Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit/6. Kleinbasel

Die Geistlichkeit Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit
von Rudolf Wackernagel
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Sechstes Kapitel.
Kleinbasel.




Kleinbasel ist in verfassungsgeschichtlicher Beziehung das Widerspiel zu Großbasel. An den Ufern des Rheins sind einander gegenüber zwei Städte gelagert, die gleichen Namen tragen und unter derselben Herrschaft stehen, aber verschiedene Typen der mittelalterlichen Stadt repräsentieren: die Römerstadt und die Gründungsstadt.

Kleinbasel erwuchs aus einer Mehrzahl disparater Elemente: Fronhof, Kirche, Dorf, Neugründung; sein Recht bildete sich aus Grundherrschaft und Hoheitsrechten. Aber die Anfänge sind nicht mehr zu erkennen.

Von der natürlichen, alten Beschaffenheit dieses Bezirkes ist schon gesprochen worden. An der Schwelle unserer historischen Zeit sodann begegnet als Inhaber von Grundherrschaft und Hoheit der Bischof von Basel. Wir wissen nicht, wann und wie er zu diesen Rechten gekommen ist. Aber es darf vermutet werden, daß hier so gut wie anderwärts dies Gebiet wilden Waldes durch den König geschenkt worden sei. Auch an die übrigen rechtsrheinischen Besitzungen des Hochstifts hat man sich zu erinnern, an den Wildbann im Mooswald und an die Silbergruben im Breisgau, an die Kirchen Lörrach. Hauingen, Kandern. Ungewiß ist auch, ob die Kirche vom Bischof erworben oder durch ihn als Grundherrn erst erbaut wurde. Sie bildete dann das Centrum der ganzen Herrschaft, zusammen mit dem zwischen ihr und dem Rhein gelegenen Herrenhof des Bischofs und dem Dorfe Niederbasel. Stromaufwärts schloß sich Oberbasel an, eine offene und schwach besetzte Siedelung, die an Bedeutung dem Dorfe nachstand; aber sie war vielleicht Erbin einer römischen Anlage und ist durch frühe Erwähnungen ausgezeichnet. Güter daselbst wurden geschenkt an Einsiedeln durch Bilidruth, Mutter des Reginbold von Rappoltstein, an St. Blasien 1113 durch Walcho von Waldeck. Jedenfalls handelt es sich dabei um einen schon früh bewirtschafteten Punkt, während das Gebiet unterhalb Niederbasels noch lange Zeit durch Wald und Wasser beherrscht [189] war und nur wenige Spuren menschlicher Tätigkeit trug: Wege, die von der Ueberfahrtstelle ins Land führten, vielleicht Gewerbe an einem Wasserlauf.

All dies Gebiet lag im Breisgau, dessen alte Grenze hier der Rhein war. Aber es ist anzunehmen, daß die hoheitlichen, landesherrlichen Rechte, die der Bischof später in diesem Gebiet übte, ihm schon frühe, neben der Grundherrschaft, zugefallen seien.

Das erste Ereignis, das eine große Aenderung in diese Zustände brachte, war die Vergabung an St. Alban. Zu der Ausstattung, mit der Bischof Burchard dieses Kloster, seine unmittelbar aus der Not und Erschütterung einer schweren Zeit heraus geschaffene Gründung, begabte, gehörte auch die Kirche in Niederbasel mit Zubehör.

Von dieser Schenkung des ausgehenden elften Jahrhunderts an finden wir nun hier eine Mehrheit von Rechtsordnungen und Lebenskreisen nebeneinander bestehen. Der Umfang des von St. Alban Erworbenen ist nicht sogleich mit Sicherheit zu erkennen; es scheinen im Laufe der Jahrzehnte Erweiterungen stattgefunden zu haben. Jedenfalls aber war das Verhältnis von demjenigen, das in der Nähe des Klosters selbst bestand, völlig verschieden. Hier empfing das Kloster eine Gerichtsbarkeit, die das weltliche Gericht ausschloß; auf dem rechten Ufer des Rheins dagegen nur eine Kirche und Großgrundbesitz. Als Schutzvogt für diesen letztern, wie für die übrigen Besitzungen St. Albans im Breisgau, wurde der Herr des nahen Röteln, Dietrich, bestellt.

Der Grundstock dieser klösterlichen Grundherrschaft befand sich bei der Kirche; auch der hier stehende Frohnhof des Bischofs stand jetzt auf Klosterboden. Wie weit sich von hier aus dieser Klosterboden erstreckte, wissen wir nicht; aber in späterer Zeit begegnet Eigen von St. Alban an zahlreichen Stellen des Gebiets, bis über die untersten Teicharme hinaus. Was die Mönche drüben bei ihrem Kloster vollbrachten, in Rodung von Wald, Urbarmachung des Bodens, Regulierung der Wasserläufe, Anlegung von Mühlen und Sägen, wiederholte sich hier.

Für das zwölfte Jahrhundert bleibt die Geschichte dieses Gebietes beinahe ohne Bezeugung. Die ihm geltenden Sätze in den Besitzbestätigungsurkunden von St. Alban, dann einige Angaben über Zusammenkünfte und Rechtshandlungen von Breisgauer Herren, die hier stattfanden, sind das Einzige, was wir vernehmen.

Erst das dreizehnte Jahrhundert brachte dann die große Tat des Rheinbrückenbaus und damit dasjenige Ereignis, das für Kleinbasel schöpferisch gewesen ist. Unmittelbare Folge dieses Baus war die Gründung einer [190] Stadt in der Grundherrschaft. Man wird nicht irren, wenn man den Willen dieser Stadtgründung vor allem beim Bischof sucht. Aber natürlich entsprach sie auch den Interessen der Mönche von St. Alban. Und jedenfalls verdient Beachtung, daß der Gründer und Stadtherr nicht auch zugleich Grundherr war, sondern die Gründung auf dem Besitz eines Andern vollzog.

Die neue Stadt entstand im Anschluß an die Brücke, sollte von dieser und ihrem Verkehre leben. Bei der Anlage konnte daher auf den gegebenen Komplex von Kirche und Dorf keine Rücksicht genommen werden, sondern nur auf den Ort der Brückenausmündung; die Stadt hatte zugleich die Funktion eines Brückenkopfes zu erfüllen. Für die Aussteckung des Stadtumfangs maßgebend waren wohl die in den Rhein sich ergießenden Teiche.

Ein Blick auf den Plan des alten Kleinbasel zeigt, wie einheitlich und bedacht die Stadt angelegt wurde. Die Rheinbrücke und eine große Querstraße gaben die Hauptlinien und Richtungen, denen sich die Nebenstraßen anschlossen. Die große Landstraße, die dem Rheine folgte, lag wohl tiefer im Lande; aber die Stadt brachte sie nun durch die große Querstraße in Verbindung mit der Brücke und fesselte sie und ihren Verkehr an diese Stelle. Die Form war ein breitgezogenes Viereck.

Dem Gedanken, der die Anlage beherrschte, entsprach auch die Befestigung, indem die dem Rhein parallel laufende Landseite geschlossen war, aber landauf und landab, an den beiden Enden der großen Querstraße, welche die Landstraße aufnahm, Tore errichtet wurden. Die Befestigung der obern Schmalseite trennte die Stadt vom alten Dorf Niederbasel. Dorf, Fronhof und Kirche blieben außerhalb der Mauern.

Das Bemerkenswerte am Plan dieser Stadt ist das Fehlen eines eigentlichen Marktplatzes. Sie enthält nur Straßen.

Zu beachten sodann ist die verschiedene Größe der einzelnen Liegenschaften; in der untern Stadt, bei den Teichen, finden sich durchwegs kleinere Parzellen, während die obere Stadt große, zum Teil von Straße zu Straße durchgehende Hofstätten aufweist. Ohne Zweifel liegt hierin eine Wirkung von Vorgängen beim Entstehen der Stadt. Wir dürfen uns diese Vorgänge so denken, daß in dem aus dem offenen Land ausgesonderten Gebiete Jeder sich Grund und Boden erwerben konnte, in einem durch sein Belieben bestimmten Ausmaß, entweder Eigen oder nur zu Leihe. Und auch darauf ist hinzuweisen, daß nicht allein Hofstätten im eigentlichen Stadtgebiet zugewiesen wurden, sondern auch Parzellen von Ackerland und Wiesland außerhalb dieses Stadtgebietes.

[191] Es war eine Gründung, bei der es hauptsächlich auf Kaufleute und Gewerbetreibende abgesehen war. Neben die Bauern draußen im Dorfe traten nun hier die Städter. Ihre Siedelung sollte der alten Ansiedelung jenseits der Brücke antworten, Kräfte, Mittel und Verkehr der nahen rechtsrheinischen Lande an diesen Punkt ziehen. Etwas Bedeutendes und Großes entwickelte sich aber hierbei nicht und konnte sich nicht entwickeln; die dominierende und absorbierende Kraft der ältern Stadt war zu stark.

Einzelne Namen späterer Kleinbasler Geschlechter, - von Laufenburg, von Säckingen, von Kaiserstuhl, von Hiltalingen, von Brombach, von Wyhlen usw, - deuten auf die Herkunft solcher Ansiedler; einen andern Fingerzeig gibt, daß einer der frühest genannten Kleinbasler Wucherer heißt. Weiterhin kommen in Betracht die Handwerkernamen, unter ihnen vor allem die der Wassergewerbe.

Bestimmtere Nachrichten aber fehlen noch immer. Wie über die Gründung selbst, so über die ersten Zeiten. Nur Vermutungen und Rückschlüsse sind möglich. Aber die zeitliche Einordnung ist klar. Den einen Punkt gibt 1225 als das Jahr der Vollendung der Rheinbrücke, den andern 1241 als das Jahr, in dem zum ersten Mal von einer ulterior Basilea, einem jenseitigen Basel die Rede ist, nachdem bisher immer nur von dem Dorf Niederbasel und von Oberbasel gesprochen worden. In den anderthalb Jahrzehnten, die dazwischen liegen, muß sich die Stadt gebildet haben. 1255 sodann ist die Reife erreicht; die Stadt hat eine eigene Kirche nötig und erhält als solche die Niklauskapelle, und zur gleichen Zeit zeigt sich auch das profane Gemeindeleben in festeren Formen. Man kann sagen, daß um diese Zeit das neue Kleinbasel in die Geschichte eintrete.


Der Zustand dieser Stadt in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ist nunmehr zu schildern.

Vorerst das sie umgebende Gelände. Hier offenbart sich in mannigfachen Benennungen der Wandel der Bewirtschaftung, der sich vollzogen hat und zum Teil noch andauert. Die Rütinen, die Neusätze sind solche Namen, die von der Aufhellung des alten Waldgebietes reden; „neue Matten“ werden genannt und ein neuer Bifang, der zu Matten gemacht ist, u. dgl. m.

Andre Flurnamen, wie Gylienberg und im Baumgarten, zeigen die Art der Gewächse; das „Gemürre“ findet sich in Oberbasel, wo Trümmer alter Mauern, wohl aus der Römerzeit her, im Boden stecken; die Namen inme Itger, hinder dem Horemberge, am Schoren klingen noch heute wieder in Itelpfad, Horburg und Schoren.

[192] Wichtiger ist, daß wir uns ein Bild dieser Flur im Gesamten verschaffen. Es hat sich vor allem auf die Tatsache zu gründen, daß ein zahlreicher Einzelbesitz durch das ganze Gebiet nachzuweisen ist. Herren und Burger von Großbasel, auch Entferntere wie z. B. das Kloster Lützel, sodann Viele vom Orte selbst begegnen als Eigentümer. Die Parzellen, von denen hiebei die Rede ist, sind Matten, Aecker, und in großer Zahl Rebgelände. Gärten werden gezeigt vornehmlich in den besonnten Lagen vor dem Bläsitor. Neben diesen Parzellen privaten Eigens bestand eine Allmend. Sie wird freilich nur einmal erwähnt, zum Jahre 1259. Und es ist aus keiner Angabe zu erkennen, wie ihre Nutzung geregelt war, ob die alte Dorfgemeinde und die neue Stadtgemeinde sie gemeinsam nutzten oder ob eine Ausscheidung stattgefunden hatte.

In dieser Fläche nun erhob sich die Stadt, als solche gekennzeichnet durch ihre Befestigung. Wir haben allerdings nicht sogleich das Vorhandensein eines völligen Mauerringes anzunehmen; noch 1255 ist nur von Gräben die Rede. Aber die Verbesserung dieses Zustandes war eine der hauptsächlichen Aufgaben und Funktionen der jungen Gemeinde. Während der Krieg Rudolfs von Habsburg durch das Land tobte, „bauten und festigten“ die Bürger ihre Stadt auf eigene Kosten, mit „viel Arbeit an Leib und Gut“, also mit Fronen und Geldbeiträgen, sodaß ihnen der Stadtherr in Anerkennung dieser Leistungen 1274 eine Ermäßigung seiner Steuer gewährte.

Schon 1270 werden die Mauern Kleinbasels erwähnt. Die stärksten Punkte in der Ummauerung waren die über den beiden Eingängen errichteten Tore: das „obere Tor“, „Tor gegen Riehen“, das zuerst 1265 genannt ist, und das „Tor gegen Istein“, das „niedere Tor“, das zuerst 1256 vorkommt.

Im Großen und Ganzen hat Kleinbasel vom dreizehnten bis ins neunzehnte Jahrhundert dieselbe Ummauerung beibehalten. Mauergürtel aus verschiedenen Zeiten, wie in Großbasel, finden sich hier nicht; es haben sich keine Vorstädte gebildet. Eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den ersten Jahrzehnten und der Folgezeit zeigt nur die stromaufwärts gerichtete Schmalseite. Noch 1277 lag St. Theodor außerhalb der Stadtmauern. Das alte Dorf war in den Mauerring noch nicht einbezogen. Vielmehr ging die früheste Mauer der Stadt an dieser Stelle in der Richtung der heutigen Riehentorstraße zum Rheine, vielleicht gedeckt durch den Teich, der hier noch in seiner ursprünglichen Richtung lief und erst später die Ableitung nach Norden erhielt. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, wann [193] diese Mauer hinausgeschoben, St. Theodor mit Niederbasel in das Stadtgebiet ausgenommen wurde; in Verbindung damit scheint dann auch das Riehentor, das bis dahin wohl am Eingang der Rebgasse stand, die Stelle erhalten zu haben, die es seitdem einnahm. Aber diese Aenderung hat offenbar schon frühe stattgefunden. Im vierzehnten Jahrhundert wird die Kirche als in Kleinbasel liegend bezeichnet, und ein Hinweis kann vielleicht auch darin erkannt werden, daß schon in den 1290er Jahren die Lokalitäten am Rheinufer oberhalb St. Theodors zum Stadtbanne gerechnet werden.

Auf die Gestaltung der Mauern wirkten sodann die in ihrer Nähe entstehenden Ansiedelungen der Klöster.

Zunächst diejenige Klingentals. Ehe dieses nach Kleinbasel kam zog sich die gezinnte Burgmauer vom Isteinertor (Bläsitor) auf dem rechten Ufer des Teiches zum Rheine. Als sich nun die Klosterfrauen hier festsetzten und Liegenschaften sowohl innerhalb als außerhalb der Burgmauer erwarben, Dormenter und Kirche bauten, entstand das Bedürfnis diese beiden Klostergebiete miteinander zu verbinden, sie ringsum abzuschließen und namentlich die Stadt selbst wieder hinreichend zu befestigen. Eine Vereinbarung des Bischofs und der Stadtgemeinde mit dem Kloster 1278 brachte diese Angelegenheit in Ordnung.

Aehnliches geschah bei St. Clara. Auch hier handelte es sich um Klosterterrain zu beiden Seiten der Stadtmauer. Nur daß hier das äußere Gut kein geschlossener Bifang war wie das klingentalische, sondern offener Besitz mit Matten, Weiher usw. Auch einen Kanal aus dem Teiche hatten die Frauen durch die Stadtmauer herein in ihren Garten gezogen, in die Mauer mehrere Türen und Türlein gebrochen, Lauben und sonstige Ausbauten über dem Stadtgraben angebracht. Den Rondenweg, von dem auch beim Klingental die Rede ist. beanspruchten die Bürger in gleicher Weise hier; er führte zwischen Chor und Ringmauer durch. Die Klosterfrauen sperrten ihn durch eine Mauer, die Bürger brachen diese Mauer gewaltsam nieder. So war Anlaß zum Streit die Menge. 1287 kam eine Einigung zu Stande; sie wurde ergänzt durch weitere Abreden in den Jahren 1298 und 1311.

Unter den äußeren Zuständen der Stadt die bemerkenswertesten sind aber die Teiche, welchen Namen hier so gut wie in der großen Stadt die Gewerbskanäle seit Anbeginn tragen.

Während bei den Mühlen zu St. Alban die Geschicke sich im Innern der Klosterherrschaft unbezeugt abspielen, finden die Kleinbasler Wassergewerbe häufige Erwähnung. Der Grund wird sein, daß nicht wie dort [194] ein einziger Herr, sondern eine Mehrzahl von Berechtigten und Rechtsamen vorhanden war. Aus dem starken Auftreten dieser Gewerbe in den Urkunden gewinnt man unmittelbar einen Eindruck von ihrer Wichtigkeit für das Leben der Stadt; diese Zeugnisse zu vernehmen ist überdies von eigenem Reiz, wenn wir uns klar machen, daß bei allem Wechsel der einzelnen Form doch Art und Kraft des Betriebes im Wesentlichen dieselbe ist heute wie vor siebenhundert Jahren, daß an denselben Stellen und von dem im selben Kanal strömenden Wasser geregt die Räder gehen heute wie in den Tagen König Rudolfs.

Jedenfalls ist diese ganze Wasserwelt älter als die Stadt, und auch die Anwendung ihrer Kraft wird in die Zeiten vor der Gründung zurückreichen. Die Flößerei sowohl, von der gelegentlich die Rede ist, als auch der Betrieb von Sägen, Mühlen, Schleifen usw. Denn es verdient Beachtung, daß die ältesten Gewerbe dieser Art (Holzmühle, Mühle zu Allen Winden, Schleife, Brotmeisters Mühle) vor der Stadt im freien Lande liegen, die städtischen Gewerbe dagegen erst später auftreten.

Der Teich zu Allenwinden darf als der älteste Teich gelten; daß er ursprünglich in gerader Richtung, der frühesten Stadt vorbei, zum Rheine lief, ist als möglich schon erwähnt worden. Eine Ableitung von diesem ersten Teiche, oberhalb der Mühle zu Allenwinden, geschah durch Heinrich den Brotmeister. Er zog einen zwölf Fuß breiten Kanal durch die Wiesen nach dem untern Ende der Stadt; das war Brotmeisters Teich, später der krumme Teich genannt. Seine Bestimmung war zunächst die vor der Stadtmauer gelegene Mühle des Brotmeisters, die man die Schöne Mühle hieß; an seinem untern Laufe innerhalb der Stadt entstanden noch andere Mühlen, die wir gleichfalls in Heinrichs des Brotmeisters Besitz finden.

Die Rolle, welche dieser Mann unleugbar in der Geschichte des Kleinbasler Teiches spielt, wird nicht allein als Wirkung seiner Persönlichkeit zu nehmen, sondern auch mit seinem Amte in Verbindung zu bringen sein. Wie die Bäcker unterstanden die Müller seiner Jurisdiktion; von den Bäckern in Kleinbasel spricht das Brotmeisterweistum von 1256. Und so erklärt sich, daß in den lebensvollen Zeiten, die der Gründung folgten, ein energischer Inhaber dieses Amtes Anlaß genug fand, sich und seine Macht zur Geltung zu bringen. Wir sehen Heinrich den Brotmeister einen neuen Kanal anlegen, wir finden ihn als Besitzer mehrerer Mühlgewerbe; auch eine Gruppe von Ofenhäusern gehört ihm in derselben Gegend der Stadt. Vor der Ringmauer errichtete er an dem neuen Teich die Schöne Mühle, [195] neben ihr stand sein stattliches Steinhaus; der Teich ging weiter durch die untere Stadt dem Rheine zu.

Früh finden wir hier eine Teilung dieses Teiches; sie geschah außerhalb der Stadtmauer bei Brotmeisters Haus. 1268 ist von den zwei Teicharmen im Innern der Stadt bestimmt die Rede; aber schon 1262 scheint es sich um diese durch den Brotmeister veranstaltete Ableitung zu handeln.

Eine weitere Entwicklung brachte sodann das Kloster St. Clara. Die Nonnen wünschten sogleich nach ihrer Ansiedelung Teichwasser und Mühle zur Verfügung zu haben. Sie erwarben von Heinrichs des Brotmeisters Sohn Ulrich die Schöne Mühle samt dem Wasserrecht 1280; das Wasser leiteten sie in einem eigenen Kanal durch die Stadtmauer auf ihr Territorium und nahmen mit dem Wasser auch die Mühle selbst in die Stadt herein. Am Teichgäßlein finden wir seitdem die Schöne Mühle; der Wasserlauf, der sie trieb, ging durch den Klostergarten der Clarissen, dann durch die Stadt, bis er sich kurz vor der Ausmündung in den Rhein mit dem „erren“ (frühern) Teich wieder verband; er selbst hieß der „minre Tich“.

In solcher Weise gestaltete sich das Netz der Kanäle schon im dreizehnten Jahrhundert, wie es noch heute vor uns liegt. Aus den zahlreichen Gewerben, die an diesen Wassern begegnen, sind neben der Schönen Mühle namhaft zu machen die Mühle des von Öschgen, die Mühle Brotmeisters an der Ochsengasse und die zur Katharinenkapelle in Bischof Bertholds Hof auf Burg gehörende Höll- und Drachenmühle, ferner am untern Lauf in der Nähe des Rheines der Komplex von drei Mühlen und einer Säge, der sich 1270 im Besitze des überall mächtigen Heinrich Brotmeister befand, sowie die Ziegelmühle; der Name der letztern ist aus der Bauart zu erklären, die sie vor ihrer hölzernen Nachbarschaft auszeichnete.


Weltlicher Herr der Stadt war der Basler Bischof, Grundherr der Prior von St. Alban.

Indessen dürfen wir uns diese Grundherrschaft nicht als eine ausschließliche vorstellen. So zahlreich auch allenthalben in der Stadt und draußen im Felde Eigentum des Klosters begegnet, ist es doch nicht das einzige. Vor allem erscheint als Grundeigentümer auch der Bischof selbst und das Domstift. Diese haben ihr Eigen jedenfalls nicht erst nach der Gründung der Stadt erworben, sondern besitzen es schon von früher her. Andere Grundeigentümer neben St. Alban, die wiederholt genannt werden, mögen zum größeren Teil ihr Eigen erst bei der Gründung sich verschafft [196] haben; aber bei Einzelnen ist auch ein Besitz aus der alten, noch nicht städtischen Zeit denkbar.

Mit diesen Vorbehalten hat St. Alban als Grundherr in Kleinbasel zu gelten; das Recht war erheblich genug, und eine bemerkenswerte Einzelheit ist jedenfalls, daß der Hof des Stadtherrn selbst, der bischöfliche Hof, auf Grund und Boden von St. Alban gelegen war. Der Bischof hatte dafür dem Kloster jährlich von Eigenschaft wegen zu zinsen. 1284 wird dieser Bischofshof, der zwischen St. Theodor und dem Rheine lag, zum ersten Male erwähnt; 1294 erweiterte ihn Bischof Peter, indem er den anstoßenden Hof des Ritters Mathis Rich um hundert Mark kaufte.

Die hoheitlichen Rechte des Bischofs finden mannigfache Bezeugung: Er hat Recht und Gerichtsbarkeit in Kleinbasel bis zur Mitte des Rheins und der Brücke, unter Vorbehalt des dem Großbasler Schultheißen hier zustehenden „Ufergerichts“.

Er spricht von der Stadt Kleinbasel als seiner Stadt, von seinem Schultheiß, seinem Rat, seinen Bürgern.

Er gewährt allen diesen Bürgern seinen Schutz.

Er nennt sein jus advocaticium, sein Vogteirecht, als Quelle des Anspruchs auf Steuer und Wachdienst.

Er ermuntert gelegentlich zu Ansiedlung und Hausbau durch Befreiung von aller Steuer bis zum Betrage von fünf Schillingen und Befreiung vom Wachdienst.

Er belohnt die Arbeit der Bürger an den Stadtmauern durch Ermäßigung der jährlichen Steuer.

Er gibt den Bürgern einen Schultheiß.

Er hat die Rechte des Bannweins und des Fuhrweins wie in Großbasel.

Sein Beamter der Brotmeister hat Aufsicht und Gerichtsbarkeit über die Bäcker.

In Betreff der Steuergewalt ist noch Einiges zu sagen. Die sogenannte Handfeste wurde den Bürgern Kleinbasels zuerst durch Bischof Heinrich von Neuenburg erteilt, am 25. August 1274, und sodann von jedem seiner Nachfolger erneuert. Ihr Inhalt ist lediglich die Zusage, daß das Gewerf nicht mehr als vierzig Pfund betragen solle; seit Heinrich von Isny kam hiezu noch die Gewährung, als Schultheißen nur einen in Kleinbasel seßhaften Mann zu ernennen. Dieses Gewerf war dem alten Großbasler Gewerf nicht gleich, es heißt gelegentlich auch Steuer und stellt sich dar als eine normale, jährlich wiederkehrende, dem Bischof als dem Stadtherrn zu entrichtende Contribution der Bürgerschaft.

[197] Von dieser Steuer verschieden war der Burgrechtszins, der ebenfalls an den Bischof entrichtet wurde. Er wird nur einmal ausdrücklich erwähnt, zum Jahre 1297: zwei Eimeldinger verleihen ein Haus am Teich in Kleinbasel, das ihr Eigen ist, zu Erbrecht; sie behalten sich aber eine Stube in diesem Hause vor jeweilen für die Zeit, da sie zur „Leistung des Burgrechts“ in die Stadt kommen müssen. An diesen Burgrechtszins ist wohl auch zu denken bei der Abgabe von fünf Schillingen, über die hinaus das Kloster St. Blasien bei seiner Niederlassung 1256 steuerfrei erklärt wird. Und da die Stadt nicht auf bischöflichem Boden, sondern im Territorium des Klosters St. Alban gegründet worden ist, so kann dieser Burgrechtszins, den der Bischof erhält, nicht als ein Zins für Ueberlassung von Grund und Boden gelten. Er hat öffentlich rechtlichen Charakter, er ist eine Abgabe für den Schutz des Stadtherrn und wird entrichtet von zu Burgrecht besessenen Hofstätten. Er ist somit dem Martinszins der größern Stadt entsprechend.

Sodann die Gerichtshoheit des Bischofs. Ueber die hohe Gerichtsbarkeit zunächst schweigen die Quellen. Es handelt sich bei ihnen um eine Zeit, in der die alte Vogtei schon beseitigt und die Vogtei Ministerialen übergeben war. Vielleicht stand diesen auch die Handhabung der Hochgerichtsrechte in Kleinbasel zu. Vielleicht aber ließ es der Bischof in dieser rechtsrheinischen Herrschaft nach dem Untergang der alten Vogtei überhaupt nicht mehr zu einer solchen kommen, sondern nahm die Ausübung dieser Gerichtsbarkeit in seine eigene Hand. Die Tatsache, daß der Schultheiß in Kleinbasel sofort auch über Eigen Richter ist, die gesamte zivilrechtliche Zuständigkeit besitzt, läßt allerdings auf ein Fehlen des Vogts schließen. Von dessen Obliegenheiten würde sich dann der Bischof nur die Kriminalgerichtsbarkeit vorbehalten haben.

Deutlicher tritt uns der Schultheiß entgegen. Er ist sowohl Regierungs- als Gerichtsbeamter des Bischofs und dessen Vertreter in Kleinbasel.

Hier ist vorerst von ihm als Richter zu reden. Als solcher hauptsächlich erscheint er. Anfangs er allein. Nur er stellt die Gerichtsurkunden aus, nur er besiegelt sie. Aber das Vorhandensein einer Gerichtsgemeinde neben ihm, das Urteilen durch diese wird mehrfach bezeugt.

Seit Ende der 1270er Jahre aber zeigt sich an der Seite des Schultheißen ein ständiges Urteilerkollegium: der Rat von Kleinbasel. Er kommt von der Seite der Administration her, seine Tätigkeit als Gemeinderat ist die ursprüngliche; neben dieser amtet er nun auch als Gerichtsorgan. Sowie er als solches hier neben dem Richter auftritt und mit diesem die [198] Urkunden ausstellt, verschwindet dessen persönliches Siegel, und die Beglaubigung geschieht fortan durch das Siegel der Gemeinde.

Diese Mitwirkung des Rates als Gericht läßt sich verfolgen bis ans Ende der uns beschäftigenden Periode. In der Folge, schon mit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, scheidet dann der Rat wieder aus, als Urteilerkollegium funktioniert wohl nur noch ein Ausschuß des Rates; er nimmt auch nicht mehr an der Ausstellung der Urkunden teil, und ihre Besiegelung geschieht wieder durch den Schultheißen allein.

Wie beim Großbasler Stadtgericht ist auch die Tätigkeit des Gerichtes von Kleinbasel sehr ungenügend und einseitig überliefert. Wir besitzen einen einzigen Prozeßentscheid; alles andere sind Gerichtsurkunden über Verkauf, Gabe und Leihung, und auch bei diesen können, wie bei denen des Großbasler Gerichts, die Fälle der solennen Gerichtshandlung von andern unterschieden werden, die lediglich eine beurkundende Tätigkeit des Ratgerichtes zeigen.

Welcher Art aber war die Zuständigkeit?

Der Gerichtssprengel beschränkte sich keineswegs auf das ummauerte Stadtgebiet. Was sonst etwa bei Marktansiedlungen gelten mochte, galt hier nicht. Wir haben es hier nicht mit einer gewöhnlichen Marktansiedlung zu tun; der Markt wird noch in keiner Weise erwähnt; er kam erst 1285 hinzu, als Kleinbasel schon seit Jahrzehnten bestand. Dieses Kleinbasel ist eine Herrschaft, deren Kern und Hauptinhalt allerdings die im Zusammenhang mit dem Brückenbau gegründete Stadt ist; aber ihr Gebiet reicht über die Stadt hinaus, und für dessen rechtliche Natur kommt in Betracht, daß die Exemtion vom Gau nur unvollkommen durchgeführt ist. Wir begegnen einem Mangel an Schärfe der Distinktion, an Bestimmtheit der Ausscheidung, der überrascht.

Zwar darauf ist weniger Gewicht zu legen, daß zunächst das Landrecht noch Geltung behalten hat. Gelegentlich allerdings wird bezeugt, daß am Kleinbasler Gericht nach dem Rechte von (Groß-)Basel verfahren werde; aber 1301 widmen ein Kleinbasler Bürger und seine Frau sich ihr Gut vor dem Schultheißen daselbst nach Breisgauer Landrecht. Und auch an die Verschiedenheit im Erbrechte der Töchter, die zwischen Großbasel und Kleinbasel bestand, ist hiebei zu erinnern; in Kleinbasel waren die Töchter von der väterlichen Erbschaft ausgeschlossen, wenigstens soweit sie aus Liegenschaften bestand.

Wohl aber wird Kleinbasel 1265 bei Anlaß einer gerichtlichen Fertigung ausdrücklich zum districtus Briscaugie, zum Breisgauer Gebiet gerechnet; [199] und auch andre Zeugnisse dieser Zeit sowie spätere Tatsachen weisen darauf hin, daß zwischen der Stadt und ihrem Hinterlande Zusammenhänge bestanden, die über die Gemeinsamkeit von Rechtssätzen hinausgingen und formeller Natur waren.

In solcher Weise erklärt sich nun die Ausdehnung der örtlichen Kompetenz beim Schultheißengericht Kleinbasels. Auch wo nicht nur eine bloße Beurkundung, sondern ein eigentlicher Gerichtsakt stattfindet, kann es sich vor diesem Gericht um Güter irgendwo im Breisgau draußen handeln, wenn eine der Parteien zur Stadt gehört; aber es finden sich auch Fälle, wie der, da ein Großbasler Güter in Tannenkirch an einen Neuenburger verkauft und vor dem Schultheißen in Kleinbasel fertigt.

Auch die sachlichen Kompetenzen sind sehr weite. Der Schultheiß erscheint als zuständig für das ganze Zivilrecht. Nicht nur die Leihe, sondern auch die gerichtliche Auflassung von Grundeigentum geschieht vor ihm. Kauf, Tausch, Verpfändung, Schenkung, Gabe zu Leibgeding, Alles vollzieht sich hier; und daß der Schultheiß auch zuständig war bei Klagen um Eigen, zeigt sein Urteil im Prozeß der Klöster Beinwil und Wettingen über den Senftelin'schen Nachlaß. Der Vollständigkeit wegen sei auch eine gerichtliche Kundschaft über Rechte am Wasser des Teichs 1294 erwähnt.

Der Schultheiß wurde durch den Bischof ernannt. Der Erste, den wir an diesem Amte finden, scheint ein Fremder gewesen zu sein, wohl ein von auswärts in die Stadt Gekommener; er trug den hier ungebräuchlichen Namen Siegfried. Seine Nachfolger wurden aus dem Kleinbasler Rittergeschlechte der Geisriebe genommen: Konrad 1265—1273 und Ulrich 1275, 1276. Nach des Letztern Abgang scheint der Bischof an die Wahl eines Großbaslers gedacht zu haben, des Ritters Niklaus von Titensheim; er sicherte aber der Gemeinde Kleinbasel zu, daß der Gewählte bei ihnen Wohnung nehmen werde. Dies geschah 1277, und eine Zusage solcher Art kehrt von da an in den Handfesten immer wieder. Auf Titensheim folgte Johann Macerel, der ebenfalls Großbasler war. Doch saßen statt dieser beiden Herren meist eingeborne Unterschultheißen dem Gerichte vor: Peter Senftelin, Werner Vogt von Brombach, Konrad Fleisch, Konrad Böller, Heinrich Meier von Hüningen.

Außer Diesen wird im dreizehnten Jahrhundert nur ein Gerichtsbeamter erwähnt, der unter dem Schultheißen stehende Amtmann, minister. [200] Vor Betrachtung der Stadtgemeinde ist hier noch eine Instanz zu erwähnen, die gleich dem Bischof in die Frühzeit des Ortes zurückreicht und neben ihm lange Zeit die einzige Autorität war: das Kloster St. Alban. Sein Prior war Patron der Stadtkirche und zur gleichen Zeit Grundherr. Den Umfang und Wert dieser Grundherrschaft zeigt uns in zusammenfassender Weise kein Zeugnis; der St. Albaner Zinsrotel 1284 gibt nur Vereinzeltes aus dem Bilde. Dessen Ergänzung bilden die gleichfalls nur Vereinzeltes berührenden Urkunden. Aber auch so, welcher Reichtum an Recht und Macht tritt uns entgegen! Durch das ganze Gebiet innerhalb wie außerhalb der Stadtmauern stoßen wir auf Klostergut von St. Alban; es sind Häuser und noch offene Hofstätten, Gärten, Mühlgewerbe in der Stadt, Aecker, Matten, Rebgelände draußen. Das Organ für Handhabung aller dieser Rechtsame war das officium villicationis, das Meieramt von St. Alban. Daß dieser Meier am alten Sitze der Grundherrschaft, im Dorf Niederbasel, eine Gerichtsbarkeit geübt habe, ist möglich. Aber die Urkunden lassen nichts hievon erkennen; sie reden nur von den Zuständen der Stadt. Eine solche Meiergerichtsbarkeit würde ursprünglich im ganzen Gebiete der Grundherrschaft bestanden haben, nach Gründung der Stadt aber durch Stadtrecht und Stadtgericht auf einen kleinen Bezirk beim Dorf zurückgedrängt worden sein. Wie aber mit der Zeit das Dorf in der Stadt aufging, so wird auch der Schultheiß eine solche Hofgerichtsbarkeit des Meiers, sofern sie bestand, in sich aufgenommen haben. Uns zeigt sich der Meier lediglich als Verwaltungsbeamter des Priors; er hat die Aufsicht über die ausgeliehenen Klostergüter, nimmt die Zinsen ein, wirkt bei Veräußerungen mit. Das Letztere geschieht meist in der Weise, daß Gabe und Fertigung direkt durch den Veräußerer „mit des Meiers Hand“ geschieht; nur vereinzelt findet sich der Modus der gewöhnlichen Erbleihe, wobei der Verkäufer sein Erbrecht an den Meier aufgibt und dieser es dem Käufer leiht. Der frühest genannte dieser Klostermeier ist Johann 1265; dann folgen von 1275 bis ans Ende des Jahrhunderts zwei Angehörige des Kleinbasler Bürgergeschlechtes Böller, erst Heinrich, dann Konrad, die Beide auch im Rate der Stadt saßen.


Der Schultheiß war nicht allein Richter, sondern auch erster Beamter des Bischofs für die Verwaltung der Herrschaft Kleinbasel. Zu Beginn jedenfalls er allein. Erst später zeigt sich auch ein Rat.

Das Wichtigste für uns ist aber nicht die Entstehung dieses Rates, sondern das Hervortreten der Gemeinde als einer selbständig [201] handelnden und berechtigten Korporation. Es geschieht dies in den 1250er Jahren; es ist die Zeit, die auch den Zustand Großbasels mächtig förderte.

Die erste Regung der Kleinbasler Gemeinde zeigt sich beim Bau der Niklauskapelle 1255. Denn die Initiative zu diesem Bau ist sicherlich nicht allein vom Kirchherrn ausgegangen, sondern die Bewohner des Städtleins selbst haben ein Gotteshaus an einer ihnen passenden Stelle verlangt, und die prudentes, die Weisen, auf deren Rat der Dompropst handelte, dürfen als ein Ausschuß der Gemeinde gelten. Deutlicher zeigt sich die Gemeinde im folgenden Jahre 1256, wo bei der Ansiedelung des Klosters St. Blasien von den Leistungen die Rede ist, die durch die Bürgerschaft können gefordert werden. Eigene Rechte der Gemeinde stehen hier neben denen des Stadtherrn. Auf solcher Grundlage entwickeln sich nun Leben und Befugnis der Bürgerschaft weiter. Es ist bezeichnend, wie sie 1278 in der Angelegenheit der Klingentaler Stadtmauer zwar neben dem Bischof handelt, doch ihn das Wort führen läßt, 1287 aber gegenüber St. Clara, wiederum bei einer Stadtmauersache, ganz frei vorgeht; die Bürger haben die Wand gebrochen, die durch die Nonnen wider Recht ist errichtet worden, und sie sind es, die sich nun mit ihnen vergleichen, nur nebenbei unter Vorbehalt bischöflicher Rechtsame. An der Befestigung der Stadt, im Bau des Mauerrings, in der Aufwendung von Geld und schwerer körperlicher Arbeit für dies Werk, das den Flecken zur Stadt machte, haben die Bürger sich recht eigentlich emporgebracht. Nicht daß sie durch solche Leistungen eine Ermäßigung der Steuer erzielten, ist das Wesentliche, sondern daß sie ein Zusammenhandeln übten, eine tätige bewußte Gemeinschaft darstellten, die Ansiedelung als ihre Burg aus dem offenen Lande heraushoben und sie als ihnen dienend und gehörend schlossen.

Um dieselbe Zeit tritt nun auch ein Rat als Behörde dieser Gemeinde neben dem Schultheiß auf. Er kann allerdings schon früher entstanden sein; die urkundliche Bezeugung ist eine zufällige. Jedenfalls aber war die Erstarkung des Gemeindewesens, die sich im Rat aussprach, unmittelbar wirksam auch auf die Stellung des Schultheißen. Sie brachte diesem die Wichtigkeit der städtischen Interessen zum Bewußtsein und bewog ihn, diesen Interessen zu dienen; er wurde allmählich, nicht rechtlich, aber tatsächlich, aus einem Beamten der Stadtherrschaft ein städtischer Beamter. Daher in eben dieser Zeit, 1277, die von der Gemeinde geforderte Zusage des Bischofs über Ansäßigkeit des Schultheißen in ihrer Mitte, „dur daz si deste baz verrihtet werden an allen dingen.“

[202] Mit dem Rate zeigt sich uns aber auch ein Siegel der Bürgerschaft von Kleinbasel, zum ersten Mal 1278.

Als Verwaltungsbehörde wird dieser Rat freilich selten erwähnt. Um so häufiger bei Gerichtsgeschäften. Denn nur diese geben zu Urkunden Anlaß. Aber auch die spärliche Bezeugung reicht hin, um den raschen und weiten Gang dieser Entwickelung zu zeigen. 1289 erwerben Schultheiß und Rat ein neues Rathaus in Ersatz des bisher gebrauchten; 1298 treffen sie ein Abkommen mit St. Clara wegen eines Baues an der Stadtmauer; ihr Verkommnis mit Laufenburg 1296, daß die Angehörigen beider Städte einander nur vor dem ordentlichen Richter suchen sollen, beweist, daß das selbständige Gebahren der Gemeinde auch außerhalb Geltung hat.

Die Ratslisten, die gelegentlich in den Urkunden des Schultheißen mitgeteilt werden, geben einen Einblick in Bestand und Umfang der Behörde. Anfangs scheint der Rat sechs Mitglieder gehabt zu haben; seit Ende der 1280er Jahre waren es zwölf Ratsherren.

Den Schultheiß setzte der Bischof. Nirgends ist zu ersehen, wer den Rat gewählt habe. Aber es ist dies auch nicht sehr wesentlich. An einen Gegensatz zwischen Bischof und städtischem Rat, wie ihn die Geschichte Großbasels zeigt, ist hier nicht zu denken. Bei aller Ausbildung von Gemeindeleben und Gemeindegefühl kommen doch nicht Herrschaftsrechte in Frage. Die Stadt bleibt eine Stadt ihres Herrn, und ihre Entwicklung beschränkt sich auf das Gebiet kommunaler Befugnisse.

Eine solche Auffassung gibt nun auch dem berühmten Königsbriefe Rudolfs sein Recht, dem Privileg, das er am 29. Oktober 1285 dem Bischof Heinrich für Kleinbasel erteilte. Indem der König diese Stadt begabte, erwies er dem Bischof eine Gunst und Gnade. Er wollte nur dies tun; sowenig er in seiner allgemeinen Politik ein Freund der Städte war, seine eigenen Herrschaftsstädte zumal streng darniederhielt, so wenig war hier seine Meinung, den Kleinbaslern etwas Gutes zu tun. Was sie erhielten, ward ihnen, weil sie des Bischofs waren.

Daher wahrte der König ausdrücklich die bischöflichen Rechte über Kleinbasel, wie sie sich vor allem in Steuern, Abgaben und Kriegsdiensten äußerten. Nur unter dem Vorbehalt dieser Rechte und mit der bestimmt ausgesprochenen Voraussetzung, daß die Bürger diese Pflichten gegen ihren Herrn erfüllen, befreite er Kleinbasel d. h. er erteilte den Bürgern die Rechte und Freiheiten, deren die Reichsstadt Colmar genoß, und verlieh einen Wochenmarkt (am Donnerstag) mit des Reiches Schutz und den Marktfreiheiten für Alle, die zu Kauf und Verkauf diesen Markt besuchen würden.

[203] Diese Erweisung ist nichts Vereinzeltes. Sie fügt sich ein in eine Reihe gleichartiger Privilegien, die König Rudolf im Laufe der 1280er Jahre zahlreichen Städtlein geistlicher und weltlicher Herren auf Bitte der Letztern zu Teil werden ließ. Die Befreiung mit dem Rechte einer nahen Reichsstadt und die Verleihung eines Marktes kehrt hier immer wieder, bei Pruntrut, bei Sulz, bei Ravensburg, Wangen, Memmingen, Kaufbeuren, Bergzabern, Veldenz usw. Es ist stets Dasselbe. Wenn dabei der König gelegentlich sagt, daß er die Freiheiten erteile, mit denen Kaiser und Könige neue Festen, novas munitiones, zu freien pflegten, so kann dies auch bei Kleinbasel zutreffen.

Hinsichtlich der Rechte und Freiheiten Colmars, die jetzt Kleinbasel gegeben wurden, ist kaum an das ganze Recht Colmars, zumal das Privatrecht zu denken. Vielmehr zeigt eine Rechtsbelehrung, die der Rat von Colmar den Baslern 1340 hierüber erteilte, um welche Rechtssätze es sich hauptsächlich handelte: ein Bürger, der stirbt, soll ausschließlich durch seine Nächsten beerbt werden, d. h. herrschaftliche Ansprüche auf Sterbfall und Besthaupt sollen nicht bestehen; Keiner kann mit dem Zeugnis eines Solchen überführt werden, der nicht seines Gleichen ist; Herrschaftsleute, die in die Stadt ziehen und während Jahr und Tag von ihren Herren nicht zurückgefordert sind, werden ihrer früheren Pflichten frei und Bürger der Stadt. Der letzte Satz enthält das Wichtigste. Eine Gründungsstadt wie Kleinbasel sah sich auf Freiheit und Leichtigkeit der Zuwanderung angewiesen, und es kann nur auffallen, daß diese Vergünstigung, die schon im Freiburger Gründungsstatut enthalten ist, ihr nicht schon früher zu Teil wurde. Sie war wohl unterblieben aus Rücksicht auf benachbarte Herrschaften, und solche Rücksichten bewogen auch jetzt noch zu einer Einschränkung der Rechte: Leute der Herzoge Albrecht und Rudolf von Oesterreich und des edeln Herrn von Röteln sollten nur nach bisherigem Recht aufgenommen werden, d. h. ihre Herren sollten sie jederzeit zurückfordern können. Soweit es sich hiebei um Oesterreicher Hörige handelte, war diese Bestimmung das Gegenrecht zu der durch Rudolf im Jahre zuvor, 1284, dem Bischof gegebenen Zusicherung hinsichtlich der österreichischen Stadt Delle und der Hörigen der Basler Kirche.

Die Verleihung des Donnerstagsmarktes brachte der Stadt ohne Zweifel erheblichen Vorteil. Doch fiel Dasjenige, was sonst bei Marktgründungen an rechtlicher Gestaltung zu beobachten ist, hier wohl weg, wo eine schon fertige Stadt den Markt erhielt. Die Wirkung konnte in der Hauptsache nur eine wirtschaftliche sein.

[204] In solcher Weise war das Recht Kleinbasels gestaltet.

Als Centrum des öffentlichen Lebens galt der Brückeneingang. Hier befand sich eine Straßenkreuzung, die für Marktzwecke den Raum bieten konnte, da ein eigentlicher Marktplatz nicht vorhanden war. Hier stand die Niklauskapelle und ihr gegenüber, an der Ecke von Greifengasse und Unterer Rheingasse, das älteste Rathaus. Vor diesem waren die Fleischbänke, die Schol. In nächster Nähe dieses offiziellen Gebietes, meist auf altem St. Albanland, hatten die angesehenen Geschlechter, Knäblin, Vogt von Brombach, Senftelin, Fleisch, von Haltingen, von Embrach, ihre Häuser. Im Jahre 1289 verkauften Rat und Schultheiß ihr Rathaus an den Nachbar Peter Senftelin und erwarben als neues Rathaus das am Eingang der Rheinbrücke neben der Kapelle stehende Gebäude; an dieser Stelle blieb von da an das Kleinbasler Rathaus, später Richthaus genannt.

Von der Einwohnerschaft ist wenig zu sagen. Im Vergleiche mit Großbasel, dessen Rechtszustände nicht allein, sondern auch dessen Bewohner uns in überreich geformter Fülle entgegentreten, ist es hier eine recht kleine Welt, beschränkt im Umfang, einförmig in der Gestaltung.

Die Bevölkerung ist entstanden aus Bauern des Dorfes und aus den von links und rechts herkommenden Ansiedlern. Daher namentlich der Adel völlig fehlt. Neben den hier begüterten von Dachsfelden, Münch, Eptingen usw. ist er als angesessen nur vertreten durch das Geschlecht der Geisriebe, mit dem das zur selben Zeit einmal genannte Rittergeschlecht vom Obertor identisch gewesen zu sein scheint. Auch Kaufleute bedeutender Art sind hier nicht zu vermuten. Neben Krämerei und Landwirtschaft beschäftigte kleines Gewerbe die Einwohner. Bäcker, Müller, Schmiede, Keßler usw. saßen im Rate. Ebenso gehörten die Ziegler zu den Angesehenen. Ihr Gewerbe war eine Kleinbasler Spezialität; zwei Ziegelhöfe bestanden: der eine am obern Ende der Stadt, auf der heute Hatstätterhof genannten Liegenschaft, der andere an der Rheingasse (Nr. 61), und auf beiden wurde die Ziegelei durch die vielgenannte Familie von Hiltalingen betrieben. Böller, Lesser, Fleisch, Vogt von Brombach, Bögge, Reizo, Brotmeister, Senftelin, Sniz, von Embrach, von Wintersingen usw. hießen die Kleinbasler Familien, von denen in den Urkunden am meisten die Rede ist; aber auch der schöne Name Ermenrich begegnet uns unter ihnen, der gleich Elegast, ebenfalls einem Kleinbaslernamen, an die Welt der alten Heldensage anklingt. Daß diese Familien Eigen besaßen, ist aufs mannigfachste bezeugt. Und deutlich erwiesen auch das Vorhandensein unfreier Einwohner. Die Bestimmung des königlichen Privilegs von 1285 über [205] die Reklamation leibeigener Zuwanderer durch ihre Herrn schuf ein neues Recht nur insofern, als sie eine Frist hiefür statuierte; so gut unter der Herrschaft dieses Rechtes Unfreie in der Stadt bleiben konnten, wenn sie sich zu ihrem Herrn bekannten und von ihm belassen wurden, so gut hatte dies früher geschehen mögen. Ein lehrreiches Beispiel eines solchen Unfreien ist Peter Senftelin, der als Leibeigener des Klosters Beinwil nach Kleinbasel kam, hier eine Bäckerei betrieb, zu Reichtum und Ansehen kam, Liegenschaften besaß, Bürger wurde, in den Rat gewählt wurde, den Schultheiß vertrat. Alles dies als ein Eigenmann der Mönche von Beinwil. Erst gegen Ende seines Lebens, 1293, ließ ihn das Kloster frei.

Bürger von Kleinbasel werden als solche ausdrücklich bezeichnet zuerst im Jahre 1270. Die Urkunden lehren, daß, während in Großbasel freies Eigen Voraussetzung des Bürgerrechtes war, hier schon der Besitz eines Zinseigens genügte. Auch hierin spricht sich wieder die schwächere und dürftige Art dieses ganzen Zustandes aus.

Wie hiebei das Fehlen des Adels und einer stattlichen Kaufmannschaft den Maßstab verschieben konnte, zeigt eine kleine Aeußerlichkeit im Urkundenstil der Gerichtsurkunden; da wird der Titel „Herr“, der sonst nur Rittern und Geistlichen zukam, freigebig Jedem verliehen, der im Städtchen bekannt war und Macht hatte. Auch Großbasler, die zu Hause niemals Herren hießen, konnten zu dieser Auszeichnung gelangen, sobald sie auf das rechte Ufer und in Geschäften vor Rat kamen.

Diese ganze Welt steht beständig unter der Einwirkung der ältern, größern, mächtigern Stadt. Schon daß der Herr beider Städte derselbe Bischof ist, hat Einfluß; aber auch der städtische Rat von Großbasel greift in mannigfachster Weise herüber. Als Grundbesitzer: er macht Rechte geltend an den Ziegelacker, und schon früh erwirbt er das dem Kleinbasler Rathaus gegenüber gelegene Haus an der Brücke. Er nennt die Klingentaler Nonnen seine Bürgerinnen und sichert ihnen Schutz zu. Daß er später sein Mühleungeld auch in Kleinbasel erhebt, daß seine Bannmeile auf dem rechten Ufer bis an die Wiese und die Holzmühle reicht, mag altes Recht wiedergeben; und auf einen Zusammenhang weist auch die Besiegelung von Kleinbasler Kaufbriefen oder des bischöflichen Niederlassungsprivilegs für St. Blasien durch Bürgermeister und Rat der größern Stadt.

Es handelt sich hiebei um Verhältnisse, die an sich nicht verwunderlich sind; vielmehr müßte ihr Fehlen befremden. Denn neben diesen offiziellen, aber vereinzelten Beziehungen steht ein beständig vorhandenes und sehr mannigfaltiges Zusammenleben beider Städte in wirtschaftlichen [206] und persönlichen Dingen vor uns. Zahlreiche Großbasler haben Grundeigen in der kleinen Stadt; zum Domstift und den Klöstern St. Alban, St. Clara, Steinen usw. gesellen sich da Reinbold von Eptingen, Dietrich Münzmeister, Johann von Arguel, Jakob Zebel, der vielgenannte Liegenschaftsbesitzer Wetzel Keller, Hug zur Sunnen usw. usw. Was uns dann die Urkunden als äußerliche Folge hievon zeigen, die Anwesenheit von Großbaslern im Kleinbasler Gericht, ist nur ein Vereinzeltes aus dem Unzählbaren, das Bestand und Leben beider Städte miteinander verflicht. Familien Großbasels wandern hinüber und schlagen drüben Wurzel, so die Brotmeister; so ist auch Gerung zum Roten Hause zu nennen, den die Frauen von St. Clara bei ihrer Uebersiedelung mitgezogen haben. Wie dann nach dem Abgang der Geisriebe die Großbasler Herrengeschlechter von Titensheim und Macerel, später die von Bärenfels, sich der Schultheißenwürde der kleinen Stadt zu bemächtigen verstehen, ist ein Schritt weiter in der Entwickelung, die ihr natürliches Ziel zuletzt in der Vereinigung der beiden Städte hat.

So kurz der Zeitraum der Geschichte Kleinbasels ist, um dessen Schilderung es sich hier handelt, zeigt er doch das Schauspiel einer Entwickelung. Ruhig und ohne Stolz folgen sich die Zustände. In der Verfassung, im Baulichen. Daß 1284 die Säge des Heinrich Zeisse durch eine Mühle ersetzt wird, ist Zeichen von Kulturänderung; und so ist auch bemerkenswert, wie sich im Klösterlichen die Schichten ablösen: nach St. Alban, dem Kloster der ersten Zeit, treten zunächst Wettingen und St. Blasien, dann die Frauenklöster Klingental und St. Clara als neue Elemente der Kleinbasler Geschichte hervor.


Für die Stellung des Klerus in Kleinbasel war von Bedeutung, daß dieses Herrschaftsgebiet des Basler Bischofs außerhalb seines kirchlichen Amtssprengels gelegen war. Der Rhein schied die Diöcesen Basel und Konstanz; zur letztern gehörte Kleinbasel. Die Vielheit der auf diesem engen Raume gedrängt nebeneinander geltenden und waltenden Befugnisse wurde hiedurch noch vermehrt, und in der Geschichte der sämtlichen kirchlichen Institute Kleinbasels begegnet man immer wieder, über alle sonst bestehenden Rechte hinweg, diesem obersten geistlichen Regimente.

Das Aelteste von Kleinbasel war die Kirche St. Theodor, die als Eigenkirche des Grundherrn, nämlich des Bischofs von Basel, in die Geschichte eintritt. Ob dieser sie gestiftet oder als schon vorhanden mit dem Lande erworben hatte, ist unbekannt; er schenkte sie, samt ihrem Zubehör, [207] im elften Jahrhundert dem Kloster St. Alban. Diese Schenkung, die den Propst von St. Alban zum Kleinbasler Grundherrn machte, machte ihn auch zum Kirchenpatron.

Dieses Patronat blieb beim Kloster bis zum Jahre 1259, wo es bei Erledigung des Großbasler Parochiestreites als Entschädigung an das Domkapitel abgetreten werden mußte. 1265 sodann erwarb der Bischof sein altes Recht wieder zurück, indem er dafür dem Domkapitel tauschweise den Kirchensatz zu Laufen gab. Doch scheint dieser Tausch nicht völlig durchgeführt worden zu sein. Bischof und Domkapitel erscheinen in der Folge, bis 1314, als gemeinsame Inhaber des Patronats von St. Theodor; Bischof Heinrich von Isny versuchte ohne Erfolg, St. Theodor den Clarissen zu verschaffen und das Domkapitel mit einer andern Kirche abzufinden.

Als Träger des Pfarramtes bei St. Theodor wird 1237 und 1241 der Chorherr und Dekan Konrad von St. Peter genannt; seit dem Erwerb der Kirche durch das Domkapitel ging die Würde in diesem Kollegium von Hand zu Hand: der Dompropst Heinrich von Veseneck war schon vorher, 1255, Kirchherr gewesen; in der Folge hatten der Archidiakon Peter Reich, dann der Domherr Wilhelm das Amt inne. Aber die Pfarrgeschäfte selbst wurden von diesen Herren kaum je besorgt. Dafür hatten sie ihre Stellvertreter, die Vikare; 1277 wird ein solcher genannt: der Priester Rüdeger.

Mit diesen wenigen Mitteilungen über Recht und Organisation erschöpft sich die alte Geschichte von St. Theodor. Wie alle Pfarrkirchen, hat auch diese nur wenig urkundliche Bezeugungen hinterlassen. Einmal ist von ihrem Kirchengut die Rede, bei der Ausstattung der Niklauskapelle 1255, wozu dieses Kirchengut herangezogen wurde. 1277 und 1300 erhielt sie Ablässe; als ihr Kirchweihtag galt der Sonntag nach Ostern.

St. Theodor, die alte Kirche des Dorfes, wurde nach Gründung der Stadt Kleinbasel deren Gemeindekirche, ihr Kirchhof der städtische Kirchhof. Aber noch 1277 lag sie außerhalb der Stadt, vor den Mauern.

Die Nachteile dieses Zustandes waren erheblich. Seelsorge und Kirchenbesuch litten immer mehr unter ihm, je stärker sich die neue Stadt mit Menschen füllte. Daher schon um die Mitte des Jahrhunderts Abhilfe getroffen werden mußte. Es geschah dies durch Errichtung eines zweiten Gotteshauses, der St. Niklauskapelle, durch den Pfarrer von St. Theodor, mit Einwilligung seiner Patrone, nämlich des Propsts und Konvents von St. Alban, sowie des Diöcesans.

Diese Kapelle erhielt ihren Platz neben dem Eingang der Rheinbrücke; vielleicht hatte St. Niklaus, der Patron der Schiffahrer, schon in der alten [208] brückenlosen Zeit an dieser Stelle Verehrung genossen. Die Kapelle war kirchlich jedoch nicht selbständig, sondern eine Filiale von St. Theodor; auch mußte sie durch die Geistlichen dieser Kirche versehen werden, da sie noch keine Priesterpfründe besaß. Aber was sie auszeichnete, war eine Art officiellen Charakters. Sie lag im Herzen der Stadt, dem Rathause gegenüber; die gelegentliche Kunde von Rechtsgeschäften, die in ihr vorgenommen wurden, zeigt ihre Bedeutung. Auch sie erhielt im Jahre 1300 einen Ablaß.

Neben der Pfarrkirche und ihrer Filiale machten sich in Kleinbasel auch Klöster geltend. Aber auf eigene Weise.

An ihrer Spitze dasjenige Kloster, das Grundherr war: St. Alban. Seine Wirkung auf das Leben des Ortes ist eine ganz und gar äußerliche, geschäftliche, wirtschaftliche. Es ist der Großgrundbesitzer der ersten Zeit, mit entscheidendem Einfluß auf die Gestaltung der Stadt und den frühesten Liegenschaftsverkehr. In der Folge hat es Bedeutung als Obereigentümer und Zinsherr; sein Vertreter bei allen diesen Geschäften und Wahrer seiner Rechte ist der Meier.

Aehnlicher Art ist die Stellung der beiden Klöster, die schon bald nach dem Entstehen der Stadt hier wichtig werden: Wettingen und St. Blasien. Auch sie sind Grundbesitzer, Gutsverwalter, Zinseinehmer; von einer geistlichen, geistigen Wirkung ihrer Anwesenheit ist nichts zu spüren.

Merkwürdig rasch haben die Cisterzienser von Wettingen, wenige Jahre nach der Gründung ihres Klosters schon, die neue Basler Rheinbrücke benützt, um sich auf dem rechten Rheinufer festzusetzen. Am frühesten, 1238, in Riehen. Während der folgenden Jahre in Weil, Inzlingen, Kirchen, Maulburg, Brombach. 1243 auch in Großbasel; hier erwarben sie das Bürgerrecht.

In Kleinbasel selbst findet sich die erste Spur einer Ansiedelung der Wettinger Mönche im Jahre 1251. Da erhielten sie vom Domstift eine „zum Mühlenbau geeignete“ Hofstatt geliehen. Schon 1262 spricht dann das Kloster von seinen Mühlen in Kleinbasel, die es dem Heinrich Brotmeister verkauft habe, und 1268 verkauft es demselben Brotmeister einen weitern Gewerbekomplex am Teich, in der Nähe des Rheines, nämlich drei Mühlen, eine Säge und ein Steinhaus. Von da an geben die Kleinbasler Besitzungen Wettingens wiederholt zu reden. Daß sie ein am Orte ständig anwesendes Verwaltungspersonal nötig machten, ist begreiflich; die Erwähnung des Kellers von Wettingen, des Bäckers von Wettingen, läßt auf eine solche organisierte Ansiedelung schließen. Doch wird ein Wettingerhof [209] noch nicht genannt; vielmehr scheint in dieser frühern Zeit die Hauptniederlassung der Klosterhof in Riehen gewesen zu sein. Aus den Kleinbasler Geschäften dieser rührigen Mönche mag hier nur noch beachtet werden, wie sie sich des schon erwähnten Peter Senftelin annehmen, da er alt, reich und kinderlos ist; wie sie ihn erst sein Haus neben dem weiten Keller, dann seine gesamte Habe dem Kloster vergaben lassen; wie sie in seine Leihen, erst der Domstiftgüter, dann der Arguelgüter, eintreten; wie sie ihn dazu bringen, auch dem Schwesternhaus im Dorfe Wettingen etwas Gutes zu schenken, nämlich die Reben in Istein; wie sie schließlich nach dem Tode Senftelins seine alten Beinwiler Herren, die sich übervorteilt sehen, vor Gericht besiegen, seine Nichte und seinen Neffen zum Verzicht auf alle Ansprüche bewegen.

Wie ruhig erscheint diesem Treiben gegenüber die Stellung, die St. Blasien im Bilde Kleinbasels einnimmt. Seine erste Beziehung zu dem Orte war seine Zahlung an den Bau der Rheinbrücke gewesen, die ihm die Freiheit vom Brückenzoll eingetragen hatte. Später wird es in den Urkunden dieser Stadt nur wenig genannt. Das eine Mal aber umso eindrücklicher. Es handelt sich um seine Erwerbung einer dem Kloster St. Alban gehörenden Liegenschaft 1256, derselben Liegenschaft, die von jenem Tage an der Hof des Klosters war und den Namen noch heute trägt. Damit verband sich eine Privilegierung seitens des Bischofs von Basel, die in erwünschtester Weise Aufschluß gibt über die Gesinnungen des Stadtherrn solchen Ansiedlern gegenüber und über die Mittel, mit denen er ihnen das Kommen und Bleiben leicht zu machen verstand. Das Kloster sollte mit Ausnahme einer jährlichen Gebühr von fünf Schillingen aller Steuern und Wachten frei sein; auch verhieß ihm der Bischof denselben Schirm, der den andern Bürgern der Stadt zu teil werde. Ueber diesen Bläsihof hinaus nun scheint das Kloster nach keinem weitern Besitz in Kleinbasel verlangt zu haben; hier hatte es sein Hospiz, sein Absteigequartier, hier auch den Sitz des Schaffners, der das St. Blasianische Baselamt verwaltete. Die schönen Besitzungen des Klosters in der Umgegend, bei Haltingen, Istein, Rheinweiler, Tüllingen, sowie im Wiesentale von Riehen aufwärts gehörten zu diesem Amte; als ihr Grundstock galt die große Schenkung des Walcho von Waldeck 1113, zu der auch Güter in Oberbasel gehört hatten; das ritterliche Wappen dieses Donators war noch Jahrhunderte lang im Bläsihof in Stein gehauen zu sehen.

Als das diesen Klöstern Gemeinsame ergibt sich, wie schon gesagt, daß sie selbst auswärts waren und in Kleinbasel nur Schaffner und Verwalter hatten.

[210] Ihren Hauskäufen folgten nun aber eigentliche Ansiedelungen von Klöstern.

Zunächst sind die Sackbrüder oder Bußbrüder zu nennen, eine den Augustinern verwandte Eremitenkongregation. Wir erfahren aber sehr wenig von ihnen. Ihr Kloster lag innerhalb der Stadtmauer, der von der Rheinbrücke herkommenden Straße gegenüber. 1268 erwarben sie zur Erweiterung einen anstoßenden Garten, zufolge Vergabung der Hedwig, Frau des Heinrich Brotmeister; 1273 gaben sie ihren Willen zur Niederlassung des Klosters Klingental. Schon zwei Jahre darauf traf ihren Orden die Aufhebung durch Papst Gregor X.; doch lebte das Kloster in Kleinbasel noch einige Jahre weiter, bis es 1279 durch Bischof Heinrich von Isny geschlossen wurde. Er steckte die Mönche in das Barfüßerkloster oder versorgte sie auf andere Weise; dem Provincial gab er die Propstei zu St. Leonhard.

In das leere Kloster aber führte er nun die Clarissen, die bis dahin in Großbasel vor Spalen gesessen waren. Was war dabei seine Absicht? Wenn er Kleinbasel, das doch seit einigen Jahren schon die Klingentaler Damen besaß, um ein zweites Kloster bereichern wollte, warum gab er ihm jetzt nicht einen männlichen Convent, der auf das Leben der Stadt ganz anders hätte einwirken können, als diese Frauen? Oder wollte er die Clarissen, die vor Spalen vielleicht dürftig untergebracht waren, besser stellen? Der Minorit in ihm war jedenfalls ihr Gönner, und unterstützt von seinem getreuen Hartung gedachte er ihnen zum Einzug in Kleinbasel geradezu auch die Kirche dieser Stadt, St. Theodor, zu geben. Aber er drang beim Domkapitel mit diesem Vorschlage nicht durch.

Das Clarissenkloster hatte in Großbasel das Bild einer vornehmen Körperschaft gezeigt. Dieser Charakter blieb ihm auch am neuen Orte. Seine Äbtissinnen tragen die edlen Namen von Wattweiler, von Tegerfelden, u. dgl.; unter den Nonnen finden wir neben Töchtern des Landadels auch solche aus den besten Ministerialengeschlechtern der Stadt, wie z. B. Anna und Verena, die Schwestern des Ritters Konrad Schaler.

Auch andere Beziehungen dauerten weiter. Jener Bürger Gerung zum Roten Hause, der den Barfüßern als Schaffner gedient hatte und in der gleichen Gesinnung auch den Clarissen vor Spalen stets beholfen gewesen war, scheint nun mit ihnen herübergekommen zu sein; er vertritt sie vor Gericht; zusammen mit ihrem Klosterschuster, dem Convers Konrad von Dießenhofen, besorgt er die Geschäfte der Frauen; er besitzt ein Steinhaus in Kleinbasel an der Rheinbrücke; eines der Törlein, die beim Clarakloster [211] durch die Stadtmauer gebrochen werden, heißt Herrn Gerungs Törlein; zuletzt vermacht er ihnen alle seine Habe.

Auch die Barfüßer behaupten ihre bisherige Stellung. Ihr Guardian heißt geistlicher Vater der Clarissen; er ist der Superior, ohne dessen Zustimmung sie nichts unternehmen.

Das Kloster der Sackbrüder wurde von den Nonnen nicht unverändert gelassen; 1280 ist von ihrem Bauen auf dieser Liegenschaft die Rede. Sie erwarben auch Land, zunächst solches, das unmittelbar vor ihrem Kloster, aber außerhalb der Stadtmauer lag. Hier dehnte sich der schon erwähnte Besitz des Heinrich Brotmeister und seiner Verwandten Zeisse und von Dachsfelden, bestehend aus einem Steinhause, aus Mühle und Scheune, umzäunten Gärten, Mattland, einem Weiher. Dies ansehnliche Gut ging nach und nach in die Hände der Klosterfrauen über; der letzte Erwerb war derjenige von fünf Jucharten Mattlandes 1285, aus denen dann der geschlossene Komplex der „Claramatte“ wurde. Aber Gebrauch und Bewirtschaftung waren nur möglich bei direkter Verbindung des Klosters mit diesem äußern Besitz; daher die verschiedenen Törlein, die von den Frauen in die Stadtmauer gebrochen wurden, ihre Ausbauten und Lauben, ihr Widerstand gegen den von der Stadt zwischen Kloster und Mauer beanspruchten Rondenweg; und noch komplizierter wurde der Zustand dadurch, daß St. Clara die Mühle von draußen hereinnahm und um ihretwillen einen neuen Teicharm anlegte, der durch die Mauer hereinfloß. Es bedurfte wiederholter Verträge zwischen Stadt und Kloster, 1287 und 1298, um alle diese Verhältnisse zu regeln.

Daneben geht in den Urkunden das übrige Liegenschaftsgeschäft des Klosters weiter. Seinen Besitz in Großbasel liquidierte es zum Teil und erwarb Häuser in Kleinbasel; namentlich aber erwarb es Auswärtiges in erheblicher Menge, freilich nicht wie man nun vermutet im Breisgau, sondern im Elsaß, in Hegenheim, Hausgauen, Sulzmatt, Sulz usw.

Wir haben uns hier aufs neue zu sagen, daß wenn diese äußerlichen Dinge auch die Ueberlieferung beherrschen, sie doch im Leben des Klosters selbst nicht die Hauptrolle können gespielt haben. Einige Nachrichten über die großen Stiftungen des Bischofs Konrad von Toul und deren Ausführung durch die Frauen von St. Clara, ferner über das Verhältnis dieser Gemeinschaft zu der Beatrix von Neuchâtel erlauben uns, wenigstens einen Blick in das sonst verhüllte Gebiet höherer Tätigkeit zu werfen. Es ist das Gebiet einer Devotion, die in dieser eigenartigen Färbung nur im Bereiche des Minoritenordens zu finden war.

[212] Kurz vor den Clarissen hatte sich ein andres Frauenkloster in Kleinbasel angesiedelt: Klingental. Unter allen Basler Klöstern das einzige, das nicht erst hier entstand, sondern schon fertig und wohlausgestattet herkam.

Seine Anfänge sind im Elsaß, in Häusern bei Pfaffenheim zu suchen. Dort wurde in den 1230er Jahren ein Frauenkloster gegründet, angeblich durch vier andächtige Matronen aus Mülhausen. Es war dem heiligen Leonhard geweiht, und die Nonnen lebten nach der Regel Augustins. Seine erste urkundliche Erwähnung gehört dem Jahre 1241 an. Es erwarb Güter in der Gegend. Sein frühes Wachstum, sein Ansehen werden bezeugt durch Privilegien und Indulgenzen des Papstes, 1246 unterstellte es dieser der Leitung des Predigerordens.

Im Jahre 1253 verließen die Schwestern ihr Häusern; vielleicht zogen sie schon jetzt über den Rhein ins Wehratal. 1256 beginnen hier die urkundlich bezeugten großen Schenkungen Walthers von Klingen, bestehend in Land und Waldung und dem Wehrer Kirchensatz. Das Kloster hieß jetzt Klingental. Es erwarb Gut um Gut, die Päpste erneuerten und vermehrten ihm ihre Gnaden. Hier wurde ihm nun auch die erste Vergabung aus Basel zu Teil; sie geschah durch die Witwe des Ritters Elbelin und betraf Güter in Benken. Eine weitere Berührung mit Basel ergab sich durch die Brüder des dortigen Predigerkonvents, die sich der Frauen mit Eifer annahmen. Die Zeugenreihen der damaligen Klingentaler Urkunden zeigen wiederholt auch Basler Predigermönche als im Kloster anwesend: den redegewaltigen Achilles, den Heinrich von Orschweier, den Reinher.

Solche Beziehungen mögen dann, als der Krieg Rudolfs von Habsburg mit dem Basler Bischof die Niederlassung im Wehratal beunruhigte und die Frauen zur nochmaligen Auswanderung bestimmte, als deren Ziel Basel gezeigt haben.

Nicht das mit Klöstern schon gefüllte Großbasel, sondern die kleine junge Stadt, wo außer dem bescheidenen Hause der Sackbrüder noch kein Kloster stand. Schon im Jahre 1270 scheinen die Klingentalerinnen hieran gedacht zu haben; sie kauften sich in Kleinbasel an, breit und dauerhaft, um die große Summe von 165 Mark Silbers, mit jenem Komplex von Mühlen, Säge, Haus und Hofstätten beim Rheine, den zwei Jahre früher die Wettinger Herren an den Brotmeister verhandelt hatten.

Doch kam es, während der Krieg wütete, noch nicht zur Ausführung des Planes. Die Sackbrüder freilich gaben, im Januar 1273, den erforderlichen Konsens; auch folgte im Februar schon eine Gabe, deren Voraussetzung [213] das Wohnen in Basel war, nämlich die Hälfte des Dorfes Kleinhüningen seitens der Irmentrud von Tegerfelden. Aber der Krieg zog sich in diesen Monaten immer mehr in die Nähe Basels; an eine Uebersiedelung war nicht zu denken; erst im Herbst, als alle Not zu Ende war und der Friede herrschte, konnte sie geschehen. Jetzt verkauften die Frauen ihre Güter in Wehr und Alpfen, erweiterten ihren Besitz in Kleinbasel, verschafften sich die Einwilligung des dortigen Pfarrers zur Niederlassung in seiner Gemeinde; endlich im August 1274 fand der Umzug statt. Die Schwestern kamen in Kleinbasel an, ihrer zwölf an der Zahl, und ließen, während sie einstweilen in den gekauften Häusern sich einrichteten, unverzüglich den Bau des Dormenters beginnen.

Zu beachten ist die Teilnahme Rudolfs von Habsburg, des nunmehrigen Königs, an dieser Verlegung des Klosters. Wie er dem Predigerorden überhaupt zugetan war, so schenkte er nun auch dessen Töchtern im Klingental seine Gunst. Beim Kleinbasler Pfarrer legte er sein gewichtiges Wort ein, damit sie die Erlaubnis zur Niederlassung in der Parochie erhielten; ein Verkehr des Königs und seiner Familie mit dem Kloster ist auch in der Folge bezeugt. Er nützte übrigens diese Beziehungen auch für seine eigenen Interessen; denn daß er im Sommer 1274 umfangreiches Gut des Klosters im Wehratal erwarb, geschah zu Ergänzung seines Familienbesitzes.

Neben Rudolf steht als Gönner Klingentals Herr Walther von Klingen, und diese Beziehungen geben dem Kloster von Anbeginn den Charakter der Vornehmheit. Höher noch als einzelne Erweisungen dieser Gönner war das Ansehen, der allgemeine Ruhm anzuschlagen, der dem Kloster aus ihrer Teilnahme erwuchs und dessen Wirkungen wir durch alle Verhältnisse hindurch verfolgen können. Auch das ist reizvoll zu beobachten, wie das bisherige Landkloster ein städtisches wird; schon eine Vergleichung der Zeugenreihen seiner frühern und seiner jetzigen Urkunden zeigt die Neuheit der Welt, in die es nun versetzt war, die neuen Ansprüche, denen es genügen mußte, wie die neuen Mittel, die sich ihm boten. An der Stelle der rauhen Landjunker und Bauern des Wehratales standen jetzt höfische Ritter, Bürger, Kleinbasler Gewerbsleute; städtisches Leben, und zwar ein solches in reichster Kraft und Bewegung umgab und trug das Kloster, und wie völlig verschieden seine Stellung von der frühern Existenz war, erweist deutlicher als alles Andre die schöne Urkunde des Großbasler Rates 1278, mit der er die Frauen des Klingentales als Bürgerinnen auch seiner Stadt anerkannte und unter seinen Schutz nahm.

[214] Alle diese neuen und mächtigen Kräfte übten freilich ihre Wirkung nur in der äußern Erscheinung des Klosters, in seinem Güterbesitz, in dem Bestande seiner Schwesternschaft; sein eigentliches Wesen konnte dadurch nicht geändert werden. Wie vordem stand es auch jetzt noch unter der Zucht und Leitung der Prediger, und diese mochte jetzt aus der Nähe nur um so intensiver geübt werden; die Schilderung des Klingentaler Klosterbaus in den Annalen der Prediger zeigt, wie dieser Konvent die Frauen jetzt tatsächlich, über den Rhein weg, unter den Augen hatte.

Die erste Ansiedelung wird durch die Häusergruppe bezeichnet, die noch heute den Namen Klingental trägt und an das „kleine Klingental“ grenzt; in der Hauptsache geht sie zurück auf die 1270 und 1273 geschlossenen Käufe der Gewerbe und Hofstätten von den Familien Brotmeister und von Dachsfelden. Der Komplex offenen Landes zwischen Bläsihof und Rhein sodann, den die Nonnen dem Kloster St. Alban und dem Wetzel Keller abkauften, darf als der Grund und Boden des eigentlichen Klosterbaues gelten. Er fand seine Ergänzung im Erwerb einer angrenzenden, zur Kathrinenpfründe des Domstifts gehörenden Mühle am Teich 1275. Auf ihm wurde der Dormenter, wohl an der Stelle des „kleinen Klingentals“, und die Kirche erbaut. Es machte dies eine Durchbrechung des Stadtabschlusses nötig, der sich hier am rechten Teichufer vom Bläsitor zum Rheine zog; die Sicherung der Stadt durch eine nunmehr den Klosterbifang miteinbegreifende Mauer samt Graben, sowie den Abschluß der Klosterimmunität selbst gegenüber der Stadt regelte ein Abkommen, das Bischof und Rat 1278 mit dem Konvente trafen. Wir haben anzunehmen, daß die äußere Mauer neben der Kirche hinlief; die Verlegung des Dormenters an diese Stelle und damit die große Ausdehnung des Klosterbezirkes, die heute der Kasernenhof anzeigt, gehören einer spätern Zeit an.

Im August 1274 begann Klingental den Bau seines Dormenters am Rhein, lang und breit und mit stattlichem Steinwerke; schon am Martinstag konnten drüben die Prediger der Eindeckung des Dachstuhls zusehen. Ueber den Bau der Kirche dagegen fehlen genauere Nachrichten; im Juli 1291 wird der Chor als schon stehend erwähnt; am 17. Mai 1293 konnte die vollendete Kirche, mit Chor und Altären, samt dem Kirchhof geweiht werden. Dieser Chor ist der heute noch stehende.

Wie bei allen Gotteshäusern, gilt auch bei Klingental die Ueberlieferung hauptsächlich der Gütergeschichte. Aber auf ihre Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Es muß genügen, an die Vermehrung des [215] Besitzes in Kleinbasel zu erinnern, die in diesen ersten Jahrzehnten stattfand; auch der Elsäßerbesitz, der älteste Kern des ganzen Klostergutes, erhielt noch Zuwachs in Türkheim, Ensisheim, Sulz, Häsingen usw. Beachtung verdient auch die methodische Erwerbung und Arrondierung in Oetlingen, wo die Klingentalerinnen 1280 mit Kauf der Ramsteiner Güter und Eintausch der Güter des Petersstifts Fuß faßten und in wenigen Jahrzehnten zu einer kompleten Grundherrschaft gelangten.

Welcher Art die gesellschaftliche Höhe des Konvents war, erhellt aus verschiedenen Angaben. Zwei Damen von Illzach, eine Witwe Junta von Schlierbach, Adelheid von Utenheim, des Straßburger Bischofs Konrad von Lichtenberg Nichte, eine Bertha Merschandin werden als Nonnen genannt; die alte Dame Vorgassen, Mutter des Ritters Heinrich, war im Kloster verpfründet.

Diesem ganzen Wesen entsprach die Breite und Gediegenheit der Einrichtung. Zumal im Fache der weltlichen Verwaltung. Kein anderes Frauenkloster Basels zeigt uns eine so große Zahl von Conversbrüdern, und überdies war Klingental so vornehm, daß unter diesen Conversen sich sogar Leute ritterlichen Standes befanden. Aber auch ein Müller ist unter ihnen, ferner der Klosterschuster, sowie der Steinmetz Bruder Johann; diesen darf man sich vielleicht als den Erbauer des Chors und der Kirche denken. Auch die Pfisterei (Bäckerei) des Klosters ist hier zu erwähnen und als weitere Hausmanufaktur die Weberei, der das Weberhaus gedient zu haben scheint; von diesem Hause trägt die Webergasse den Namen. In ähnlich reicher Weise war für die geistlichen Verrichtungen gesorgt. Es war dies nicht etwa Sache der Prediger; sondern wie das Steinenkloster, das gleichfalls unter der Aufsicht dieser Mönche stand, seinen eigenen Hauskaplan hatte, so lebte im Klingental eine Mehrzahl von Priestern, deren Pflicht vor allem darin bestand, Beichtväter der Frauen zu sein und für sie die gottesdienstlichen Geschäfte zu besorgen. Zu den Messen, die sie hiebei zu lesen hatten, kamen alle andern hinzu, die an den verschiedenen Altären des Klingentals gestiftet wurden, sodaß mit der Zahl dieser Stiftungen auch die Zahl dieser Klosterkapläne wuchs. Einer aus ihrer Mitte, Herr Rüdeger von Rufach, — er war der Vater der Begine Gerina Hirnapussin — schenkte 1298 dem Kloster ein Haus, das dieser ganzen Priestergesellschaft als Wohnung dienen sollte. Rüdeger heißt gelegentlich auch Leutpriester. Aber wenn dieser Titel auch in einer frühern Zeit des Klosters, während seiner Niederlassung im Wehratal, zu Recht bestanden haben mochte, so hatte er doch jetzt eine solche Bedeutung nicht mehr. [216] Klingental besaß in Kleinbasel keine Parochierechte, hatte keinen Seelsorgebezirk in der Stadt. Von einer eigenen Seelsorge konnte nur innerhalb seiner Immunität und in diesem Sinne dann vielleicht auch von einem Leutpriester geredet werden. In gleicher Weise hatte sein Kirchhof nur den innerhalb dieses Bereiches Sterbenden zu dienen, da die öffentliche Sepultur nur den Pfarrkirchen zustand. Als 1274 der Pfarrer von Kleinbasel den Nonnen die Ansiedlung in seiner Parochie gestattete, war von einer Einschränkung seiner Parochierechte nur insoweit die Rede, daß die Klosterkapläne den Frauen Gottesdienst halten sollten. Außerhalb des Klosters standen ihnen keine Befugnisse zu. Der Konsens aber, den die Sackbrüder 1273 erteilten, ging überhaupt nicht auf Parochieverhältnisse, sondern galt nur der Zone, innerhalb deren die Sackbrüder das Monopol des Bettelns hatten.

Zum Schlusse die Bemerkung, daß schon im dreizehnten Jahrhundert eine Niederlassung der Karthäuser in Kleinbasel gewesen zu sein scheint. Es werden dort schon zu Ende des Zeitraums Weingärten bei der Kapelle des heiligen Kreuzes erwähnt, „die vordem den Karthäusern zugestanden.“ Mit dieser Angabe verbindet sich die an anderer Stelle überlieferte Nachricht, daß die spätere Karthause ursprünglich an dieser Stelle durch Bischof Peter von Aspelt gegründet worden, wegen der dann ausbrechenden Kriegsunruhen aber nicht zur Vollendung gelangt sei.