Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bestimmtes Mass Wein oder Oel
Band IV,1 (1900) S. 875880
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Congiarium. Von congius abgeleitet bedeutet C. ein gewisses Mass Wein oder Öl, welches, gewöhnlich von einem Magistrate oder einer Person, die eine quasi-magistratische Stellung im Staate einnimmt, an mehrere von ihm abhängige Personen oder an das ganze Volk unentgeltlich ausgeteilt wird, nicht im Namen des Staates, sondern als rein private Freigebigkeit. Solche Geschenke sind öfters von Magistraten und Candidaten zur Magistratur an das römische Volk als Zulage zum frumentum (Liv. XXV 2, C. gegeben von einem Aedil, vgl. Plin. n. h. XV 2. Liv. XXXVII 57, von einem Candidaten zur Censur. Plin. n. h. XIV 96, von einem siegreichen Feldherrn, vgl. Cic. Philipp. II 45), auch von Provincialmagistraten an ihre cohors praetoria und Legionen als Zulage zur Naturalverpflegung und zum Solde (Mommsen St.-R. I 300, 2) verteilt worden. Schon frühzeitig wurde es üblich, diese Naturalgeschenke durch Geld zu ersetzen, besonders bei den Geschenken an die cohors praetoria, die gegen das Ende der Republik zu regelmässigen wurden (Mommsen a. a. O.; auf die Könige wird die Sitte, sowohl Geld- als Naturalienverteilungen zu veranstalten, zurückgeführt von dem Chronographen des J. 354, der wahrscheinlich aus Sueton schöpft, Mommsen Abh. der sächs. Gesellschaft, phil.-hist. Classe II 1 [1850], 649, 10). Rein privater Natur bleiben diese Geschenke auch in der ersten Kaiserzeit. Der Charakter aber und der Massstab dieser Verteilungen verändert sich seit Caesar gründlich. Caesar zuerst verteilte Geld an das ganze Volk und nur als Zulage dazu Korn und Öl (Suet. Caes. 38. Dio XLIII 21), seit ihm gehört auch das Recht, Spenden an das Volk zu verteilen, thatsächlich ausschliesslich dem Princeps. Selbst Agrippa unter Augustus verteilt nicht Geld, sondern Öl (Dio XLIX 43). Wenn in der Kaiserzeit Geld oder Naturalien nicht vom Kaiser selbst, sondern thatsächlich von einem Mitgliede der kaiserlichen Familie oder einem Feldherrn verteilt werden, so geschieht es in der Form, dass der Spender doch der Kaiser bleibt, er aber die Spenden nicht in seinem Namen, sondern im Namen eines anderen verteilt (nomine alicuius: Mon. Anc. III 7f.: nomine meo. Tac. ann. II 42: nomine Germanici; vgl. die Tessere CIL XV 2 p. 995, 1. Hist. Aug. Anton. Diadum. 2). Besonders häufig wird diese Vertretung durch die Verteilungsmarken (tesserae numariae s. u.) bezeugt. So erscheinen auf den Tesseren Livia unter Caligula, Iulia unter Augustus, Antonia Frau des Drusus unter Claudius, Britannicus unter demselben, Agrippina und Nero unter demselben, Nero mit seiner Tochter Claudia, Sabina mit ihrem Gemahle Hadrianus, ebenso Suetonius Paullinus und der König von Armenien auf den Tesseren des Nero, s. Rostowzew Étude sur les plombs antiques, Rev. num. 1898, 77ff., bes. 100. Besonders lehrreich ist die Tessere der Antonia, wo auf einer Seite das Bildnis der Antonia mit Aufschrift, auf der anderen die Aufschrift: ex liberalitate Ti. Claudi Cae(saris) Aug(usti) steht.

Durch diese Geschenke fesselten die Kaiser das römische Volk an ihre Person, ebenso wie sie dies durch die Frumentationes zu erreichen suchten und wie sie durch Geld- (donativa) und Ackerverteilungen die Soldaten in der Treue erhielten. [876] Unter Augustus, dessen Freigebigkeit lange Zeit ohne gleichen blieb (Mommsen Res gestae p. 58ff.), bewahren diese Verteilungen noch den Charakter rein privater, zwangsloser Geschenke in Geld oder Naturalien (Geld, Mommsen Res gestae p. 59. 62. 157. Marquardt St.-V. II 138. Korn, Mon. Anc. XV 11. 12. Suet. Aug. 41; vgl. Rev. num. 1898, 259f.). Allmählich aber werden Geldverteilungen zur Regel und die zwanglose Freigebigkeit zu regelmässigen Zahlungen, die grösser oder kleiner sein können, aber nicht ausbleiben dürfen, wie besonders der bekannte Fall von Galba lehrt (Suet. Galb. 16–17. Tac. hist. I 5. Dio LIV 3, 3; vgl. Dio LIX 2, wo von Caligula das Anrecht des Volkes auf das C. ausdrücklich anerkannt wird).

Dadurch wird die private Freigebigkeit thatsächlich zu einer Staatsinstitution, und damit steht wohl im Zusammenhange, dass die Mittel dazu nicht mehr aus der kaiserlichen Privatschatulle, sondern aus den Staatscassen genommen werden; leider aber sind wir nicht in der Lage, hier wie auch in mehreren anderen Fällen den Zeitpunkt festzustellen, wo dies zum erstenmale geschah, und die Cassen zu bestimmen, aus welchen das dazu nötige Geld genommen wurde (Augustus bestritt die Kosten seiner C. teilweise ex manibiis, teilweise aus Privatmitteln, Mommsen Res gestae p. 58ff. Kniep Societas publicanorum I 161f.; zuerst unter Traian begegnen wir einem directen Zeugnisse, dass sie dazu aus öffentlichen Geldern genommen wurden, Plin. paneg. 41). Die Sache hängt eng zusammen mit der allmählichen Verstaatlichung des kaiserlichen Privatvermögens einerseits und andererseits mit der Entwicklung der Idee, dass das, was dem Staate gehört, ebensogut des Kaisers Eigentum ist. Natürlich werden eine Zeit lang die Kosten der largitiones ebenso aus Privat- wie aus Staatsmitteln von den Kaisern bestritten.

Über die Natur und die Verteilungsart der C. sind wir für die ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte ziemlich gut unterrichtet. Die Geschichtschreiber dieser Periode, wie besonders Tacitus, Sueton, Cassius Dio, die Script. hist. Aug., Herodian und andere verzeichnen für gewöhnlich die wichtigsten C. jeder Regierung; aus dem 4. Jhdt. haben wir ein Verzeichnis der hauptsächlichen C. der Kaiserzeit in dem Chronographen des J. 354 n. Chr.; das Verzeichnis beruht sicher nicht auf officiellen Documenten, sondern ist aus Schriftstellerzeugnissen compiliert (Mommsen Abh. der sächs. Ges., phil.-hist. Cl. II 1850, 599. 644ff.). Es ist auch nicht vollständig und kann selbst auf Grund der uns bekannten Schriftstellerzeugnisse vervollständigt werden. Weitere Angaben haben wir in den Münzaufschriften und Bildern, wo die C. häufig erwähnt und die einer Regierung öfters der Reihe nach durch Zahlen gekennzeichnet werden (die Münzen lassen sich leicht aus der Sammlung von Cohen zusammenstellen; in den älteren numismatischen Arbeiten sind diese Münzen mehrmals zusammengestellt worden, z. B. bei Rasche Lexicon totius rei numariae s. congiarium und liberalitas). Eine viel ergiebigere Quelle sind die Bilder und Aufschriften der tesserae numariae, die in ziemlich grosser Fülle vorhanden sind; manche C. bezeugen sie allein und lehren uns manche wichtige Einzelheit über die [877] Natur und Verteilungsart der C. kennen (Rostowzew Rev. num. 1898, 77ff. 251ff.). Dennoch kann man keine vollständige Zusammenstellung der C. geben, wie jeder Vergleich unserer litterarischen und numismatisch-antiquarischen Quellen lehrt. Die Münzen verzeichnen die C. sehr unregelmässig und werden ausgiebiger erst im 2. Jhdt., nichtsdestoweniger geben sie uns zuweilen mehr, als die litterarischen Quellen, selbst für das 1. Jhdt. Andererseits geben uns die Tesseren, hauptsächlich für das erste nachchristliche Jahrhundert, eine ganze Reihe von C., welche weder aus Münzen, noch aus Texten bekannt sind. Besonders lehrreich ist dafür die Regierung Neros. Der Chronograph und die geschichtliche Überlieferung (Tac. ann. XIII 31. Suet. Nero 10) verzeichnen nur ein C., die Münzen zwei, die Tesseren aber bezeugen eine ganze Reihe solcher, die sich alle auf bekannte Thatsachen aus der Regierung Neros beziehen lassen (Rev. num. 1898, 98ff.).

Wir haben schon erwähnt, dass in der Kaiserzeit bei den C. ausschliesslich Geld verteilt wurde. Gewöhnlich aber führt man noch andere Gegenstände, die als C. verteilt werden sollten, an (Thédenat bei Daremberg et Saglio Dict. des ant. I 1442f.; vgl. Espérandieu Diz. epigr. II 599f.); in Wirklichkeit beziehen sich die Stellen, die das bezeugen sollen, auf andere Verteilungsarten, wie auf die ganz unregelmässigen Spenden, welche im Theater, Amphitheater oder Circus durch Ausstreuen der sog. tesserae missiles (s. Missilia) ausgeteilt wurden (Dio LXI 18. Suet. Nero 11), oder (Hist. Aug. Alex. Sev. 22. 26; Aurel. 35. 48) auf die Zulagen, nicht zu den C., sondern zu den regelmässigen täglichen Brotverteilungen der späteren Zeit und auf die täglichen Naturalienverteilungen (Austeilungen von Öl, Wein, Schweinefleisch s. O. Hirschfeld Philol. 1870, 19ff.).

Teilnehmer an den C. waren alle, die an den Frumentationes teilnahmen, alle incisi (Plin. paneg. 25f. Hist. Aug. Ant. Diadum. 2. Mommsen Die Tribus 194ff. Hirschfeld Philol. 1870, 9), auch Kinder vom zwölften Jahre an (Suet. Aug. 41). Zuweilen aber wurden zu den Verteilungen auch Kinder unter elf Jahren zugelassen, so unter Augustus (Suet. a. a. O. Dio LI 21) und Traian (Plin. paneg. 26; vgl. die ähnliche Massregel unter Macrinus, Hist. Aug. Ant. Diadum. 2; s. auch CIL VI 10228. Hirschfeld Philol. 1870, 8. Mommsen Die Tribus 193, 47).

Die Anlässe zu den Verteilungen waren verschiedenster Arten, wie grosse Staatsfeste, bei denen eine Verteilung des C. zur Regel wurde, z. B. Thronwechsel (Thédenat a. a. O. 1443, vgl. die Tessere CIL XV 2 p. 995, 2 mit der Aufschrift: diei imperi Hadr(iani) Aug(usti) fel(iciter); hiebei kann natürlich auch an eine Verteilung bei einem Anniversarium des Kaisers gedacht werden); dies tirocinii des Thronfolgers oder seine deductio in forum (Thédenat a. a. O.; vgl. die Tessere Rev. num. 1898, 79); Adoption des Thronfolgers (Thédenat 1444; vgl. die Tesseren Rev. num. 1898, 82. 99. 88. 252); Verleihung der tribunicia potestas (Tessere Rev. num. 1898, 89. 253, vgl. Hist. Aug. Ant. phil. 27); Verleihung des Consulats an den Thronfolger (Thédenat 1444); grosse Siege und Triumphe (Thédenat 1443; [878] vgl. die Tesseren Rev. num. 1898, 78. 94 [Augustus]. 82. 100 [Nero]. 85. 251f. [die Flavier] und andere ebd.); grosse Empfänge von Staatswegen (Rev. num. 1898, 100); grosse öffentliche Bauten (Portus Traianus, Rev. num. 1898, 86. 252) und ähnliches. Bei allerlei Familienereignissen war es in Rom üblich, nicht blos in der kaiserlichen Familie, Verteilungen an Bekannte oder sogar an das ganze Volk zu machen (Plin. epist. X 117. Apul. apol. 88). Diese rein privaten Spenden werden nur selten in unseren litterarischen Quellen erwähnt, so z. B. als Commodus heiratete (Hist. Aug. Ant. phil. 27); desto öfter bezeugen solche C. die Tesseren, so als Iulia, die Tochter des Augustus, heiratete (?) (Rev. num. 1898, 79), als Claudius den Namen Britannicus an seinen Sohn verlieh (? ebd. 91); als Poppaea dem Nero die Tochter Claudia Augusta gebar (ebd. 102); bei der Consecration eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie (ebd. 87 nr. 252); bei anderen Gelegenheiten zu Ehren eines Verstorbenen oder lebenden Mitgliedes der kaiserlichen Familie: ebd. 79. 96 (Livia). 80 nr. 98 (Antonia Drusi). 83. 99 (Agrippina). 87 (Sabina Hadrians Frau), vgl. Dio LIV 29 (Augustus zu Ehren des verstorbenen Agrippa). Endlich bei anderen Ereignissen im Leben des Kaisers, wie z. B. Nero bei seinem artistischen Triumphe (Rev. num. 1898, 101).

Die Höhe des C. wird öfters angegeben; man bemerkt dabei eine allmähliche Steigerung der Summen (Marquardt St.-V. II 139f.) sowohl in Bezug auf die Höhe jedes einzelnen Geschenkes, wie auf die Zahl der Geschenke. Leider aber erlaubt das unvollständige Material, das wir besitzen, keine sicheren Schlüsse, selbst in ganz allgemeiner Haltung. Es hing natürlich vom Willen des Kaisers bei jeder Verteilung ab, gewissen Classen höhere Summen zu bewilligen, zuweilen bekommen die kinderreichen Bürger mehr wie die anderen (Dio LX 25, 7. Hirschfeld Philol. 1870, 9).

Es bleibt noch die Frage zu erörtern, wie und wo die Verteilung der C. stattfand. Material für die Entscheidung dieser Frage liefern uns manche Darstellungen auf den Münzen (besonders lehrreich sind einige Grossbronzen des Nero, Cohen I 293 nr. 68, und Nerva, Cohen II 4 nr. 37–39), einige Erwähnungen bei den Schriftstellern, ein Relief des Constantinsbogen, welches eine Geldverteilung durch den Kaiser darstellt, endlich die Tesseren. Man ersieht daraus, besonders aus den Darstellungen der Ceremonie, dass der Kaiser als Spender die Verteilung persönlich leitete. Der Act dieser persönlichen Verteilung wird sowohl auf dem Relief, wie auf den Münzen dargestellt. Wir sehen den Kaiser auf einem suggestus sitzend, neben ihm stehen ein oder mehrere Gehülfen, von denen einer die ausgegebenen Summen notiert (Münzen des Nero) oder verrechnet (das Constantiusrelief); neben dem suggestus erscheint zuweilen ein Soldat (auf den Münzen; später wird er durch die personificierte Liberalitas ersetzt) mit einer tabula auf einem Stocke befestigt in der Hand (wahrscheinlich der tablifer, Rostowzew Commentationes philologicae zu Ehren von J. W. Pomialovskij, Petersb. 1897, 131ff. [russisch]; auf der tabula wird öfters ein Quincunx dargestellt). Zu dem Kaiser schreiten die oder der Empfänger öfters [879] mit Kindern an der Hand oder in den Armen. Das Local, wo die Scene sich abspielt, wird auf einigen Münzen durch eine Statue der Minerva charakterisiert, vielleicht ist das continens curiae chalcidicum gemeint. Auf dem Relief sehen wir eine porticus mit mehreren Rechnungsbureaus, wahrscheinlich die porticus Minucia (s. u.). Commodus verteilte eines seiner C. in der basilica Traiani (Hist. Aug. Comm. 1). Es ist aber kaum denkbar, dass jede Verteilung wirklich vom Kaiser persönlich nicht blos eingeleitet, sondern auch zu Ende geführt worden wäre, obwohl es für einige C. zweifellos ist (so Claudius, Dio LX 25, 7–8: οὐ μέντοι καὶ πάντα αὐτὸς διένειμε ἀλλὰ καὶ οἱ γαμβροὶ αὐτοῦ, ἐπειδήπερ ἐπὶ πλείους ξμέρας ἡ διάδοσις ἐγένετο καὶ ἠθέλησε καὶ δικάσαι ἐν ταύταις, vgl. Hist. Aug. Comm. 1). Gewöhnlich praesidierte der Kaiser wohl nur bei der Einleitungsceremonie, die Verteilung wurde nachher von anderen zu Ende geführt. Der Kaiser selbst verteilte, wie das Constantinsrelief zeigt, Geld, gewöhnlich aber bekamen die Participanten Tesseren, die sog. tesserae numariae (Suet. Aug. 41, vgl. Rev. num. 1898, 257ff.), die jedem Empfänger das Recht auf den Empfang der festgesetzten Summe gaben. Dieser Tesseren besitzen wir eine ganze Anzahl, wie wir oben mehrmals erwähnt haben. Für die Verteilung der Tesseren und die Auszahlung der Summen gab es natürlich keine speciellen Beamten; die Tesseren wurden sicher, wie erwähnt, in feierlicher Versammlung (contio) an einem bestimmten Tage, wenn nicht vom Kaiser selbst, so doch von seinen nächsten Vertrauten oder Mitgliedern seiner Familie, ausgeteilt. Das Geld nachher zahlten die Beamten und zwar die, die die regelmässigen frumentationes (s. Frumentatio) leiteten, also die Beamten der porticus Minucia. Dies wird ausdrücklich durch zwei längst bekannte Tesseren bezeugt. Auf einer (Garrucci Piombi Altieri Taf. III 1) liest man: de (oder d(i)e, Hirschfeld) lib(eralitate) I for(o) IV und auf dem ℞ Minucia; auf der anderen (Orelli 3360): Ant(onini) Aug(usti) lib(eralitas) LI (nach der wahrscheinlich richtigen Lesung des P. Leslea II, vgl. Hirschfeld Philol. 1870, 17) und auf dem ℞ fru(mentatio) n(umero) LXI. Dadurch wird ausdrücklich bezeugt: erstens dass die liberalitates in der Minucia ausgezahlt, zweitens, dass sie zuweilen oder sogar regelmässig mit den regelmässigen frumentationes verbunden worden sind. Diese Angaben werden durch die Darstellung auf dem Constantinsbogen bestätigt; das dort dargestellte Local mit seinen Rechnungsbureaus kann kaum etwas anderes sein als die Porticus Minucia mit ihren 45 ostia. Die Verteilung der Tesseren geschah natürlich an einem bestimmten Tage: wenn ein Tag nicht ausreichte, so nahm man auch den oder die folgenden dazu. Die Auszahlung aber ebenso wie die Austeilung der Tesseren für die frumentationes geschah natürlich nur allmählich in mehreren Tagen (s. die Inschriften der incisi und der Beamten, wo der Tag angegeben wird, CIL VI 10223–10225, vgl. die Tessere mit der Aufschrift d(ie) IIII, Rev. num. 1898, 267). Die Gründe, die Hirschfeld (Philol. 1870, 19) dagegen anführt, halten nicht Stich. Philo leg. ad Gai. 23 sagt nur, dass die Verteilung an jeden [880] einzelnen an einem bestimmten, nicht an einem einzigen Tage stattfand; dabei wird wohl auch dem Verfasser der einzige Tag, an welchem die Tesseren für das C. ausgegeben wurden (Plin. paneg. 26), vorgeschwebt haben.

Wir haben schon erwähnt, dass der Brauch, C. auszuteilen, von privaten Spenden ausgegangen ist. Die kaiserlichen C. haben der Sitte neues Leben gegeben und sie auch in die Municipien verpflanzt, wo die Verteilungen im Municipalleben eine grosse Rolle gespielt haben (Plin. epist. ad Trai. 116–117 [117–118]. Apul. apol. 88, vgl. die zahlreichen Inschriften gesammelt von O. Toller De spectaculis, cenis, distributionibus in municipiis romanis occidentis imperatorum aetate exhibitis, Altenburg, 1869, 77ff. und die Tesseren Rev. num. 1896, 466ff.). Dabei wurde aber von den Reichsbehörden streng darauf geachtet, dass diese Verteilungen nicht zu wirklichen C. würden, sondern im Rahmen der privaten Freigebigkeit blieben (Plin. a. a. O. 116 vereor ... ne ii qui mille homines interdum etiam plures vocant modum excedere et in speciem dianomes incidere videantur, vgl. ebd. 117 die Antwort Traians: merito vereris ut in speciem dianomes incidat invitatio; dianome ist der griechische Ausdruck für öffentliche Verteilung, s. Philo a. a. O.; andere Termini sind δωρεά und ἐπίδοσις oder διάδοσις, Mon. Ancyr. c. 15). Damit hängt zusammen, dass, wie die Inschriften bezeugen, in den Municipien bei Geldverteilungen fast immer die Fiction erhalten wurde, das Geld sei zum Ankaufe eines Epulum verteilt (Marquardt-Mau Privatleben 209; vgl. Epulum und Sportula). Aus denselben Gründen werden in den Municipien private frumentationes vermieden (Toller a. a. O. 93); die Kornversorgung lastet auf den municipalen Beamten als solchen (Hirschfeld Philol. 1870, 83ff.).

Wenn diese Regel in den Municipen so consequent durchgeführt wurde, so geschah es desto mehr in Rom selbst, wo es Privatleuten und selbst Magistraten sicher streng verboten war, grössere Verteilungen an das ganze Volk vorzunehmen. Dagegen galten manche kaiserlichen Spenden nicht nur Rom, sondern auch den römischen Bürgern in den italischen und selbst provincialen Municipien; so verteilte man öfters Geld im kaiserlichen Namen an die iuvenes, wie mehrere Tesseren lehren (Rev. num. 1898, 278 und 465), ganz abgesehen von den Spenden an die in Italien und den Provinzen angesiedelten Veteranen (Mon. Anc. III 7. 8. VII 17–18. Mommsen Res gestae² p. 60) und die in den Festungen und Municipien garnisonierenden Soldaten (Dio LIX 2). Als Beispiel für grössere Geld- und Kornverteilungen an die Municipien aus der späteren Zeit kann eine Verteilung aus dem J. 381 n. Chr. in Gortyn dienen (Museo ital. di antichità class. III 709).

Mommsen Die Tribus 193ff. Marquardt-Dessau St-V. II 136. Thédenat bei Daremberg et Saglio Dict. des ant. I 1442ff. Espérandieu bei Ruggiero Dizion. epigr. II 599ff. Rostowzew Rev. num. 1898, 77ff.