RE:Chor
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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musisch, Tanz Form d. Dichtung | |||
Band III,2 (1899) S. 2373–2404 | |||
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Chor. Das Wort χόρος – von G. Curtius Etymologie⁵ 199 mit W. ghar, χερ (χόρτος hortus, goth. gards) zusammengestellt – bezeichnet zunächst den festumgrenzten, für Reigentänze hergerichteten öffentlichen Platz, der in jüngerer Zeit gewöhnlich Orchestra genannt wird. Diese Bedeutung überwiegt noch bei Homer in Wendungen wie ἐς χορόν (χορόνδε) ἔρχεσθαι, Il. III 393. XV 508; Od. VI 65. 157, λειαίνειν χορόν Od. [2374] VIII 260, πέπληγον δὲ χορὸν ποσίν Od. VIII 264 (vgl. Il. XXIV 262: χοροιτυπίῃσιν ἄριστοι). Ein solcher χόρος – in der Regel wohl ein für Reigentänze geeigneter Teil des Marktes – gehört zu den notwendigen Plätzen einer wohlgeordneten Stadt, weshalb den Städten die Beiwörter καλλίχορος (Od. XI 581), εὐρύχορος (Il. II 498; Od. VI 5. XI 256. 265. XIII 414. XV 1) gegeben werden, vgl. Od. XII 4. 318 (χορός der Nymphen). Auch in der bekannten Stelle der homerischen Schildbeschreibung Il. XVIII 590 (ἐν δὲ χορὸν ποίκιλλε ... τῷ ἴκελον, οἷόν ποτ’ ἐνὶ Κνωσῷ εὐρείῃ Δαίδαλος ἤσκησεν) bezeichnet χορός den Platz, der für die in kunstvollen Windungen sich bewegenden Reigentänze eingerichtet ist (s. Labyrinthos), vgl. Petersen Bemerkungen zur ältesten Geschichte der griech. Kunst (Ploen 1871), 21. Benndorf S.-Ber. Akad. Wien CXXIII 1890, 3. Die örtliche Bedeutung ist später nur in einzelnen Gegenden lebendig geblieben, vgl. Paus. III 11, 9 (Sparta) und die Inschrift von Istron auf Kreta aus der Zeit um Christi Geburt, Mus. ital. di antich. class. III 641.
Schon in jüngerer homerischer Zeit ist aber die Bezeichnung χορός auch auf die innerhalb des Tanzplatzes geordnet aufgestellte Gesamtheit der an dem Reigen beteiligten Personen übertragen worden. Den Übergang, der in der oben angeführten Formel ἐς χορὸν ἔρχεσθαι schon angebahnt erscheint, zeigen Wendungen wie Il. XVI 183: ἐν χορῷ Ἀρτέμιδος μετὰ μελπομένῃσιν, vgl. 180. Il. XVIII 603: χορόν περιίσταθ’ ὅμιλος. Andrerseits wird die Bezeichnung χορός auch übertragen auf den ,Tanzgesang‘ selbst, die gesungene und mit Tanzbewegungen begleitete Dichtung, die von der χορός genannten Gemeinschaft vorgetragen wird, vgl. Il. III 395; Od. VIII 248. Χορεία und χορεύειν bezeichnen daher recht eigentlich den mit Gesang verbundenen Tanz einer grösseren Anzahl Personen (Plat. Leg. II 654 B), während ὄρχησις ὀρχεῖσθαι vorzugsweise vom Tanze schlechtweg, sei er nun von mehreren oder von einzelnen ausgeführt, gesagt wird. Indem bei chorischen Aufführungen allmählich das Hauptgewicht auf den gemeinsamen Gesang fällt, kann χορός auch von Gesängen gesagt werden, die ausserhalb des Tanzplatzes, z. B. während eines Aufzuges oder Aufmarsches (προσόδια, ἐμβατήρια) oder während einer in Tanzschritten erfolgenden Vorwärtsbewegung (vgl. die Hymenaioi und κῶμοι) gesungen werden. So wird in jüngerer Zeit jede Dichtung, die von einer Mehrheit von Sängern vorgetragen wird, als χορός bezeichnet.
Nach dem jetzt üblichen Sprachgebrauch bezeichnen wir als Ch. 1) einen von einer Mehrheit von Personen vorgetragenen Gesang und die für einen solchen Vortrag bestimmte Dichtung; 2) eine behufs gemeinsamen Vortrags solcher Dichtungen zusammengestellte Gemeinschaft von Sängern oder Tänzern (Choreuten).
Wir besprechen demgemäss hier zuerst die Ch.-Dichtungen, dann die Zusammensetzung der Ch.-Gemeinschaft, endlich die Art und Weise, in der die Ch.-Dichtungen von den Choreuten vorgetragen werden.
Chordichtungen.
Das Zusammensingen mehrerer hat seine Vorstufe in den gemeinsamen Rufen und Anrufungen, mit denen die Schar der [2375] Anwesenden an den Vortrag eines einzelnen sich anschliesst. Mit diesen Rufen, die auch zu ganzen Sätzen anwachsen können, fällt die Schar der Festgenossen am Ende oder an bestimmten Einschnitten des Einzelvortrages ein, wobei derselbe Zuruf mehrfach in gleichmässiger Weise in bestimmten Zwischenräumen wiederkehren kann (ἐφύμνιον, Refrain, Kehrreim). Von solchem refrainartigen Anrufen des Hymen hat das Hochzeitslied, von dem Anrufen des Παιάν der apollinische Hymnus seinen Namen erhalten, vgl. Usener Götternamen 153. 326. Bei Reigentänzen war es in älterer Zeit üblich, dass blos ein einzelner die Dichtung sang, während eine Schar von Jünglingen mit ihren Tanzbewegungen den Gesang begleitete (Od. VIII 264). Allmählich wird der Anteil, den die Tänzer am Gesangsvortrag nehmen, immer grösser. Wenn sie erst nur durch Zurufe oder den Vortrag von Kehrreimen sich beteiligten, so entsteht jetzt ein Wechsel von Einzel- und Chorgesang, wobei der Einzelsänger zum ἐξάρχων, zum Vorsänger wird, den die andern durch ihren gemeinsamen Vortrag ablösen. Endlich werden auch Dichtungen in ihrer Ganzheit vom Chore vorgetragen, an dessen Spitze jetzt der ἐξάρχων als Reigenführer und erster Sänger steht.
Beim Linoslied Il. XVIII 570, das ein einzelner vorträgt, beteiligen sich die Weinleser μολπῇ τ’ ἰυγμῷ. Ähnlich mag man sich den ὑμέναιος Il. XVIII 493 denken, der im hesiodeischen ,Schild des Herakles‘ 272f. in breiterer Ausführlichkeit geschildert wird. Vollerer Chorgesang scheint vorausgesetzt Il. I 472f. (οἱ δὲ πανημέριοι μολπῇ θεὸν ἱλάσκοντο, καλὸν ἀείδοντες παιήονα) und Il. XXII 391 (Paian, den die Mannen des Achilleus nach Hektors Tod anstimmen); auf refrainartig wiederkehrende Wehrufe beschränken sich die Klagenden, Il. XXIV 720, während die nächsten Angehörigen des Toten im Einzelvortrag ihrem Schmerz Ausdruck verleihen (ἐξῆρχε γόοιο ... οἱ μὲν ἄρ’ ἐθρήνεον, ἐπὶ δὲ στενάχοντο γυναῖκες).
Bei Hesiod und in den homerischen Hymnen liegen schon Zeugnisse für den ausgebildeten chorischen Hymnus und dessen Abart, das προσόδιον vor. Das Prooimion der Theogonie erzählt von den Musen, die singend dahin schreiten; nach Hes. Schild 201 singen die Musen im Ch., während Apollon in der Mitte steht. Einen Paian singen die Kreter, die im Taktschritt nach Pytho ziehen, geleitet vom phorminxspielenden Apollon, Hymn. Apoll. Pyth. 335. Die Hymnen und Tänze der delischen Mädchenchöre schildert der delische Apollonhymnus 148f. (vgl. Callim. in Del. 305). Wie wir hier das älteste Beispiel für das παρθενεῖον – das von einem Jungfrauen-Ch. vorgetragene Cultlied – haben, so zeigt uns der bei Hesiod Schild des Her. 281f. geschilderte κῶμος auch schon die Ansätze des fröhlichen Geselligkeitsliedes.
Weisen so, wie es bei den Verhältnissen des altgriechischen Litteraturbestandes selbstverständlich ist, unsere ältesten Nachrichten über den Ch.-Gesang auf den ionischen Osten, so darf man diesen doch nicht auf fremde Vorbilder zurückführen wollen. Es fehlt auch nicht ganz an Zeugnissen, die uns zur Vermutung berechtigen, dass Ch.-Reigen und -Gesänge wenigstens in kunstloser Form zu den primitiven, autochthonen Äusserungen [2376] auch der griechischen Cultur des Festlandes gerechnet werden dürfen. So zeigt uns einen Reigen bei Totenfeiern die Dipylonvase, Mon. d. Inst. IX 39, wobei man sich der – freilich schlecht verbürgten – Überlieferung erinnern mag, dass die Megarer einen Ch. von 50 Jünglingen und Jungfrauen nach Korinth zur Betrauerung der Toten aus dem Hause der Bakchiaden zu senden pflegten (Paroemiogr. I 117 Μεγαρέων δάκρυα); Sänger und Pyrrhichisten neben einem Kitharspieler sehen wir auch auf einem Kopenhagener Dipylonnapf, Arch. Ztg. 1885, 138 Taf. 8. Noch höher hinauf führt uns die Thatsache, dass in einzelnen altertümlichen Culten der Ch.-Gesang heimisch scheint, wofür der dionysische Hymnus der Frauen in Elis (Plut. qu. Gr. 36. Paus. V 16, 6) ein Beispiel giebt; sehr alt sind wohl auch die γυναικήιοι χοροί auf Aegina (Herod. V 83), ebenso wohl die Chöre der attischen τρυγῳδοί (s. d.) und andere im Demeter- und Dionysosdienst üblichen Spottlieder. Auch die τραγικοὶ χοροί zu Ehren des Adrastos in Sikyon (s. u.), die durch Herod. V 67 schon für die Zeit um 600 bezeugt sind, wurzeln wohl in alter peloponnesischer Cultsitte, ebenso vielleicht die Chöre der Σάτυροι.
Kunstmässige Ausbildung scheinen diese verschiedenartigen Ansätze chorischer Dichtung zuerst innerhalb des apollinischen Cultes gefunden zu haben. Wie schon Homer einen apollinischen Paian kennt und der Apollonhymnus auf Delos die Ch.-Gesänge als alte Einrichtung erscheinen lässt, so wird man auch die Chöre im Apolloncult auf Kreta (Strab. X 480. 484) und in Delphi (Bergk Litt.-Gesch. II 112) in sehr frühe Zeit hinaufrücken dürfen. Auch die Sitte, zum Apollonfest nach Delos Chöre zu entsenden (Thuc. III 104. Dionys. Perieg. 527f.), mag schon seit Beginn des 7. Jhdts. nicht mehr auf die umliegenden Inseln beschränkt gewesen sein. Ein προσόδιον für die Festgesandtschaft der Messenier wollte die späte Sage bis auf Eumelos von Korinth zurückführen (Paus. IV 23).
Den Hauptanteil an dieser kunstmässigen Ausbildung chorischer Aufführungen hatten die aus dem ionischen Osten und von den Inseln nach dem Peloponnes eingewanderten Dichter. Ob schon Terpander, der zu Anfang des 7. Jhdts. die aeolische Musik in Sparta einbürgerte, die Organisation der Jungfrauenchöre, der wir dort wenig später begegnen, begründet hatte, wissen wir nicht. Sicher ist, dass Thaletas aus Kreta, der (um 660 v. Chr.) die Männer- und Knabenchöre an den spartanischen Gymnopaedien geordnet hat (Athen. XV 678 C), bereits verschiedene Formen des Ch.-Liedes gepflegt hat, die (ebenso wie die monodischen Cultlieder) im weiteren Sinne alle als ὕμνοι bezeichnet, je nach der Art der den Vortrag begleitenden Bewegungen (langsames Schreiten, feierlicher Reigen auf dem Altarplatz oder lebhafter Tanz) in προσόδια, παιᾶνες und ὑπορχήματα geschieden werden können. Etwa gleichzeitig oder wenig später hat Tyrtaios für die Spartaner chorische Marschlieder gedichtet; auf ihn wird die τριχορία (Lieder der Greise, Männer und Jünglinge) zurückgeführt, vgl. Poll. IV 107. Carm. pop. 18 Bgk. Plut. Lyk. 21. Damals wird auch die Flöte als Begleitinstrument der Chöre [2377] sich eingebürgert haben, die für das Zusammensingen vieler ausgiebigere musikalische Begleitung ermöglichte, als die Kithara; doch verbleibt diese namentlich bei den kleineren Cultchören nach wie vor in Geltung (s. u.).
Den nachhaltigsten Einfluss auf die Ch.-Dichtung hat Alkman (s. d.) geübt, der in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. in Anlehnung an volksmässige aeolische Liedformen einerseits und an die von Terpander ausgebildete Form des monodischen Nomos (s. d.) andererseits den chorischen Hymnus in Sparta ausbildete; er hat auch die Gliederung in Strophe, Antistrophe und Epodos auf musikalischer Grundlage durchgeführt, vgl. Crusius Comment. Ribbeck. 7. Ausser Paeanen, Parthenien, Hyporchemata sind auch Hochzeitslieder für ihn bezeugt (Leonidas Anth. Pal. VII 19); besonderen Ruhm aber hat er als Ordner und Lehrer der spartanischen Jungfrauenchöre gewonnen.
Als zweiter grosser Neuerer auf dem Gebiete der Ch.-Dichtung erscheint dann Stesichoros (s. d.), der die chorische Technik in seinen grossen hymnenartigen, strophisch gegliederten Ch.-Gesängen, die für religiöse Festfeiern bestimmt waren, zu gesteigerter Vollendung gebracht hat. Gleichzeitig oder früher ist im nördlichen Peloponnes (Korinth) auch die chorische Form des Dionysosliedes im Dithyrambos zu künstlerischer Durchbildung gelangt; denn, wenn auch die Persönlichkeit Arions sagenhaft sein mag (vgl. Crusius Bd. II S. 840), so darf für die litteraturgeschichtliche Thatsache doch an dem durch die Arionsage gegebenen Zeitpunkt (Herod. I 23) festgehalten werden.
In jener Zeit hat sich auch jene eigentümliche Entwicklung vollendet, der zufolge der Ch. allmählich aus einer Gruppe von Sängern, die aus ihrer eigenen Person heraus sprechen, zum blossen Vermittler subjectiver Gedanken des Dichters oder rein erzählender Dichtung geworden ist. In älterer Zeit singt der Dichter selbst als Einzelsänger die Partien der Dichtung, die seine persönlichen Gefühle verlautbaren, während der einfallende Ch. den Gedanken Ausdruck giebt, die in den Choreuten dadurch erweckt worden sind (oder solcher Art erweckt scheinen sollen). Noch in den Chören des Alkman scheinen auch ausser der Person des Dichters einzelne Sänger sich in selbständigem Vortrag aus dem gemeinsamen Chore abgelöst zu haben; einen solchen Einzelgesang eines Ch.-Mädchens hat v. Wilamowitz Herm. XXXII 262 in dem Pariser Bruchstück nachzuweisen versucht. Nachdem einmal bei der fortschreitenden Teilung der musischen Bethätigung die Partie des Dichters durch den ihn vertretenden Didaskalos oder Vorsänger übernommen worden war, konnte es nicht mehr Anstoss erregen, wenn auch der ganze Ch. als vielstimmiger Dolmetsch den Empfindungen des Dichters Ausdruck gab. Schon bei Stesichoros ist der Ch. ein blosses Werkzeug, ein musikalisches Instrument, das die individuellen Gedanken des Dichters der Aussenwelt vermittelt. Und wenn auch natürlich besonders in Cultliedern auch späterhin nach alter Weise dem Ch. Worte gegeben werden, die aus seinem Sinne heraus gesprochen erscheinen, so tritt doch gerade für jene höheren Gattungen der [2378] Ch.-Dichtung, die für die Geschichte der poetischen Litteratur bedeutungsvoll geworden sind, die Persönlichkeit der Choreuten vollkommen zurück.
Eine Sonderstellung nehmen die tragischen, und komischen Chöre ein, die in eigener Person, aber nicht im Sinne ihrer bürgerlichen Persönlichkeit, sondern im Sinne der vom Dichter ihnen bestimmten Verkleidung und Maske sprechen. Doch scheiden sich diese Gattungen chorischer Dichtung, die im 6. Jhdt. im nördlichen Peloponnes und in Attika (s. u.) als neue Kunstformen ausgebildet worden sind, aus der Gesamtheit chorischer Dichtungsformen auch dadurch aus, dass sie nicht als vollkommen selbständige chorische Schöpfungen, sondern als Bestandteile grösserer dramatischer Dichtungen sich darstellen, s. u.
Im 6. Jhdt. sind neben den für den Cult bestimmten Ch.-Dichtungen auch die für weltliche Zwecke bestimmten Dichtungsgattungen zu höheren Kunstformen gelangt. Dies gilt z. B. von den Hymenaeen, die besonders von aeolischen Sängern gepflegt worden zu sein scheinen (ein Gedicht der Sappho liegt dem Epithalamion Theokrits zu Grunde, Kaibel Herm. XXVII 249). Von grösserer Bedeutung aber war die durch Simonides und Pindar zu höchster Vollendung gebrachte Form der Enkomien und Epinikien, in denen die für den Götterhymnus geschaffenen Formen auf das Lobgedicht für Menschen übertragen sind. Da diese prunkvolle Ch.-Lyrik, die sich einer künstlichen, mit aeolischen, epischen, dorischen Elementen durchsetzten Sprache bedient (Bergk Litt.-Gesch. II 145. v. Wilamowitz Euripides Herakles I 74), vorzugsweise an den Höfen der Tyrannenreiche, die für dorisch gelten, gepflegt wird, ist für die ganze Dichtungsgattung schon im Altertum der Name ,dorische Ch.-Lyrik‘ üblich geworden. In den letzten Jahrzehnten des 6. Jhdts. ist dann durch Simonides und Lasos der Dithyrambos zur bevorzugten Gattung der Ch.-Dichtung geworden; ihm wurde nach der demokratischen Neuordnung Athens bei dem Agone des dionysischen Staatsfestes eine hervorragende Stellung zugewiesen. Dadurch, dass an Stelle der berufsmässig geschulten Chöre des 6. Jhdts. nun die aus der freien Bürgerschaft gestellten Chöre traten (s. u.) und mit ihren Vorträgen untereinander um die Ehre eines staatlichen Siegespreises stritten, gewann die chorische Dichtung für das öffentliche Leben eine erhöhte Bedeutung. Während wir aber über die an den Thargelien und Panathenaeen aufgeführten Gesänge (Paeane, Hyporchemata, Hymnen) keine genauere Vorstellung gewinnen können, liegen reichere litterarische Nachrichten über die Entwicklung des an den Dionysien gepflegten Dithyrambos vor. Die alten Formen der chorischen Dichtung sind hier zuerst gesprengt worden. Während nach Aristot. Problem. XIX 15, 910 b 18 die älteren Dithyramben noch strophisch waren, sind es die jüngeren mimetischen nicht mehr, und schon Simonides und Pindar haben astrophische Dithyramben gedichtet, vgl. Blass Herm. XXX (1895) 314. Zugleich wächst immer mehr die Bedeutung der musikalischen Begleitung; schon seit der Zeit des peloponnesischen Krieges sind die Dithyrambendichter mehr Musiker als Dichter. Indem der jüngere Dithyrambos auch mimetische Elemente aufnimmt, gewinnt [2379] er einen neuen Charakter. Wie sehr diese Dichtungsform im 4. Jhdt. im Vordergrund des Interesses steht, geht daraus hervor, dass Aristoteles die chorische Dichtung mehrfach schlechtweg mit dem Namen des Dithyrambos bezeichnet. Auch der monodische Nomos hat sich diesem opernartigen Stile genähert, seit Timotheos die alte Kunstform durch Einführung von Ch.-Partien umgestaltet hatte, vgl. Bergk Litt.-Gesch. II 164. 530. Dennoch hat schon in der Zeit um 400 die fortschreitende Entwicklung der Ch.-Dichtung ihr Ziel gefunden, und im 4. Jhdt. beginnt gerade infolge des stetigen Vorwiegens der Musik der Verfall der Gesangsdichtung, indem der Ch. in den agonistisch betriebenen Dichtungsarten mehr und mehr zu einem untergeordneten musikalischen Begleiter des Flötenspielers, des Kitharspielers oder des Einzelsängers herabsinkt, s. Χορικοὶ ἀγῶνες.
Dennoch ist, wie im agonistischen Betrieb, so auch auf dem Gebiete der chorischen Cultpoesie und der Enkomiendichtung das Bedürfnis nach Neuschöpfungen bis in die römische Zeit hinein lebendig geblieben. Die hellenistischen Dichter haben in ihren Enkomien und Hymnen zum Teil wieder auf die Vorbilder der archaischen Zeit zurückgegriffen; zu den wenigen uns davon gebliebenen Resten haben sich neuerdings einige inschriftlich erhaltene Stücke gesellt, so sind uns in Delphi Hymnen des Aristonoos (um 225) und zweier jüngerer Dichter (zwischen 180 und 130 v. Chr.) erhalten, Bull. hell. XVII 564. XVIII 361. XIX 393, vgl. auch Bull. hell. XIII 245 (Delos). XVIII 71 (Delphi). Daneben hat man nicht nur in der Schulerziehung, sondern auch bei öffentlichen Festen die Schöpfungen der älteren Ch.-Dichter, insbesondere die Dithyramben, bis in die römische Zeit hinein zu wiederholter Aufführung gebracht, vgl. Athen. XV 678 b (Sparta). Polyb. IV 20, 8 (Arkadien). Bull. hell. XVIII 80 (Delphi).
Zu den Römern ist die griechische Weise der Chöre zugleich mit der Einbürgerung griechischer Culte gelangt; ein wesentlicher Einfluss fiel dabei den Männern zu, denen die sibyllinischen Orakel anvertraut waren, vgl. Diels Sibyllinische Blätter 91. Über ältere italische Ch.-Gesänge und Tänze vgl. Arvales fratres, Salii.
Zusammensetzung der lyrischen Chöre.
Die ,lyrischen‘ Chöre – die dramatischen sollen unten gesondert besprochen werden – sind nach Geschlecht und Alter, nach Anzahl und bürgerlichem Charakter ihrer Mitglieder verschieden. Überall dort, wo es sich um Cultchöre oder staatlich organisierte Aufführungen handelt, ist aber die Art der Zusammensetzung des Ch.s nach allen diesen Gesichtspunkten hin genau geregelt.
Während im agonistischen Betrieb, wie es scheint, ausschliesslich Männer- und Knabenchöre zugelassen waren, spielen in vielen Culten weibliche Chöre eine grosse Rolle. Für die ionisch-aeolische Cultsitte ist uns die Bedeutung der Jungfrauenchöre durch die Gedichte der Sappho und des Alkaios, für die spartanische durch die des Alkman genügend bezeugt. Auch die Boioterin Korinna hat wie Simonides und Pindar παρθενεῖα gedichtet, und Poll. IV 81 erwähnt, dass für Jungfrauenchöre besondere Flöten verwendet wurden. Genauer unterrichtet sind wir durch inschriftliche [2380] Urkunde über die Δηλιάδες, den Jungfrauen-Ch. auf Delos (vgl. Eur. Her. fur. 687), der bei einer grossen Anzahl von Festen mitzuwirken hatte (vgl. Bull. hell. XIV 493). Dieser Ch., bei dem eine ständig angestellte Flötenspielerin mitwirkte (Bull. hell. XIV 396 Z. 85), pflegte auch, offenbar gegen Bezahlung, für die fremden Theoren und die vornehmen Besucher des Heiligtums zu singen und weihte dann in Delos als χορεῖα aus der ,Draufgabe‘ der Gönner eine Schale (Bull. hell. XIV 501f.). Auch von den umliegenden Inseln sind nach Delos Jungfrauenchöre gesendet worden, wie von Strab. X 485 und andern bezeugt wird. Seltener sind Frauenchöre, doch kennen wir solche beispielsweise auf Aegina (Herodot. V 83) und im elischen Dionysosdienst (Paus. V 16, 6); für einen korinthischen Hierodulen-Ch. hat Pindar gedichtet (frgm. 122 B. Athen. XIII 573 f).
Wo Chöre männlichen Geschlechtes auftreten, sehen wir vielfach Knaben- und Männerchöre in gesonderten Aufführungen nacheinander auftreten, so bei den Thargelien und Dionysien in Athen, bei den Apollonien in Delos, den Soterien in Delphi, den Festen in Arkadien; auch in den Chören der Männer überwiegen natürlich die νεανίσκοι (Polyb. IV 20, 8). Παῖδες, ἔφηβοι und ἄνδρες waren an den spartanischen Gymnopaedien, Athen. XV 678 b (wie bei den athenischen Pyrrhichistenchören, CIA II 965), Greise, Männer und Knaben bei der auf Tyrtaios zurückgeführten spartanischen τριχορία (Plut. Lyc. 21; de mus. 9. Poll. IV 107) unterschieden.
Was die Anzahl der Choreuten betrifft, so finden wir für kleine Chöre die Sieben-, die Neun-, die Zehn- und die Zwölfzahl bevorzugt, wobei wir aber nicht immer darüber unterrichtet werden, ob der Ch.-Führer in die Zahl eingerechnet ist oder nicht; bei grossen Chören ist die Fünfzigzahl üblich, ausnahmsweise begegnet die Zahl hundert. Sieben Choreuten mit ihrem Choregen veranschaulichen den Ch. der Panathenaeen auf der Atarbosbasis, Sybel Sculpturen zu Athen nr. 6151. CIA II 1286, was schwerlich blosse Willkür ist, da die geringen Kosten des Ch.s (300 Drachmen bei Lys. XXI 1) im Vergleich zu den Kosten der Phylenchöre eine kleine Zahl erschliessen lassen (s. Χορηγία). Die Siebenzahl bezeugt für den Ch. des Flötenspielers an den Nemeen (seit der hellenistischen Zeit) Hyg. fab. 273, für die Chöre der Kithara- und Flötenspieler das kyrenaeische Wandgemälde, Wieseler Theatergebäude Taf. XIII. Altes Herkommen verbürgt für die Neunzahl der Ch. der Musen; auf einer Schale von Argos, Berlin 3993 (Furtwängler Samml. Sabouroff Taf. 41) sehen wir auf der einen Seite neun, auf der andern sieben Ch.-Frauen (von einem gemeinsamen Schleiertuch verhüllt), davor Jünglinge als Ch.-Ordner. Sechs Jünglinge und vier Mädchen, in ihrer Mitte den Lyraspieler, zeigt die altattische Kanne, Arch. Jahrb. II Taf. 3. Elf Sängerinnen scheint der Ch. umfasst zu haben, für den Alkman das im Pariser Papyrus erhaltene Partheneion gedichtet hat (v. Wilamowitz Herm. XXXII 258). Die Zwölfzahl finden wir z. B. beim Epithalamion des Theokrit und dem daraus von Kaibel Herm. XXVII 256 erschlossenem Cult-Ch. Sieben Mädchen und sechs Jünglinge mit Theseus als Vorsänger [2381] stellt die Françoisvase dar (Wiener Vorlegeblätter 1888 Taf. 3), den Halb-Ch. von sechs Frauen mit Theseus als Ch.-Führer die Polledrara-Hydria Journ. hell. XIV Taf. VII. Das Alter der Fünfzigzahl bezeugt der Ch. der fünfzig Nereiden; fünfzig Jünglinge und fünfzig Jungfrauen sollen die Megarenser zur Betrauerung der Toten aus dem Hause der Bakchiaden nach Korinth entsendet haben (Bekk. Anekd. I 281. Paroemiogr. I 117), fünfzig bezeichnet als die übliche Zahl der (von Flötenspiel begleiteten) Sänger Schol. Pind. Pyth. XII 39; ἑκατόγγυιος ἀγέλα nennt Pindar frg. 122 B. den Ch. der korinthischen Hierodulen; fünfzig ist die gesetzlich festgestellte Zahl für die athenischen Phylenchöre (Simonid. 147 B., die wir aber in der Kaiserzeit bei dem Ch. der Oineis CIA III 75 auf fünfundzwanzig herabgesetzt sehen), hundert Jünglinge – also einen Doppel-Ch. – senden zum Zwecke besonders glänzender Vertretung die Chioten nach Delphi, Herodot. VI 27.
Für andere Zahlen, die gelegentlich begegnen, Beispiele zu häufen, wäre zwecklos, vgl. Herodot. V 24, 2 (fünfunddreissig Knaben, Anfang des 5. Jhdts. v. Chr.). Paus. V 16, 6 (sechzehn Frauen in zwei Halbchöre geteilt bei dem elischen Dionysoscult). CIG 2715 (dreissig Knaben in Stratonikeia zur Zeit des Tiberius). Es ist natürlich, dass in der Zeit der dionysischen Techniten dort, wo die Chöre von den Techniten beigestellt werden, die Zahl der Sänger von der Grösse der Pauschalsumme abhängt, die den Techniten für die Aufführung bezahlt wird. In den delphischen Soterienkatalogen aus der ersten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. (Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 3–6) finden wir die Männer- und Knabenchöre einmal aus je fünf, zweimal aus je fünfzehn Choreuten zusammengesetzt, während ein viertes Mal zwölf Knaben und vierzehn Männer (vielleicht durch einen Irrtum der Aufschreibung) verzeichnet sind. s. u.
Die Choreuten sind entweder berufsmässig ausgebildete und besoldete Sänger und Tänzer, oder aber sie sind ,Dilettanten‘, die freiwillig oder von Staatswegen hiezu bestimmt, zum Zwecke einer einzelnen Festaufführung zusammengetreten sind und auf öffentliche Kosten geschult und während der Übungszeit verpflegt werden. Die Ch.-Dichtungen, die Simonides und Pindar für die Feste des Adels gedichtet haben, sind gewiss von berufsmässigen, in Gilden organisierten Sängern vorgetragen worden, wobei es dem Dichter-Didaskalos (oder der Gilde) überlassen blieb, den Ch. nach eigenem Ermessen aus Einheimischen und Fremden auszuwählen. Dagegen waren gewiss alle Cultchöre, die wie die Δηλιάδες zu regelmässig wiederkehrenden Dienstleistungen verpflichtet waren, nur aus Einheimischen zusammengesetzt, und ebenso war bei anderen von Staatswegen zusammengebrachten Chören wohl überall, wie in Athen (Dem. XXI 50. Plut. Phok. 30), darauf gesehen, dass nur Bürger mitwirkten. An manchen Orten scheinen innerhalb bestimmter Culte die Chöre auf verwandtschaftlicher Grundlage zusammengesetzt worden zu sein, vgl. Diels Herm. XXXI 372.
In Athen werden an den Dionysien und Thargelien die einzelnen Chöre aus den Angehörigen der einzelnen Phylen zusammengesetzt, so zwar, [2382] dass bei den Dionysien jede Phyle einen Ch. (Schol. Aeschin. I 10), an den Thargelien je zwei Phylen zusammen einen Ch. stellten, Aristot. Ἀθην. πολ. 56. Ulpianos zu Dem. XX 28, s. Χορικοὶ ἀγῶνες. Auch bei den Chören der athenischen Prometheia und Hephaisteia (s. d.) muss die Phylenangehörigkeit eine Rolle gespielt haben, wie CIA 553 lehrt. In der späteren hellenistischen Zeit haben sich wohl noch an einzelnen Orten die Chöre auf bürgerlicher Grundlage erhalten, vgl. für Arkadien Polyb. IV 20, 8, für Delos die Inschriften Bull. hell. VII 104f. und dazu Kaibel Herm. XXIII 272, an anderen Orten sind an ihre Stelle Chöre berufsmässiger Techniten getreten, in denen Angehörige aller Staaten nebeneinander thätig waren, wie die Soterienkataloge (Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 4–6) zeigen. Auch in Athen scheinen die Phylenchöre, die nur durch einen staatlichen Zwang aufrecht erhalten werden konnten, schon im 3. Jhdt. eingegangen zu sein; in der Kaiserzeit hat man die alte Einrichtung neu zu beleben gesucht, aber nur mit geringem Erfolg, vgl. CIA III 78–82. Plut. qu. conv. I 10 p. 628 A. Ein πολειτικὸς χορός begegnet auch noch in einer thespischen Inschrift der späteren Kaiserzeit, IGS I 1776.
Innerhalb des Ch.s nimmt eine ausgezeichnete Stelle der κορυφαῖος oder ἡγεμών ein, vgl. Dem. XXI 60: ἴστε δὲ δήπου τοῦθ’ ὅτι τὸν ἡγεμόν’ ἂν ἀφέλῃ τις, οἴχεται ὁ λοιπὸς χορός. Bei der Aufführung vertritt er die Stelle des Dirigenten, indem er das Zeichen zum Beginn (ἐνδόσιμον) giebt und über Rhythmus und Tact der Sänger wacht, Aristot. Problem. XIX 22. Ps.-Aristot. de mund. 6. Dio Chrysost. LVI p. 565 M. Aelian. nat. an. XV 5. Colum. r. r. XII 2. Ihm fallen häufig auch noch andere Obliegenheiten des Didaskalos (s. d.) zu, die Lehre und die Anordnung der Sänger, daher wird er auch gelegentlich als χοροστάτης (s. d.), χορολέκτης (s. d.) bezeichnet; andere Benennungen römischer Zeit sind mesochorus (Plin. ep. II 14, 17), ἀρχέχορος (IGI 1618. CIG 6231).
Eine besondere Rolle kam dem ,Vorsänger‘ im jüngeren Dithyrambos zu, indem ihm vielfach grössere selbständige Solopartien zugewiesen waren, so dass er fast wie ein Schauspieler vom Ch. sich abhob, vgl. Aristot. Poet. 26. Gomperz Jahrb. f. Philol. 1886, 77f. Daher wird auch in den choregischen Inschriften von Orchomenos, IGS I 3210. 3211 (um 200) neben dem Flötenspieler der Sänger, und in den Siegerverzeichnissen der dortigen Homoloien (IGS I 3196f.) der ἡγεμών bei Männer- und Knabenchören genannt, s. Χορικοὶ ἀγῶνες.
Aber auch die übrigen Sänger erscheinen je nach ihrer Tüchtigkeit im Range abgestuft; daher sagt man auch im übertragenen Sinn ποῦ χοροῦ τάξομεν (Plat. Euthyd. 279 C). Nur bezüglich der lakonischen Chöre und der skenischen Chöre Athens (s. u.) sind wir darüber genauer unterrichtet. Der Platz, den jeder Sänger einnimmt, wird nach der Normalstellung des Ch.s beim Einmarsch benannt. Was Athenaios V 181 c im Zusammenhang mit Nachrichten über altkretische Ch.-Tänze nach Timaios (FHG I 201) berichtet: οἱ δὲ λεγόμενοι Λακωνισταὶ ἐν τετραγώνοις χοροῖς ᾗδον, darf wohl auf die meisten der lakonischen Cultchöre bezogen werden. Die Einteilung [2383] in στοῖχοι (s. d.) bezeugt Alkman frg. 146: ὁμοστοίχους ἐκάλεσε τὰς ἐν τάξει χορευούσας παρθένους; auf dieselbe Gliederung bezieht sich auch Alkman frg. 162: φιλόψιλος ... ἡ φιλοῦσα ἐπ’ ἄκρου χοροῦ ἵστασθαι (was Diels Herm. XXXI 365, 1 auf die πρωτοστάτις deutet). Die letzte Reihe ist natürlich die wenigst ehrenvolle (ἔσχατος τοῦ χοροῦ ... χώρα ἄτιμος Plut. apophth. Lac. 219 E, vgl. 208 D. Xen. Agesil. II 17.
Die Schulung der so zusammengesetzten Chöre erfolgte in älterer Zeit durch den Dichter selbst, später immer häufiger durch einen besonderen Didaskalos, der oft mit dem κορυφαῖος identisch war; letzterer Fall trat regelmässig dort ein, wo es sich um Einübung älterer Dichtungen handelte. Die Sorge für die Zusammenstellung und die Verpflegung des Ch.s wird vielfach vom Staate einzelnen Personen übertragen, sei es besondern Epimeleten, oder – nach athenischem Vorbild – Liturgen, s. Χορηγία.
Vortragsweise der Chöre.
Die Vorträge der Choreuten, die unison sangen (s. Musik), erfolgten in älterer Zeit unter Begleitung der Lyra oder Kithara. Im Culte – besonders im apollinischen, vgl. Apoll. Rhod. I 538 – und bei kleineren Chören hat sich das Saitenspiel auch immer erhalten. Auch die Mehrzahl der pindarischen Gedichte ist für Begleitung durch Saiteninstrumente componiert. In späterer Zeit haben die Kitharavirtuosen ähnlich wie die Flötenspieler sich bei ihren Vorträgen der Beihülfe eines Ch.s bedient; der Kitharist Lysandros von Sikyon hat nach Philochoros FHG I 395 (Athen. XIV 638 a) diese Sitte ins Leben gerufen. In der delischen Inschrift von 172 v. Chr. (Bull. hell. IX 146) werden κιθαρισταὶ μετὰ χοροῦ verzeichnet, eine χοροψάλτρια ist in Iasos für ca. 170 v. Chr. (Le Bas-Waddington 257), an den delphischen Pythien für die 2. Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. (Bull. hell. XVIII 83) bezeugt. Auch in der Kaiserzeit erfreuten sich diese Ch.-Kitharisten noch grosser Beliebtheit, s. Χοροκιθαρεύς und Χορικοὶ ἀγῶνες.
Bei grösseren Chören wurde schon seit dem 7. Jhdt. die Flöte allgemein üblich, die allein die zahlreichen Stimmen zu übertönen vermochte; insbesondere gelangte die Flöte durch den Dithyrambos zur Herrschaft. Wie von kyklischen Chören, so spricht man auch von κύκλιοι αὐλοί (Hesych.) und κύκλιοι αὐληταί (Luc. de salt. 2). Poll. IV 81 scheidet verschiedene Flötengattungen für die Chöre der Männer, der Knaben, der Mädchen.
Nur ein geringer Teil der Ch.-Dichtungen ist für den Vortrag auf dem Marsche oder während festlicher Umzüge bestimmt (προσόδιον, ἐμβατήριον, πομπή, κῶμος). Weitaus die Mehrzahl wurde auf dem Altarplatz oder auf einem für solche Aufführungen eigens hergerichteten Tanzplatz (χορός, ὀρχήστρα, Marktplatz) vorgetragen, hier treten die Choreuten am Festtage auf, in festlicher Gewandung und bekränzt (Dem. XXI 16. 55), geleitet vom Dichter (oder Didaskalos), von dem Ch.-Musiker und – wo ein solcher bestellt ist – von dem Choregen (s. d.). Sie haben während der Aufführung den Charakter heiliger Personen (Dem. XXI 55), da sie im Dienste des Festgottes stehen, vgl. Bull. hell. II 331. IV 351: [2384] ἱεροὶ τῶν παίδων χοροί (Inschr. v. Delos). Wenn in römischer und vielleicht schon in der hellenistischen Zeit manche Ch.-Dichtungen von den Choreuten in ruhigem Stand vorgetragen wurden, so dürfen wir dagegen für die ältere Zeit voraussetzen, dass bei allen auf dem Festplatz vorgetragenen Gesängen die Rhythmen der Dichtung von den Sängern mit entsprechenden Tanzbewegungen begleitet wurden.
Je nach der Art der Dichtung und nach der Zahl der Choreuten waren die Bewegungen der Chöre verschiedenartig. Bei vielen Cultreigen bewegten sich die Choreuten in langsamen Schrittreigen um den Altar (vgl. Callim. in Dian. 170. 267; in Del. 301. 312), indem sie einander bei den Händen fassten, vgl. Il. XVIII 594. Plut. de def. orac. 22 p. 422 B. Etym. M. s. χορός. So sehen wir die Reigentänzer häufig auf Vasenbildern dargestellt, besonders kunstvolles Übergreifen der Hände zeigt die Polledraravase Journ. hell. stud. XIV Taf. VII; mitunter waren die Choreuten durch ein Seil, das sie in den Händen hielten, verbunden, vgl. die delischen Inschriften Bull. hell. VII 183f. Ter. Adelph. 752. Liv. XXVII 37, 19. Diels Sibyllin. Blätter 91. Pallat De fabula Ariadnea 5. Wie bei dem Umschreiten des Altares, so musste sich kreisförmige Aufstellung auch sonst für grössere Chöre empfehlen, in deren Mittelpunkt der Vorsänger (Od. VIII 264. Hes. Schild 201) oder Flötenspieler einen Platz hatte (Luc. Anach. 23). Daher wird man auch die Bezeichnung des κύκλιος χορός doch am wahrscheinlichsten von dieser Art der Anordnung ableiten dürfen. In dem fälschlich Simonides oder Bakchylides zugeschriebenen Epigramm Anth. Pal. XIII 28 (Ende des 5. Jhdts.?) heisst es vom Choregen des Phylen-Ch.s τῶν (nämlich ἀνδρῶν) ἐχορήγησεν κύκλον μελίγηρυν Ἵππόνικος. Vorzugsweise wird κύκλιος χορός (κύκλια μέλη) von Dithyramben gesagt, vgl. Aristoph. Ach. 367; Av. 917. Aeschin. III 232. Paian des Philodamos Z. 131 (Bull. hell. XIX 393f.). Schol. Aristoph. Av. 1403; aber auch von den Chören an den Panathenaeen (Lys. XXI 2), den Thargelien (Suid. s. Πύθιον), den Posidonien (Plut. Vit. X orat. p. 842 A) wird der Name gebraucht, man spricht auch von κύκλιοι παῖδες (Plut. Arist. 1), κύκλιος αὐλητής (s. o.). Im Gegensatze dazu scheint bei kleineren Chören vielfach eine viereckige Formation üblich gewesen zu sein. Wie diese τετράγωνοι χοροί (s. o.) sich beim Tanze geordnet haben mögen, wissen wir nicht. Leider lässt sich nicht feststellen, in wie weit für den Vortrag eine Teilung in Halbchöre üblich war (Vermutungen hierüber bei Diels Herm. XXXI 372). Ein Beispiel für einen in zwei scharf geschiedene Hälften zerfallenden Ch. giebt der dionysische Ch. von sechzehn Frauen in Elis (Paus. V 16, 6; vgl. Weniger Das Collegium der 16 Frauen in Elis, Weimar 1883).
Über die Schemata der Tanzbewegungen sind wir fast ohne Nachricht. Allerdings wird überliefert, dass mit dem Absingen der Strophe eine ,Wendung‘ nach der einen Seite, mit der Antistrophe eine Wendung nach der andern Seite verbunden gewesen sei, und dass die Epodoi in ruhigem Stand gesungen worden seien; allein diese Lehre ist, wie Crusius (Comment. Ribbeck. 10) gezeigt [2385] hat, nicht auf thatsächliche Beobachtung, sondern nur auf die Speculationen späterer pythagoreischer Lehrer gegründet. Auch die Epodoi sind, da sie in denselben Rhythmen gedichtet sind wie die Strophen, in Tanzbewegung gesungen worden. Lebhafter als bei den strophischen Dichtungen werden die Rhythmen in den nicht strophischen Dichtungsarten, den Dithyramben und manchen Tanzliedern (zu denen auch die Pyrrhiche gehört, Aristoph. Ran. 152) gewesen sein, vgl. Hyporchema. Über die sonstige Organisation der staatlichen Ch.-Aufführungen s. Χορικοὶ ἀγῶνες.
Chor im Drama.
Eine besondere Betrachtung erfordern die Chöre der τραγῳδοί, Σάτυροι und κωμῳδοί, die sowohl ihrer Zusammensetzung nach wie auch nach Art und Vortrag ihrer Gesänge von den ,lyrischen‘ Chören wesentlich sich unterscheiden. Ihre Vorführungen sind vor allem gekennzeichnet durch die μίμησις, die in Tracht, Gesang und Bewegung zu Tage tretende Nachahmung bestimmter Personen und Ereignisse. Die Choreuten sprechen und handeln im Sinne der von ihnen dargestellten Personen und führen im Verein mit einem oder mehreren Sprechern, den Schauspielern, ein einzelnes Geschehnis in seinem allmählichem Vorrücken den Zuschauern als etwas Gegenwärtiges vor. Indem für die genauere Würdigung des Anteils, der dem Ch. innerhalb der dramatischen Dichtung zufällt, auf die Artikel über Tragoedie und Komoedie verwiesen wird, sollen hier nur die einzelnen von den dramatischen Chören vorgetragenen Partien in Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte des chorischen Dramas gekennzeichnet, dann die Zusammensetzung und Ausstattung des Ch., sowie der Anteil, den der Ch. an dem äusseren Hergang der Vorstellung bei den Dramen des 5. Jhdts. hat, dargelegt, endlich noch die Rolle, die dem Ch. an dem Drama der späteren Zeit zufällt, besprochen werden.
Die chorischen Partien in der Tragoedie und im Satyrspiel.
Τραγικοὶ χοροί, die das Schicksal des Adrastos behandelten, waren nach Herod. V 67 schon um 600 in Sikyon heimisch. Dass die Bezeichnung τραγικοί von τράγος abzuleiten sei, wird man kaum bezweifeln dürfen, aber dass noch Herodot oder sein Gewährsmann die tragischen Chöre als ,Bockschöre‘ verstanden wissen wollte, ist überaus unwahrscheinlich. Der Name ist vermutlich auf eine als τράγοι bezeichnete Cultgenossenschaft zurückzuführen, die mit Gesängen und Tänzen (in entsprechender Verkleidung, aber nicht in Bocksgestalt) die heilige Geschichte des von ihr verehrten Gottes darstellte, s. Τραγῳδία. Nach solchem Vorbild hat man dann in mimetischen Chören auch die Schicksale anderer Götter und Heroen zur Darstellung gebracht.
Ob schon jene sikyonischen Ch.-Gesänge durch gesprochene Vorträge des (ebenfalls verkleideten) Priesters abgelöst wurden, wissen wir nicht, ebensowenig lässt sich der Anteil genauer bestimmen, den Korinth an der kunstmässigen Entwicklung dieser Ch.-Dichtungen genommen hat, s. Arion. Die gangbare athenische Überlieferung hat die Verknüpfung ,tragischer‘ Ch.-Gesänge mit gesprochenen Einzelvorträgen (ῥῆσις) auf attischen Boden verlegt und mit dem Namen des Thespis [2386] (s. d.) verknüpft. Wenn Aristoteles die Vorstufen der Tragoedie im Dithyrambus zu erkennen glaubte, so war er vielleicht beeinflusst von dem Dithyrambos seiner Zeit, der nach dem Vorbilde des Dramas selbst mimetische Elemente aufgenommen hatte, oder er hat eine Gruppe von Dichtungen als Dithyramben bezeichnet, von denen wir heute nicht mehr in der Lage sind, ein klares Bild zu gewinnen (v. Wilamowitz Euripides Herakles I 85. Blass Herm. XXX 314). Jedenfalls haben schon in der Pisistratidenzeit die τραγικοὶ χοροί, nachdem sie bereits im Peloponnes in enge Verbindung mit Dionysosfesten gesetzt worden waren, in Athen an dem städtischen Frühjahrsfest des Dionysos eine Heimstätte gefunden (Marm. par. ep. 43 Ol. 61), und sie sind gewiss auch bei der kleisthenischen Neuordnung des Dionysienfestes als Bestandteil dieses Festes geseztlich festgestellt worden.
Auf der gleichen Grundlage mimetischer Cult-Chöre sind auch die Σατύρων χοροί erwachsen, die ihre Vorbilder in den bocksgestaltigen Daemonen des peloponnesischen Volksglaubens hatten. Aristoteles dachte die Tragoedie geradezu aus dem Satyrspiel hervorgegangen (Poet. 4, 17 p. 1449 a 20). Man wird annehmen dürfen, dass die Vorführungen der Σάτυροι, wenn sie auch in ihrer letzten Wurzel mit denen der τράγοι sich berühren mochten, doch an anderem Orte und in anderer Weise sich entwickelt haben, so dass sie schon zur Zeit, als sie nach Attika übertragen wurden, einen von den tragischen Chören wesentlich verschiedenen Charakter hatten. Die Satyrspiele sind in Athen ursprünglich selbständig aufgeführt worden, bis sie einen festen Platz nach den Vorführungen der tragischen Chöre erhielten und endlich mit den Tragoedientrilogien in engere Verknüpfung traten, s. Tetralogia.
Von der weiteren kunstmässigen Ausbildung der tragischen Ch.-Dichtung – die auch für die Gestalt der Satyrspiele bestimmend war – können wir auf Grund der litterargeschichtlichen Nachrichten und der ältesten Dramen noch ein Bild gewinnen. In den ältesten tragischen Dichtungen fiel das Hauptgewicht auf die Ch.-Vorträge. Die alten Literarhistoriker haben daher geradezu Tragoedien und Satyrspiele vorausgesetzt, die ausschliesslich aus Ch.-Gesängen bestanden (vgl. Diog. Laert. III 56. Athen. XIV 630 c), und auch Aristoteles vertritt eine ähnliche Anschauung, wenn er die Schauspieler mit den ,Vorsängern‘ des Ch.s in Verbindung bringt. Aus der vorwiegenden Bedeutung des Ch.s erklärt es sich, dass die Dramen der älteren Zeit nach den Personen des Ch.s benannt sind, und auch noch die conventionellen Formeln der jüngeren Zeit spiegeln diese Thatsache wieder. Der Dichter, der in den Wettkampf eintreten will, erbittet und erhält vom Archon ,den Ch.‘ (s. u.), εἴσαγε τὸν χορόν ruft man dem Dichter zu (Αristoph. Ach. 11). χοροὺς ἄγειν sagt Aristophanes Ran. 1418 mit Rücksicht auf die Tragoedie. Der Name τραγῳδοί ist von den Sängern des Ch.s auf die übrigen Mitwirkenden (die Schauspieler, selten auch auf die Dichter) übertragen worden, und die Bezeichnung τραῳδῶν τραγῳδοῖς ist daher für die Tragoedienaufführungen auch dann noch in Geltung geblieben, als längst das Hauptgewicht der Dichtung auf die von den [2387] Schauspielern dargestellten Teile übergegangen war.
Dass die Tragoedie in älterer Zeit mit dem Einzugsliede des Ch.s begann, können wir noch an des Aischylos ,Schutzflehenden‘, den ,Persern‘, dem ,gelösten Prometheus‘ sehen; erst nach dem Einzug des Ch.s (εἴσοδος) erschien der Schauspieler, d. i. ursprünglich der Dichter selbst (ἐπεισόδιον). Es wird daher schwer, der Nachricht, dass schon Thespis den Prologos ,erfunden‘ habe, Glauben zu schenken (vgl. Bergk Gr. Litt.-Gesch. III 80). Vielmehr scheint die Auffassung berechtigt, dass erst durch den Eintritt des costümierten Ch.s für die Phantasie des Zuschauers die Orchestra zu dem von dem Dichter vorausgesetzten Schauplatz der Handlung gemacht wurde und so der Ch. in der Zeit, wo noch keine Skene (s. d.) vorhanden war, gewissermassen auch den einheitlichen örtlichen Hintergrund bildete. Solange er anwesend ist, behält die Orchestra die gleiche Bedeutung, sie kann eine neue erst erhalten, wenn der Ch. abgezogen ist, um nach einer Pause in gleicher oder veränderter Tracht wieder zu erscheinen. Der Ch. ist im älteren Drama der ,Protagonist‘ des Stückes (Apollonius Lex. Hom. s. ὑποκρίνοιτο) und die Reden des ὑποκριτής waren gleichsam nur Einlagen, die Anlass und Grundlage für ein neues Ch.-Lied schaffen sollten. Mit einem feierlichen Abzugsgesang des Ch.s schloss die Dichtung.
Durch die Einführung eines zweiten Schauspielers wurde die Ausdehnung der Ch.-Gesänge bereits wesentlich beschränkt; daher sagt Aristoteles Poet. 4 p. 1449 a von Aischylos: τὰ τοῦ χοροῦ ἠλάττωσε. Mit der weiteren Vermehrung der Schauspieler auf drei wird der Anteil des Ch.s noch mehr herabgemindert. Dies spricht sich äusserlich in dem Umfang der Ch.-Partien aus. Während in den ,Schutzflehenden‘ des Aischylos die Gesänge des Ch.s mehr als die Hälfte der Dichtung ausmachen, betragen sie in der Orestie durchschnittlich nur ein Drittel, in den älteren Stücken des Euripides etwa ein Fünftel des Dramas (Bergk Gr. Litt.-Gesch. III 143).
Vor dem Einzug des Ch.s wird jetzt regelmässig ein von Schauspielern dargestellter Auftritt, der Prologos, vorgesetzt (eine Ausnahme bildet der nacheuripideische ,Rhesos‘). Der Einzug selbst erfolgt in der Regel ohne Gesang, doch bleibt dem ersten Liede, das der Ch. in der Orchestra singt, der alte Name πάροδος (s. d.). An der Handlung, die zwischen den Schauspielern sich abspielt, hat der Ch. schon seit der sophokleischen Zeit geringen Anteil, er ist vielfach nur ein Zuschauer, ein κηδευτὴς ἄπρακτος (Aristot. Problem. XIX 48), ohne doch das Recht zu verlieren, unter Umständen nach Art eines Schauspielers in die Handlung einzugreifen (Aristot. Poet. 18, 1456). Noch mehr schrumpft die Rolle des Ch.s in der Schlusspartie der Tragoedie zusammen. Schon in den älteren aischyleischen Dramen sehen wir, wie die Schauspieler in diesem Teile immer mehr hervortreten und in den Ch.-Gesang selbst mit eingreifen (vgl. den Kommos der ,Perser‘ und ,Sieben‘). In den ,Choephoren‘, dann durchweg bei Sophokles und Euripides beschränkt sich der Schlussvortrag der Chöre auf wenige Verse, die vermutlich von den Ch.-Führern gesprochen wurden (s. u.). [2388]
Dennoch bleiben auch in dieser späteren Zeit die Ch.-Vorträge für die Gliederung der Tragoedie bestimmend, sie bilden gewissermassen den Rahmen und das Gerüste des dichterischen Aufbaues. Indem der Ch. auch jetzt noch während des ganzen Dramas auf dem Spielplatz anwesend bleibt – die wenigen Ausnahmen (Aesch. Eum., Soph. Ai., Eur. Alk. Hel.) finden ihre besondere Erklärung –, wahrt er die Einheitlichkeit des dramatischen Kunstwerkes, so dass jene gewaltsamen Unterbrechungen, die durch die Zwischenacte des modernen Dramas herbeigeführt werden, vermieden werden. Nach jedem Abschnitte der Handlung giebt der Ch. in einem Liede seinem Urteil über den Gang der Ereignisse oder seinen Erwartungen über den weiteren Verlauf der Dinge Ausdruck. Im Gegensatz zu dem ersten Ch.-Lied, der πάροδος, die ursprünglich ein Einzugslied war, heissen die späteren Gesänge des Chores στάσιμα, weil sie vom Ch. auf seinem Standplatze in der Orchestra (s. u.) gesungen werden; ihrer sind in der Regel drei, doch wird die Zahl überschritten, wo es dem Dichter erforderlich scheint. Sie scheiden die Epeisodia von einander ab und bezeichnen so die Ruhepunkte der vor den Augen der Zuschauer sich abspielenden Handlung.
Aber auch innerhalb der Epeisodia und des von Aristoteles als Exodos bezeichneten letzten Abschnittes bleibt der Ch. – bezw. der Ch.-Führer – auch in den Dramen des Sophokles und Euripides wenigstens durch den Vortrag kurzer Lieder oder iambischer Trimeter (vgl. Schol. Eur. Med. 517) in beständiger Wechselbeziehung zu den Gesprächen der Schauspieler. Dazu kommen noch die in erregten Augenblicken von den Choreuten allein oder abwechselnd mit den Schauspielern gesungenen melischen Partien (ἀμοιβαῖα), insbesondere die gemeinsam mit den Schauspielern vorgetragenen Kommoi (s. d.).
Die chorischen Partien in der Komoedie.
Die Entwicklungsgeschichte der chorischen Komoedie, für die uns keine so alten Zeugnisse vorliegen, wie für die Tragoedie, ist noch nach vielen Seiten hin nicht aufgeklärt. Wie schon bei Homer an das Weinlesefest Ch.-Reigen anknüpfen (Il. XVIII 570), so scheint auch im griechischen Festland die Sitte weitverbreitet gewesen, die Erntefeier, die Dionysos- und Demeterfeste mit Ch.-Tänzen und Ch.-Liedern zu feiern, in denen Scherz und Spott eine hervorragende Stelle fanden, vgl. Hes. scut. Herc. 281. Herod. V 83. Eine besondere Entwicklung haben nun in Attika die an die Dionysosfeste anknüpfenden Chöre der κωμῳδοί (s. d.) und τρυγῳδοί (s. d.) genommen. Schwärme junger Männer, κῶμοι, begleiteten den Phallos, und an die Phallika, die Gesänge, die unmittelbar auf die Festfeier Bezug nahmen, schlossen sich Strophen persönlich-satyrischen Inhalts. Darum leitet Aristoteles Poet. 4 p. 1449 a ἀπὸ τῶν τὰ φαλλικὰ (ἐξαρχόντων) die Komoedie ab. Der Wunsch, sich durch Vermummung unkenntlich zu machen, mag ebenso wie die bei den südlichen Völkern besonders lebhafte Freude an Verkleidungen aller Art bald dazu geführt haben, dass die Chöre bei diesen ,Faschingsfesten‘ in phantastischer Tracht auftraten und dieser Tracht entsprechend auch ihren Vorträgen und Tanzweisen einen mimetischen Charakter gaben. In [2389] welcher Art sich bei diesen Vorführungen das dramatische Element entwickelte, können wir nicht mehr im einzelnen verfolgen. Es ist eine ansprechende Vermutung, dass durch die Teilung des Ch.s in zwei Teile, d. h. also durch das Zusammenspiel zweier Chöre dazu der Anlass gegeben war. Schon in den volkstümlichen Vorbildern für den Schimpf- und Streitgesang, der ein wesentliches Element der alten Komoedie bildete, mag Einzelvortrag die Ch.-Vorträge abgelöst haben, worauf die auch in den aristophanischen Komoedien noch festgehaltene ,syntagmatische‘ oder ,epirrhematische‘ Compositionsweise hindeutet, bei der Ode und Epirrhema, Antode und Antepirrhema sich ablösen. Es dürfen also hier vielleicht die Halbchorführer wirklich als Vorläufer der Schauspieler angesehen werden. Vgl. Zielinski Gliederung der attischen Komoedie 249; Philol. XLVII 27. Kaibel Herm. XXX 80. Die weitere Entwicklung mag dann so vor sich gegangen sein, dass die κωμῳδίαι mit den dialogischen Zwischenspielen possenhaft-satyrischen Charakters, die bei den festlichen Umzügen der κῶμοι üblich waren, zu einem Ganzen verschmolzen, indem man die Zwischenspiele kunstmässig ausbildete und die Chöre in diese Dialogauftritte eingreifen liess; vgl. Poppelreuter De comoediae Att. primordiis (Berl. 1893). In solcher Weise hat die Kunstform der ,alten Komoedie‘ sich vermutlich an den athenischen Lenaeen, mit denen vielleicht ursprünglich der Name der τρυγῳδοί verknüpft war, zuerst entwickelt (Bergk Gr. Litt.-Gesch. III 10). Nach dem Marm. par. ep. 39 soll schon zwischen 581 und 562 Susarion einen Komoeden-Ch. in einem Agon vorgeführt haben. Die Liste der Komoediensieger der Lenaeen CIA II 977 i reichte gewiss bis über die Zeit der Perserkriege, wahrscheinlich bis zur kleisthenischen Zeit hinauf. Erst später sind – vielleicht infolge eines Orakelspruches – die κῶμοι und κωμῳδοί den städtischen Dionysien eingefügt worden (zwischen 478 und 465); vgl. Bruchstück α des Siegesverzeichnisses CIA II 971 und Aristot. Poet. 1449 b 2, s. Χορηγία.
Ebenso wie bei den Spielen der τραγῳδοί erscheint auch in der Komoedie der älteren Zeit der Ch. als die Hauptsache; er erfreut sich dank den satyrischen Spitzen seiner Vorträge und der Originalität seiner Verkleidung besonderer Volkstümlichkeit. Es bleibt lange üblich, die Komoedien nach den Ch.-Personen zu benennen; der Name κωμῳδοί wird so wie τραγῳδοί (s. o.) auch auf die Schauspieler und Dichter, sowie auf die gesamte Dichtung übertragen. Die Komoedien werden auch noch in der Zeit des Aristophanes schlechtweg als χοροί bezeichnet, wobei fraglich bleibt, ob dabei an die Dichtung in ihrer Gesamtheit oder mehr an die persönliche Erscheinung der Chöre gedacht, wird, vgl. Aristoph. Eq. 521; Nub. 1114; Av. 1101; Eccles. 1160. Eupolis frg. 223 K.
Wenn auch nicht in gleichem Masse wie bei der Tragoedie sind doch auch in der alten Komoedie die Ch.-Gesänge für den gesamten Aufbau der Dichtung von grösster Bedeutung. Unter den chorischen Bestandteilen der Komoedie scheint die Parabase zuerst zu kunstmässiger Entwicklung gelangt zu sein; sie besteht aus zwei Teilen, den [2390] ἁπλᾶ (Kommation, Parabase, Pnigos) und aus einer Syzygie (Ode, Epirrhema, Antode, Antepirrhema). Daneben findet sich in den älteren aristophanischen Komoedien noch eine sog. Nebenparabase, die nur die Bestandteile der zweiten Hälfte der Parabase in sich schliesst; vgl. Zielinski Gliederung 175.
Ein Ch.-Gesang musste ursprünglich auch den Einzug der κωμῳδοί begleiten, wie das noch für mehrere Stücke des Kratinos bezeugt ist; vgl. Kaibel Herm. XXX 76. Susemihl Rev. de phil. 1895, 206. Während das Eröffnungslied der Βουκόλοι dithyrambischen Charakter hatte (Hesych. s. πυρπερεγχεί), begann ein anderes Stück mit einer Art von Parabase (Kratin. 306 K. Aristid. or. II 521 Dind.). Erst später ist nach dem Muster der Tragoedie auch hier ein Prologos der Parodos vorgesetzt worden. Ebenso wird der Abschluss der Komoedenvorführungen ursprünglich durch einen chorischen Abzugsgesang gebildet worden sein (ἐξόδιοι νόμοι Kratin. 276); an Stelle der kunstmässig ausgebildeten Exodika, wie sie namentlich die ,Wespen‘, ,Vögel‘, der ,Frieden‘, die ,Lysistrate‘ und die ,Ekklesiazusen‘ zeigen, mögen in älterer Zeit volkstümliche Lieder gesungen worden sein, vgl. Ach. 1231; Ran. 1526; Plut. 1209, s. Poppelreuter De com. primordiis 37.
So sehr aber in aristophanischer Zeit der Bau der Komoedie von dem Vorbild der Tragoedie beeinflusst ist, so bewahrt er doch in der Anlage der Parodos wie in der Stellung der gliedernden Ch.-Gesänge (Parabasen und Stasima) viel grössere Freiheit, als die Tragoedie. ,Acharner‘, ,Ritter‘, ,Wolken‘, ,Wespen‘, ,Frieden‘ und ,Vögel‘ haben je zwei Parabasen, in der ,Lysistrate‘ ist die Parabase durch eine andere ,epirrhematische‘ Dichtung ersetzt (Zielinski Gliederung 181), die ,Thesmophariazusen‘ und ,Frösche‘ haben nur eine (verkürzte) Parabase, in den ,Ekklesiazusen‘, und im ,Plutos‘ fehlt sie, in den letzteren beiden fehlen auch die Stasima, vgl. Arnoldt Die Chorpartien bei Aristophanes, Leipzig 1873.
Zusammensetzung der dramatischen Chöre. Zahl der Choreuten.
Über die Zahl der Choreuten haben wir für die ältere Zeit, in der die Tragiker ihre Chordichtungen selbständig aufführten, kein zuverlässiges Zeugnis. Wenn Poll. IV 109 angiebt, dass der Ch. in der Tragoedie ursprünglich aus 50 Leuten bestand, bis gelegentlich der Aufführung von Aischylos ,Eumeniden‘ durch ein Gesetz eine geringere Zahl festgestellt wurde, so hat diese Nachricht keine Gewähr. Die Zahl 50 war nahegelegt durch die Analogie der dithyrambischen Phylenchöre. Sicher ist, dass zur Zeit, wo die skenische Choregie geregelt wurde, auch die Zahl der Sänger, die der Chorege stellen musste, bestimmt worden sein muss. Möglich, dass der Ch. erforderlichen Falls durch Statisten auf eine grössere Anzahl gebracht wurde, was man beispielsweise für den Ch. der Danaiden in Aischylos ,Schutzfiehenden‘ wird annehmen müssen, vgl. v. 307. 921. 944. Für die Zeit, in der die Dichter mit je vier Stücken in den Wettkampf eintraten, ist die Zwölfzahl der Choreuten gesichert. Sie mag wohl schon bei den tragischen Chören des Peloponnes üblich gewesen sein.
Durch Sophokles ist, wie glaubwürdig überliefert [2391] wird, die Zahl der Choreuten von 12 auf 15 erhöht worden (Suid. s. Σοφοκλῆς. Vit. Soph. 177, 25 West.), vgl. Hense Chor des Sophokles, Berlin 1877. Muff Die chor. Technik des Sophokles, Halle 1877. A. Müller Bühn.-Altert. 202. Nach Schol. Aristoph. Eq. 586 hat Aischylos für den Agamemnon, nach Schol. Aesch. Eum. 586 für die ,Eumeniden‘ bereits einen Ch. von 15 verwendet, wofür G. Hermann Opusc. II 130. Arnoldt (Chor im Agamemnon des Aischylos 65) und andere eingetreten sind, während nach dem Vorgang O. Müllers Wecklein (Jahrb. f. Philol. Suppl. XIII 432; S.-Ber. Akad. München 1887 I 83) auch hier die Zwölfzahl festhält, die für die älteren aischyleischen Dramen feststeht (Muff De choro Persarum, Halle 1878; Chor in den Sieben des Aischylos, Halle 1882). Aus den von den einzelnen Choreuten gesprochenen Versen Agam. 1299 und Eum. 575 lässt sich eine sichere Entscheidung der Streitfrage nicht gewinnen; doch darf es als wahrscheinlich gelten, dass die Vermehrung der Choreuten gleichzeitig mit der Einführung des dritten Schauspielers (um 465) erfolgt ist.
Die mancherlei Combinationen, die man über die Gründe von Sophokles Neuerung aufgestellt hat, brauchen hier nicht erörtert zu werden. Sophokles selbst soll eine Schrift περὶ χοροῦ verfasst haben (Suid., vgl. Bergk Gr. Litt.-Gesch. III 361), deren Echtheit freilich bezweifelt werden kann (v. Wilamowitz Euripides Herakles I 20, 34). Die Fünfzehnzahl wird wohl bis zum Aufhören der Choregie (s. d.) in Athen üblich geblieben sein (Poll. IV 109. Schol. Ar. Av. 297; Eq. 589), da sie durch die Gesetze über die Dionysien (Dem. XXI 51) festgelegt worden sein muss. Nicht völlig sicher steht, ob im Satyrspiel die alte Zwölfzahl festgehalten wurde, wofür nach dem Vorgang Wieselers (Das Satyrspiel 30f.) neuerdings v. Prott (Schedae philologae für Usener 1891, 53) auf Grund eines Vasenbildes (Neapel 3240. Mon. d. Inst, III 31. Schreiber Culturhistor. Bilderatlas III 1) eingetreten ist.
Danach hatte der Chorege einer Tetralogie für 4✕15 oder für 3✕15 + 12 Choreuten zu sorgen, wobei allerdings möglich ist, dass gelegentlich dieselben Choreuten in verschiedenen Stücken verwendet wurden.
Die Komoedie des 5. Jhdts. hatte einen Ch. von 24 Personen (Poll. IV 109. Schol. Ar. Av. 297; Ach. 211); diese Zahl ist offenbar festgestellt worden zur Zeit, als der tragische Ch. aus 12 Personen bestand, und ist deshalb gewählt worden, weil in der älteren Komoedie häufig zwei Chöre nebeneinander verwendet wurden und daher auch späterhin die Teilung des Ch.s in zwei Halbchöre üblich blieb (Zielinski Gliederung 274).
Wenn bei Lys. XXI 2. 4 die Kosten der Tragoedienchoregie mit 3000, die der Komoedienchoregie σὺν τῇ τῆς σκευῆς ἀναθέσει mit 1600 Drachmen angegeben werden, so würde dies sehr wohl zu der Voraussetzung stimmen, dass der tragische Chorege für etwa 60 (oder 57), der komische für 24 Choreuten zu sorgen hat. Dass diese grosse Zahl der komischen Choreuten während der mannigfaltigen Umgestaltungen, die in der Ordnung des athenischen Komoedenagons seit dem Ende des 5. Jhdts. stattfanden (s. Χορηγία), unverändert blieb, ist nicht wahrscheinlich. Bei den [2392] delphischen Soterienfesten aus der ersten Hälfte des 3. Jhdts. werden in den Technitenlisten (bei Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 3–6) je sieben komische Choreuten aufgezählt, deren Rolle freilich wesentlich verschieden gewesen sein muss von der Rolle des alten Komoeden-Ch. (s. u.).
Ausser dem regelmässigen Ch. konnte, wenn das Stück es erforderte, auch noch ein Neben-Ch. auftreten. Man verwendet dazu wohl die in den andern Stücken der Tetralogie auftretenden Choreuten. Beispiele bieten die ,Schutzflehenden‘ und die ,Eumeniden‘, vermutlich auch die ,Sieben‘ (προπομποί 1053) des Aischylos, der ,Hippolytos‘, ,Alexandros‘ und die ,Antiope‘ des Euripides (vgl. Schol. Eur. Hipp. 58), die ,Frösche‘ und die ,Wespen‘ des Aristophanes.
Gliederung des Ch.s
Die erste Stelle im Ch. nimmt der Ch.-Führer ein, s. Κορυφαῖος. Aber auch die anderen Sänger erhalten je nach ihrer Tüchtigkeit einen bestimmten Rang, der für ihren Platz innerhalb der Normalaufstellung (beim Einmarsch) massgebend ist. Beim Einzug ist nämlich der Ch., nach dem Vorbild der Heeresabteilungen, ἐν τετραγώνῳ σχήματι (Bekker Anekd. 746, 27. Etym. M. s. τραγῳδία) in Glieder und Rotten geordnet; als Rotten (στοῖχοι) werden die in einer Reihe hintereinander Marschierenden, als Glieder (ζυγά) die nebeneinander Stehenden bezeichnet. Der tragische Fünfzehner-Ch. bestand daher aus fünf ζυγά von drei Mann und drei στοῖχοι von fünf Mann, der ältere Zwölfer-Ch. aus vier ζυγά von drei und drei στοῖχοι von vier Mann. Der komische Ch. zerfiel in sechs ζυγά von vier Mann oder vier στοῖχοι von sechs Mann, vgl. Poll. IV 108. Wenn Pollux sagt: καὶ κατὰ τρεῖς μὲν εἰσῄεσαν, εἰ κατὰ ζυγὰ γένοιτο ἡ πάροδος, so pflegt man die Dreizahl auf die hintereinander Marschierenden zu beziehen und demnach als die Anordnung κατὰ ζυγά jene zu bezeichnen, wo fünf (bezw. vier) in der Tragoedie, sechs in der Komoedie nebeneinander in der Front marschieren, vgl. A. Müller 205f. Dementsprechend bezeichnet man dann als den Einzug κατὰ στοίχους den Einzug in der üblicheren Form, bei der der Ch. in der Marschfront in der Tragoedie drei, in der Komoedie vier Mann und in der Tiefe in der Tragoedie fünf (in älterer Zeit vier), in der Komoedie sechs Mann hat.
Diese Aufstellung mit drei Mann in der Front nun ist bei der Rangordnung der Choreuten zu Grunde gelegt; dabei kommt noch in Betracht, dass der Ch. in der Regel von der Seite der Heimat, d. h. durch die (vom Zuschauer aus gesehen) rechts gelegene Parodos (s. d.) in die Orchestra einzieht. Es werden demnach die besten Choreuten an dem den Zuschauern nächstgelegenen Stoichos, d. i. in der linken Langreihe aufgestellt; diese heissen daher ἀριστεροστάται (s. d.), die der mittleren Reihe δευτεροστάται, die der dritten (rechts stehenden) Reihe δεξιοστάται (s. d.) oder δεξιόστοιχοι, vgl. Schol. Aristid. III p. 535 Dind. Poll. II 161. IV 106. Im mittleren Stoichos standen die wenigst geschulten Choreuten, die wegen ihres Platzes zwischen den beiden andern Reihen als λαυροστάται (Phot. Hes.) oder ὑποκόλπιον τοῦ χοροῦ (Phot.) bezeichnet werden. Der κορυφαῖος hat bei der normalen Aufstellung des Tragoedien-Ch.s seinen Platz als dritter des linken [2393] Stoichos (also in der Mitte der Langreihe) und führte daher auch den Namen τρίτος ἀριστεροῦ (Phot.); bei einer Viertelschwenkung gegen die Zuschauer zu kam er in die Mitte der vordersten Reihe zu stehen. Auf die beiden, die bei dieser Frontstellung rechts und links von ihm standen, scheint sich die Bezeichnung παραστάται (Aristot. Pol. III 4; Metaph. IV 11) zu beziehen. Vielleicht ist auch der Ausdruck πρωτόχοροι, der in einer ikarischen Inschrift des 5. Jhdts. CIA IV 3, 5 a, begegnet auf die bei dieser Aufstellung in erster Reihe stehenden Choreuten (oder auf die Ch.-Führer allein) zu beziehen. Von derselben Art der Aufstellung scheint auch die Bezeichnung κρασπεδῖται für die Flügelmänner entlehnt (Plut. qu. conv. V 5 p. 678 D); zweifelhaft ist die Bedeutung der ψιλεῖς, vgl. A. Müller 207. Dass diese in der letzten Linie aufgestellten Choreuten gelegentlich auch nur Statisten waren, die zur Ergänzung der Zahl des Ch.s dienten, scheint aus den Worten Menanders frg. 165 K. hervorzugehen, die wohl auf den skenischen Ch. zu beziehen sind: ὥσπερ τῶν χορῶν οὐ πάντες ᾄδουσ’ ἀλλ’ ἄφωνοι δύο τινὲς ἢ τρεῖς παρεστήκασι πάντων ἔσχατοι εἰς τὸν ἀριθμόν.
Auswahl der Choreuten.
Für die Dionysien bestand das Gesetz, dass keine Fremden im Ch. auftreten durften (Schol. Aristoph. Plut. 953, vgl. Dem. XXI 56), was bei den Lenaeen gestattet war (wenn die Erzählung bei Plut. Phok. 30, wonach Demades einmal hundert Fremde auftreten liess und dafür die gesetzliche Strafe erlegte, sich auf einen dramatischen Ch. bezieht, so ist die Zahl anekdotenhaft übertrieben). Demnach scheint es, dass der Chorege selbst den Ch. zusammenzustellen hatte (τραγῳδοὺς καταλέγειν CIA IV 3, 54). Er hatte dabei insofern vollkommen freie Wahl, als die dramatischen Chöre ohne Rücksicht auf die Phylenzugehörigkeit der einzelnen Mitglieder zusammengesetzt wurden, so dass der Tragoeden-Ch. geradezu dem Phylen-Ch. d. i. dem dithyrambischen Ch. gegenübergestellt werden konnte, Is. V 35, vgl. Nikitin Zur Geschichte der dramat. Wettkämpfe in Athen 1882 (russisch, s. Philol. Wochenschr. 1883, 960). Lipsius Ber. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1885, 411. Brinck Dissert. Halens. VII 91. Man hat dies damit erklären wollen, dass die Bestimmungen über die Zusammensetzung der dramatischen Chöre noch in vorkleisthenische Zeit zurückgehen. Vielleicht liegt aber der Grund in der praktischen Erwägung, dass die Tragoedie grosse Anforderungen an die Choreuten stellte und daher die Auswahl der geeigneten Leute nicht durch die Phylenzugehörigkeit beschränkt werden konnte. Natürlich wird man getrachtet haben, diejenigen, die sich als besonders geeignet erwiesen hatten, immer wieder als Choreuten zu gewinnen. Während es in der Komoedie länger üblich geblieben sein mag, die Chöre jedesmal wieder aus neuen Kräften zusammenzustellen, werden die Tragoedenchöre schon früh aus berufsmässig ausgebildeten Leuten zusammengesetzt worden sein, oder doch immer einige solche ,Berufschoreuten' in ihrer Mitte gezählt haben. Inwieweit diese ausser der Verpflegung und Bekleidung während der Übungszeit auch noch Geldgeschenke erhielten, wissen wir nicht. [2394]
Schon aus der Zeit des Aischylos wird von einem berühmten Tänzer, dem Telestes erzählt (Aristokles bei Athen. I 22 A), den man als κορυφαῖος wird betrachten dürfen (er wird bei Athen. I 21 F auch als ὀρχηστοδιδάσκαλος bezeichnet). Die Söhne des Karkinos waren berufsmässige Choreuten, und die Art, wie Aristophanes Vesp. 1498. 1503 von ihnen spricht, zeigt, dass man sogar die Eigenart einzelner Tänzer kannte, vgl. Schol. Arist. Vesp. 1502; Pac. 778; Nub. 1261. Bekannt ist durch Andokides I 47 Phrynichos ὁ ὀρχησάμενος, d. i. wohl der tragische Choreutes Schol. Ar. Nub. 1087. Auch die Bemerkungen, welche Choreuten über die Schicksale früherer Chöre machen, scheinen auf gildenartigen Zusammenhang zu deuten, vgl. Aristoph. Ach. 1150 mit Schol. und Eupol. frg. 306. Bei Platon Rep. II 373 B werden die Choreuten zwischen den Schauspielern und den ἐργολάβοι aufgezählt, und Demosth. XXI 193 erwähnt in geringschätzigem Sinne χορευταὶ καὶ ξένοι καὶ τοιοῦτοί τινες. Ein solcher gewerbsmässiger Choreut war wohl der von Demosthenes XXXIX 16 erwähnte Tänzer, ebenso der bei Hypereides frg. III (S. 7 Blass) genannte Mnesitheos ὁ χορευτής. Dass auch ausserhalb Athens ähnliche Verhältnisse obwalteten, geht aus der Geschichte von Kleonymos (ὁ χορευτής Theophr. bei Athen. VI 254 D) hervor, ebenso wie aus der Erzählung, dass Timon von Phlius in seiner Jugend (um 300 v. Chr.) sich als Tänzer sein Brot verdiente (ἐχόρευεν ἐν τοῖς θεάτροις, Euseb. praep. ev. XIV 18 p. 763, II p. 308 Dind., vgl. 761 b, II p. 305 D.). Ganz deutlich wird der gildenmässige Betrieb bezeugt durch die Nachricht des Aristoteles (Pol. III 3), dass oft dieselben Leute im tragischen wie im komischen Chore auftraten. Ein Hinweis auf den Ersatz der freiwilligen Choreuten durch gewerbsmässige Choreutengilden ist uns vielleicht erhalten in der Notiz bei Schol. Hom. Il. XIII 637 (ἕως τινὸς οἱ εὐγενεῖς νέοι ὠρχοῦντο ἐν ταῖς τραγῳδίαις), vgl. v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 80. In der hellenistischen Zeit werden die Chöre wohl in der Regel von den Protagonisten (oder den διδάσκαλοι) beigestellt oder von den dionysischen Vereinen selbst zusammengebracht.
Verhältnis des Ch.s zum Dichter und Choregen.
Der dramatische Dichter, der ein Werk zur Aufführung bringen will, wendet sich an den Archon mit der Bitte um einen Ch. (χορὸν αἰτεῖν Kratin. frg. 15 K. Aristoph. Eq. 13), der Archon giebt ihm den Ch., wenn die Dichtung für die Aufführung geeignet erscheint (χορόν διδόναι Kratin. 15 K. Plat. Rep. II 353 C; Leg. VII 817 D. Aristot. Poet. 1449 b 2). Der Ch. erscheint also gewissermassen als Chor des Dichters, der ihn vom Staate erhalten hat (χορὸν λαβεῖν Kratin. frg. 18 K., vgl. Crusius Philol. XLVII 34. Aristoph. Ran. 94. Vit. Aeschyl. vgl. χορὸν ἔχειν Kratin. frg. 90 K. Aristoph. Pac. 800), daher führt der Dichter den Ch., den er in älterer Zeit selbst unterrichtet, dem Publicum vor (Aristoph. Ach. 11: εἴσαγ’, ὦ Θέογνι, τὸν χορόν vgl. Vit. Eur.) und bringt mit den Choreuten gemeinsam das festliche Siegesopfer dar (Plat. sympos. 173 A). Seit der Einführung der Choregie scheint aber der Staat dem Dichter nicht den Ch. selbst, sondern blos einen Choregen zugewiesen zu [2395] haben, dem der Staat die Pflicht übertragen hat, den Ch. zusammenzubringen. Dieser hat für die Ernährung der Choreuten während der Einübungszeit zu sorgen (Aristoph. Nub. 438. Plut. de glor. Athen. 6. Schol. Aristoph. Ach. 886. 1150), ebenso für die entsprechende Ausstattung am Festtage (s. u.). Der Chorege ist daher auch mit verantwortlich für die Leistungen des Ch.s; er ist gleichsam der Vertreter des Ch.s, an dessen Spitze er – nominell – steht, und hat als solcher auch an dem Wettkampfe Anteil (Is. V 36. Dem. XXI 59. Plut. Demosth. 29). Da der Ch. nur durch seine Person zusammengehalten wird und nach der Aufführung wieder auseinandergeht, so kann ein dramatischer Ch. nur mit den Namen des Choregen und des Dichters bezeichnet werden; daher finden auch diese beiden, zwischen denen die Ehre der siegreichen Aufführung sich teilt, in den officiellen Siegerlisten (CIA II 971) ihre Stelle, s. Χορηγία.
Die Ausstattung des Ch.s bei der Aufführung.
Der dramatische Ch. stellt in der Regel eine Mehrheit gleichartiger Persönlichkeiten dar, die Choreuten erscheinen daher alle in gleichem Costüm. Ganz ausnahmsweise zerfällt der Ch. in der Tragoedie in zwei eng mit einander verbundene Gruppen; so besteht in den ,Schutzflehenden‘ des Aischylos der Ch. aus den Danaiden und ihren Dienerinnen, in den ,Schutzflehenden‘ des Euripides aus den Müttern und ihren Dienerinnen (Arnoldt Chortechnik des Euripides 71f.). Bei dem grösseren Ch. der Komoedie war eine Teilung in zwei verschiedenartige Halbchöre leichter durchführbar, in der ,Lysistrate‘ besteht der eine Halb-Ch. aus Greisen, der andere aus Frauen. Dass dergleichen öfters vorkam, geht aus Schol. Aristoph. Eq. 509 hervor, wo berichtet wird, dass bei der Teilung des Ch.s in zwei Gruppen die beiden Halbchöre ungleich gross gewesen seien, z. B. dreizehn Männer und elf Frauen, dreizehn Frauen und elf Kinder, mehr Greise als Jünglinge umfasst hätten.
Von der Mannigfaltigkeit der Rollen, in denen die dramatischen Chöre erscheinen konnten, geben die erhaltenen Dramen noch Zeugnis. Insbesondere schaltet die Komoedie mit grosser Freiheit, indem sie den Ch. auch aus Tiergestalten, Phantasiegestalten, Personificationen aller Art zusammensetzt; übermenschliche Wesen (,Okeaniden‘ im Prometheus, ,Eumeniden‘ im letzten Stück der Orestie) hat auch die ältere Tragoedie mehrfach verwendet, während seit der sophokleischen Zeit grössere Einförmigkeit in der Auswahl der Choreutenrollen Platz greift.
Die Charakteristik der Choreuten in Kleid und Maske war im wesentlichen in der gleichen Weise durchgeführt, wie bei den Schauspielern, vgl. A. Müller 226f. 270f., s. Schauspieler, Masken. Dass auch das Schuhwerk der Choreuten in seinem Schnitt dem der Schauspieler ähnlich war, darf man aus der Gleichheit der Namen schliessen (Crusius Phil. XLVIII 203), doch müssen die Schuhe der tragischen Choreuten, um zum Tanze geeignet zu sein, geringere Höhe der Sohlen gehabt haben als die Kothurne der Schauspieler. Wenn Istros (Vita Soph. 128 W.) berichtet, Sophokles habe τὰς λευκὰς κρηπῖδας für Schauspieler und Choreuten zuerst in Anwendung [2396] gebracht, so lag die Neuerung wohl nicht in der Form, sondern in der Farbe des Schuhes (Bergk Gr. Litt.-Gesch. III 97, 335). Bei lebhafterem Tanze müssen die Choreuten natürlich ihre Himatien ablegen (ἀποδῦσαι, γυμνεῖσθαι), vgl. Aristoph. Ach. 607; Thesmoph. 655; Lysistr. 615. 637. 662. 686. Alexis frg. 237 K. Schol. Aristoph. Pac. 729. Plato Menex. 236 d. Von der phantastischen Ausstattung der Chöre in der älteren Komoedie besitzen wir ausser den litterarischen Nachrichten noch bildliche Zeugnisse in einigen schwarzfigurigen Vasenbildern im Brit. Museum B 509 (Journ. Hell. II Taf. XIV), Berlin 1697. 1830, Boston (Bull. Napolet. N. S. V Taf. 7, 1. Robinson Catalogue of gr. and rom. vases in the museum of fine arts in Boston 372), die uns Choreuten aus dem Ende des 6. und Anfang des 5. Jhdts. vorführen, vgl. Bolte De monum. ad Odysseam pertinentibus 45. 95. Poppelreuter De comoediae att. primordiis 6.
Typisch, wenn auch im Laufe der Zeit mancherlei Veränderungen im einzelnen unterworfen ist das Costüm des Satyr-Ch.s. Während dieses in ältester Zeit noch manche Züge von der Bocksgestalt der peloponnesischen Satyroi (s. d.) beibehalten hatte (vgl. Aeschylus frg. 207 N.), wurde es später unter dem Einfluss des ionisch-attischen Silens-Typus umgestaltet. Ein kurzer Bocksfell-Schurz, an dem vorne der aufgerichtete Phallos, rückwärts der Schwanz befestigt ist, bildet seit der Mitte des 5. Jhdts. neben der Maske mit Pferdeohren den wesentlichen Bestandteil der Bekleidung; unter den bildlichen Zeugnissen sind von besonderem Interesse der Pandora-Krater Brit. Mus. Catal. III E 467 (Journ. Hell. XI Taf. 11) und die Neapeler Vase 3290 H. (Mon. d. Inst. III 31), vgl. Wieseler Das Satyrspiel. Wernicke Herm. XXXII 1897, 290f. S. Satyrspiel.
Die Rolle des Ch.s bei den Aufführungen der klassischen Zeit.
Der Ch. zieht durch die Parodos (s. d.) in die Orchestra ein, nur in seltenen Fällen kommt er aus der Skene; vgl. Dörpfeld-Reisch Das griech. Theater 181. In der Regel marschiert der tragische Ch. mit einer Front von drei, der komische mit einer Front von vier Mann ein (s. o.). Für den Einzug mit einer breiteren Front von sechs Mann hat man bei Aristophanes Beispiele nachweisen wollen; vgl. Arnoldt Ch.-Partien bei Aristophanes 35f. Ausnahmsweise erfolgt der Einzug der Choreuten σποράδην, einzeln oder in kleinen Gruppen (Poll. IV 109), so in den ,Eumeniden‘ (Vit. Aeschyli) und im Oed. Col. 117f. In zwei getrennten Abteilungen ist der Ch. in der Regel dann eingezogen, wenn er aus zwei verschiedenartigen Halbchören bestand, wofür die ,Lysistrate‘ ein Beispiel giebt; vgl. auch Eurip. Troad. 152. 165. Durch die Handlung bedingt ist es, wenn im ,Aias‘ der Ch. in zwei Teile geteilt nach verschiedenen Seiten abzieht und bei der Epiparodos (s. d.) durch verschiedene Zugänge wieder herein kommt. Ganz vereinzelt endlich sind die Fälle, wo der Ch. schon bei Beginn des Stückes anwesend und in ruhender Haltung vor der Skene angeordnet erscheint, wie in Euripides ,Schutzflehenden‘. Der Einzug, der in der ältesten Zeit das Drama eröffnete (vgl. Aischylos ,Perser‘ und ,Schutzflehende‘), erfolgt späterhin immer erst während oder nach dem Prologos. [2397] Der älteren Sitte entspricht es, dass der Ch. unter Gesang oder parakatalogischem Vortrag (s. u.) einzieht; der Marsch erfolgte dann während der Anapäste. Aus der Länge dieser anapästischen Systeme in den Dramen des Aischylos und in Sophokles ,Aias‘ hat man mit Recht auf einen feierlichen Umzug längs des Orchestra-Umkreises geschlossen. Inwieweit dort, wo die anapästischen Systeme kurz sind oder ganz fehlen, auch ein Teil der lyrischen Strophen während der Marschbewegung gesungen wurde, ist eine strittige Frage. Allzu weitgehende Folgerungen über die Art des Einmarsches hat Myriantheus (Die Marschlieder im griech. Drama) zu ziehen versucht. In sehr vielen Fällen zieht aber der Ch. schweigend ein, wobei entweder nur die ψιλὴ αὔλησις oder die am Schlusse des Prologes vom Schauspieler vorgetragenen Trimeter oder Monodien die Rhythmen des Marsches angaben; der Ch. trägt dann erst, nachdem er in der Orchestra angelangt ist, die melische Parodos unter entsprechenden Tanzbewegungen vor (A. Müller 271) und verbleibt während des ganzen Dramas in der Orchestra (s. o.). Die nach dem Vorgang G. Hermanns von A. Müller u. a. verfochtene Hypothese, dass der Ch. auf einem besonderen Gerüst in der Orchestra gestanden habe, darf heute als widerlegt gelten, s. Orchestra, Thymele. Die Choreuten werden sich in der Nähe der Schauspieler und der Skene während der Epeisodien so aufgestellt haben, dass sie den Zuschauern den Ausblick auf die Mitte des Spielplatzes nicht verdeckten; wie es scheint, standen sie meist in der Nähe des einen oder, in Gruppen geteilt, in der Nähe beider Zugänge. So erklärt es sich, dass sie die durch die Parodoi nahenden Personen herankommen sehen und von den Schauspielern, die auf die Skene zuschreiten, in der Regel zuerst gesehen und angesprochen werden; vgl. Dörpfeld-Reisch Das griech. Theater 182. An eine regelmässige Teilung in Halbchöre wird man dabei in der Tragoedie nur selten, häufiger in der Komoedie zu denken haben, wie auch Hephaistion p. 71 angiebt, dass die Choreuten der Komoedie vor der Parabase ἀντιπρόσωπον ἀλλήλοις στάντες angeordnet waren. In der Regel wird während der Epeisodien eine freiere Art der Aufstellung üblich gewesen sein; nicht selten sehen wir den Ch. auch in lebhaftere Bewegung geraten, sei es, dass er zu den Thüren der Skene sich drängt, sei es, dass er den Schauspielern in den Weg tritt oder mit ihnen handgemein wird.
Dagegen muss man für den Vortrag der Ch.-Gesänge ein engeres Zusammenschliessen und eine kunstvoll-orchestische Anordnung des Ch.s annehmen. Während der Stasima ist nur in seltenen Fällen ein Schauspieler anwesend, der dann in ruhiger Haltung vor der Skene weilt (Arnoldt Chor. Technik des Euripides 42f.). In der Regel ist daher der Ch. während dieser Gesänge der Rücksicht auf die Skene entbunden und ganz sich selbst überlassen. Beim Vortrag der Parabase wandte der Ch., der während der Epeisodia den Schauspielern halb zugekehrt war, sich den Zuschauern zu (παραβαίνειν, Heph. p. 71).
Nur ausnahmsweise erfolgte während des Stückes ein Auszug des Ch.s (μετάστασις Poll. IV 108, vgl. Aischylos Eumeniden, Soph. Aias, Eurip. Alk., [2398] Aristoph. Ekklesiazusen), worauf dann ein zweiter Einzug (ἐπιπάραδος) erfolgen musste.
Der Abzug des Ch.s am Schlusse des Stückes (ἔξοδος, ἄφοδος Poll. IV 108) geschah in der älteren Tragoedie mit ähnlichem oder noch grösserem Pomp als der Einzug; die Schlussstücke der aeschyleischen Trilogieen ,die Eumeniden‘ und die ,Sieben‘ können uns davon eine Vorstellung geben. Später wird eine rascherere und weniger feierliche Art des Abzuges, die sich zuerst bei den Anfangs- und Mittelstücken der Trilogie eingebürgert hatte, allgemein üblich. Die wenigen anapaestischen Verse, während welcher bei Sophokles und Euripides der Ch. abzuziehen pflegt, lassen ein rasches Abtreten der Choreuten erschliessen.
Vortragsweise der chorischen Partien.
Über die Vortragsweise der in den Hss. dem Ch. zugewiesenen Partien besitzen wir keine zureichende Überlieferung und können meist nur aus Inhalt und Versmass der betreffenden Partien Schlüsse darüber ziehen. Die kleineren Zwischenreden, meist 1–3 iambische oder anapaestische Verse, die Bemerkungen nach den Reden der Schauspieler, Ankündigungen von Auftretenden und Antworten auf ihre Fragen oder Aufforderungen an den Ch. enthalten, werden gewiss mit Recht dem Ch.-Führer zugewiesen, der die Aufgabe hat, zwischen dem Gesang des Ch.s und dem Dialog zu vermitteln. Dass auch die Anapaeste, während deren der Einzug des Ch.s erfolgte, vom Ch.-Führer allein vorgetragen wurden, wird jetzt fast allgemein angenommen. Gleiches gilt von den wenigen Versen des Ch.s am Schlusse der Dramen des Sophokles und Euripides, den ,Exodika‘ (Schol. Arist. Vesp. 270. Arnoldt 358), in denen allgemeine Betrachtungen, Anreden an die Schauspieler, den Ch. oder das Publicum (Eurip. Iph. Taur. Phoen. Orest.) enthalten sind; vgl. Arnoldt Chor. Technik des Euripides 355. Muff Chorische Technik des Sophokles 10. Über die Streitfrage, welche Ausdehnung dabei der melodramatische Vortrag hatte, s. Parakataloge. Bei den lyrischen Partien des Ch.s und bei den Wechselgesängen, insbesondere bei den κομμοί (s. d.), ist neben dem Ch.-Führer auch der übrige Ch. beteiligt; beim Vortrag dieser epeisodischen Ch.-Lieder wird eine Teilung des tragischen Ch.s in einzelne Gruppen, auch ein Hervortreten einzelner Choreuten angenommen werden dürfen (vgl. Arnoldt Chorische Technik bei Euripides 226f.), ohne dass man in der Individualisierung des Ch.s zu weit gehen dürfte. Sicher steht für Agamemnon 1344; Eumeniden 585f. (vgl. 252); Aias 866; Trach. 863; Oed. Col. 117, dass die erregt gesprochenen Verse auf einzelne Choreuten verteilt waren. Ähnliches mag öfter in der Komoedie geschehen sein, wofür die ,Lysistrate‘ ein Beispiel giebt (v. 696f.), vgl. A. Müller 218. 417.
Für den Vortrag der Stasima in der Tragoedie ist eine Verteilung von Strophe und Antistrophe auf die beiden Halbchöre nicht anzunehmen, s. Διχορία und Ἡμιχόριον. Hemichorischer Vortrag fand wohl überhaupt nur dort statt, wo der Ch. aus verschiedenartigen Bestandteilen zusammengesetzt war (s. o.) oder durch die Situation eine Zweiteilung des Ch.s erfordert war. In der Komoedie sind solche Halbchöre bezw. Doppelchöre [2399] öfters verwendet worden (s. o.), auch ist durch den Gang der Handlung hier öfter als in der Tragoedie eine Teilung des Ch.s eingetreten. Aber auch dort, wo der Ch. eine Einheit bildete, scheint, entsprechend der grösseren Zahl der Choreuten, hemichorischer Vortrag die Regel gebildet zu haben.
Die Vermutungen über die Rollen, welche in der Tragoedie den Halbchorführern zufielen, entbehren meist einer genügenden Grundlage. Fälle, wo ihr Eingreifen sicher scheint, wie Aesch. Sept. 355, sind vereinzelt. Dagegen löst in der Komoedie der Halbchorführer mit dem Vortrag der Antepirrhematica wohl regelmässig den Koryphaios ab, der die Epirrhematica vorträgt; vgl. Zielinski Gliederung 266.
Von der Parabase ist der ganze erste Teil (der sich in κομμάτιον, παράβασις, μακρὸν ⟨πνῖγος⟩ gliedert), wie nach dem Vorgang Hermanns jetzt fast allgemein angenommen wird, ebenso im zweiten Teil das ἐπίρρημα und ἀντεπίρρημα vom Ch.-Führer (bezw. Halbchorführer), der hier den Dichter vertritt, allein vorgetragen worden; die Frage, ob Ode und Antode vom Gesamt-Ch. oder von den beiden Halbchören gesungen wurden, darf man wohl auch hier zu Gunsten des hemichorischen Vortrages entscheiden, s. Parabase.
Alle selbständigen Gesänge des Ch.s sind – wenigstens in älterer Zeit – unter Tanzbewegungen vorgetragen worden. Als Grundschema für die Tanzaufstellung wird man das τετράγωνον σχῆμα ansehen dürfen; denn wenn die Nachrichten darüber auch erst spät sind (s. o.), so haben wir doch keinen Grund, sie für unrichtig zu halten. Das schliesst natürlich nicht aus, dass unter Umständen auch kreisförmige Tänze stattfinden konnten (εὔκυκλος χορεία Aristoph. Thesmoph. 968. 953). Von dem Tanze selbst vermögen wir kein klares Bild zu gewinnen. Die Annahme, dass bei Strophe und Antistrophe ein Umwandeln des Altars erst in der einen, dann in der andern Richtung stattgefunden habe, beruht auf der von Crusius (Commentationes Ribbeckianae 3f.) mit Recht zurückgewiesenen Voraussetzung, dass Strophe und Antistrophe mit bestimmten ,Wendungen‘ vorgetragen worden seien. In der Zeit des Thespis, Phrynichos und Aischylos müssen die Tänze der Tragoedie ungemein mannigfaltig gewesen sein, vgl. Aristoph. Vesp. 1478. Phrynich. frg. 3 (Schol. Aristoph. Ran. 688. Bergk Litt.-Gesch. III 266). Aristoph. frg. 677f. Athen. I 22 A. Einige Namen tragischer Tänze hat noch Poll. IV 105 überliefert. Seit der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. haben die Tänze mehr und mehr ein typisches Schema angenommen, die Vernachlässigung des Tanzes wird schon vom Komiker Platon frg. 130 K. scharf getadelt. Für die Stasima war die als Emmeleia (s. d.) bezeichnete Tanzart vorherrschend. Doch fehlte es auch in der Zeit des Sophokles und Euripides nicht an Ch.-Gesängen, die mit lebhaft bewegtem Tanz vorgetragen worden sein müssen; vgl. Soph. Ant. 1115; Ai 693; Oed. R. 1086; Track. 205. Eur. El. 857; Herc. fur. 763; Bacch. 1153.
Häufiger als in der Tragoedie sind die lebhafteren Rhythmen und Tänze im Satyrspiel; vgl. Cramer Anecd. Paris I 20; sie fanden sich hier auch schon bei den Einzugsliedern (Marius Victor. II 11. VI 99 K; vgl. Blass Jahrb. f. Philol. [2400] CXXXVII 163). Die charakteristische Tanzart der Satyrchöre ist die Sikinnis (s. d.); doch mag hier grosse Mannigfaltigkeit geherrscht haben. Auf die σχήματα des Satyrchors weist Euripides Kykl. 220 hin. Sophokles hatte in seinem ,Amphiaraos‘ die Buchstaben eines Namens durch Tanzfiguren dargestellt, Athen. X 454 F.
Auch in der Komoedie spielt der Tanz eine grössere Rolle als in der Tragoedie. Hyporchemata waren hier zahlreich (Athen. XIV 630 E). Besonders beliebt war der κόρδαξ (s. d.), eine lebhafte und unzüchtige Tanzart (Aristoph. Nub. 540. Theophr. char. 6). Auch die Reden der Schauspieler haben die Choreuten vielfach mit mimischen Tanzgeberden begleitet (Schol. Aristoph. Nub. 1352. Bergk Litt.-Gesch. III 165), was übrigens auch der älteren Tragoedie nicht völlig fremd war. Welche Ausdehnung der Ch.-Tanz während der von den Chorführern allein vorgetragenen Partieen hatte, hat Zielinski Gliederung 349 gezeigt. Im ,Plutos‘ scheinen die Choreuten überhaupt nur als Tänzer verwendet worden zu sein, während die Gesangspartieen vom Koryphaios allein vorgetragen wurden (Zielinski 273). So erklärt es sich, dass auch die jüngere Komoedie auf den Tanz nicht völlig Verzicht leistete (s. u.).
Die Vorträge und Tänze des Ch.s werden in der Regel von Flötenmusik begleitet, die bei den komischen wie bei den tragischen Chören seit den Anfängen des Dramas üblich war. Wie es scheint, war jedem Ch. immer nur ein Flötenspieler beigegeben (Kähler Comment, Ribbeck. 317), der dem Ch. beim Einzug und Auszug vorauszog. Schol. Aristoph. Vesp. 582; vgl. Kratin. frg. 276 K. (bei Suid. I 2, 324 s. ἐξόδιοι νόμοι). Die Flöte wird als Begleitinstrument in den Dramen selbst mehrfach erwähnt; vgl. Soph. Trach. 217. Arist. Av. 268. 659. 683; Eccles. 891. In späterer Zeit scheint die ψιλὴ αὔλησις insbesondere in der Komoedie grössere Bedeutung gewonnen zu haben, da an Stelle der Tanzgesänge vielfach gesangloser Tanz mit Flötenmusik getreten war. Über die Auswüchse der begleitenden Flötenmusik vgl. Hor. ad Pis. 202, s. Auletik.
Neben der Flöte ist nicht nur beim Unterricht, sondern auch beim Vortrag gelegentlich Kitharspiel verwendet worden vgl. Plut. de glor. Athen. 6. Sextus Emp. πρὸς μαθημ. VI 17 p. 751 Bekk. Hor. ad Pison. 216. Gevaert Hist. de la musique II 518. Schon im Wettstreit zwischen Euripides und Aischylos bei Aristophanes (Ran. 1281. 1304) scheint auf solche gelegentliche Verwendung der Kithara angespielt zu werden. Sophokles hat als Thamyris selbst die Kithara gespielt (Athen. I 20 F); kitharspielend erschien wohl auch Agathon bei Arist. Thesm. 100f. Eine Kithara sehen wir in den Händen eines Choreuten sowie neben dem sitzenden Dichter auf der Satyrspielvase in Neapel 3240 H. Ein κιθάρισμα ἐκ Βακχῶν Εὐριπίδου wird erwähnt in der Inschrift Bull. hell. XVIII 85. In der Regel wurde die Kithara wohl nur beim Einzelgesang, nicht beim Ch.-Gesang verwendet. Ein χοροκιθαρεὺς τραγικός wird in der Inschrift von Aphrodisias CIG 2759 (2. Jhdt. n. Chr.) zwischen χοραύλης und χοροκιθαρεύς genannt (denn diese Lesart verdient wohl den Vorzug vor der bei Le Bas-Waddington [2401] 1620d Liermann Dissert. Hal. X 115. 119 gegebenen: χορῷ τραγικῷ).
Der dramatische Ch. in der hellenistischen Zeit.
Es ist neuerdings vielfach die Meinung ausgesprochen worden, dass seit dem Beginn der hellenistischen Zeit der dramatische Ch. völlig abgeschafft worden sei; vgl. Lüders Dionysische Künstler 116f. Christ S.-Ber. Akad. München 1894, 22. Bethe Prolegomena zur Geschichte des Theaters 245. Es fehlt aber, wie mir scheint, nicht an Thatsachen, die den Fortbestand des Ch.s bis in die römische Zeit hinein wenigstens für die Tragoedie mit genügender Sicherheit erschliessen lassen; vgl. Capps Amer. journ. of archaeol. 1895, 287, Dörpfeld-Reisch Das griechische Theater 258.
Für die aristotelische Zeit ist der Tragoeden-Ch. vielfach bezeugt; vgl. Arist. Poet. 18, 1456; Pol. III 3, aber auch die pseudo-aristotelischen ,musikalischen Probleme‘ (προβλημ. φυς.) XIX; vgl. Ruelle Rev. des études gr. IV 236f.), die als nachtheophrastisch betrachtet werden (s. Bd. II S. 1047), setzen ihn überall voraus, p. 918 b. 920 a. 922 b. Dass auch Tragoeden-Choregie für eine Anzahl von Orten bis ins 2. Jhdt. hinein bezeugt ist, mag man nicht als entscheidend ansehen, da die Choregie (s. d.) der späteren Zeit nicht notwendig die unmittelbare Fürsorge für einen Ch. in sich schliesst. Wohl aber fällt die Thatsache schwer ins Gewicht, dass die älteren Tragoedien, vor allem die des Euripides, die ganze hellenistische Zeit hindurch aufgeführt worden sind. Die Annahme, dass dabei die Ch.-Gesänge teils ganz gestrichen, teils durch einen Sprecher vorgetragen worden seien, lässt sich nicht erweisen. Denn die dafür citierte Stelle des Dio Chrysost. XIX (LXIX) 487 R., II p. 258 von Arnim bezieht sich nur auf Einzelrecitationen der Kaiserzeit. Es ist wohl denkbar, dass in kleinen Theatern vom Range moderner Winkelbühnen gelegentlich klassische Tragoedien in solcher Verstümmelung vorgeführt wurden, als die Regel darf man es nicht betrachten. Aristophanes von Byzanz hat über mannigfaltige Veränderungen, die die Dramen bei späteren Aufführungen erfahren haben, berichtet, von einer derartigen tiefeingreifenden Umgestaltung, wie der Wegfall des Ch.s sie bedingen würde, weiss er nichts; die Notiz Schol. Eur. Or. 176 setzt vielmehr den Ch. auch im Theater seiner Zeit voraus (v. Wilamowitz Euripides Herakles I 152). Auch die lateinischen Dichter vermochten, als sie griechische Tragoedien für das römische Theater bearbeiteten, den Ch. nicht völlig zur Seite zu schieben.
In der That ist nicht abzusehen, warum in der hellenistischen Zeit, wo für die Vorträge von Flöten- und Kitharspielern die Mitwirkung von Chören allgemein üblich ist (vgl. Choraules, Χοροκιθαρεύς, Choropsaltria, Χορικοὶ ἀγῶνες), bei Tragoeden der Ch. in Wegfall gekommen sein sollte. Hat doch selbst der Tragoede Iason am Hofe des Partherkönigs Orodes (53 v. Chr.) bei dem Vortrag einer Partie der euripideischen Bakchen seinen Ch. mit (Plut. Crass. 33). Ebenso sehen wir auf dem Wandgemälde eines kyrenaeischen Grabes bei Wieseler Theatergebäude T. ΧΙΙΙ die tragischen Schauspieler von sieben Choreuten begleitet, und im Epigramm des [2402] Lukillios Anth. Pal. XI 11 wird das χορὸν ἔχειν als charakteristisch für den Tragoeden wie für den Choraules bezeichnet.
Wenn daher in den Technitenverzeichnissen der delphischen Soterien (Wescher-Foucart Inscriptions de Delphes 3–6) tragische Choreuten nicht besonders angeführt werden, so liegt es nahe, anzunehmen, dass die Mitglieder der Auletenchöre auch als Choreuten der Tragoedie verwendet worden sind (v. Jan Verhandl. XXXIX. Philologenvers. zu Zürich 87). Auf einen Ch., der im Drama mitgewirkt hat, scheint auch die Angabe der delischen Inschrift von 279 v. Chr. (Bull. hell. XIV 396 Z. 85) zu weisen: χορῷ τῷ γενομένῳ τοῖς κωμῳδοῖς καὶ τῷ τραγῳδῷ Δράκοντι τοῖς ἐπιδειξαμένοις τῷ θεῷ δᾶδες ... An den Ch. der Δηλιάδες, der in der Zeile vorher ausdrücklich als χορὸς γυναικῶν bezeichnet wird, wird man hier darum nicht denken können, weil der Ch. offenbar irgendwie bei oder nach der ἐπίδειξις in Thätigkeit getreten ist (vgl. Z. 100: Ch. für den Flötenspieler Timostratos).
War aber bei den Wiederaufführungen der ,alten Tragoedien‘ der Ch. üblich, so wird es schwer, sich die ,neuen Tragoedien‘ ohne Ch. zu denken; bisher fehlt es uns wenigstens an irgend einem Zeugnis dafür, dass im griechischen Altertum die Kunstform der chorlosen Tragoedie bekannt gewesen sei. Für den ununterbrochenen Fortbestand des Tragoeden-Ch.s bis in die römische Zeit tritt jetzt auch Leo Rh. Mus. LII 518 ein.
Natürlich ist aber dieser Tragoeden-Ch. der hellenistischen Zeit in vielen Beziehungen verschieden von dem Ch. des 5. Jhdts. Schon seit der euripideischen Zeit war immer weniger Gewicht auf die Tanzfiguren des Ch.s gelegt worden; in späterer Zeit scheinen die tragischen Choreuten ihre Gesänge fast ohne Tanzbewegung vorgetragen zu haben; Diogenes der Babylonier bezeugt für das Drama des 2. Jhdts. v. Chr. den Wegfall der ὄρχησις (bei Philodem. de mus. IV 7 p. 70 K.).
Auch die Anzahl der Choreuten ist jetzt verringert worden; dies erklärt sich leicht daraus, dass die Choreuten von den Vereinen der ,dionysischen Künstler‘ beigestellt und auch vielfach von diesen Vereinen oder den einzelnen Tragoeden selbst besoldet werden mussten; sieben Choreuten sehen wir auf dem kyrenaeischen Wandgemälde (s. o.); auf den Brauch, eine kleine Schar von Sängern durch Statisten zu einem vollen Ch. zu ergänzen, scheint sich Menander frg. 165 K. zu beziehen.
Auch für das Satyrspiel der hellenistischen Zeit lässt sich, soweit unser dürftiges Material Schlüsse erlaubt, der Fortbestand des Ch.s behaupten. Für die Satyrspiele des Sositheos geht dies aus der Fassung des Dioskorides-Epigrammes Anthol. Pal. VII 707 hervor; ebenso setzt ein Fragment aus dem ,Menedemos‘ Lykophrons bei Athen. X 420 a den Satyr-Ch. voraus. Auch ein pompeianisches Mosaik der casa del poeta, das wohl einem hellenistischen Original nachgebildet ist (Mus. Borb. II 56. Wieseler Theatergebäude T. VI 1) zeigt uns zwei Satyrchoreuten; vgl. Robert Gött. Gel. Anz. 1897, 40. Chorisches Satyrspiel haben auch die Römer vor Augen gehabt, als sie die griechische Dichtungsform auf die römische Bühne zu übertragen versuchten, wie Horaz ad Pisones 220 lehrt. Welcher Art die [2403] hellenistischen Satyrchöre gewesen seien, wissen wir freilich nicht. Vielleicht sind hier die Choreuten mehr als Tänzer denn als Sänger thätig gewesen.
Anders steht die Frage für den Ch. in der Komoedie der hellenistischen Zeit. Ausdrücklich bezeugt ist ein komischer Ch. von sieben Personen für die erste Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. durch die Technitenlisten des delphischen Soterienfestes (s. o.), und auch noch bei dem kleinen Fest der winterlichen Soterien um 150 v. Chr. werden vier χορευταὶ κωμῳδοῦ genannt (Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 161. 1884, 218); über die delische Inschrift von 279 v. Chr. s. o. S. 2402. Allein die Beziehung dieser Choreuten zu den Schauspielpersonen der einzelnen Stücke kann nur sehr locker gewesen sein. Zwar steht offenbar noch in dem Stücke des Diphilos, das Plautus im ,Rudens‘ nachgebildet hat, der Ch. in unmittelbarer Beziehung zu dem Gang der Handlung. Aber im allgemeinen führte, wie wir das schon bei Aristophanes ,Ekklesiazusen‘ und ,Plutos‘ sehen, die Entwicklung der Komoedie immer mehr zu einer Einschränkung der Ch.-Vorträge, während die alte Vorliebe der Komoedie für lebhafte pantomimische Tänze lebendig blieb. Der Ch. sinkt immer mehr zu einer Schar von stummen Personen herab, denen nur noch die Aufgabe zufällt, in den Pausen der Handlung die Zuschauer durch ihre Tänze zu ergötzen. Als ein Hinweis auf solche Ch.-Tänze ist wohl die Aufschrift Χοροῦ zu verstehen, die sich nach dem Zeugnis Vit. Aristoph. 11 p. XXVIII Dübner in den Hss. der jüngeren Komoediendichter vorfand. So mögen allmählich die Ch.-Tänze völlig aus dem Verbande des Stückes losgelöst worden seien, so dass der Ch., wie die römischen Nachbildungen der neueren Komoedie uns zeigen, auch völlig in Wegfall kommen konnte.
Ch. im römischen Drama.
Die Rolle, die der Ch. im Drama der Römer spielt, ergiebt sich unmittelbar aus den litterarischen und socialen Verhältnissen, die bei der Übertragung des griechischen Dramas nach Rom massgebend waren. In der Komoedie ist der Ch. bis auf wenige Rudimente völlig beiseite geblieben (s. o.); vgl. Diomedes GL I 491 Keil. In der Tragoedie füllt der Ch. mit seinen Gesängen die Pausen der Handlung aus (Hor. ad Pison. 193. Donat. Argum. Andr.), greift aber nur selten in die Handlung selbst ein; vgl. Grysar S.-Ber. Akad. Wien. XV (1855) 384. Ribbeck Röm. Tragoedie 607. 631f. O. Jahn Herm. II 227. Capps Amer. journ. of archaeol. X 297. Die Rolle, die dem Ch. im Drama des 1. Jhdts. n. Chr. zufällt, hat Leo Rh. Mus. LII 509 charakterisiert. Inwieweit in älterer Zeit an Stelle wirklichen Ch.-Gesanges der Einzelvortrag des Ch.-Führers getreten ist, bedarf noch näherer Untersuchung; vgl. Leo Plautin. Forschungen 85. Der Ch. besteht aus berufsmässig ausgebildeten Männern, meist Sclaven griechischer Herkunft; er wird vom Flötenspieler choricis tibiis, i. e. choraulicis begleitet, die Anzahl der Sänger ist unbestimmt, Diomedes GL I 791: vgl. Friedländer bei Marquardt St.-V. III² 545. Über den Ch. im Pantomimus s. d.
Litteratur über den Ch. im Drama bei A. Müller Griech. Bühnenaltertümer 202f. G. Oehmichen Bühnenwesen der Griechen und Römer [2404] (J. Müllers Handb. d. Altertumswissensch. V 3) 274f.