quoque edere Labeo ait, qui producat adversarium suum ad album et demonstret quod, dictaturus est vel id dicendo, quo uti velit. Vgl. die Formen der E. der rationes argentariorum (III b). Diese schon längst als korrumpiert (Wlassak Litiskont. 51f.) oder interpoliert (Lenel a. a. O. 387, 2) erkannte Stelle bleibt unverständlich, wenn man sie auf die Litiskontestation bezieht (so Schott 51ff., dagegen schon Wlassak a. a. O. 52), sie wird aber erklärlicher, wenn man an das außergerichtliche e. denkt. Da das Album so aufgestellt war, unde de plano recte legi possit (vgl. Dig. XIV 3, 11, 3), so ist es als eine der Editionsformen gut denkbar, wenn der Kläger den Beklagten vor das Album führte und ihm dort das Formelblankett (eventuell das Edikt) zeigte, auf Grund dessen er die Klage geltend zu machen gedachte (vgl. die Konjektur Wlassaks Litiskont. 51 [nach Cuiacius und Huschke] demonstret ex quo edicto acturus est vel iudicium quo uti velit). Verabsäumte der Kläger die ihm auferlegte Pflicht außergerichtlicher E. an den Beklagten, so mußte dieser trotzdem einer in ius vocatio folgen, aber der Praetor schützte ihn vermutlich dadurch, daß er ihm gegen den Kläger eine Poenalklage gab, vielleicht auch dadurch, daß er den Kläger zu einer repromissio decimae partis zwang (Consult. VI 13. Lenel L'Édit2 [franz.] 68; vgl. Dig. II 13, 1, 5). Denegation der Actio wäre denkbar, ist aber in den Quellen nicht bezeugt, daher auch wohl nicht anzunehmen (Schott a. a. O. 34). Rudorff Ztschr. f. Rechtsgesch. IV 27 vermutet eine dilatorische Einrede. Die absolute Editionspflicht beruht auf praetorischem Edikt, aber auch schon im Legisaktionenverfahren wird tatsächlich in der Regel außergerichtliche Bekanntmachung des Beklagten mit dem Anspruch des Klägers erfolgt sein (Schott a. a. O.); speziell bei der legis actio per manus iniectionem ist eine solche meines Erachtens durch [1962] die Natur dieser Legisaktion von selbst gegeben (Wenger a. a. O. 126 u. N. 36). Die von Bekker Prozeß. Konsumpt. 99ff. behauptete Editionspflicht ist von der Literatur meist abgelehnt worden, vgl. Keller-Wach Röm. Zivilproz.6 N. 533. Jörs a. a. O. 219.

Literatur. Die gesamte frühere Literatur, einschließlich Wlassaks grundlegenden Arbeiten und Lenels Edict. perpet.1 (deutsch 1883) denkt an gerichtliche e. a. als an etwas Selbstverständliches. Für die hier entwickelte Ansicht zuerst in kurzer Andeutung Rudorff Ztschr. f. Rechtsgesch. IV 26; vgl. auch die allerdings durch unzulässige Verquickung mit der Denuntiation verworrenen Ausführungen Wiedings Iustin. Libellproz. 599ff. Entwickelt ist diese Ansicht von Lenel Ztschr. f. Rechtsgesch. XXVIII 385ff.; L’Édit I 68. Zustimmend Kübler Ztschr. f. Rechtsgesch. XXIX 178. Trampedach ebd. XXXI 117, 6. Wenger Actio iudicati 122. Girard Manuel3 992, 1. Dagegen Schott Gewähren des Rechtsschutzes 35f. (meines Erachtens ohne zureichende Argumente).

b) Die e. actionis vor dem Iurisdiktionsmagistrat.

Hier wiederholt sich jenes vorbereitende e. actionem, indem der Kläger dem Praetor sein Begehren vorträgt und ihn zugleich um Gewähren des Rechtsschutzes (dare actionem) bittet. Dabei handelt es sich noch immer nicht um eine endgültig redigierte Formel, sondern der Praetor prüft zunächst das Begehren der Klägers von sich aus (vgl. Dig. XLV 1, 27 pr. XXXV 2, 15, 1), hört mögliche Einwände des Beklagten, die zur Denegation der Actio führen können oder Aufnahme einer Exceptio in den Formelentwurf bedingen. Die Parteientätigkeit des Klägers während dieses ganzen Verfahrens heißt nun ebenfalls e., ,der Kläger ist von Beginn bis zu Ende des Verfahrens in iure in einem beständigen edere begriffen‘ (Lenel 388f.). Auf die Verschiedenheit dieses e. von der Tätigkeit des Klägers bei der Litiskontestation (c) und auf das bis zu diesem Momente währende Recht des Klägers, seine Actio zu modifizieren, bezieht sich Cod. Iust. III 9, 1: inter litem enim contestatam et editam actionem permultum interest und II 1, 3: edita actio speciem futurae litis demonstrat (womit das e. a und das e. b gemeint sein kann, dessen Beginn ohnedies inhaltlich gleich dem e. a sein wird und das erst im Laufe des Verfahrens in iure geändert werden kann, vgl. auch Mommsen Röm. Strafr. 389, 4. 392, 4), quam emendari vel mutari licet, prout edicti perpetui monet auctoritas (d. h. wenn es sich herausstellt, daß eine andere Actio als die edierte die zutreffende sei) vel ius reddentis decernit aequitas (d. h. wenn der Praetor etwa eine actio in factum geben will). Vgl. Lenel L'Edit 69f. Auch Dig. V 1, 33 bezieht sich wohl auf dieses gerichtliche e. Vgl. Lenel Paling. I Mod. frg. 204, 2. Wlassak Litiskont. 49, 1. Eine Denegation der Actio wegen mangelnder E. vor dem Magistrat, aus deren Nichtvorkommen Schott a. a. O. 34 das Nichtbestehen der Editionspflicht folgern will, ist deshalb praktisch ziemlich undenkbar, weil kein Kläger vor dem Praetor stumm gestanden haben wird. Aus demselben Grunde wäre auch eine Strafsanktion auf unterlassene E. hier unnötig. Wenn der Kläger aber eine unzulässige [1963] Actio edierte, so denegierte sie der Praetor selbstverständlich. Nach Abschluß dieser Verhandlungen erklärt der Praetor entweder dem Kläger den Rechtsschutz zu denegieren oder zu gewähren, und im letzteren Falle ist der Beklagte bei sonstigem Eintreten der Folgen mangelnder Defension gehalten, endgültig zu diesem zugelassenen Anspruche Stellung zu nehmen und denselben entweder durch confessio certi in iure zuzugestehen oder ihn zu bestreiten. Erst in diesem Falle kommt es zu einem zweiten formellen actionem (= iudicium, formulam) dare, zur Aushändigung der Prozeßurkunde, in welcher – wenigstens in der Regel, s. Erman Ztschr. f. Rechtsgesch. XXXV 246, 1 – bereits die individuelle Person des Iudex genannt ist. Vgl. Wenger a. a. O. 137ff.

c) Die e. actionem (= iudicii, formulae) als Teilakt der Litiskontestation.

Wie Wlassak nachgewiesen hat, ist die Litiskontestation (s. d.) ein Formalvertrag, der sich aus dem edere iudicium (formulam, actionem, Schriftformel) des Klägers und dem korrespondierenden accipere des Beklagten (s. Wlassak o. Bd. I S. 140f.) zusammensetzt, während das dare des Praetors diesem Parteienakte vorausgeht. Quellennachweise über diese Bedeutung von e. bei Wlassak Litiskont. 46ff. z. B. Marcell. Dig. XLI 6, 2. Gai. IV 93. Ulp. Dig. V 1. 21. Über die Form dieses e. sind wir nicht aufgeklärt. Es bestand wohl sicher in einem realen Akt, vielleicht im Hingeben der Prozeßurkunde (Wlassak Litiskont. 53 an erster Stelle; R. Prozeßges. II 60, 2; Art. Actio o. Bd. I S. 304), wofür die wörtliche Bedeutung spricht, vielleicht in dem synonym verwendeten dictare. Zu letzterer Form, wofür sich Lenel (a. a. O. 390f.; a. M. Kübler Ztschr. f. Rechtsgesch. XXIX 178) entscheidet, vgl. etwa auch unterstützend das sakralrechtliche dictare, beim Eid, s. Pernice S.-Ber. Akad. Berl. 1885, 1167, 5. Dig. II 13, 1, 1 kann für die Erklärung dieses e. nicht verwendet werden. Die Unterscheidung der Bedeutungen b und c hat Wlassak, insb. Litisk. (1889) festgestellt. Die frühere Literatur (Ausn. Hartmann-Ubbelohde Ordo iudic. I 461, 62) stellt beide Begriffe gleich.

d) Gai. IV 141 sagt vom Interdiktenverfahren ad iudices – itur et ibi editis formulis quaeritur.

Danach scheint es, daß der Geschworene mit dem Inhalte des endgültig festgestellten Iudiciums erst durch Edition der Schriftformel seitens der Parteien – oder nur des Klägers, da sich der Plural auch darauf beziehen kann, daß im Interdiktenprozeß beide Parteien als Kläger mit verschiedenen Formeln agierten (Wlassak Litiskont. 54) – bekannt gemacht worden sei. Bethmann-Hollweg Zivilpr. II 586. Wlassak Litiskont. 53f. Vielleicht indes erhielt der Geschworene auch eine Urkunde aus der Hand des Praetors, Wlassak 55.

2) Nachklassischer Privatprozeß.

Die sich auf die E. bei der Litiskontestation beziehenden Stellen sind auch nach Untergang des Formularverfahrens ihrem materiellrechtlichen Inhalte nach noch auf die Litiskontestation des nachklassischen und endlich iustinianischen Rechts zu beziehen, seine formelle Bedeutung hat das e. natürlich eingebüßt. Ebenso steht es mit [1964] dem sub d besprochenen e. vor dem Iudex, wenn der Magistrat selbst urteilt. Wenn er aber das Urteil durch einen stellvertretenden iudex datus sprechen läßt, so ist, so lange die Formeln noch eine Rolle spielten (vgl. Consult. V 7, wo für das Kognitionsverfahren e. b vorgeschrieben ist; Lenel Ztschr. f. Rechtsgesch. XXVIII 388, 2), eine Abhebung des e. d vom e. b verständlich. Schwieriger zu übersehen ist die Entwicklung der beiden ersteren Bedeutungen der e. actionis, da dieselbe mit der Entwicklung des Denuntiationsprozesses innig zusammenhängt, über welche die Meinungen noch immer sehr divergieren; s. die neuesten Darstellungen einerseits von Kipp Die Litisdenuntiation (1887) und Hallens. Festg. f. Windscheid (1888) 95ff., anderseits Baron Der Denuntiationsprozeß (1887) und Mitteis im Kommentar zu Corp. Pap. Rain. I 19 p. 74ff. 270ff. Indes stehen die unser e. actionem unmittelbar berührenden Partien nicht im Mittelpunkte des Streites, sodaß sich im allgemeinen mit ziemlicher Sicherheit ein Resultat ziehen läßt, das zugleich indirekt die gewonnenen Ergebnisse über das vorbereitende e. actionem des klassischen Prozeßrechts bestätigt. Dem außergerichtlichen auf vorläufige Informierung des zu Beklagenden hinauslaufenden e. actionem entspricht im sog. Denuntiationsprozesse die ebenfalls außergerichtliche ursprünglich private, seit Konstantin (Cod. Theod. II 4, 2) behördlich, und zwar wenigstens später in der Regel durch den kompetenten Richter beglaubigte Streitverkündigung und Ladung. Das Gericht wird mit dem Anspruch durch Überreichung des Klaglibells bekannt. Seit die Zustellung der Streitverkündigung unter gerichtlicher Mitwirkung erfolgte, wurde die Klage vermutlich in zwei Exemplaren bei Gericht eingereicht, von denen das eine dem Beklagten zugestellt wurde, während das andre die Grundlage der gerichtlichen Akten bildete. So wird der Beklagte erst mit dem gegen ihn erhobenen Anspruch bekannt, nachdem das Gericht denselben bereits aus der Klagschrift entnommen hat. In diesem bereits im amtlichen Ladungsverfahren des Kognitionsprozesses vorgebildeten Sinne hat auch die Dogmatik des iustinianischen Rechts das e. actionem (b und a) zu deuten. Im Reskriptsprozesse endlich (s. d.) wurde der materielle Sachverhalt zunächst dem Kaiser, dann nach Erlangung des Reskripts dem zur Entscheidung berufenen Richter und vermutlich ,durch Übermittlung einer Abschrift des libellus precum mit dem Reskript‘ (Kipp a. a. O. 212; editio rescripti) dem Beklagten zur Kenntnis gebracht. Auch hier ward aus der amtlichen Mithilfe bei der Zustellung später rein amtliche Zustellung und Ladung (Kipp a. a. O. Bethmann-Hollweg Zivilpr. III 351) .

3) Strafprozeß.

Auch bei der Einleitung der Akkusation gibt es eine Klagenedition. Soferne der Strafprozeß durch einfache, dem Privatprozeßrechte entlehnte Privatladung eingeleitet werden konnte (Mommsen Röm. Strafr. 388f.), wird sich dieselbe auch ganz in den Formen der letzteren bewegt haben; aber bald siegte das Verfahren mit einseitiger Prozeßeinleitung (nomen deferre) durch den Ankläger unter Ausschluß des Angeklagten, und nur bei der hierauf erfolgenden Eintragung des Falles in das Anklageverzeichnis [1965] wird neben Datum und Parteiennamen auch das Strafgesetz, dessen Verletzung behauptet wird, und ,wenigstens häufig auch kurz die behauptete Straftat‘ (Mommsen 385) verzeichnet. Auf letzteren Umstand bezieht Mommsen Paul. sent. V 16, 14: reis suis edere crimina accusatores cogendi sunt: scire enim oportet, quibus sint criminibus responsuri, und führt aus, daß eine Mitteilung des Inhalts der Anklage nach Einbringung derselben seitens des Anklägers an den Angeklagten zwar häufig, aber nicht notwendig gewesen sei, wobei er die edita actio (Cod. Iust. III 9, 1) auch dem Kriminalverfahren zuweist (a. a. O. 389, 4). Dürfte man aber die zitierte Paulusstelle auf diese Mitteilung beziehen, so hätte man eine Parallele zur E.-Pflicht des Denuntiationsverfahrens. Ein edere bei der Litiskontestation gibt es im Strafprozeßrechte natürlich nicht.

II. Editio interdicti.

Die Einleitung des Interdiktenverfahrens ist ganz gleich der des ordentlichen Prozesses (Adolf Schmidt Das Interdictenverfahren der Römer [1853] 218). Es wird deshalb, wenn wir auch für die Interdikte keine speziellen Quellenzeugnisse beibringen können, anzunehmen sein, daß auch hier das Verfahren mit einer außergerichtlichen E. begann. In iure edierte der Kläger nochmals seinen Anspruch, worauf der Praetor ganz analog wie bei einer Actio entweder der Anspruch auf Erlassung eines Interdikts als berechtigt anerkannte und den Rechtsschutzanspruch zuließ oder verweigerte. Im ersteren Falle kam es, wenn der Beklagte nicht konfitierte, zum bekannt umständlichen weiteren Verfahren mit Sponsion oder ausnahmsweise zur aetio arbitraria. Es würde nun der festgestellten Terminologie bei der E. der Actio genau entsprechen, wenn die Tätigkeit des Klägers in iure als interdictum e. bezeichnet würde. Tatsächlich findet sich auch interdictum edere in den Digesten (XLIII 1, 3. 3, 2, 4. 16, 1, 40. 26, 8, 4. 6), und es werden alle diese Stellen von Schmidt (219, 3) und Rudorff (Röm. Rechtsgesch. II 228, 6) auf die Tätigkeit des Klägers in iure bezogen; ja man könnte namentlich auf Dig. XLIII 26, 8, 6 hin, wo das int. ed. de precario umschrieben wird mit nam ubi moram quis fecit precario auch schon an den Zeitpunkt außergerichtlicher Kundmachung des Anspruchs denken. Dem steht aber entgegen, daß einerseits die Quellen die Möglichkeit einer präzisen Klarlegung des Ausdrucks ed. int. nicht ergeben, während anderseits sogar Ulpian, der a. a. O. die gesteigerte Haftung des Prekaristen auf den Zeitpunkt des int. editum zurückführt, dieselbe Steigerung der Haftung Dig. XLVII 2, 14, 11 auf den Zeitpunkt des interdictum redditum bezieht, also zweifellos int. editum und int. redditum (Erlassung des Interdictums durch den Magistrat), hier gleichstellt. Ob dies mit nicht genauer Redeweise erklärt werden darf (Schmidt 219, 3), oder ob nicht vielmehr Bethmann-Hollweg recht behält (Zivilpr. II 360, 86), wenn er beide Ausdrücke für synonym erklärt, ist doch nicht ausgemacht. Jedenfalls bezieht sich dieses e. auf das bereits entsprechend dem konkreten Falle ausgefüllte Blankett. welches vermutlich auch schriftlich fixiert wurde (Schmidt 233. Bethmann-Hollweg 360). Ein e. = litem [1966] contestari findet erst im nachfolgenden Prozesse statt (s. o.), jedoch beginnt die Haftung für omnis culpa und die Ersatzpflicht für omnis causa schon im Momente des interdictum e. (vgl. die zitierten Stellen). Mit der Einordnung des Interdiktenverfahrens in das gewöhnliche Aktionenverfahren des iustinianischen Prozeßrechts ist auch die Sonderbedeutung des int. ed. weggefallen und beginnt die strengere Haftung mit der (iustinianischen) Litiskontestation.

III. Editio instrumentorum.

a) E.-Pflicht der Parteien.

Zugleich mit der außergerichtlichen (Lenel L’Édit 67f.) e. aetionis ist der Kläger durch das praetorische Edikt auch verpflichtet, dem Gegner jene Beweisurkunden mitzuteilen, auf die er seinen Anspruch stützt und die er in iudicio als Beweismittel anzuwenden gedenkt. Edenda sunt omnia quae quis apud iudicem editurus est (Dig. II 13, 1, 3). Doch brauchen diese Urkunden, wie sich aus den gleich zu nennenden Beschränkungen ergibt, nicht im Original dem Gegner vorgelegt zu werden, sondern es genügt, um Mißbräuche hintanzuhalten, Edition des Inhalts sine subscriptione (Dig. II 13, 11) und ohne Ausstellungsdatum (sine die et consule Dig. II 13, 1, 2). So Bethmann-Hollweg II 213, 10. Dig. XXIX 3, 2, 6. Dagegen muß natürlich das Leistungsdatum mitgeteilt und müssen Rechnungen (rationes) auch mit dem Ausstellungsdatum ediert werden (Dig. II 13, 1, 2). Verba testamenti braucht der klagende Legatar nicht zu edieren, weil der Erbe in der Regel ohnedies eine Abschrift des Testamentes besitzt (Dig. II 13, 2). Bei nichterfüllter E.-Pflicht trat vermutlich dieselbe Rechtsfolge ein, wie bei nichterfüllter e. actionis, Lenel L'Édit 68. Auch scheint aus Cod. Iust. II 1, 8 zu folgen, daß in einem solchen Falle dem Beklagten eine exceptio doli gegeben wurde, welche ihn in iudicio gegen nicht edierte Beweismittel des Klägers schützte. Bethmann-Hollweg II 214, 11. Der reus ist weder im Straf- (Cod. Iust. II 1, 4) noch im Privatverfahren (Cod. Iust. II 1, 4. IV 20, 7) verpflichtet, dem Actor Urkunden zu edieren. Nur zu Gunsten des Fiskus besteht eine Ausnahme, es sei denn, daß es sich um eine Kapitalsache handle (Dig. II 13, 3. XXXIX 14, 2, 2). Außerdem kann natürlich im Iudicium der Iudex die E. verfügen (Cod. Iust. II 1, 1. 2. 6).

b) E.-Pflicht der Bankiers.

Das Edikt de edendo enthält anschließend Vorschriften über die (prozessual ganz heterogene) E.-Pflicht der Argentarii. Dieses von Lenel (L’Édit 70–72) restituierte, von den Kompilatoren arg verstümmelte Edikt (Dig. II 13, 4–10. 12. 13) enthält drei Teile: 1. Die ediktale Feststellung der E.-Pflicht der Argentarii. Dieselben müssen aus ihren Rechnungsbüchern (rationes) jene Partien, welche sich auf ihre Kunden beziehen, wenn diese einen Eid leisten, non calumniae causa postulare edi sibi (frg. 6, 2. 9, 3), in wörtlichem mit Datum versehenen Auszuge mitteilen, und zwar gleichviel, ob sie selbst im bezüglichen Rechtsstreite Partei sind oder nicht (frg. 10 pr.). Detaillierte Erörterung findet die Aktiv- oder Passivlegitimation für dieses E.-Begehren, dann die Bedeutung des Wortes ratio (frg. 6, 3), dann namentlich (frg. 6, 7) auch die Form der E.: Edi autem est vel dictare [1967] (Diktat) vel tradere libellum (Überreichung einer Abschrift) vel codicem proferre (Gestattung der Einsichtnahme ins Geschäftsbuch behufs Abschriftnahme, inspiciendi describendique potestas fiat frg. 10, 2). Der 2. Teil befaßt sich mit jenen Fällen, in denen der Praetor causa cognita eine E. gegenüber einem andern Argentarius oder die grundsätzlich nicht statthafte Wiederholung der E.-Pflicht, z. B. wegen Untergang der rationes normiert (frg. 6, 8–10. 7). Der 3. Teil des Edikts endlich verspricht für den Fall dolos verweigerter E. eine Actio gegen den Argentarius auf das Interesse. Diese Klage ist eine actio annalis und geht nicht gegen den Erben nisi ex suo facto (frg. 13).

c) E.-Pflicht Dritter.

Dritte trifft sonst eine E.-Pflicht nur, soweit nach allgemein privatrechtlichen Grundsätzen ein dinglicher oder obligatorischer Anspruch auf Herausgabe der Urkunde besteht. Diese Vorschrift trifft zwar auch den Fiskus (Cod. II 1, 7; communia im Sinne von ,im Miteigentum stehend‘, nicht von ,gemeinsam‘, im Sinne des modernen Prozeßrechts, z. B. Öst. Ziv.-Proz.-Ord. 1. VIII. 1895 § 304, 3, vgl. Demelius Exhibitionspflicht [1872] 270), aber zu seinen Gunsten bestehen einige merkwürdige Privilegien (Dig. XLIX 14, 2, 1. 45, 5. 6). Gegen die Ausdehnung der actio ad exhibendum auf Fälle, in welchen jemand ein prozessuales Interesse an der Einsichtnahme hat, z. B. weil ihn betreffende Rechtsverhältnisse darin bezeugt sind, s. Demelius 127ff. 269ff.

IV. Editio iudicum.

Es ist dies eine Form der Bildung des strafprozessualen Geschworenengerichts unter magistratischem Vorsitz. Der Ankläger wählt aus der Quaestionsliste eine Reihe nicht persönlich disqualifizierter Personen aus, wovon dann der Beklagte wiederum eine bestimmte Anzahl ablehnen darf, während die Zurückgebliebenen (iudices editicii) das Consilium des Quaesitors bilden. Ein derartiger Modus ist im Gracchanischen Repetundengesetz und ein ähnlicher im Licinischen Gesetze (55 v. Chr.) vorgeschrieben (Mommsen R. Strafr. 214. 216f.).

[Wenger. ]