Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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griechischer Chorlyriker im 6./5. Jh. v. Chr.
Band II,2 (1896) S. 27932801
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2) Griechischer Lyriker. Litteratur: Antiker Commentar von Didymos, s. M. Schmidt Didym. frg. p. 300 (70. 223); ausser den Florilegien (frg. 1–4. 9. 11 u. s. w.) und mythologischen Handbüchern (frg. 17f. 32. 56. 60, s. C. Robert Bild und Lied 197) sind es besonders die auf Didymos zurückgehenden Scholien, Lexika und Sprichwörtersammlungen, die die Fragmente erhalten haben, s. frg. 5. 10. 41. 44. 68 (aus der λέξις κωμική: Schmidt p. 70). 15 (Didym. bei Zenob. Ath. III 132 = Ps.-Plut. 94 p. 335; Zenob. Ath. I 15 = volg. II 19, s. Crusius Anal. ad par. 53). Fragmentsammlung von Neue (wo die älteren Arbeiten verzeichnet sind), jetzt Bergk PLGr. III⁴ 569ff. Darstellungen bei Bergk Gr. L.-G. II 527f. J. Flach Geschichte der gr. Lyrik II 650ff.

I. Biographisches. B. stammt nach einem erhaltenen Selbstzeugnis (frg. 48, 4 Κηΐῳ ... Βακχυλίδῃ) aus Keos, und zwar, zufolge der einstimmigen biographischen Überlieferung, aus der Stadt Iulis (Strab. X 486, daraus Steph. Byz. s. Ἰουλίς. Suid. s. v. = Hesych. p. 37 Fl.). Er war Schwestersohn des Lyrikers Simonides (Strab. a. O., ungenauer Suid.-Hesych.). Sein Vater heisst bei Suidas Μέδων, in dem Neun-Lyriker Epigramm (Pindar von Boeckh II 1 p. 8) Μείλων, nach dem Etym. M. p. 582, 20 Μείδυλος; diese letztere Form ist durch die angeschlossene Etymologie gesichert [2794] (οὕτως ἐλέγετο ὁ πατὴρ Βακχυλίδου· καὶ γίνεται παρὰ τὸ μειδιῶ, ὡς παρὰ τὸ φείδω Φείδυλος); aus der Überlieferung bei Suidas und in dem Epigramm wird eine zweite Form desselben Namens, Μείδων, zu erschliessen sein (s. Neue p. 2; Beispiele für Doppelkoseformen bei derselben Person Jahrb. f. Philol. CXLIII 1890, 444ff.). Sein Grossvater väterlicherseits trug denselben Namen – man darf vielleicht daraus auf alte Beziehungen der Familie zum keïschen Dionysoskult schliessen, über den vgl. Halbherr Mus. Ital. di ant. I 192 und Preller-Robert Gr. Mythol. I 677 Anm. –; er war nach Suidas bekannt als Wettkämpfer (ἀθλητής). Diese Nachrichten werden aus den Gedichten des B. und Simonides abgeleitet sein und sind durchaus glaubhaft. B. gehörte danach zur Aristokratie seiner Vaterstadt und war mit ihrem bedeutendsten Dichter durch enge verwandtschaftliche Beziehungen verbunden. Ist der erste Ansatz des Eusebios, nach dem seine Blüte auf Ol. 78 (465), die Geburt also etwa auf 505 fällt, zuverlässig, wäre er etwa 50 Jahre jünger gewesen als Simonides; doch scheint hier die Todesepoche des ältern Meisters das einzig Urkundliche zu sein; wenigstens bleibt es durchaus unsicher, ob frg. 6 (das man am ersten als Grundlage des Ansatzes ansehn könnte) bei Gelegenheit eines Sieges des Hieron in Olympia Ol. 78 (s. Förster Die Sieger in den olympischen Spielen 14) oder erheblich später, vielleicht nach Hierons Tod, gedichtet wurde (s. Bergk p. 571). Noch weiter herab drückt B. ein zweiter Ansatz (Sync. Euseb. II 104), der ihn Ol. 82, 2 (431) blühen lässt; er steht hier, wohl nur zufällig, neben Empedokles, Praxilla, Telesilla. So bestimmte Anhaltspunkte, wie bei Simonides, scheint man für seine chronologische Fixierung nicht besessen zu haben; man benützte wohl vor allem sein Verhältnis zu Simonides zur chronologischen Einschätzung. Jedenfalls stand, als B. heranwuchs, sein Oheim auf der Höhe seines Ruhmes; es ist sehr begreiflich, dass sich der aufstrebende Jüngling an den bewährten Meister aufs engste anschloss. Die biographische Vulgata in den Aristeides- (p. 317, 31. 36 Dind.) und Pindarscholien (Ol. II 154; Nem. III 143; Pyth. II 97. 131. 166) und bei Aelian (var. hist. IV 15) weiss, dass er mit Simonides zusammen bei Hieron von Syrakus gewesen sei. Diese Nachrichten stehen aber, wie es scheint, in engem Zusammenhange mit der von Neue (p. 3f.) scharfsinnig begründeten, aber immerhin problematischen Deutung gewisser Pindarstellen auf Simonides und B. (am frappantesten das Zusammentreffen von Pind. Ol. II 94 mit Bakchyl. frg. 14, wo B. gegen Pindar zu polemisieren scheint, s. aber F. A. Wolf Vorlesungen II 229. L. Schmidt Pindars Leben 223. 196); die Bemerkung, dass Hieron B. vorgezogen habe (διὰ τὸ παρὰ Ἱέρωνι τὰ Βακχυλίδου ποιήματα προκρίνεσθαι), läuft wohl auf ein Autoschediasma der Pindarerklärer (Pyth. II 166) hinaus. Auch die Novellen- und Dialoglitteratur, in der Hieron und Simonides eine vornehme Rolle spielen (Hirzel Dialog I 170), kann bei der Ausmalung dieser Verhältnisse mit im Spiele sein; man denke an die Analyse eines Simonideischen Gedichts im Protagoras. Doch darf man an dem Aufenthalte des B. bei Hieron füglich nicht zweifeln; frg. 6 bestätigt, auch [2795] wenn es (was keineswegs sicher ist) Hierone mortuo geschrieben und Hieronis filio superstiti gewidmet ist, dass B. persönliche Beziehungen zu dem sicilischen Tyrannenhofe hatte; vgl. auch das Excerpt frg. 5, Schol. Aristid. III p. 317 Dind. Vermutlich nach dem Wandel der politischen Verhältnisse in Syrakus kehrte B. in seine Heimat zurück; aber er scheint hier, vielleicht gerade wegen seiner monarchistischen Gesinnung, verbannt worden zu sein und fortan in der alten Heimat der chorischen Dichtung, im Peloponnes, gelebt und gewirkt zu haben, s. Plut. de exil. 14 p. 605: καὶ γὰρ τοῖς παλαιοῖς ὡς ἔοικεν αἱ Μοῦσαι τὰ κάλλιστα τῶν συνταγμάτων .. φυγὴν λαβοῦσαι συνεργὸν ἐπετέλεσαν .... Βακχυλίδης δ’ ὁ ποιητὴς ἐν Πελοποννήσῳ . πάντες οὗτοι ... τῶν πατρίδων ἐκπεσόντες ... ἐχρήσαντο ταῖς εὐφυΐαις ἐφόδιον παρὰ τῆς τύχης τὴν φυγὴν λαβόντες κτλ. In der Verbannung mag er den Preis seiner Vaterstadt geschrieben haben, von dem Himer. or. XXIX 3 p. 852 spricht (= frg. 58 p. 587 Bgk.). Dass er für Korinth thätig war, zeigt frg. 7 ὦ Πέλοπος λιπαρᾶς νάσου θεόδματοι πύλαι (Schol. Pind. Ol. XIII 1); als Kenner mantineïscher Ortssage citierte ihn Didymos (Schol. Pind. Ol. XI 83 = frg. 41). Das Hyporchem für die Athene Ἰτωνία (frg. 23) muss auf Bestellung der Boiotier geschrieben sein; Βοιωτίοισιν ἐν σκύφοισιν wird der Wein bei dem Feste getrunken, zu dem B. frg. 28 die Dioskuren einlädt (Deneken De theoxen. 2. Wassner De heroum cultu 41). Beziehungen zu Attika sind nicht sicher nachzuweisen; denn mit Unrecht hat Meineke in frg. 48, 2 Κραναϊδῶν für Κρανναίων geschrieben, und Bergks Ansicht, dass Simon. frg. 148 B. gehört, ist von v. Wilamowitz (Herm. XX 68f.) mit durchschlagenden Gründen widerlegt. Auch von Atticae dialecti vestigia (Bergk zu frg. 28 p. 579) kann keine Rede sein. Aus der Thatsache, dass B. verbannt im Peloponnes lebte, schliesst v. Wilamowitz geradezu, dass er ein Feind Athens gewesen sei. Den Friedenspaian frg. 13 setzt Flach (S. 652) in die Zeit, in welcher die Kriege gegen die Perser durch die Schlachten bei Cypern und am Eurymedon ihr Ende erreicht hatten (460), durchaus unsicher, da man auch in stürmischen Jahren Friedensphantasien dichten kann. über die weitern Schicksale des B. wird uns nichts überliefert, wie er überhaupt durch seinen grossen Oheim in Schatten gestellt wird. Wenn nach einem dritten Ansatz bei Eusebios (II 108f. Sch.) B. Ol. 87 = 432 ‚anerkannt‘ war, so ist es nur eine sehr entfernte Möglichkeit, dass der Chronograph mit diesem Datum ursprünglich das wohl nur hypothetisch zu erschliessende Todesjahr gemeint hat. B. wird den Beginn des peloponnesischen Krieges noch erlebt haben.

II. Dichtungen. Citiert werden aus der ähnlich wie das Pindarcorpus geordneten antiken Ausgabe A. Ὕμνοι frg. 11. 12 (Stob. und Schol., frg. 39. 40. 64. gehören wohl auch dahin, vielleicht auch das Theoxenienfrg. 28), παιᾶνες frg. 13ff. (Stob. und Paroemiogr.), διθύραμβοι frg. 16ff. (Schol. Pind., Mythographen; vgl. auch frg. 29. 32), προσόδια frg. 19ff. (Stob.), ὑπορχήματα frg. 22f. (Stob.), παρθένεια, s. Plut. de mus. 17 p. 1136 F πολλὰ Δώρια παρθένεια ἅμα Ἀλκμᾶνι .. καὶ Σιμωνίδῃ καὶ Βακχυλίδῃ πεποίηται (dahin bezieht [2796] Bergk, kaum richtig, frg. 31), B. ἐπίνικοι frg. 1ff. (Stob., Schol. Pind., Ammon.), ἐρωτικά (Athen. XV 667), ἐπιγράμματα (frg. 48f.); ausserdem haben die modernen Herausgeber die Rubrik Παροίνια bei Bergk frg. 27f. (besser σκόλια) hinzugefügt. Weitaus überwiegen, wie schon aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, die für den Kult bestimmten Dichtungen. In einem Hymnus wurde der eleusinische Demetermythus behandelt (64. 12, vielleicht auch 11); ein anderer galt, wie es scheint, Hekate (40). Der Rhetor Menander (Rhet. IX 138ff. W., III 331ff. Sp.), der den Namen ‚Hymnus‘ als Sammelbegriff für alle den Göttern gewidmete Lieder ansieht und die Paiane, Dithyramben u. s. w. nur als bestimmten Kulten eigentümliche Unterbezeichnungen darunter einbegreift, überliefert, dass B. ausser ὕμνοι κλητικοί auch ὕμνοι ἀποπεμπτικοί gedichtet habe, 2 p. 140 W. 333 Sp.; besonders auf B. ἀποπεμπτικοί scheinen die spätern Ausführungen des Rhetors begründet zu sein, 5 p. 336 Sp. A. ἐπιλέγονται δὲ ἀποδημίαις θεῶν ... οἷον Ἀπόλλωνος ἐπιδημίαι τινὲς ὀνομάζονται παρὰ Δηλίοις καὶ Μιλησίοις, καὶ Ἀρτέμιδος παρὰ Ἀργείοις· εἰσὶ τοίνυν τῷ Βακχυλίδῃ ὕμνοι ἀποπεμπτικοί. B. ἀφορμὴ δ’ ὑποβέβληται τοῖς τοιούτοις ὕμνοις ἡ χώρα ἣν καταλείπει, καὶ πόλεις καὶ ἔθνη, καὶ πρὸς ἣν ἄπεισι πόλιν ὁμοίως ἢ χώραν, αἵ τε γραφαὶ τόπων καὶ ὅσα τοιαῦτα. γινέσθω δὲ δι’ ἡδονῆς προϊὼν ὁ λόγος· δεῖ γὰρ μετὰ ἀνειμένης τινὸς ἁρμονίας καὶ εὐμενεστέρας προπέμπεσθαι. C. διατριβὴν δὲ ἐνδέχεται πλείονα, οὐχ ὥσπερ οἱ κλητικοὶ ἐλάττονα ... ἀνάγκη δὲ γίνεσθαι καὶ τὴν εὐχὴν ἐπὶ ἐπανόδῳ καὶ ἐπιδημίᾳ δευτέρᾳ. Als interessante Beispiele chorischer ὕμνοι κλητικοὶ können die musikalischen delphischen Hymnen gelten (Philol. LIII Suppl.-H. 33ff.). Dass auch die κλητικοὶ und ἀποπεμπτικοί des B. dem Apollon und der Artemis gegolten haben, wie die delphischen Hymnen, ist nach dem ganzen Zusammenhange der Menanderstelle im höchsten Grade wahrscheinlich. Bestätigt wird das durch frg. 57, wonach B. das Lob der Insel Delos gesungen hatte; die Ἰώνων βασιλῆες frg. 42 könnten bei einer unter dem Einfluss des homerischen Apollonhymnus (V. 147ff.) geschriebenen Schilderung der Festfeier vorgekommen sein. Dass es gerade die argivische Artemis ist, die Menander (A) erwähnt, passt vortrefflich zu der Thätigkeit des Dichters im Norden des Peloponnes; man wird ihm einen für den argivischen Apollon-Artemiskult bestimmten ὕμνος ἀποπεμπτικός zuschreiben dürfen; in ihn gehört wohl die Schilderung ferner südlicher Gegenden frg. 39 (τὰν ἀχείμαντόν τε Μέμφιν κτλ.) und 53 (die mythische Φοινίκη, s. Roschers Lexikon II 884), in denen man sich die Lichtgottheiten während ihrer ἀποδημία weilend dachte (s. Menander a. a. O. B); dass gerade in argivischen Sagen diese Anschauung zu Tage tritt (auch die Hyperboreer wurden von ihnen in den Südosten gesetzt), wurde schon in Roschers Lexikon I 2816 dargelegt. Übrigens ist es nach der Terminologie des Menander sehr wohl möglich, dass diese ὕμνοι ἀποπεμπτικoί und κλητικοί unter den Paianen und Hyporchemen standen. Dass das auf die troische Sage bezügliche frg. 29 zu den Hymnen gehört habe, wie Hartung u. a. annehmen, ist unbewiesen und unwahrscheinlich. Wenn in den sichern Paianen-fragmenten [2797] (darunter der berühmte Preis des Friedens frg. 13, der natürlich nicht der einzige Inhalt des Liedes war, wie Flach meint, sondern den Schlussteil einer grossen Composition gebildet haben wird, s. Callim. hymn. VI 137) einseitig das gnomische Element hervortritt, so ist daran die Natur der so genau citierenden Gewährsleute (Anthologisten und Paroemiographen) schuld. Die sichern Bruchstücke aus den Prosodien und Hyporchemen sind gleichfalls durchweg gnomisch. Bemerkenswert ist es, dass auch in diesen religiösen Liedern ganz persönlich gehaltene Partien vorkamen, wie im homerischen und kallimacheïschen Apollonhymnus; eine unverkennbare polemische Auseinandersetzung, die man längst mit Recht auf Pindar bezogen hat (frg. 14), wird aus den Paianen citiert. Die Dithyramben entlehnten ihren Stoff, nach den Fragmenten zu urteilen, wie bei Simonides, ausschliesslich aus der Heroensage: eine für die Beurteilung des Dionysoskultes und seiner alten Beziehungen zum Heroendienst höchst bedeutsame Thatsache. Den religiösen Liedern nahe standen die Epinikien. Die wenigen ihnen ausdrücklich zugeschriebenen oder sicher zuzuweisenden Fragmente zeigen dieselbe feierlich-ernste Haltung, wie die Epinikien Pindars; wiederholt ausgesprochen wird der Gedanke, dass keines Menschen Glück vollkommen sei; aber auch an persönlich gehaltenen Stellen, in denen B. von seinem Verhältnis zu Pindar und Simonides gesprochen zu haben scheint, fehlt es bei B. ebensowenig wie bei Pindar. Sehr spärlich vertreten ist in den Fragmenten das Epigramm, s. frg. 48. 49, beides Aufschriften im eigentlichen Sinne, frg. 48 in eigener Sache; die Versuche, ihm Stücke aus den unter Simonides Namen umlaufenden Epigrammenmassen zuzuweisen (z. B. 147, s. v. Wilamowitz Hermes XX 70), sind misslungen. Soweit wandelt B. auf den Spuren seines grossen Verwandten, nur dass bei ihm keine sichern Reste von Threnoi und Epikedeia nachzuweisen sind. Dafür hat er eine Gruppe feiner, graziöser Dichtungen voraus, die man bei Simonides nicht antrifft, die Gesellschaftslieder, citiert als Erotika (Paroinia). Wie Anakreon verklärte er die heitre Geselligkeit der Kreise, in denen er lebte, mit seiner Kunst. Auf ein erotisches Abenteuer geht frg. 26; frg. 24 schildert uns eine Hetaere beim Kottabos; frg. 25 (auf den schönen Theokritos) ist ein Rest jener ὕμνοι παιδικοί, von deren Vortrag heim Gelage B. frg. 13, 12 redet (Welcker Kl. Schr. I 233); am schönsten und charakteristischsten ist das berühmte frg. 27, das die zauberhafte γλυκεῖ’ ἀνάγκα des Rausches schildert.

In der Sprache und metrischen Kunst steht B. dem Simonides ausserordentlich nahe. Pindar scheint ihm (besonders Ol. II 85ff. σοφὸς ὁ πολλὰ εἰδὼς φυᾷ· μαθόντες δὲ λάβροι παγγλωσσίᾳ κόρακες ὡς .. γαρύετον κτλ.) aus seinem unverkennbaren Schülerverhältnis einen Vorwurf zu machen (einen ähnlichen Sinn findet Bergk PLG I p. 157 in Pyth. II 72f. wohl mit Recht), während B. sich frg. 14 mit der Sentenz ἕτερος ἐξ ἑτέρου σοφὸς τό τε πάλαι τό τε νῦν rechtfertigt. In der That hat er nicht nur von Simonides, sondern auch von seinem grossen Gegner Pindar zu lernen verstanden, besonders in formellen Dingen. Weitaus vorherrschend sind [2798] die daktyloepitritischen Versbildungen (etwa 75% der Fragmente), und zwar wird nach Pindars Weise als alloiometrisches Element die anapästisch-iambische Reihe gebraucht und der Ithyphallicus ausgeschlossen; die epitritische Form ist das Normalmass der Dipodien, die Auflösung sehr selten (s. frg. 8. 40); auch im Gebrauch des μέτρον Στησιχόρειον u. ä. schliesst sich B. an Pindar an (A. Rossbach Specielle Metrik 469, für Einzelheiten F. Vogt Diss. Argent. IV 290). Sehr gleichmässig gebildete kretische Reihen (bis zum Hexameter) verwandte er besonders in den Hyporchemen (vgl. auch frg. 31); die kretischen Hymnen von Delphi (Philol. LIII Suppl.) stehen seiner Art vielleicht noch näher, als die kretisch angelegten Oden Pindars (Ol. II u. a.). Die nur ganz sporadisch erscheinenden Ionici würden Zwecken der Charakteristik dienen, wenn frg. 42 ἁβρότητι ξυνέασιν | Ἰώνων βασιλῆες urkundlich ist; v. Wilamowitz (Isyllos 143) hält das Fragment aber für eine Schwindelei des übel beleumundeten Sikeliotes. Interessant ist es, dass in den Prosodienfragmenten 19ff. der logaoedische Rhythmus (Christ Metrik 352) fast ausschliesslich und in den einfachsten Formen (Glykoneen, Pherekrateen) angewandt ist (frg. 19, 4 sind kaum echte Kretiker); aus solchen Beobachtungen erklärt es sich, weshalb Dionysios von Halikarnass (de comp. 4) die Verbindung von Glykoneus und Pherekrateus als προσοδιακός bezeichnete (Philol. LIII Suppl. 135). Doch kommen auch sonst logaoedische Bildungen vor, z. B. in den Paeanen frg. 14 (mit Auflösungen, wie bei Anakreon). In den Erotika finden sich neben Daktylo-Trochaeen (25) einfache iambische und trochaeische Reihen (24. 26), darunter die (sehr problematischen) trochaeischen Heptameter und Pentameter (frg. 28). Auch in der Composition der Versgruppen bewährt B. eine feine Kunst; Musterbeispiele sind die breiten (doch wohl epodisch angelegten) Strophen des Eirenepaian (13, analysiert bei Rossbach 470) mit ihrem voll austönenden Schlussverse auf der einen, und die zierlichen und zugleich schwungvollen Tetrastichen des Trinkliedes γλυκεῖ’ ἀνάγκα (27), in denen die Daktylo-Epitriten zu einer ganz neuen Wirkung benützt werden, auf der andern Seite; F. Hanssen Philol. LI 234 will hier freilich eine Spielart seines proteusartigen enkomiologischen Metrums (Rossbach 450) erkennen. Rossbach (S. 469) hat ganz Recht, wenn er, im Gegensatz zu Flach u. a., für B. eintritt und ihn in diesen Dingen ‚nicht unter die übrigen Lyriker herabdrücken‘ lassen will. In den leichter geschürzten geselligen Liedern scheint B. übrigens in origineller Weise den Refrain angewandt zu haben, s. frg. 25f. Hepaist. 130ff. p. 73 Westph. ἔστι δέ τινα . . τὰ καλούμενα ἐφύμνια [wie Ἰὴϊε Παιάν]· ἔστι δέ τινα καὶ τὰ καλούμενα ἐπιφθεγματικά, ἃ διαφέρει ταύτῃ τῶν ἐφυμνίων, ὅτι τὰ μὲν ἐφύμνια ἐκ περιττοῦ ... πρόσκειται [so nach Westphals evidenter Besserung], τὰ δὲ ἐπιφθεγματικὰ καὶ πρὸς νοῦν συντελεῖ, οἷον τὸ Βακχυλίδου ἦ καλὸς Θεόκριτος· οὐ μόνος ἀνθρώπων ἐρᾷς. Hier wirkt der Refrain in derselben Weise wie bei Theokrit, Catull, Vergil und in der modernen Lieder- und Balladendichtung. Flach (S. 658) hat vermutet, ,dass die eigentliche Strophe nur von einem gesungen [2799] wurde, worauf der ganze Chor den Refrain anstimmte‘. Recht glaublich wird diese Annahme durch die folgenden Ausführungen bei Hephaistion (προτετάχθαι μὲν τὴν τοῦ ποιητοῦ στροφὴν, ἐπεζεῦχθαι δὲ τὰ τῶν ἐπιφθεγματικῶν), durch die Analogie der Sapphischen Ephymien und durch die Thatsache, dass in den beiden Beispielen Bakchylideischer Epiphthegmata jemand – also wohl der Vortragende – in zweiter Person angeredet wird, s. oben und frg. 26 σὺ δ’ ἐν χιτῶνι μούνῳ | παρὰ τὴν φίλην γυναῖκα φεύγεις. So kommt ein gewisser dramatischer Zug in diese Gelagepoesie, wie wir ihn bei ähnlichen Gelegenheiten auch kennen. Von der musikalischen Seite der Compositionen hören wir nur aus Plutarch de mus. 17 p. 1136 F, dass B. manche Parthenien dorisch gesetzt hatte; da diese Nachricht schwerlich ein blosses Autoschediasma eines Textauslegers sein wird (vgl. aber Simon. frg. 148, 7), wird man annehmen müssen, dass den Musiktheoretikern der Hellenistenzeit noch Ausgaben solcher Lieder mit Singnoten zur Verfügung standen: was um so eher glaublich ist, als der nördliche Peloponnes die Heimat des originellsten griechischen Notensystems zu sein scheint (Philol. LIII Suppl. 98). – Am Stil des B. rühmten die alten Kunstrichter, wie bei seinem Stammgenossen Ion, vor allem die Correctheit und zierlich-glatte Ausführung, s. Ps.-Longin. de sublim 33, 5 p. 52 Jahn²: τί δ’ ἐν μέλεσι μᾶλλον ἂν εἶναι Βακχυλίδης ἕλοιο ἢ Πίνδαρος καὶ ἐν τραγῳδίᾳ Ἴων . . ἢ . . Σοφοκλῆς; ἐπειδὴ οἱ μὲν ἀδιάπτωτοι καὶ ἐν τῷ γλαφυρῷ πάντη κεκαλλιγραφημένοι κτλ. Dem modernen Leser fällt besonders die liebevolle Kleinmalerei auf in dem Bilde des Friedens frg. 13 wie in der Schilderung der Wirkungen des Weines frg. 27. Solche Stücke waren es, die den Epigrammendichtern vorschwebten, als sie ihn λάλος Σειρήν nannten (Anth. Pal. IX 184) und vom reichen Fluss seiner Rede sprachen (Anth. Pal. IX 571). Doch mag ihnen auch die im Altertum allgemein auf B. bezogene Pindarstelle (Ol. II 86 λάβροι παγγλωσσίᾳ κτλ.) im Sinne gelegen haben. Ein Blick auf Pindar frg. 218 Bgk., wo derselbe Vorwurf behandelt wird, wie bei B. frg. 27, lässt am besten die Verschiedenheit der beiden Geister ermessen. Auch ausführliche Ortsbeschreibungen scheint es nach den Andeutungen des Menander a. O. bei B. gegeben zu haben; dem Verfasser des malerischen frg. 13 wird man dergleichen gern zutrauen. Bezeichnend für ihn ist es auch, dass er frg. 50 ein Bild von der Thätigkeit des Malers entlehnte, wie sein Oheim (doch wohl in einer Dichtung) die Poesie mit der Malerei verglichen hatte. Fein ausgeführte Gleichnisse, wie das von der Λυδία λίθος (frg. 22), und treffende, mit liebenswürdigem Humor auch in ernste Dichtungen eingewobene anekdotenhafte Züge (wie die noch bei Babrios 92 wieder auftauchende Geschichte vom feigen Jäger frg. 15), gingen in den eisernen Bestand der Florilegien und Spruchsammlungen über. Aber auch ernste Töne weiss B. anzuschlagen. So gab er die erste nachweisbare Darstellung der tiefsinnigen Sage vom gefangenen Silen (frg. 2, s. E. Rohde Der gr. Roman 204, 3), dessen ‚trübe Weisheit‘ er in scharf geprägten Sentenzen ausgemünzt hat, und erfolgreich arbeitete er mit an der Erneuerung und Vertiefung der Heldensage, [2800] der er ein ernsthaftes, oft fast gelehrtes Interesse widmete, vgl. die genealogischen Notizen frg. 10. 69 und besonders 62 (wonach er, wie die Theologen bei Io. Lydus und Cicero de nat. deor. III 16 τέσσαρας Ἀρισταίους aufgezählt hat, woran Hiller v. Gaertringen oben S. 854 freilich zu zweifeln scheint). Die Dichtungen des B. boten wohl den Mythographen eine relativ reichere Ausbeute als die Pindars. Dass ein Gedicht des B. der Angelpunkt war, um den sich die spätern Darstellungen der Laokoonsage drehten, hat C. Robert (Bild und Lied, Exk. 1) nachgewiesen, dessen Aufstellungen in wesentlichen Zügen durch die neueren mythographischen Funde bestätigt wurden (Mythogr. Gr. ed. R. Wagner p. 210). Wo B. persönlicher wird, berührt er uns sympathisch durch eine ,wohlmeinende Gesinnung‘ (Bergk) und mild-ernste Behandlung menschlicher Verhältnisse. Gemässigter und im Grunde treffender und überlegener als die trotzigen, von hochgesteigertem Selbstgefühl eingegebenen Äusserungen Pindars klingen seine Gegenbemerkungen in frg. 14. 37 (εἰ δὲ λέγει τις ἄλλως, πλατεῖα κέλευθος). Man darf hier wohl in dem Gegensatz der Persönlichkeiten auch den Gegensatz der Stämme ausgeprägt finden. Mit Simonides ist B. einer der edelsten Vertreter des harmonisch durchgebildeten, empfänglichen und liebenswürdigen, echt humanen Ioniertums.

III. Litterarische Stellung und Nachleben. Bahnbrechend scheint B. auf keinem Gebiete der grossen Poesie gewesen zu sein. Immerhin ist der Einfluss, den er auf die nachkommenden Geschlechter ausübt, bedeutender als die wenig verständnisvolle Darstellung der Neusten ahnen lässt; besonders an ihm und Simonides hat sich Flach versündigt. Es will schon etwas heissen, dass die alten Kunstrichter ihn in den Kanon der klassischen Lyriker aufnahmen: s. Anth. Pal. IX 184. 571. Pindar. ed. Boeckh II 1 p. 8. Usener zu Dionys. Hal. de imitatione p. 130. Kein geringerer als Sophokles folgt ihm in der Behandlung troischer Sagen (C. Robert Bild und Lied 202); der Ton, den B. in dem Silenliede angeschlagen hatte, klingt im ganzen Altertum weiter (Rohde a. O.). Die Römer haben den zierlichen Meister, der ihrem Geschmack näher stand, als mancher der grossen Alten, ganz besonders geschätzt. Horaz empfing nachweislich die Anregung zu manchem seiner Lieder aus B. (Arnold Die griech. Studien des Horaz, herausg. von W. Fries 100f.). Zu c. I 16 haben schon die antiken Erklärer bemerkt, dass die Prophetie des Proteus aus einer Kassandraepisode bei B. (frg. 29 p. 580 Bgk.) herausgesponnen sei (s. Robert Bild und Lied 238 und Kiessling z. d. St.); in der neuen Form nimmt sich der alte Inhalt fremdartig genug aus. Glücklicher ist, wie schon Meineke hervorgehoben hat, ein schönes Lied des B. erneuert in c. II 18, vgl. frg. 28 (zum Ausdruck auch 27); hier erstreckt sich die Nachahmung auch auf die metrische Gesamthaltung der Strophen. Frg. 28 scheint dem Horaz auch c. II 16, 33ff. vorgeschwebt zu haben (s. Kiessling z. d. St.), und das berühmte Trinklied hat den freilich zu derb ausgefallenen Ausdruck lene tormentum (III 21. 13, vom Weine) inspiriert, wie man es oft auch aus verwandten Dichtungen der Elegiker [2801] und Epigrammatiker herauszuhören meint. Eher kann man zweifeln, ob c. III 26, 10 (Memphin carentem .. nive) aus B. frg. 39 (τὰν ἀχείμαντον Μέμφιν) abzuleiten ist, da solche Wendungen zu den ständigen Formeln der Hymnenpoesie gehören. Auch die schöne Schilderung der Pax bei Tibull I 10, 49 wäre so ohne Bekanntschaft mit B. frg. 13 kaum geschrieben. Dass Didymos den Dichter seiner kritischen Fürsorge würdigte, wurde oben schon hervorgehoben. Aber noch der Rhetor Menander basiert die Theorie der ὕμνοι ἀποπεμπτικοί im wesentlichen auf den Dichtungen des B., die er doch wohl selbst gelesen hat. So ist es in sich durchaus nicht unwahrscheinlich, dass auch der Kaiser Iulian den Dichter nicht nur aus Florilegien, welche damals die Originale bei allen Grössen zweiten Rangs allmählich verdrängten, sondern aus einer Ausgabe kannte, wie Ammian wissen will (XXV 4, 3 Iulianus . . . recolebat saepe dictum lyrici Bacchylidis, quem legebat iucunde id adserentem, s. frg. 50); Schwarz (Iulianstudien, Philol. LI 632. 637) hat sich leider diese Anregung entgehen lassen, wie vieles andere, was nicht unmittelbar am Wege liegt. Manche Sentenz des B. gilt bei den Spätern, dank den Florilegien und Spruchsammlungen, als geflügeltes Wort (s. Bergk zu frg. 23. 15).

Nachträge und Berichtigungen

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Band S IV (1924) S. 5867
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S. 2793f. zum Art. Bakchylides:

2) Als Crusius im J. 1896 in der R.E. Bd. II S. 2793–2801 seinen Art. Bakchylides herausgab, war der große Papyrusfund, der uns den keischen Dichter erst wirklich kennen lehrte, zwar schon gemacht, aber noch nicht veröffentlicht. Leider ist Crusius, durch vielseitige andere Tätigkeit abgehalten, nicht dazu zu bewegen gewesen, seinen Artikel für die Nachträge auf Grund der neuen Erkenntnis auszubauen, und so habe ich mich schon vor seinem Tode auf Wunsch der Redaktion entschlossen, diese oft beklagte Lücke nach Möglichkeit auszufüllen. Ich gebe zunächst einen Überblick über den großen und zwei neuere kleine Papyrusfunde und führe dann aus, wie weit sich das Bild des Dichters durch sie verschoben hat.

1. Papyrus von Ashmunên. Im J. 1896 kam ein umfangreicher in Ashmunên (s. Blass-Suess ed.⁴ praef. V) gefundener Papyrus in das British Museum und erhielt dort die Nummer DCCXXXIII. Er wurde von Kenyon (The poems of Bacchylides from a papyrus in the Brit. Mus.) 1897 mit knappem Kommentar herausgegeben, gleichzeitig erschien ein vorzügliches Faksimile in Lichtdruck (The poems of Bacchylides, Facsimile of Papyrus DCCXXXIII in the Brit. Mus., Printed by Order of the Trustees. 1897). Auf diese Editio princeps, zu der die tiefschürfende Anzeige von v. Wilamowitz Gött. Gel. Anz. 1898, 125–160 zu vergleichen ist, folgten rasch die Ausgaben von Blass Bacchylidis carmina cum fragmentis, Leipzig, Teubner 1898 (1899 in zweiter, 1904 in dritter, 1912 in vierter von Suess umgearbeiteter Auflage), Festa (Le odi e i frammenti di Bacchylide, testo greco, traduzione e note, Firenze Barbèra 1898) und Iurenka (Die neugefundenen Lieder des Bakchylides, Text, metrische Übersetzung und Kommentar, Wien 1898), etwas später erschien die umfangreiche kommentierte Ausgabe von Jebb (Bacchylides, the poems and fragments edited with introduction, notes, and prose translation [59] Cambridge 1905) und die von Taccone (Bacchylide. Con Introduzione, commento e appendice critica, Torino 1907). Der sehr stattliche Papyrus, nach Schubart (Einführung in die Papyruskunde 106) ein Muster der Buchkalligraphie, wurde von Kenyon der Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. zugewiesen, während Grenfell-Hunt (Pap. Oxyrh. I 53 Anm.) ihn dem 1. oder 2. Jhdt. v. Chr. zuteilen und Schubart (a. a. O.) geneigt ist, ihn in die zweite Hälfte des 2. Jhdts. n. Chr. herabzurücken. Es gelang den scharfsinnigen Bemühungen von Kenyon und besonders Blass, den anfangs sehr zahlreichen Fragmenten sämtlich ihren festen Platz in der Rolle zuzuweisen, schon in Blass’ zweiter Ausgabe findet sich kein isoliertes Bruchstück mehr. Die erhaltenen Reste sondern sich in drei große Gruppen, von denen die erste 22 Kolumnen (I–XII 8), die zweite 6 Kolumnen und Versenden einer vorangehenden (XIII–XIV 43), die dritte 10 Kolumnen und Reste einer elften (XV–XXI) enthält. Die beiden ersten gehören zusammen und bilden das Buch der Epinikien, die dritte stellt die erste Hälfte einer zweiten Rolle, des Buchs der Dithyramben, dar, wie jetzt durch den Sillybos des Pap. Oxyhr. VIII 1091 gesichert ist. Die Siegeslieder, die das Altertum von B. besaß, haben wir sämtlich, ganz oder in Resten, falls nicht zwischen der ersten und zweiten Gruppe der Rollenfragmente ein ganzes Gedicht ausgefallen ist. Ihre Zahl beträgt 14. Blass hat die Kenyonsche Zählung der Gedichte leider geändert, weil er die Gedichte VII und VIII in eins zusammenziehen zu können glaubte. Diese von Festa und Jebb angenommene Zählung Blass’ ist aber sicher falsch, wie ich Herm. LIII 119ff. nachgewiesen habe (vgl. auch Maas Philol. LXIII 308f.), man muß also zu der Kenyonschen zurückkehren, die ich im folgenden ausschließlich anwende. Die Anordnung der Siegeslieder scheidet nicht wie bei Pindar nach den großen Nationalspielen, ist aber mit verständiger Erwägung vorgenommen. Nr. I und II feiern den Sieg des keischen Knaben Argeios Pantheides’ Sohn im Faustkampf oder Pankration am Isthmos, der sich mit Hilfe einer inschriftlich erhaltenen keischen Siegerliste (IG XII 5, 608) auf die J. 464–460 bestimmen läßt (s. Herm. LIII 118f. und 147). Das umfangreiche erste Gedicht (nach Blass’ Berechnung 184 Verse) ist leider sehr zerstört, es enthielt den Mythos des keischen Heros Euxanthios, Minos’ Sohn, über den wir durch Pindars vierten Paian (Pap. Oxyrh. V 841. Schroeders kleine Pindarausgabe² 278) und Kallimachos’ Aitia (Pap. Oxyrh. VII 1011) Genaueres erfahren haben (s. Storck Die ältesten Sagen der Insel Keos, Gießen 1912, 19ff.). Das kurze zweite Gedicht ist unmittelbar nach dem Sieg am Isthmos verfaßt und nur der Vorbote des großen Siegesliedes. Dann folgen als nr. III–V die Lieder auf Siege des Hieron. Voran steht das zeitlich späteste auf Hierons Wagensieg in Olympia vom J. 468 (s. Pap Oxyrh. II 222 = Herm. XXXV Beil. z. 141). Daß Hieron das Siegeslied für diesen langersehnten Erfolg nicht Pindar, sondern B. übertrug, war der stolzeste Triumph der Κηΐα ἀηδών, wie er sich selbst am Schluß des Gedichtes nennt (III 98); [60] ganz mit Recht hat man deshalb seine Akme auf dies Ereignis (Ol. 78 Euseb.) angesetzt. Das stattliche Gedicht hat die Geschichte von Kroisos in älterer, von Herodot I 86ff. stark abweichender Form zum Hauptinhalt; Kroisos will sich nach der Eroberung von Sardes durch die Perser mit seinem Harem selbst verbrennen, aber den schon entflammten Scheiterhaufen löscht ein von Zeus gesandter Regen, und Apollon entrückt den König mit den Seinen in das Land der Hyperboreer, d. i. in die Gefilde der Seligen (s. Arch. f. Rel. X 152f.). IV ist ein kurzer Liederbrief (20 Verse) an Hieron zur Verherrlichung von dessen pythischem Wagensieg im J. 470. Das aus eigenem Antrieb von B. gesandte Lied kann natürlich den Vergleich mit dem offiziellen Epinikion Pindars, dem mächtigen I. pythischen Gedicht, in keiner Weise aushalten. Anders steht es mit V, auf den Sieg von Hierons Rennpferd Pherenikos an den Olympien des J. 476. Auch bei diesem Anlaß war das Siegeslied Pindar übertragen (O. I.), und der Keer sendet von sich aus ein umfangreiches Gedicht, dessen Beurteilung er mit starkem Selbstgefühl Hieron überläßt (V 1–11). In der Tat hat dies umfangreiche Gedicht (200 Verse), das schönste Siegeslied des Dichters, den Vergleich mit Pindars erstem olympischen Gedicht kaum zu scheuen. Schon der Selbstvergleich mit dem Adler im Prooemium (16–30) ist von hoher Schönheit, und in der Erzählung von Herakles’ und Meleagers Zusammentreffen in der Unterwelt entfaltet B. eine Kraft und Lebendigkeit der Darstellung, die von Pindar kaum überboten wird. VI und VII gelten wieder einem keischen Landsmann, Lachon, Aristomenes’ Sohn, der 452 (Pap. Oxyrh. II 222 = Herm. XXXV Beil. zu 141) in Olympia als Knabe im Stadionlauf siegte. Hier steht das kleine Ankündigungsgedicht voran, aber auch das eigentliche Epinikion VII ist nur kurz (22 Verse). Blass’ Versuch, das VIII. Gedicht mit dem VII. zu einem ἀπολελυμένον von 54 Versen zu vereinen, scheitert vor allem an der Tatsache, daß der Held des achten Gedichts auch am Isthmos gesiegt hatte (VIII 2), während Lachon nach Ausweis der keischen Siegerliste (IG XII 5, 608) nicht zu den Isthmioniken gehörte (s. Herm. LIII 119ff.). Das kurze VII. Gedicht enthält keinen Mythos. Auch VIII ist nur kurz (32 Verse) und entbehrt des Mythos. Es gilt wiederum einem Keer, und mit Hilfe der keischen Siegerliste läßt sich Liparion, Liparos’ Sohn, nahezu sicher als Adressat erweisen (Herm. a. a. O. 123). Von den keischen Siegern ist Argeios vorangestellt, weil in seinem Epinikion die Hauptsage der Heimat des Dichters behandelt war, dann sind die drei Gedichte für den bedeutendsten Adressaten, Hieron, eingeschoben (III–V), es folgen drei kleine Gedichte auf Keer (VI–VIII); soweit ist eine planmäßige Anordnung unverkennbar, in der Reihenfolge der übrigen Siegeslieder läßt sich kein bestimmter Plan feststellen, nur wird es beabsichtigt sein, daß die beiden Gedichte auf äginetische Sieger (XII und XIII) einander unmittelbar folgen, und daß an letzter Stelle das einzige nicht auf einen Sieg in den großen Nationalspielen bezügliche Lied steht. IX verherrlicht den Sieg des Automedes [61] von Phleius im Pentathlon zu Nemea und enthält zwei Mythen, erst wird kurz von Archemoros (10–20), dann etwas ausführlicher von Asopos und seinen Töchtern (40–65) erzählt. X gilt dem isthmischen Siege im Lauf eines Atheners aus der Phyle Oineis, der Name Ἀ[γλ]α[ῶ]ι, von Blass in v. 9 mit Wahrscheinlichkeit ergänzt, ist sonst in Attika nicht nachzuweisen. Das 56 Verse zählende Gedicht enthält keinen Mythos. XI ist dem pythischen Sieg des Knabenringers Alexidamos, Phaiskos’ Sohn, aus Metapont gewidmet und erzählt den Mythos von dem Wahnsinn der Töchter des Proitos (126 Verse). Von XII, das den nemeischen Ringersieg des Aigineten Teisias verherrlicht, sind nur die ersten acht Verse erhalten. Die zwischen den beiden Fragmentgruppen der Rolle klaffende Lücke hat auch den Anfang von XIII verschlungen, das dem nemeischen Siege des Pankratiasten Pytheas aus Aigina gilt. Pindars V. nemeisches Gedicht geht auf denselben Sieg und ist von v. Wilamowitz (S.-Ber. Akad. Berl. 1909, 811ff.) auf 485 oder 483 festgelegt worden. B. spendet dies Epinikion, das mehr als doppelt so lang war als das offizielle Siegeslied Pindars (s. Herm. LIII 142), aus freien Stücken, als Dankeszoll (v. 221ff.), und zeigt am Schluß starkes Selbstgefühl. Im Beginn des Erhaltenen (v. 44–57) wird Herakles Kampf mit dem nemeischen Löwen als Vorbild des späteren Pankration besungen, der Hauptmythos (v. 100–181) verherrlicht Achilleus und Aias troische Kämpfe. Von XIV, das dem Wagensieg des Thessalers Kleoptolemos, Pyrrichos Sohn, an den thessalischen Petraeen gewidmet ist, sind nur die ersten 23 Verse und ein kleiner Fetzen erhalten. Das Buch der Dithyramben, dessen erste Hälfte die dritte Gruppe des Fundes von Ashmunên enthält, ist alphabetisch geordnet. Es folgen aufeinander XV Ἀν]τηνορίδαι [ἢ Ἑλένη]ς ἀπαίτησις, XVI [Ἡρακλῆς], oder [Δηϊάνειρα], XVII Ἠ]ίθεοι[ἢ] Θησεύς, XVIII Θησεύς, XIX Ἰὼ Ἀθηναίοις, XX Ἴδας Λακεδαιμονίοις und ein kurzes Bruchstück aus XXI [Κασσάνδρα], nach Blass’ wahrscheinlicher Zuweisung. Daß diese Gedichte von den alexandrinischen Grammatikern sämtlich dem Buch der Dithyramben zugeteilt waren, ist jetzt durch den Sillybos von Pap. Oxyrh. 1091 (s. u.) erwiesen, und war schon vorher durch ein Zitat des Serv. Aen. VI 21 für XVII bezeugt. Und doch ist grade dies Gedicht kein Dithyrambos, sondern ein Paian der Keer für den delischen Apollon (s. XVII 128ff.). Man hatte sich gewöhnt, Chorlieder, deren einziger oder vorherrschender Inhalt Mythenerzählung war, Dithyramben zu nennen, schon v. Wilamowitz (Gött. Gel. Anz. 1898, 145) hat auf [Plut.] de mus. 10 hingewiesen, wo es von Xenokrates heißt ἀμφισβητεῖται εἰ παιάνων ποιητὴς γέγονεν· ἡρωικῶν γὰρ ὑποθέσεων πράγματα ἐχουσῶν ποιητὴν γεγονέναι φασὶν αὐτόν· διὸ καί τινας διθυράμβους καλεῖν αὐτοῦ τὰς ὑποθέσεις. Sichere Dithyramben sind die für Athen bestimmten Gedichte XVIII und XIX, wohl auch das für Delphi XVI, eigentlich ein Paian ist, wie erwähnt, XVII; bei XX, dessen Eingang auffallend an den Hymenaios in Aristophanes’ Vögeln 1731ff. erinnert, hat man an einen Hymenaios gedacht. XV und der kleine Rest von [62] XXI geben keinen Anlaß an dem ursprünglichen Dithyrambencharakter zu zweifeln, enthalten aber auch keine unmittelbare Bestätigung desselben. Strittig ist, ob wir alle Dithyramben vollständig haben, was Blass und Jebb bejahen, v. Wilamowitz (a. a. O. 135) für die Gedichte XV und XVI mit Recht leugnet: Die Antenoriden (XV) erzählen nach Anführung einer Rede der Theano ziemlich breit, wie Odysseus und Menelaos in die Versammlung der Troer geführt werden, dann wird mit Anrufung der Muse (47 Μοῦσα τίς πρῶτος λόγων ἆρχεν δικαίων;) die Rede des Menelaos mitgeteilt (50–63). Was er sagt, ist aber nur ein rhetorisches Prooemium über Dike und Hybris, dann bricht das Gedicht ab. Unmöglich konnten die sachlichen Forderungen des Menelaos, die Rede des Odysseus, die Antwort der Troer fehlen. Es ist also seltsamerweise wohl nur ein Teil des Gedichts, die ersten drei Triaden von Strophe, Gegenstrophe und Epode nach Alexandria gekommen. Ebenso steht es mit XVI, wo nach ziemlich breiter Anrufung des fern von Delphi weilenden Apollon (1–12) die Geschichte von Herakles Tod zu erzählen begonnen wird. Wir hören aber nur, daß Deianeira nach der Ankunft der Iole πολύδακρυν ὕφανε μῆτιν (24f.). Sie richtete der φθόνος εὐρυβίας (31) zu Grunde, als sie am Lykormas δέξατο Νέσσου πάρα δαιμόνιον τέρας (35). Weder erfahren wir, was Deianeira eigentlich von Nessos empfing, noch was sie dem Herakles antut, geschweige denn, daß der Held an ihrer Gabe zu Grunde geht. Unmöglich konnte das Gedicht so abbrechen, es liegt uns nur die erste Triade von ihm vor. Freilich ist auch in XIX nach einer etwas breitspurigen Einleitung (1–14) die Erzählung von Io ziemlich kurz (15–51), aber sie wird doch bis zu einem verständigen Ende, der Geburt des Dionysos aus dem Geschlecht der Io, geführt. Am ausführlichsten und lebendigsten ist die Mythenerzählung in dem weitaus besten Gedicht dieser Gruppe, den Ἡίθεοι (XVII), die Theseus’ Meerfahrt behandeln. Ein besonderes Interesse erregt durch seine dialogische Form das andere Theseusgedicht XVIII. Hier steht der Chor von athenischen Mannen dem König Aigeus gegenüber, der dem Volke die Heroldsmeldung über die wunderbaren Taten eines Heldenjünglings auf dem Wege vom Isthmos nach Athen zu berichtet. Seine bevorstehende Ankunft in Athen (60 δίζησθαι δὲ φιλαγλάους Ἀθάνας) bildet den angemessenen Schluß. Chor und König kommen in je zwei Strophen zu Worte, und es läßt sich, ähnlich wie in vielen Stichomythien der Tragödie, nicht vermeiden, daß die Fragen des Chors, um die Strophe zu füllen, gegenüber dem Bericht des Aigeus ungebührlich gelängt werden. Unmöglich scheint mir die Annahme von Maas (Die neuen Responsionsfreih. bei B. und Pindar 31), B. selbst sei der Frager in Strophe 1 und 3 und deshalb in v. 5 für ἁμετέρας zu schreiben ὑμετέρας.

2. Oxyrhynchos-Papyrus 1091. In Bd. VIII der Pap. Oxyrh. S. 120ff. veröffentlicht Hunt zwei Fragmente einer Papyrusrolle, welche aus dem XVII. Gedicht die Verse 47–78 und 91–92 enthalten; ein Sillybos mit der Aufschrift Βακχυλίδου διθύραμβοι ist an dem Blatt befestigt. [63] Der dem 2. Jhdt. n. Chr. angehörende Papyrus bestätigt mehrfach Ergänzungsvorschläge, bringt auch einiges Neue. Er ist in der Ausgabe von Blass-Suess bereits verwertet.

3. Oxyrhynchos Papyrus 1361. Im XI. Bd. des Oxyrh. Pap. S. 65ff. haben Grenfell und Hunt schlecht erhaltene, aber wertvolle Reste eines anderen Buches des B. veröffentlicht (vgl. Maas Sokrates 1917, Jahresber. des Philol. Ver. 82ff.. Diehl Supplem. lyr.³ 78ff. A. Körte Herm. LIII 124ff.). Die sehr schön geschriebene Rolle (s. a. a. O. Taf. III) wird von den Herausgebern ins 1. Jhdt. n. Chr. gesetzt, Lesezeichen und spärliche Scholien sind nach den Herausgebern später hinzugefügt; in einem der Scholien zu frg. 5, 13 wird ein Grammatiker Ptolemaios, entweder ὁ Ἐπιθέτης, oder der Πινδαρίων zubenannte Sohn des Oroandes genannt (s. Herm. LIII 124f.). Die Herausgeber nennen das Buch σκόλια, da aber dieser Buchtitel von den Alexandrinern für Pindar nicht gebraucht und für B. überhaupt nicht bezeugt ist, und der Stil der Gedichte genau mit den Enkomien Pindars übereinstimmt, wird man es besser ἐγκώμια nennen (Herm. a. a. O. 137ff.). Von den 48 Fragmenten sind nur 3 (1, 4 und 5) von größerem Umfang. Von frg. 1 lassen sich die ersten 17 Verse lückenlos herstellen, weil sie das schöne bekannte Fragment 20 (Blass-Suess) über die beglückende Wirkung des Rausches enthalten. Das Lied ist für die Tafelrunde des Alexander, Amyntas’ Sohn, von Makedonien gedichtet, für den auch Pindar ein Enkomion (frg. 120f. Schr.) verfaßt hat. Es ahmt deutlich ein Enkomion Pindars für Thrasybulos von Akragas nach und sichert Blass’ scharfsinnige Zusammenfügung der Fragmente 124 a und b (Schr.). Frg. 4 ist der Anfang eines ähnlichen Liedes für Hieron von Syrakus. Es nimmt (v. 7ff.) Bezug auf B.s fünftes Epinikion für den olympischen Sieg des Pherenikos im J. 476, erwähnt aber noch nicht den pythischen Wagensieg Hierons von 470, fällt also zwischen diese Jahre, wahrscheinlich 475/4 (s. Herm. a. O. 133f.). Frg. 5 läßt trotz sehr schlechter Erhaltung eine Mythenerzählung erkennen, anscheinend die Geschichte der Tyro (s. Herm. a. a. O. 134ff.), der Adressat ist nicht festzustellen. Von den kleinen Fragmenten handelt 12 wieder von der Lust des Gesanges beim Gelage, 20 enthält Spuren einer Mythenerzählung. Daß auch diesen für das Gelage bestimmten Gesängen die Mythen nicht fehlten, ist für die Gattung von Bedeutung.

Biographisches. Die den Gedichten zu entnehmenden zahlreichen neuen Aufschlüsse berichtigen das o. Bd. II S. 2794f. gegebene Lebensbild des Dichters in wesentlichen Stücken. Vor allem ist die Lebenszeit höher hinaufzuschieben, als sie Crusius und andere (Michelangeli Riv. di stor. ant. II 3, 73ff. Jebb Ausg. S. 4. Christ-Schmid Griech. Lit. I⁶ 221) angesetzt haben (s. Herm. LIII 149ff.). Wenn Pindar in der Vita des Eustathios πρεσβύτερος Βακχυλίδου heißt, so beruht das auf den Ansätzen der Akme beider Dichter, die für Pindar κατὰ τὰ Περσικά (480/79, vgl. Diod. XI 26, 8), für B. nach Hierons olympischem Wagensieg 468 (Eus. Ol. 78) bestimmt war. In Wirklichkeit werden beide Dichter ziemlich [64] gleichaltrig gewesen sein. Als Sohn einer Schwester des Simonides (s. Strab. X 486) kann B. schwerlich mehr als 40 Jahre jünger gewesen sein als dieser 556/5 geborene Dichter. Zu der Geburt um 516 paßt es vortrefflich, daß er nach Ausweis des Epinikion XIII (s. o.) 485/3 bereits Gastfreund eines vornehmen Aigineten ist und in seinem Konkurrenzgedicht zu Pindar Nem. V das stolze Selbstgefühl des anerkannten Dichters bekundet. Auch in dem ersten aus eigenem Antrieb verfaßten Siegeslied für Hieron (V) vom J. 476 scheut der χρυσάμπυκος Οὐρανίας κλεινὸς θεράπων (v. 13f.) den Vergleich mit keinem Nebenbuhler. Anderseits hört B.s Tätigkeit früher auf, als man annahm. Die letzten datierbaren Gedichte sind VI und VII auf Lachons olympischen Sieg 452 (s. o.), und die Tatsache, daß kein Dichter der attischen Komödie B. irgendwie berücksichtigt, macht es sehr unwahrscheinlich, daß er Pindar überlebt hat oder gar, wie der zweite Ansatz des Eusebios (Ol. 87, 2 = 431 v. Chr.) will, erst zu Beginn des peloponnesischen Kriegs ἐγνωρίζετο. Vermutlich ist er bald nach 450 gestorben, so daß Pindars Lebenszeit die seine nach unten erheblich stärker überragte als nach oben. An festen Daten haben wir für sein Leben folgendes: 485/3 dichtet er XIII für den Aigineten Pytheas, im Wetteifer mit Pindars Nem. V. 476 schickt er V von Keos (v. 10f.) an Hieron, während Pindars Ol. I das offizielle Siegeslied ist. Daß der Dichter schon vorher in Syrakus gewesen ist, darf man nicht annehmen, Beziehungen zu Hieron (v. 11) wird Simonides eingeleitet haben. Bald nachher, wohl 475/4 läßt B. das Enkomion für Hieron (s. o.) folgen. 470 schickt er IV als Glückwunsch zu Hierons pythischem Wagensieg nach Syrakus, während Pindar wieder das eigentliche Epinikion (P. I) dichtet. Aber 468 wird B. das Festlied auf Hierons olympischen Wagensieg übertragen (III), während Pindar diesen letzten größten Sporterfolg des Königs nicht feiert. Spätestens 468 wird B. persönlich in Syrakus gewesen sein. Sicher zwischen 464 und 454 fallen die beiden Gedichte auf den Keer Argeios (I, II), und mit Wahrscheinlichkeit darf man sie 462/0 ansetzen (s. Herm. LIII 119 und 147). Im J. 458 nämlich bestellten die Keer bei Pindar einen Paian (IV des Oxyrh. Pap. 841, vgl. Gaspar Essai de Chronol. Pind. 150ff.; Herm. LIII 146f.), damals wird also ihr einheimischer Dichter irgendwie ausgeschaltet sein. Dazu stimmt vortrefflich die durch Plutarch περὶ φυγῆς 14, 605 C bezeugte längere Verbannung des B., über deren Anlaß die Gedichte keinen Aufschluß geben. 452 ist B. anscheinend wieder in Keos und dichtet für den keischen Landsmann Lachon die Epinikien VI und VII, die Verbannung fällt also in die Zeit zwischen 462 und 452.

Die von den antiken Erklärern behauptete (s. bes. Schol. Pind. Ol. II 154), neuerdings mehrfach (Michelangeli Della vita di B., Messina 1897 und Riv. di stor. ant. II 3, 73ff. Blass Ausg. praef.² XVf.) geleugnete Rivalität zwischen B. und Pindar ist nicht zu bezweifeln und in den Gegensätzen des Stammes und der Kunstrichtung natürlich begründet. Wir finden beide als Nebenbuhler nicht nur um die Gunst des Hieron, die schließlich dem gewandten Ionier zufiel, sondern [65] auch am Hofe des Königs Alexander von Makedonien (s. o. S. 63) und in den Kreisen des aiginetischen Adels (s. o. S. 64). Gleich Pindar dichtet B. für Fürsten, Sieger und Städte der verschiedensten Gegenden, wenn auch der Kreis, für den er tätig ist, dem pindarischen an Umfang nachsteht; unter den Adressaten seiner Gedichte haben wir die Könige Hieron (III, IV, V. Oxyrh. Pap. XI 1361 frg. 4) und Alexander von Makedonien (Oxyrh. Pap. XI 1361 frg. 1), die Staaten Athen (XVIII, XIX), Sparta (XX) und Keos (XVII), ferner Sieger aus Keos (I, II, VI, VII, VIII), Aigina (XII, XIII), Athen (X), Phleius (IX), Thessalien (XIV), Metapont (XI).

Stil und dichterische Stellung. Die Komposition der größeren Epinikien ist an kein bestimmtes Schema gebunden, sie entspricht im wesentlichen der pindarischen Art. Auf die Anrufung einer Muse (III, XII) oder anderer göttlicher Wesen (Χάριτες IX, Νίκα XI, Φήμα X, Ἡμέρα VII), die aber auch fehlen kann (V, XIV), folgen Lobpreisungen der Stadt, Familie und Sporterfolge des Siegers, den Kern des Gedichts machen ein (I, III, V, XI) oder zwei (IX, XIII) Mythen aus, und dazwischen stehen allerlei moralische Betrachtungen. Häufiger als Pindar verzichtet B. auf den Schmuck des Mythos, er fehlt nicht nur den kurzen, am Festort improvisierten Liedern (II, VI), sondern auch etwas längeren (IV, VII, VIII, X), von denen eins (X) immerhin 56 Verse umfaßt. Unter den Dithyramben beginnen XV, XVII, XVIII, XX ohne jede Einleitung mit der Mythenerzählung, während XVI und XIX ein ziemlich breites Prooemium vorausschicken. In XVII findet sich am Schluß ein Hinweis auf den Anlaß des Gedichtes, XV, das allerdings kaum vollständig ist (s. o. S. 62), und das dialogische Gedicht XVIII halten die Mythenerzählung bis ans Ende fest. B. ist seinem großen Rivalen Pindar weder an Kraft, noch an Tiefe, noch an Formenfülle ebenbürtig, von einer Entwicklung seines wohl vornehmlich an dem Muster seines Oheims Simonides geschulten Stils lassen die erhaltenen Gedichte kaum etwas erkennen, sie sind, wie der Autor Περὶ ὕψους 33, 5 sagt, ἀδιάπτωτοι καὶ ἐν τῷ γλαφυρῷ πάντη κεκαλλιγραφημένοι. Unleugbar hat der ionische Dichter aber dem Rivalen gegenüber auch Vorzüge, die mitunter (so von v. Wilamowitz Bakchylides, Berl. 1898, 8f.) zu gering bewertet werden. Seine Stärke ist die anmutige, lebendige Erzählung, in den Mythen von Herakles und Meleager (V), von Theseus’ Meerfahrt (XVII), von Kroisos’ Tod (III) herrscht eine Frische und Anschaulichkeit, die weder Pindar noch ein anderer griechischer Lyriker erreicht; auch die beglückende Wirkung des Rausches weiß er in dem neuen Enkomion für Amyntas (Oxyrh. Pap. 1361, 1) mit leuchtenderen Farben zu schildern, als sein stark benutzter Rivale. Die durchsichtige Klarheit seiner Sprache und Rhythmen wird man ebenfalls als Vorzug gelten lassen dürfen. Sobald er aber allgemeine Gedanken über Welt und Menschenschicksal äußert, wird er flach und trivial, hinter seiner gefälligen Begabung steht eben keine starke ringende Persönlichkeit. Sehr viel stärker als Pindar lehnt er sich an das Epos an (s. Buss De Bacchylide Homeri imitatore, Gießen 1913). [66] Seine klingenden Beiwörter sind fast alle aus Homer abgeleitet, aber mit raffinierter Geschicklichkeit gibt er dem ererbten Gut den Schein der Neuheit, indem er homerische Epitheta auf andere Persönlichkeiten und Dinge überträgt (Buss 22f.), oder die eine Hälfte durch ein Synonymon ersetzt (Buss 26f.), oder eine homerische Schilderung in ein Epitheton zusammendrängt (Buss 28f.). Auch seine Bilder und Gleichnisse verraten deutlich die Abhängigkeit von Homer, selbst das schöne Bild vom stolz über Erde und Meer dahinfliegenden Adler (V 16ff.) ist großenteils aus homerischen Wendungen zusammengesetzt (Buss 36ff.). Auch in der Mythenerzählung tritt Abhängigkeit von Homer mitunter (bes. XIII 100ff., s. Buss 13ff.) sehr augenfällig hervor. In einem schon früher bekannten Fragment (5 Blass-Suess) bekennt er offen ἕτερος ἐξ ἑτέρου σοφὸς τό τε πάλαι τό τε νῦν. οὐδὲ γὰρ ῥᾷστον ἀρρήτων ἐπέων πύλας ἐξευρεῖν, es ist daher nicht zu verwundern, daß er auch aus Pindar gern Gedanken und Wendungen übernimmt (s. Prentice De Bacchylide Pindari artis socio et imitatore, Halle 1900). Den pindarischen Satz Isthm. IV 1ff. ἔστι μοι θεῶν ἕκατι μυρία πάντᾳ κέλευθος ... ὑμετέρας ἀρετὰς ὕμνῳ διώκειν finden wir bei ihm wieder V 31ff. τὼς νῦν καὶ ἐμοὶ μυρία πάντᾳ κέλευθος ὑμετέραν ἀρετὰν ὑμνεῖν, und kürzer noch einmal XIX 1 πάρεστι μυρία κέλευθος ἀμβροσίων μελέων; weiter noch geht die Nachahmung von Pindars Enkomion auf Thrasybulos (frg. 124 a. b Schr.) in dem neuen Enkomion auf Amyntas (Oxyrh. Pap. XI 1361, s. Herm. LIII 128ff.).

B.s Dialekt (am ausführlichsten behandelt von Schoene Leipz. Stud. XIX 180–309, vgl. Jebbs Ausg. 79–92. Blass-Suess praef. XXVff., die Hauptsachen knapp bei v. Wilamowitz Gött. Gel. Anz. 1898, 153f.) steht dem epischen viel näher als Pindars. Äolisches, außer den auch im Epos fortlebenden Formen, findet sich nur spärlich κλεεννός, Μοῖσα, λαχοῖσα (dies alles von O. Hoffmann Gesch. der griech. Sprache² 105 wohl mit Unrecht angezweifelt), ἔλλαθι, δίνηντο, dorische Formen wie die Genitive auf -ᾶ und -ᾶν, 3. Pers. Plur. auf -οντι, Infinitiv auf -εν, Aoriste auf -άξαι, -ίξαι zu Praesentien auf -άζω, -ίζω, die Pronomina νιν und τίν, ὄρνιχες sind nicht selten, aber doch nicht vorherrschend, auch das alte α ist zwar meist gewahrt, wird aber öfter auch durch η ersetzt (ἄδματοι aber ἀδμήτα, φαμί aber φήμα, Ἀθάνα, Ἀθᾶναι, σελάνα aber εἰρήνα, Ἀλκμήνιοι, ἥβα). Die hiatvermeidende Kraft des nichtgeschriebenen Digamma ist dem Dichter bekannt, wird aber nach Analogie von ϝιον Veilchen, ϝιός Gift auch auf ἰός Pfeil übertragen (V 75), obwohl dies Wort nie mit Digamma anlautete.

B.s Metren sind viel behandelt worden, vgl. v. Wilamowitz Gött. Gel. Anz. 1898, 147ff. Blass⁴ praef. XXX-LVIII. Maas Philol. LXIII 297ff. und die neuen Responsionsfreiheiten des B. und Pindar, Berlin 1914. Sie sind im ganzen weniger abwechslungsreich und leichter faßlich als die pindarischen. Sehr stark überwiegen die von Roßbach-Westphal Daktyloepitriten, jetzt meist mit Blass Enhoplier genannten Reihen (I. V. VII–XV. Oxyrh. Pap. 1361 frg. 1. 4. 5, [67] dazu frg. 1. 2. 4 Blass-Suess). Maas (Philol. a. a. O.) hat für diese Strophen das auch von Alkman, Anakreon, Aischylos und Simonides, aber nicht von Pindar, innegehaltene Gesetz festgestellt, innerhalb der enhoplischen Perioden des B. ist Wortschluß nach einer langen unbetonten Silbe vor der Hebung des zweiten und der des letzten Metrums verboten (so möchte ich formulieren, Maas sagt am Schluß ,und hinter der des vorletzten‘, was mißverstanden werden kann). Dies in seinem Wesen dem Porsonschen Gesetz im Trimeter und Tetrameter nahe verwandte Gesetz erleidet bei B. nur im I. Gedicht unentschuldbare Ausnahmen, Maas erkennt in der Sonderstellung des I. Gedichts pindarischen Einfluß. Weiter hat Maas beobachtet, daß B. im Gegensatz zu Pindar die Zerlegung der Perioden in Kola durch Wortschluß begünstigt. In der Responsion erlaubt sich B. gewisse Freiheiten, die Blass sehr weit ausdehnt, während Maas (Die neuen Responsionsfreiheiten bei B. und Pindar) sie bei B. so gut wie bei Pindar ausnahmslos zu beseitigen versucht, was nur mit Vergewaltigung der Sprache und der Überlieferung zu erreichen ist. Sicher scheint mir vor allem, daß der erste Vers der Epode von B.s V. Gedicht dreimal (v. 31. 71. 111) die Form – | – ◡ ◡ – | – ◡ – – | – ◡ – –, 2mal dagegen (v. 151 und 191) die üblichere – | – ◡ ◡ – |◡ ◡ – – | – ◡ – – hat; das in v. 151 beanstandete μίνυνθα δέ μοι ψυχὰ γλυκεῖα wird geschützt durch das homerische Vorbild Il. I 416 ἐπεί νύ τοι αἶσα μίνυνθά περ, οὔ τι μάλα δήν; ebensowenig ist v. 191 Βοιωτὸς ἀνὴρ τάδε φών[ησεν zu ändern. Damit ist die ionisch-iambische Auffassung des Enhopliers wenigstens für B. gesichert; vgl. auch Pind. Ol. VI 100, wo Maas die von Schroeder aufgenommene gute Überlieferung ebenfalls zu Unrecht verwirft. Ebenso ist meines Erachtens hinzunehmen, daß der 11. Vers der Strophe in V in der ersten Triade beidemal (v. 11 und 26) die akatalektische Form – | – ◡ ◡ – |◡ ◡ – –, in den folgenden Triaden stets die katalektische – | – ◡ ◡ – |◡ ◡ – hat. Den Übergang von den enhoplischen Strophen zu den ,äolischen‘ bildet III, dessen Epode vorwiegend enhoplisch ist, während die Strophe aus vier Elfsilbern (mit der Möglichkeit, die Längen aufzulösen) besteht, deren letzter der normale sapphische Elfsilber ist. Im wesentlichen glykoneisch, das Wort im weiteren Sinn gebraucht, sind II. VI und XVIII. Ganz für sich allein stehen XVII, dessen freie Iamben mit viel aufgelösten Längen, und unterdrückten Senkungen nicht leicht zu lesen sind und auch bei Pindar kein Gegenstück haben, und XVI, das ganz überwiegend daktylisch ist. Weitaus die meisten größeren Gedichte sind triadisch gegliedert, nur aus Strophen bestehen IV. VI. VII. VIII. XVIII. Oxyrh. Pap. 1361 frg. 1. 4. Eine besondere Eigentümlichkeit des B. glaubte Blass in der Wiederkehr derselben Vokalreihen an den entsprechenden Stellen der Strophen erkannt zu haben, er ist aber bei dem Versuch, diese Entsprechung durchzuführen, viel zu weit gegangen, die tatsächlich vorhandenen Klangentsprechungen sind schwerlich mit Bewußtsein erstrebt.

Literatur außer der angeführten bei Blass-Suess praef. LXXVIII–LXXXII.

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 61
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2) Griech. Chorlyriker im 6./5. Jh. v. Chr. S IV.

2) S III, s. [3]).