Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 1.pdf/224

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die Reklamation leibeigener Zuwanderer durch ihre Herrn schuf ein neues Recht nur insofern, als sie eine Frist hiefür statuierte; so gut unter der Herrschaft dieses Rechtes Unfreie in der Stadt bleiben konnten, wenn sie sich zu ihrem Herrn bekannten und von ihm belassen wurden, so gut hatte dies früher geschehen mögen. Ein lehrreiches Beispiel eines solchen Unfreien ist Peter Senftelin, der als Leibeigener des Klosters Beinwil nach Kleinbasel kam, hier eine Bäckerei betrieb, zu Reichtum und Ansehen kam, Liegenschaften besaß, Bürger wurde, in den Rat gewählt wurde, den Schultheiß vertrat. Alles dies als ein Eigenmann der Mönche von Beinwil. Erst gegen Ende seines Lebens, 1293, ließ ihn das Kloster frei.

Bürger von Kleinbasel werden als solche ausdrücklich bezeichnet zuerst im Jahre 1270. Die Urkunden lehren, daß, während in Großbasel freies Eigen Voraussetzung des Bürgerrechtes war, hier schon der Besitz eines Zinseigens genügte. Auch hierin spricht sich wieder die schwächere und dürftige Art dieses ganzen Zustandes aus.

Wie hiebei das Fehlen des Adels und einer stattlichen Kaufmannschaft den Maßstab verschieben konnte, zeigt eine kleine Aeußerlichkeit im Urkundenstil der Gerichtsurkunden; da wird der Titel „Herr“, der sonst nur Rittern und Geistlichen zukam, freigebig Jedem verliehen, der im Städtchen bekannt war und Macht hatte. Auch Großbasler, die zu Hause niemals Herren hießen, konnten zu dieser Auszeichnung gelangen, sobald sie auf das rechte Ufer und in Geschäften vor Rat kamen.

Diese ganze Welt steht beständig unter der Einwirkung der ältern, größern, mächtigern Stadt. Schon daß der Herr beider Städte derselbe Bischof ist, hat Einfluß; aber auch der städtische Rat von Großbasel greift in mannigfachster Weise herüber. Als Grundbesitzer: er macht Rechte geltend an den Ziegelacker, und schon früh erwirbt er das dem Kleinbasler Rathaus gegenüber gelegene Haus an der Brücke. Er nennt die Klingentaler Nonnen seine Bürgerinnen und sichert ihnen Schutz zu. Daß er später sein Mühleungeld auch in Kleinbasel erhebt, daß seine Bannmeile auf dem rechten Ufer bis an die Wiese und die Holzmühle reicht, mag altes Recht wiedergeben; und auf einen Zusammenhang weist auch die Besiegelung von Kleinbasler Kaufbriefen oder des bischöflichen Niederlassungsprivilegs für St. Blasien durch Bürgermeister und Rat der größern Stadt.

Es handelt sich hiebei um Verhältnisse, die an sich nicht verwunderlich sind; vielmehr müßte ihr Fehlen befremden. Denn neben diesen offiziellen, aber vereinzelten Beziehungen steht ein beständig vorhandenes und sehr mannigfaltiges Zusammenleben beider Städte in wirtschaftlichen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/224&oldid=- (Version vom 1.8.2018)