Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Auftreten zweier Chöre im griechischen Drama
Band V,1 (1903) S. 357 (IA)–358 (IA)
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Διχορία,[WS 1] das Auftreten zweier Chöre im Drama, zu unterscheiden von der nur zeitweiligen, durch die Situation bedingten (z. Β. Soph. Aias 866) oder zu Zwecken des Vortrags erfolgenden Teilung des einheitlichen Chores in zwei Halbchöre (s. Ἡμιχόριον), eine Unterscheidung, die allerdings in der Terminologie der alten Grammatiker nicht strenge durchgeführt ist. Poll. IV 107 sagt: καὶ ἡμιχόριον δὲ καὶ δ. καὶ ἀντιχόρια· ἔοικε δὲ ταὐτὸν εἶναι ταυτὶ τὰ τρία ὀνόματα· ὁπόταν γὰρ ὁ χορὸς εἰς δύο μέρη τμηθῇ, τὸ μὲν πρᾶγμα καλεῖται δ., ἑκατέρα δ’ ἡ μοῖρα ἡμιχόριον, ἃ δ’ ἀντᾴδουσιν ἀντιχόρια. Vgl. Argum. Arist. Lysistr.: οἱ μὲν γέροντες εἰς ταὐτὸν ταῖς γυναιξὶν ἀποκαταστάντες ἕνα χορὸν ἐκ τῆς διχορίας ἀποστέλλουσι. Schol. Arist. Ran. 354: πολλαχοῦ δὲ μεμερίσθαι (τὸν χορὸν) καὶ εἰς διχορίαν τὸ λοιπόν, ὥστε εἰς δώδεκα καὶ δώδεκα διαμεμερίσθαι. Wir werden als δ. nur bezeichnen dürfen 1. die Teilung des Komoedenchores in zwei durch Rolle und Costüm verschiedenartig charakterisierte Halbchöre; 2. das Hinzutreten eines zweiten Chors (Nebenchores) zu dem üblichen Chor der Tragödie oder Komödie.

Ein Beispiel der ersten Art liegt wohl in der ‚Lysistrate‘ vor, wo dem Chor der Greise ein Chor von Frauen gegenübersteht (zwei volle Chöre versucht hier nachzuweisen Couat Mélanges Weil 52); dass derartige Fälle auch sonst gelegentlich vorkamen, lässt die Notiz Schol. Arist. Eq. 589 voraussetzen. Nicht in diese Kategorie gehörig ist die durch den Mythos gebotene Teilung des tragischen Chores von Euripides ‚Supplices‘ in die Gruppen der Mütter und ihrer Dienerinnen (vgl. Arnoldt Chortechnik des Euripides 71f.), da diese zusammen doch eine Einheit bilden.

Für die Verwendung von Nebenchören neben dem Hauptchor finden sich sowohl in der älteren [358] Tragoedie wie auch bei Euripides mehrfach Beispiele, so in Aischylos ‚Supplices‘ (die Dienerinnen V. 1018f.), in den ‚Eumeniden‘ (die προπομποί V. 1010f.), ferner, wie es scheint, bei der nachträglich zugefügten Exodos der ‚Sieben‘ (V. 1069f.; vgl. Zielinski Gliederung der altattischen Komoedie 286), im ‚Alexandros‘ und in der ‚Antiope‘ des Euripides (Schol. Eur. Hippol. 58). Aber auch zu dem grossen Chor der Komoedie treten noch Nebenchöre, so in der Parodos der ‚Wespen‘ die Knaben, in der Parodos der ‚Frösche‘ die weiblichen Mysten, vgl. V. 440f. (Zielinski Gliederung 145), vielleicht auch in der Parodos der ‚Eirene‘ die Nichtathener (vgl. V. 302. 500), wenn hier nicht an blosse Statisten zu denken ist, vgl. Zielinski a. a. O. 66. Couat Mélanges Weil 46. In allen diesen Fällen hat der Nebenchor, der wohl nicht immer die Stärke eines vollen Chores hatte, nur während eines kleinen Teiles des Dramas (in der Tragoedie gewöhnlich in der Schlussscene, in der Komoedie häufiger in der Parodos) einzugreifen und ist in der Regel auch nur während dieses einen Auftrittes anwesend; eine Ausnahme bilden vielleicht die ‚Supplices‘ des Aischylos, wo der Nebenchor erst V. 1018 eingreift, aber kein Hinweis auf einen späteren Einzug sich findet. Nebenchöre, die nicht gleichzeitig mit dem Hauptchor auftreten, finden sich in Euripides ‚Hippolytos‘ (Chor der Jagdgenossen V. 61f., vgl. Schol. zu V. 58), in den ‚Fröschen‘ V. 209f. (unsichtbarer Chor der Frösche), in den ‚Thesmophoriazusen‘ (Chor des Agathon V. 101f.), in der ‚Lysistrate‘ der Chor der Lakoner und Athener (V. 1247. 1274), vor dessen Erscheinen der Hauptchor V. 1221 die Orchestra verlassen zu haben scheint (Couat a. a. O. 64f.). In diesen Fällen kann der Nebenchor aus denselben Personen bestanden haben, die den Hauptchor bildeten. Vgl. auch Bd. III S. 2392. 2395 und Παραχορήγημα.

[Reisch. ]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. transkribiert: Dichoria.