Ereignisse in Dresden vor und nach der Schlacht bei Kesselsdorf

Ein mittelalterlicher Spottvers Ereignisse in Dresden vor und nach der Schlacht bei Kesselsdorf (1899) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Merkwürdige Häuser. IV. Die alte Kreuzschule
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Ereignisse in Dresden
vor und nach der Schlacht bei Kesselsdorf.
Nach einem gleichzeitigen Tagebuche[1].
Mitgetheilt von Dr. Otto Richter.

Man begegnet zuweilen der Anschauung, es sei nicht gutgethan, das Gedächtniß trüber Zeiten durch genaue Feststellung der Einzelvorgänge aufzufrischen und damit „alte Wunden“ wieder aufzureißen. Nichts ist weniger gerechtfertigt als eine solche Meinung. Zunächst vom Standpunkte der geschichtlichen Forschung aus: der Wissenschaft kommt es immer nur darauf an zu ergründen, wie es gewesen ist, gleichviel ob es sich um freudige oder traurige Ereignisse handelt, und selbst die Wißbegier des Laien wird nicht da Halt machen wollen, wo die Geschichte anfängt unerfreulich zu werden. Verkehrt aber würde auch der Patriot handeln, wenn er sich der bessern Erkenntniß der geschichtlichen Wahrheit verschließen und die Blätter, die von Unglück und Erniedrigung des Vaterlands erzählen, grundsätzlich überschlagen wollte. Kann doch die Betrachtung früherer schlimmer Zustände nur dazu dienen, Zufriedenheit und Freude an der Gegenwart zu erwecken – und dieser Erfolg muß es allein schon lohnen, sich mit der heimathlichen Geschichte auch in ihren unerfreulichen Erscheinungen zu beschäftigen.

Und zu den traurigsten Abschnitten der an Ungemach so reichen Geschichte unsers Sachsenlandes zählen allerdings die Zeiten des zweiten schlesischen und des siebenjährigen Krieges. Es ist die Periode, wo an Stelle des willensschwachen Fürsten ein gewissenloser Günstling die Regierung führte und Kraft und Blut des fleißigen Volkes vergeudete. Graf Brühl, dessen Namen der Sachse lange Zeit nicht ohne Verwünschung auszusprechen vermochte, trug die Schuld auch an dem Unheil, das im Jahre 1745 über das Land hereinbrach. Leichten Herzens hatte es der hochmüthige Höfling auf einen Krieg mit einem so bedeutenden und stark gerüsteten Gegner wie König Friedrich II. von Preußen ankommen lassen, obwohl Heer und Finanzen darauf nicht im geringsten vorbereitet waren.

„In den ersten Tagen des Monats Dezember 1745“, so schildert ein sächsischer Militärschriftsteller[2] die Lage, „befand sich die sächsische Armee, befehligt von dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels, unter den ungünstigsten Verhältnissen bei Dresden vereinigt. Von Leipzig her drohte das Korps des Fürsten von Anhalt, von der Lausitz das preußische Hauptheer unter Friedrich II. selbst, während die zur Unterstützung erwartete österreichische Armee des Prinzen Karl noch in Böhmen stand und, bei einem lebhaften Vorgehen der beiden feindlichen Korps, leicht mit ihrer Hilfe zu spät eintreffen konnte. Namentlich vermehrte der Marsch Friedrichs II. am 8. Dezember auf Königsbrück die Besorgnisse für Dresden, wo nur 3000 Kommandirte sämmtlicher Infanterieregimenter zur Vertheidigung disponibel waren. Mit diesen geringen Streitkräften und bei dem schlechten Zustande aller Befestigungswerke hielt es der Gouverneur, General [154] der Infanterie von Bose, nicht für möglich, die Stadt länger als 2 bis 3 Tage auch nur gegen eine Einschließung zu halten. Er berichtete an den Herzog von Sachsen-Weißenfels, von 9 Theilen der Befestigungswerke seien 8 so gut als offen und könnten die preußischen Kolonnen, bei einem zu gewärtigenden Zufrieren der Elbe, von der Flußseite her, ohne die geringsten Schwierigkeiten zu finden, in die Stadt einbrechen. Außerdem nahm der genannte General aber auch noch Veranlassung, sich in seinem Berichte über den Zustand der Armee im Allgemeinen auszusprechen. Er sagt, daß dieselbe aus Mangel an Subsistenz von selbst würde auseinander gehen müssen und daß der König von Preußen nur ruhig stehen zu bleiben brauche, um diesen Zeitpunkt abzuwarten. „Die Armee und die hiesige Stadt“, fährt er fort, „werden in Umstände verfallen, daß Mensch und Vieh vor Hunger krepiren“, weil man, ohne Vorräthe und Magazine, nur auf einen geringen Theil des Landes beschränkt sei und in diesem die herannahenden Oesterreicher den Mangel noch vermehren würden. Die Preußen hingegen hätten das ganze Land zur Disposition und auch Geld im Ueberfluß, weshalb es unbedingt erforderlich wäre, die Armee in eine günstigere Stellung zu bringen, denn es sei besser, daß Dresden, wie vorher Leipzig, durch einen billigen Akkord in feindliche Hände fiele, als daß bei dem Versuche, die Stadt zu retten, die Armee geopfert werde“.

Trotz dieser Vorstellungen von der traurigen Lage der Armee ließ Brühl dem Herzog von Sachsen-Weißenfels von Prag aus, wohin er sich mit dem König August III. geflüchtet hatte, am 12. Dezember den Befehl zugehen, die Offensive zu ergreifen. Der Herzog erklärte dies für unmöglich und beschwor den Minister, auf die von Preußen vorgeschlagenen Friedensbedingungen einzugehen, denn ohne Geld und Lebensmittel und von den Verbündeten ziemlich verlassen werde das Land durch einen Krieg völlig ruinirt werden.

Inzwischen hatte er die Armee, deren Stärke 25 000 Mann betrug, in eine Vertheidigungsstellung auf den Höhen hinter dem Zschoner Grunde gebracht und wegen Krankheit das Kommando in die Hände des Grafen Rutowsky gelegt. Auf dem äußersten rechten Flügel bei Briesnitz stand ein österreichisches Hilfskorps von 6000 Mann unter General Grünne, der linke Flügel stützte sich auf das Dorf Kesselsdorf, das von sieben Grenadierbataillonen besetzt und dessen Zugang durch eine starke Batterie gedeckt war. Von Meißen her war Fürst Leopold von Anhalt mit etwa 32 000 Mann im Anmarsch. Am 15. Dezember Nachmittags schritt dieser zum Angriff auf den Schlüssel der sächsischen Stellung, Kesselsdorf. Zweimal wurden die auf dem glattgefrornen abschüssigen Boden mit Todesverachtung anstürmenden Preußen unter schweren Verlusten zurückgewiesen. Da ließen sich die tapferen sächsischen Grenadiere verleiten, aus ihrer festen Stellung zur Verfolgung hervorzubrechen. Sogleich wurden sie von der preußischen Reiterei in den Flanken angegriffen, zersprengt und zurückgetrieben. Die wieder vorgehende preußische Infanterie nahm das von Vertheidigern entblößte Dorf ein und behauptete es. Inzwischen waren die Sachsen auch im Zentrum ihrer Stellung, bei Zöllmen, vom Prinzen Moritz von Anhalt mit Ungestüm angegriffen und geworfen worden. Die im zweiten Treffen aufgestellte Kavallerie konnte von den mit Aufopferung kämpfenden Offizieren nicht zu kräftigem Gegenstoß fortgerissen werden, zu der physischen Erschöpfung hatte sich bei den halb verhungerten und erfrornen Soldaten noch völlige Muthlosigkeit gesellt. Zwei Stunden nach Beginn der Schlacht wälzte sich die sächsische Armee als eine einzige fliehende Masse auf Dresden zu, 3800 Todte und Verwundete, 3000 Gefangene und 48 Kanonen auf dem Schlachtfelde zurücklassend, zu denen sich nicht weniger als 5000 todte und verwundete Preußen gesellten. Das österreichische Hilfskorps unter Grünne hatte keinen Schuß gethan und der Herzog von Lothringen hatte sich mit seiner Armee von 21 000 Mann vom Großen Garten her eben erst in Marsch gesetzt, als die Schlacht entschieden war.

Schon am 16. Dezember Nachmittags 2 Uhr erschien der Fürst von Anhalt vor den Thoren Dresdens. General Bose, der sogar die Bürgerschützen zur Besetzung der Wälle aufgeboten hatte[3], konnte nicht an Widerstand denken und war auch bereits im Besitze der königlichen Ermächtigung, die Stadt dem Sieger auf Gnade und Ungnade zu übergeben. Am 18. Dezember früh hielt König Friedrich II. seinen Einzug in die gefallene Hauptstadt Sachsens.

Ueber die Vorgänge in Dresden vor und nach der Schlacht ist bisher wenig bekannt geworden. Die damals hier erschienenen Wochen- und Monatsblätter bringen darüber gar keine Nachrichten: schon am 1. Dezember hatten die Herausgeber der „Dresdnischen Merkwürdigkeiten“, der „Curiosa Saxonica“ und des „geschriebenen Diariums“, Mohrenthal, Crell und Weicholdt, vom geheimen Konsilium die Verordnung erhalten, bis auf weiteres das Erscheinen ihrer Zeitschriften einzustellen[4]. Umsomehr verdient ein handschriftlich vorhandenes Diarium Dresdense aus jener Zeit veröffentlicht zu werden. Ob das Original dieses Diariums noch erhalten ist und wo es sich befindet, läßt sich nicht sagen. Eine anscheinend nicht viel spätere, genaue Abschrift ist in einem Aktenstück, betitelt „Sammlung vieler sehr interessanten Nachrichten von dem ersten königl. preußischen Einfall in [155] die Chursächsischen Lande mense Novbr. 1745 etc.“, enthalten, das Herr Dr. med. Walter von Boetticher in Bautzen vor einiger Zeit dem Dresdner Rathsarchive geschenkt hat[5]; einen vom Finanzkanzlisten Röber im Anfange dieses Jahrhunderts gefertigten Auszug des Diariums besaß schon vorher der Verein für Geschichte Dresdens. Die Person des Verfassers ist nicht bekannt; sicher war es ein Dresdner Hofbeamter, denn er schreibt nicht nur in überaus unterthänigem Hofstil, sondern zeigt sich auch über alle Vorgänge im Residenzschlosse aufs genaueste unterrichtet und schildert sie mit besonderer Vorliebe. Dagegen kennt er das, was sich außerhalb Dresdens ereignete, nur vom Hörensagen, so daß seine Mittheilungen darüber keinerlei Werth besitzen. Was insbesondere seine Darstellung des Verlaufs der Kesselsdorfer Schlacht betrifft, so ist sie nur insofern von Interesse, als daraus hervorgeht, wie wenig über das folgenschwere Ereigniß selbst noch am Tage nachher in der Stadt Zuverlässiges zu erfahren war; so glaubte man u. a., daß der König von Preußen selbst den Befehl geführt habe, während dieser doch mit der Hauptarmee noch bei Meißen stand. Nachträglich hat der Tagebuchschreiber seiner Schilderung zwei genauere Schlachtberichte, einen von sächsischer und einen von preußischer Seite, eingefügt, es kann aber hier davon abgesehen werden, sie mit abzudrucken, da es vielverbreitete Darstellungen sind und der Verlauf der kriegerischen Ereignisse selbst dank neueren Forschungen[6] bis in alle Einzelheiten feststeht.


Diarium Dresdense

auf den Monat Dezember Anno 1745, ingleichen vom 1. bis 6. Januarii Anno 1746, worinnen dasjenige, was vor, bei und nach dem Einmarsch derer Königl. Preußischen Truppen in die Residenzstadt Dresden, auch bei und nach deren Ausmarsch daselbst Merkwürdiges vorgefallen, beschrieben ist.

Nachdem bei immer mehr und mehr sich nähernden Preußischen Truppen sowol von Seiten der Oberlausitz als Leipzig her Ihro Königl. Majestät in Polen und Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen unser allergnädigster Herr sich entschlossen, [sich] von hier weg zu begeben, so reiseten

den 1. Dez. 1745 Vormittags gegen 9 Uhr Ihro beiderseits Prinzessinnen Maria Anna und Maria Josepha Königl. Hoheiten von hier nacher Töplitz ab, wohin nach 9 Uhr Ihro beiderseits Königl. Majestäten ebenfalls nachfolgeten. Wegen der Stadt Leipzig war folgende Nachricht eingelaufen. Es hätte sich nämlich diese Stadt am 30. Novembris ohne Schwertschlag an die Preußischen Truppen, welche der regierende Fürst von Anhalt-Dessau commandiret, ergeben müssen, weil die in dasigen Vorstädten liegende zwei Sächsischen Infanterieregimenter Graf Stollberg und Graf Bellegarde nebst einiger wenigen in Eil zusammengebrachten Bataillons nicht im Stande gewesen zu widerstehen, vielmehr vor das Beste gehalten, sich zurückzuziehen und ihre Kräfte zu sparen, als sich einzeln ruiniren zu lassen. Die Art einer Capitulation, die dabei gemachet worden, sei folgende: daß 1, das Schloß geräumet, 2, 1000 Grenadiers in die Stadt einrücken, 3, Ihro Hochfürstl. Durchlaucht alle dem Könige zuständige Einkünfte, bis Höchstdieselben von Sr. Königl. Majestät in Preußen neue Instruction erhalten, einziehen und 4, endlich angelobet werden sollte, daß man von diesem nicht das geringste entwenden wolle. Hingegen verbinden sich Se. Hochfürstl. Durchlaucht, 1, die Revenüen des Raths nicht zu berühren, 2, die Garnison nicht zu verstärken, 3, nicht zu verstatten, daß dero Husaren des Nachts in der Stadt verbleiben, oder wenn sie es vor gut befänden, [sich] von dar weg begeben sollten.

Den 2. Dez. Diesen Morgen um 7 Uhr begaben sich Ihro Königl. Hoheiten der Churprinz, Prinz Xaverius und Prinz Carl ebenfalls von hier ab und es hieß, daß diese Reise nach Nürnberg gerichtet sei, um allda bei dermaligen gefährlichen Zeitläuften sich einige Zeit lang aufzuhalten. Vor die zurückgebliebene zwei Prinzen Albert und Clemens Königl. Hoheiten wurde anbefohlen, daß solche aus denen Königl. Hofämtern versorget werden sollten und des Aufgangs[7] halber eine besondere Rechnung zu halten und zu fertigen sei. Derer drei Prinzessinnen Christina, Elisabeth und Cunigunda Königl. Hoheiten verblieben ebenfalls allhier und die Ausspeisung vor dieselben wurde, wie zeithero geschehen, von der Mundköchin Liebin besorget.

Den 3. Dez. Diesen Morgen lief Nachricht ein, daß die nacher Töplitz abgegangenen Hohen Königl. Herrschaften von dar sich weiter nacher Prag gewendet, mithin die noch hier befindlichen Geräthschaften ebenfalls dahin abgesendet worden. Desgleichen erfuhr man, daß sich die Stadt Bautzen der Königl. Preußischen Armee und zwar dem General Lehwald, welcher mit ohngefähr 8 bis 10 000 Mann abgeschicket gewesen, um aus der Lausitz in das Markgrafthum Meißen einzubrechen, heute dato ergeben hätte, die übrige Armee aber derselben nachfolgete. Abends sehr späte rückten viele Sächsische Truppen zur Besatzung hier ein und wurden theils stark in die Häuser verleget, theils davon marschireten und zwar eine große Anzahl nacher Neustadt hinaus. Auf hiesigem Neumarkt wurde auch [156] des Abends ein starkes Detachement postiret, welches die ganze Nacht bei verschiedenen angezündeten Wachtfeuern unter dem Gewehr auf guter Hut daselbst verblieben; dergleichen in Neustadt ebenfalls geschahe.

Den 4. Dez. Heute früh stunden vor der Hauptwacht zwei Feldstücken und zwei Pulverkarren, ingleichen auf dem Altenmarkte vor dem Röhrtroge zwei Feldstücken und zwei Pulverkarren, wie nicht weniger an der Moritzstraßen-Ecken ebenfalls ein Feldstücke nebst einem Pulverkarren gepflanzet, und an jedem Orte war eine Schildwacht dabei. Sowohl diesen Tag als des Abends kam wiederum viel Miliz herein und die Häuser wurden immer stärker bequartieret, dergleichen auch in denen Vorstädten geschahe, allwo etliche Hundert Mann Ulanen eingeleget wurden. Auf dem dasigen Königl. Schlosse rückte heute Nachmittags etliche 20 Mann Cadets ein, um bei denen hierselbst befindlichen drei Prinzessinnen und zwei Prinzen Königl. Hoheiten Zimmern die Wacht zu versehen; zur Wachtstube wird ihnen das Vorzimmer eine Treppe hoch, wo der Schweizer an der Thür stehet, angewiesen und die nöthige Beleuchtung gegeben. Von denen hiesigen Herren Gesandten sahe man an denen Häusern, wo selbige logireten, zur Sicherheit Schilder ausgehänget. Die sämmtlichen Schweizer erhielten Ordre, sich Tags und Nachts in dem Schlosse aufzuhalten, und der vordere Küchensaal wurde ihnen zum Aufenthalt eingeräumet, wohin sie auch ihre Schweizermontur nebst Gewehr und Patrontaschen brachten. Sonsten wurden auch dieser Tagen her verschiedene Effecten von denen Herrschaften zur Sicherheit auf das Königl. Schloß geschaffet.

Den 5. Dez. Heute Nachmittags brachten die Ulanen drei gefangene Preußische Husaren ein, welche sie in einem Rencontre ohnweit Neustadt ertappet.

Den 6. Dez. Nachmittags brachte ein Commando Ulanen abermals 23 Mann Preußische Husaren hier ein, welche sie in einem Rencontre ohnweit Neustadt gefangen bekommen, selbige wurden auf die Hauptwacht geführet und deren Pferde sogleich auf öffentlichem Markte von denen Ulanen an die Meistbietenden verkauft. Von der Hauptwacht wurden hernacher diese Husaren an verschiedenen Orten vertheilet. Beim Weißen Thore kam ein Preußischer Trompeter an, welcher zu Fuß mit verbundenen Augen herein in die Stadt durch einen langen Grenadier an die Hand geführet in Begleitung 3 Mann Wacht gebracht wurde, von dessen Anbringen man aber nichts erfahren können.

Den 7. Dez. Heute Abends wurde die in der Stadt befindliche starke Einquartierung mit einer gewissen Anzahl Landmiliz vermehret.

Den 8. Dez. In der heutigen Nacht entstunde ein großer Lärm in hiesiger Residenz, indem man muthmaßete, es näherte sich die Preußische Armee gegen Neustadt, weshalber die in der Stadt und vor dem Thore stehende Miliz sich in völlige Bewegung setzte und zum Theil über Neustadt hinaus marschirte, theils aber hier in der Residenz stehen blieben. Des Morgens um sechs Uhr aber kam alles wieder zurück und zugleich die beiden Regimenter leichte Reuterei Prinz Carl und Rutowsky benebst denen Grenadiers von Infanterie, mit der Artillerie, welche seit einigen Tagen in der Gegend Neustadt postirt gestanden. Alle diese Truppen marschireten theils zum Wilsdruffer theils zum Pirnaischen Thore heraus um die Gegend Kesselsdorf.

Bei dem heute eingefallenen Geburtstage Sr. Röm. Kaiserl. Majestät Franscisci I. und Ihro Majestät unsrer allergnädigsten Königin war zwar Gala angesaget, doch zoge die Schweizergarde in ihrer ordinären Montur und ohne klingenden Spiel auf. Heute früh langete auch die Nachricht ein, daß Ihro Majestät die Königin beider Sicilien mit einer Prinzessin glücklich darnieder gekommen sei. Bei der in voriger Nacht entstandenen Unruhe fanden sich die hier anwesenden Hofofficiers früh um vier Uhr gleichfalls im Oberhofmarschalls-Amte ein.

Den 9. Dez. gegen Abend langte hier Nachricht ein, daß die Preußischen Truppen auf der Seite gegen die Brücke zu die Stadt Meißen zwar attaquiret, aber nichts ausgerichtet hätten, sondern repussiret worden wären. Der Generalmajor Allnpeck, der darinnen commandiret, hätte einen Theil der Brücke abwerfen lassen und also denen Preußen den Uebergang gewehret, dahero sie sich begnügen müssen, daß sie einige Kanonenschüsse auf die Stadt thun können, wofür sie aber gleiche Antwort erhalten.

Den 10. und 11. Dez. Diese beiden Tage über wurden verschiedene Preußische gefangene Husaren eingebracht, weiter aber fiel nichts Veränderliches vor.

Den 12. Dez. Nachmittags marschirete ein Regiment Warasdiner zum Pirnaischen Thore herein und über Neustadt hinaus. Diese Leute waren nach Husaren Art grün gekleidet und hatten rothe Mäntel.

Den 13. Dez. In abgewichener Nacht lief Nachricht ein, daß gestern Nachmittags die Stadt Meißen von denen Preußischen Truppen besetzet worden und die diesseitige Besatzung sich heraußer gezogen hätte. Denn als der Vortrupp von der Dessauischen Armee, welcher von Leipzig über Eulenburg herausgerücket, vor denen Thoren von Meißen jenseit der Elbe erschienen und das eine Thor geöffnet worden, so hätte sich die Besatzung durch das andere Thor herausgezogen, worauf die erste Beschäftigung derer Preußen gewesen, die Brücke wieder herzustellen und nicht nur dem Lehwaldischen Corps, sondern auch der ganzen Königl. Armee den Uebergang über die Elbe zu erleichtern. [157] Ueberdieses hätte man noch bei Scharfenstein[8] eine Schiffbrücke geschlagen, den Uebergang zu beschleunigen.

Nachmittags marschireten etliche Regimenter Oesterreichische Husaren theils durch theils um die Vorstadt gegen Wilsdruff zu. Ueberhaupt war sowohl die Sächsische als Oesterreichische Armee in voller Bewegung nach der Gegend Kesselsdorf und Wilsdruff zu. Des Prinzen Carl von Lothringen Hoheit und der Fürst von Lobkowitz kamen heute hier an und speiseten bei des Herzogs von Weißenfels Hochfürstl. Durchlaucht und kehreten nach der Tafel wieder zu dero Armee zurück. Nachmittags um 4 Uhr brachte ein Detachement von dem Sybilskischen Regiment zwei Paar silberne Pauken und zwei Estandarten hier ein, welche, nebst des alten Fürst von Dessau auch andern vielen Equipage, des Herrn General Sybilsky Excellenz mit seinem aus Meißen an sich gezogenen Detachement Cavallerie von denen Preußen erbeutet hatten. Diese Rencontre ist zwischen Meißen und Lommatzsch bei Taubenheim[9] vorgefallen. Der Generallieutenant Sybilsky hatte sich mit seinem Regimente leichter Reuterei und einigen Ulanen unterhalb Meißen befunden und daselbst zwei Preußische Regimenter Cuirassiers und ein Regiment Dragoner, die der General Roëll commandirete, auf dem Marsche angetroffen und solche mit seinem einzigen Regimente alsofort angegriffen, selbige geschlagen und gänzlich zerstreuet und obige Pauken und Estandarten erbeutet und über dieses noch eine namhafte Anzahl Wagen mit Bagage und Proviant hinweggenommen. Der Verlust dabei soll beiderseits nicht groß gewesen sein, doch will man Preußischer Seits 100 Todte gezählet haben. Vorbesagte Pauken und Estandarten wurden in Sr. Excellenz des Herrn General Graf Rutowsky auf der Kreuzgasse gelegenen Palais jedermänniglich gezeiget.

Den 14. Dez. Diesen Morgen ritten des Herrn Herzogs von Sachsen-Weißenfels Hochfürstl. Durchlaucht, ingleichen die Herren Generals Graf Rutowsky und Chevalier de Saxe zum Wilsdruffer Thore hinaus, um den Feind zu recognosciren. Nachmittags fuhr der Hofeinkäufer Zugk mit seinen Leuten nacher Prag.

Den 15. Dez. Nachmittags hörte man, daß die Preußische Armee der diesseitigen zwischen Kesselsdorf und Wilsdruff en ordre de bataille stehenden Sächsischen und Oesterreichischen Armee sich genähert und durch beiderseits Husaren, Ulanen und leichten Reuterei beschehenes Scharmützeln die beiden Armeen in Action gerathen wären. Des Herzogs von Weißenfels Hochfürstl. Durchlaucht ritten zu solcher Zeit in Bedeckung einer Anzahl Feldjägers ebenfalls hinaus. Nach zwei Uhren kamen schon verschiedene Blessirte vom Sybilskischen Regimente mit blutigen Köpfen in die Stadt herein gesprenget und geriethe dadurch jedermann in die größte Angst und Furcht. Man hörte nach drei Uhren auf der Gasse mit der Trommel Lärm schlagen und wußte niemand, was es bedeuten sollte. Wie man aber nachgehends erfuhr, ist solches das Signal gewesen, daß die Landmiliz zusammen kommen und mit Gewehr erscheinen sollen. Auf dem Schloßthurm konnte man anfänglich nur Dampf und Rauch um die Gegend Kesselsdorf und Wilsdruff sehen, allein gegen vier Uhr hörte man das Donnern und Knallen des groben Geschützes sehr deutlich, ja man konnte auch zuletzt das Feuer von dem losgebrannten Geschütze erkennen und Angst und Schrecken vermehrete sich in hiesiger Residenz desto mehr, da man schließen konnte, daß solche Näherung eine Retraite diesseitiger Armee bedeuten müßte. Die Dämmerung und der Abend verursachte, daß endlich alles still wurde, und die in der Stadt herein geflüchtete leicht Blessirte gaben durch ihre Aussage Ursache genung zu glauben, daß die Bataille diesseits verloren sei, wiewohl es hieß, daß der morgende Tag durch eine weitere Action der Sache den Ausschlag geben sollte. Von Oesterreichischer Seiten hat nur das Grünnische Corps der Action beigewohnet, man konnte aber vom Schloßthurm wahrnehmen, daß die Prinz Carlische Armee zum Succurs vom Großen Garten heranrückte. Doch die hereindringende Nacht und die Retraite diesseitiger Armee machte der Bataille auf heute ein Ende.

Wegen des heutigen zweifelhaften Ausschlages der vorgefallenen Bataille wurde zur Abreise derer noch hier befindlichen zwei Prinzen und drei Prinzessinnen Königl. Hoheiten nacher Töplitz alle Anstalt vorgekehret, die Wagen vorgerücket und die Pferde eingespannt, auch die Mundköchin Liebin mit einer Provision-Küchenkalesche Abends um sieben Uhr voraus nacher Töplitz abgeschicket. Doch um acht Uhr darauf kam Ordre, daß die Pferde wiederum abgespannet und des andern Tages früh um sechs Uhr auf dem Schlosse sich wiederum parat finden lassen sollten.

Den 16. Dez. Diesen Morgen früh um 6 Uhr war zur Reise derer Prinzen und Prinzessinnen Königl. Hoheiten wiederum alles in behöriger Bereitschaft, es erfolgte aber endlich um 8 Uhr die Ordre, daß die Reise gänzlich eingestellet bleiben sollte. Mithin wurden die Pferde wiederum abgespannet, die Wagens abgepacket und vom Schlosse wiederum abgeführet. Der Trompeter Haase wurde hierauf abgefertiget, der bereits gestern Abends vorausgeschickten Mundköchin Liebin nachzugehen und selbige wiederum zurückzuberufen. Dieser kam aber gegen den Mittag wiederum anhero und brachte die Nachricht: daß die Preußischen Truppen auf sothanem Wege in großer Menge zu sehen wären und er sich nicht getrauet hätte fortzukommen. Es entstunde [158] auch in denen Vorstädten hierauf ein Allarm, als ob Preußische Husaren sich an denen Schlägen sehen ließen. Man erfuhr aber, daß es nicht gegründet, sondern Oesterreichische vor Preußische Husaren angesehen worden.

Von der gestern bei Kesselsdorf vorgefallenen Action vernahm man folgende Umstände: Der diesseitige linke Flügel, welchen der Chevalier de Saxe anführete, wurde durch das Dorf Kesselsdorf bedecket, in welchem Dorfe einige Bataillons Grenadiers nebst einigen Kanonen gestellet wären. Der rechte Flügel, den der General Diemer commandirete, stieß an die Reihe Berge ohnweit dem Dorfe Briesnitz, bei welchem das Oesterreichische Corps, welches der General Grünne von der Armee am Rhein herzugeführet, stund und höchstens sich in die 8000 Mann belief. Der König in Preußen führte in höchster Person eine Armee, die dem Gegentheil überlegen war, wider die Unsrigen selbst an, welche der Generalfeldzeugmeister Graf Rutowsky en chef commandirete, und hatte noch ein Corps von 15 000 und noch ein anderes von 12 000 zur Reserve stehen. Um 1 Uhr griff der Preußische rechte Flügel den Sächsischen linken an und nöthigte die daselbst postirte Grenadiers sich herauszuziehen. Das Treffen wurde auf dieser Seite so hitzig und die Preußischen Linien so dünne, daß das Corps de reserve von 15 000 Mann diesen Flügel unterstützen mußte. Um 3 Uhr ging auch das Gefechte auf dem andern Flügel an und mit einbrechender Nacht wurden die Sachsen genöthiget, die Wahlstatt zu verlassen, weil die Finsterniß der Schlacht ein Ende machte. Königl. Preußischer Seits soll von hohen Officiers der Generalmajor von Hertzberg und der Obrister von Asseburg vom Leibregiment, von denen übrigen Officiers aber etliche 20 geblieben sein. Unter denen Sächsischen Gefangenen hoher Officiers sollen sich der Generallieutenant von Arnim, der Generalmajor Allnpeck, der Obrister L’Annonciade und der Obrister Graf Nostitz, unter denen Todten aber der Generalmajor Münnichau und der Obrister Niesemeuschel befinden.

Man hat auch von dieser Action annoch nachfolgende umständlichere Nachricht wie folget:

(Hier folgt ein Schlachtbericht von sächsischer und ein andrer von preußischer Seite mit Listen der preußischen gefallenen und verwundeten Offiziere, der zu Gefangenen gemachten sächsischen und österreichischen Offiziere und der eroberten Geschütze.)

Sonst kamen von früh Morgens bis Abends blessirte Soldaten theils hinkend theils auf Schiebekarren häufig herein, welche sich noch bei Zeiten retiriren können, welches sehr erbärmlich anzusehen war und wodurch viele Vermögende mitleidig bewogen worden, an diese elenden Leute Almosen austheilen zu lassen. Denen sämtlichen hier befindlichen Hoftrompeters wurde befohlen, sich sowohl vor ihre Person als auch mit Pferden parat zu halten, um sogleich zum Verschicken gebraucht zu werden. Mittags wurde der Obertrompeter Haase mit Depeschen von dem Hochpreislichen geheimden Consilio an Se. Preußische Majestät abgesendet, selbiger nahm seinen Weg über Neustadt zum Weißen Thore hinaus, um allerhöchste Ihro Preußische Majestät aufzusuchen.

Den 17. Dez. Heute continuirte die Hereinkunft derer blessirten Soldaten, welche annoch fortkommen konnten, und das Mitleiden gegen dieselben wurde wie gestern nicht vergessen[10]. Mittags wurde der Hoftrompeter Wolf mit Depeschen aus dem Hochpreislichen geh. Consilio an des Fürsten Feldmarschalls von Dessau Durchlaucht nacher Gorbitz abgesendet und Nachmittags geschahe mit dem Hoftrompeter Brentz ein gleiches. Mit dem Hoftrompeter Wolf ist zugleich der Adjutant des Herrn Generals Bosens Excellenz mit abgeschicket worden und man muthmaßet ganz sicher, daß die hin und wieder beschehene Abschickung derer Trompeters die Uebergabe und Capitulation hiesiger Residenz betreffen müsse. Gestern Nachmittag 4 Uhr kam der Trompeter Wolf wiederum zurück und man erfuhr, daß der gestern abgefertigte Trompeter bei des erstern Abfertigung allererst bei Sr. Königl. Majestät in Preußen zu Gorbitz angelanget sei. Des Abends kam der Burgermeister Weinlig alhier in das Oberhofmarschallamt und zeiget eine Specification von verschiedenen Victualien, welche von dem Königl. Preußischen Küchenschreiber von dem hiesigen Magistrat zu Sr. Königl. Majestät in Preußen Tafel morgen mit dem frühesten nacher Plauen verlanget worden. Weil nun der Rath das Erforderliche in der Geschwindigkeit nicht aufzubringen vermöchte, so bat ermeldter Burgermeister, von Seiten des Hofes ihm damit auszuhelfen, welches auch erfolgte, und der Magistrat übernahm die Transportirung und zugleich die verlangte Bierlieferung[11].

[159] Abends um acht Uhr rückten die Preußischen Truppen vor den Freiberger Schlag an und rührten auf einmal Trommeln, Pauken und Trompeten und verlangten das Thor und Schlagbaum zu eröffnen, und daferne solches nicht geschehen würde, so waren schon Zimmerleute vorhanden, welche alles aufhauen sollten. Doch eröffnete hierauf der Thorschreiber das Thor und den Schlagbaum und die Preußischen Truppen quartierten sich, 50 bis 60 Mann in jedem Hause, in der Vorstadt ein, thaten aber niemandem einiges Leid, nur mußte ihnen gegeben werden, was sie verlangten. Sie besetzten hierauf das Wachthaus am Wilsdorfer Thore, die innersten Posten am Walle aber konnten sie nicht besetzen, weil die Aufzugbrücke aufgezogen war, und diesen Abend ließen sie es dabei bewenden.

Den 18. Dez.[12] Heute früh um vier Uhr ließen des Herrn General Bosens Ercellenz ins Oberhofmar schallsamt vermelden, daß diesen Morgen um sechs Uhr die Preußischen Truppen in die Stadt herein rücken und zugleich das Schloß besehen würden, weshalber sogleich die Schweizerwacht sich aus dem Schloßhofe in das Eckhaus am Taschenberg rechter Hand eine Treppe hoch retiriren und nur die einzelnen Posten stehen bleiben [sollten]. Die Cadetswacht marschirete ebenfalls vom Schlosse ab. Gegen acht Uhr kamen die Preußischen Truppen vor die Thore und besetzten nicht nur das Innere des Wilsdorfer Thores, sondern auch das Pirnaische Thor und marschirten mit klingendem Spiel und aufgesteckten Bajonets nebst Feldstücken und brennender Lunte ferner in die Stadt herein und durch dieselbe zum Theil hinaus nacher Neustadt. Zu gleicher Zeit kamen ein Capitän, ein Lieutenant, 100 Mann vom Alt-Schwerinischen Regimente mit klingendem Spiele und Musik auf das Schloß marschiret, rangirten sich auf dem kleinen Schloßhofe und löseten nach beschehener Anweisung derer Posten von dem Wachtmeister-Lieutenant derer Schweizer die auf solchen Posten stehenden Schweizer ab und nahmen die ordentliche Schweizer-Wachtstube in Besitz, die beiden Officiers aber nahmen des Thorwächters Stube ein. Nach beschehener Vorstellung, daß doch wenigstens derer jungen Herrschaften Königl. Hoheiten Zimmer mit Schweizer-Wacht besetzt bleiben möchten, ertheilte der Preußische Officier die Antwort: daß er keine andre Ordre habe als alle Posten der Schweizer abzulösen, doch wollte er soviel vor sich thun und an die nächsten Posten derer herrschaftlichen Zimmer eine Post dargegen stellen und die erstere stehen lassen.

Bald nach dem Einmarsch derer Königl. Preußischen Truppen kamen auch Se. Königl. Majestät in Preußen nebst dero Herrn Bruders des Prinzen Wilhelms Hoheiten in einem offenen Wagen mit acht Pferden bespannet hier an und nahmen dero Quartier in dem Fürstl. Lubomirskischen Palais auf der Kreuzgasse eine Treppe [160] hoch. Um halb zehn Uhr kamen hochgedachte Sr. Königl. Majestät nebst dero Herrn Bruders Hoheiten auf das Schloß mit eben den Wagen und Pferden, wie sie in die Stadt gefahren, und stiegen im großen Schloßhofe linker Hand an der Treppe nach der Thurmseite ab, um denen Königl. Hoheiten die Visite zu geben. Derer beiden Prinzen Hoheiten kamen die Treppe herunter Sr. Preußischen Majestät entgegen, Ihro Majestät umarmten sie und begleiteten sie in das Zimmer und verfügten sich sodann auch zu derer Prinzessinnen Hoheiten. Nach kurzem Verweilen aber kehrten Dieselben wieder in dero Quartier zurück. Als Ihro Königl. Majestät im kleinen Schloßhofe dero Wacht vorbei passirten, wurde nur das Gewehr präsentiret und weder das Spiel gerühret noch salutiret.

Bei heutiger Einrückung derer Preußischen Truppen kam auch der Hoftrompeter Haase mit selbigen von Gorbitz herein, weil er so lange daselbst hatte bleiben müssen. Die Landmiliz, welche bei dem Einmarsche derer Preußischen Truppen die Thore, Haupt- und andere Wachten in der Residenz und Neustadt besetzet hatten und sonsten hier befindlich waren, mußten sich mit ihren Ober- und Unterofficiers auf dem Altenmarkte stellen und alles Gewehr und Patrontaschen ablegen und wurden insgesamt zu Kriegsgefangenen gemacht, doch behielten die Officiers ihr Seitengewehr, welches auch allen andern hier befindlichen Officiers sowohl als auch dem Cadetscorps widerfuhr. Von den letztern wurde eine ziemliche Anzahl, nicht weniger viele Hundert derer besten und jüngsten Leute von der Landmiliz ausgehoben und ungesäumt in die Preußischen Lande fortgeführet[13]. Das abgenommene Gewehr und andere Geräthschaften der Landmiliz lieferte man Preußischer Seits in das Zeughaus, als welches von ihnen besetzt ward.

Bei der abgestatteten Visite des Königs in Preußen Majestät bei denen jungen Königl. Herrschaften haben dieselben auch anbefohlen, daß morgenden Tages die letzt alhier aufgeführte Opera Arminio präsentiret werden sollte, und es mußten dannenhero alle Anstalten hierzu vorgekehret werden. Vormittags ertheilte der auf dem Schlosse alhier die Wacht habende Preußische Capitän die Ordre, die vor denen Königl. jungen Herrschaften Hoheiten Zimmern angesetzten Preußischen Posten wegzunehmen und dargegen die Schweizerposten daselbst wieder auftreten zu lassen, welches auch bei der Prinzessin von Weißenfels Durchlaucht Zimmer geschahe.

Den 19. Dez. Heute hatten Ihro Königl. Majestät von Preußen angeordnet, wegen dero siegreichen Treffen ein Dankfest in der Kirche zum heil. Kreuz zu halten. Zu dem Ende verfügten sich Ihro Königl. Majestät selbst in die Kirche und der Gottesdienst nahm vormittags zehn Uhr (als um welche Zeit die beiden hierselbst gewöhnlichen Vormittagspredigten geendiget sein mußten) seinen Anfang und währte bis gegen elf Uhr. Die Predigt, welche dabei von dero Stabsprediger Herr Mag. Dillraß gehalten worden, ist nachstehende gewesen.

(Hier folgt die Predigt im vollen Wortlaute.)

Nach vorstehender Predigt wurde das Te Deum laudamus (jedoch ohne die Orgel darbei zu spielen, gleichwie auch bei dem ersten Lied: Nun danket alle Gott! unterblieben war) abgesungen und dabei alle Kanonen auf den Wällen abgefeuert, welche dergestalt stark geladen waren, daß an verschiedenen Häusern die Fenster, besonders aber am Opernhause, gesprungen sind, und überhaupt war es auch sehr fürchterlich anzuhören.

Der Herr General Graf von Dohna wurde zum Commandanten und der Herr General du Moulin zum Gouverneur hiesiger Residenz erkläret. Wegen Verpflegung der Preußischen Miliz kam auch heute nachstehende gedruckte Preußische Ordonnance zum Vorschein und wurde in die Häuser ausgetheilet:

Vor Ihro Majest. des Königs von Preußen hier in Dreßden stehende Trouppen wird an Natural-Verpflegung täglich gereichet:

4 thlr. vor einen Obristen, Obrist-Lieut. oder Major,
1 thlr. vor einen Hauptmann,
12 gr. vor einen Lieut. oder Fähndrich,
1 Pf. Fleisch.
Das Gemüse,
2 Berliner Quart Bier,
2 Pf. Brodt, aus dem Magazine, wird dem Unter-Officier oder Gemeinen gegeben, kein Brantewein, kein Geld, kein Toback.
Sr. Königl. Majest. bestallter General-Major von der Cavallerie
Frey-Herr v. d. Goltz. 

Ingleichen wurden andere gedruckte Zettel in die Häuser geschickt, nachfolgendes Inhalts:

Auf Ihro Königl. Preuß. Majest. höchsten Befehl wird allen Wirthen hiermit angedeutet, daß sie bey Vermeidung Leibes- und nach Befinden Lebens-Straffe keine Sächßische oder auch Oesterreichische verlauffene oder blessirte, unter welchen letzteren auch alle Officiers, hohe und niedrige, ohne solche vorher angemeldet zu haben, bey sich logiren lassen sollen. Wenn heute gegen drei Uhr, Nachmittags, iemand gefunden oder erfahren werden solte, soll der Eigenthümer des Hauses, er sey wer er wolle, durch die Wache arretiret werden. Alles Bürger-Schieß-Gewehr soll zusammen ins Cadetten-Haus noch heute gebracht, und abgegeben werden.
Dreßden, den 19. Dec. 1745.
Sr. Königl. Majest. in Preußen 
Obrister von Knobloch. 

Heute Nachmittags zwischen drei und vier Uhr fuhren derer beiden Prinzen Alberti und Clemens Königl. [161] Hoheiten in einem Wagen mit zwei Pferden bespannet zu Ihro Königl. Majestät in Preußen und statteten dero Gegenvisite ab. Als Dieselben die Preußische Wacht im kleinen Schloßhofe vorbei passirten, stunden selbige im Gewehr und präsentirten zugleich, auch wurde salutiret und das Spiel gerühret.

Zu der von Ihro Königl. Majestät in Preußen anbefohlenen Opera geschahe heute die nöthige Anstalten und aus hiesiger Königl. Lichtkammer mußte die Beleuchtung sowohl in der Opera als auch auf die Gänge hergegeben werden. Um halb sechs Uhr des Nachmittags fanden sich Se. Königl. Majestät in Preußen in der Opera ein und solche nahm hierauf ihren Anfang und dauerte bis halb zehn Uhr. Ihro Majestät kamen zum Haupteingange im Zwinger herein und nahmen dero Platz Parterre ein, alle Logen, ausgenommen die herrschaftlichen, ingleichen Amphitheatrum und Parterre waren mit lauter Officiers, auch mit Laquais, Läufern und andern Domestiquen besetzt und befanden sich sehr wenige vom Hofe und aus der Stadt zugegen. An der Hauptentree im Opernhause stunden nur etliche Preußische Grenadiers, die übrigen Eingänge hingegen waren ganz frei und mit keiner Wacht versehen.

Heute Abend blieben die Thorzettel aus und cessirten gänzlich. Die Thore blieben die ganze Nacht offen und bis um acht Uhr Abends konnte jedermann ohne Thorgeld aus und ein passiren, aber nach acht Uhr war es nicht erlaubet. Es haben auch die Schweizer in der Evangelischen Hofkirche die sonst gewöhnlichen Wachtposten nicht besetzet.

Den 20. Dez. Heute Vormittags nach elf Uhr kamen des Prinzens von Preußen Königl. Hoheit benebst dem Prinzen von Braunschweig auf das Schloß gefahren und statteten bei denen hiesigen jungen Herrschaften Königl. Hoheit die Visite ab und verfügten sich sodann in die Königl. Zimmer und besahen deren etliche, gingen darauf über den Stallgang und nahmen das Königl. Gewehr in Augenschein, auch passirten die kleine neugefertigte Treppe auf den Stall wieder herunter und fuhren in dero Quartier zurück.

Den 21. Dez. Heute Vormittags gegen neun Uhr verfügten sich Ihro Königl. Hoheiten die beiden Prinzen Albert und Clemens zu Ihro Königl. Majestät in Preußen und zu des Prinzens von Preußen Hoheiten, und solches geschahe nach Art und Weise wie voriges Mal. Mittags speiseten des Herrn Geheimden Conferenzminister Grafen von Hennicke Excellenz und Herr Oberschenke von Haugwitz nebst andern fremden Gesandten bei Ihro Königl. Majestät von Preußen. Gestern und heute haben Ihro Königl. Majestät von Preußen 148 Baugefangenen die Freiheit geschenket und sind von allen Baugefangenen mehr nicht als annoch 53 Mann in den Fesseln geblieben. Sie haben auch von denen erlassenen etliche in Husarendienste genommen. Der Englische Gesandte Herr von Villiers kam heute von Prag wiederum anhero zurücke. Aus dem hiesigen Zeughause sowohl als auch von denen Wällen wurde dieser Tage von Preußischer Seits viele Artillerie und Gewehr ausgesucht und weiter transportiret[14].

Den 22. Dez. Heute erfuhr man zur größten Freude, daß bei des Herrn Conferenzminister Baron von Bülow Excellenz die Friedensunterhandlungen sich anfingen und von dato an alle Feindseligkeiten eingestellet sein sollten. Zu Abhandlung derer Tractaten waren nachstehende Ministri bevollmächtiget und ernannt, nämlich I. Sächsischer Seits: 1, Obgedachter Herr Conferenzminister Baron von Bülow, 2, der Herr Vicekanzler Graf von Stubenberg; II. Preußischer Seits: 1, der Herr Premierminister Herr Graf von Podewils, 2, der Herr Geheimde Rath von Vockerodt; III. Oesterreichischer Seits der Kaiserl. Geheimde Rath Herr Graf von Harrach. Es wurde zugleich zu Appretirung einer Tafel von zehn bis zwölf Couverts sowohl auf heute als solange die Friedensunterhandlungen fortwähren würden, bei des Herrn Conferenzministers Excellenz alle Anstalten von Hofe vorgekehret und zwar solchergestalt, daß mit Beihilfe des Bülowischen Kochs der angenommene Koch Herrmann in dasiger Küchen die Speisen zurichten und die benöthigten Victualien hierzu aus dem Königl. Zehrgarten erhalten sollte. Bei der Kellerei und Silberkammer geschahe die Anstalt, daß das Erforderliche an den Kammerdiener des Herrn Conferenzminister von Bülow gegen Bescheinigung verabfolget werden sollte. Bei der Conditorei wurde jedesmal ein Stück Confect und sechs Teller nebst Coffee und Zucker zu geben anbefohlen. Zum Service und Bedienung dieser Tafel hingegen wurde von den Königl. Officianten niemand zugegeben, sondern des Herrn Conferenzministers Bediente besorgten alles alleine. Aus dem Porcellainwaaren-Lager wurde ein Porcellainservice zu solcher Tafel abgefolget, auch aus der Kellerei die benöthigten Gläser, das benöthigte Deckzeug, Messer, Gabeln und Löffel aber hat der Herr Conferenzminister selbst hergegeben.

Den 23. Dez. Heute Vormittags marschirten etliche Preußische Grenadiersregimenter hier durch über Neustadt hinaus, sonst aber blieb alles in statu quo. Man wurde heute früh nach fünf Uhr gegen den Großen Garten und nach Plauen zu verschiedene Feuer gewahr, dergleichen man auch Abends an verschiedenen Orten wieder aufgehen sahe, welche von den Oesterreichischen und Preußischen Husaren verursachet worden. Bei des Herrn Conferenzminister von Bülow Excellenz continuiret heute die Tafel, auf morgen aber wurde solche abgesaget.

[162] Den 24. Dez. Heute Nachmittags hörte man wiederum von verschiedenen Feuersbrünsten, welche man gewahr wurde, unter andern kam die Nachricht, daß die sogenannte Grüne Wiese in voller Flamme stünde, welche sowohl als andere Orte die herumstreifenden Oesterreichischen Husaren und Preußischen. Truppen angezündet. Die Hoffnung eines herannahenden Friedens in denen seit etlichen Tagen sich angefangenen Tractaten wurde heute um destomehr bekräftiget, als man hörte, daß von allerseits das Friedensinstrument unterzeichnet und von Königl. Preußischer Seite an alle dero Regimenter wiederholte Ordre ertheilet worden, alle Feindseligkeiten gegen die Oesterreichischen und Sächsischen Truppen einzustellen, wodurch die hiesigen Einwohner in allgemeine Freude versetzet worden.

Den 25. Dez. Heute als am ersten heil. Weihnachtsfeiertage früh um vier Uhr wurden wie sonst gewöhnlich die drei Kanonen auf dem Kreuzthurm abgefeuert, auch haben der alte Fürst von Dessau[15] als der Prinz von Braunschweig heute Nachmittags dem Gottesdienst in der Kreuzkirche beigewohnet. Ein Preußisches Cavallerie- und das schwarze Husarenregiment marschirten zum Wilsdorfer Thore herein durch die Stadt und über Neustadt hinaus. Mittags war Tafel bei des Herrn Conferenzministers von Bülow Excellenz.

Den 26. Dez. Diesen Morgen marschirten abermals einige Preußische Regimenter Infanterie durch die Stadt und über Neustadt hinaus. Nachmittags nach vier Uhr kamen des Königs von Preußen Majestät mit dero Herrn Bruders des Prinzens Wilhelm Hoheiten in einem offenen Wagen mit acht Pferden bespannet in das Schloß gefahren und stiegen an eben der Treppe wie das erste Mal ab und statteten bei denen hiesigen beiden Prinzen Albertus und Clemens Königl. Hoheiten, ingleichen bei denen drei Prinzessinnen Königl. Hoheiten dero Abschiedsvisite ab. Nach kurzem Verweilen fuhren sie wieder in dero Quartier zurück und derer beiden Prinzen Königl. Hoheiten folgeten ihnen gleichfalls [in] mit zwei Pferden bespanneten Wagen nach und legten ihre Gegen-Abschiedsvisite ab. Heute Nachmittags continuirte die Tafel bei des Herrn Conferenzministers von Bülow Excellenz.

Den 27. Dez. Diesen Morgen um sechs Uhr sind Ihro Königl. Majestät von Preußen in Begleitung dero Herrn Bruders des Prinzen Wilhelms von Preußen Hoheit von hier nacher Berlin abgereiset[16]. Früh acht Uhr meldete der auf dem Schlosse hierselbst wachthabende Preußische Hauptmann, daß er beordert wäre, die zeitherige Preußische Wacht von dem Königl. Schlosse abgehen zu lassen und die sämtlichen Posten an die Schweizer wiederum abzugeben. Es möchte dieses also dem Schweizerofficier gemeldet werden, damit derselbe ihn ablösete, welches denn auch ohne Verzug geschahe und die Schweizerwacht wie gewöhnlich mit klingendem Spiel ins Schloß eingezogen [so!]. Die Preußische Wacht stund im Gewehr, präsentirte und rührte das Spiel bei dem Einmarsche derer Schweizer. Hierauf übergab der Preußische Hauptmann dem Schweizerofficier, Herrn Major von Bagge, alle Posten, wie solche bei der ersten Besetzung von denen Preußen übernommen worden. Die Preußische Besatzung marschirte alsdann mit klingendem Spiel aus dem Schloß und die Schweizer präsentirten hierbei das Gewehr und rührten die Trommel. Es war also heute der zehnte Tag, daß das Schloß von denen Preußischen Truppen besetzet gehalten worden, nach deren Abzug im Schlosse jedermann lebhaft und fröhlich war, da bishero niemand außer denen Zimmern sich sehen lassen. Des Herrn Hausmarschalls von Erdmannsdorff Excellenz, ingleichen der Herr Hofsecretär Mildner und der Herr Cämmerei-Expeditor Müller, welche bishero beständig auf dem Schlosse pernoctirt hatten, blieben von heute Abends an wieder zu Hause. [163] Sowohl an dem heutigen dritten Weihnachtsfeiertage als an denen beiden vorhergehenden sind in der evangelischen Hofkirche bei gehaltenem Gottesdienste von denen Schweizern die sonst gewöhnlichen Posten noch nicht wieder besetzt gewesen. Se. Königl. Majestät in Preußen haben bei dero Abreise in dem Quartier, wo sie logiret, an die Fürstl. Lubomirskischen Bedienten zweihundert Thaler zur Discretion austheilen lassen.

Den 28. Dez. Diesen Morgen wurde der Hoftrompeter Wolf mit Pässen und Stallpferden nacher Töplitz abgeschicket, um die am 15. hujus dahin abgegangene Mundköchin Liebin mit ihren Leuten wiederum anhero zurückzubringen. Heute marschirten abermals zwei Regimenter Preußische Cuirassiers, 1 Reg. Husaren und 1 Reg. Infanterie zum Wilsdorfer Thore herein, durch die Stadt und über Neustadt zum Weißen Thore hinaus[17].

Den 29. Dez. Diesen Morgen in aller Frühe fing die Preußische Bagage in und vor der Stadt hier durch und über Neustadt zum Weißen Thore hinaus zu marschiren und um acht Uhr versammleten sich die zeithero in hiesiger Residenz gelegenen Truppen allerseits auf dem Altenmarkte, Schloß- und Elbgasse[18] mit Sack und Pack. Nach acht Uhr verlassen auch diejenigen, welche auf denen Hauptwachten, Posten und unter den Thoren gestanden, dieselben, letztere zogen hinter sich die Aufzugbrücken im Wilsdorfer und Pirnischen Thore auf und sperreten die Thore und stellten sich zu denen zum Abmarsch bereits paratstehenden Truppen. Um halb neun Uhr erfolgte endlich der Abzug mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel über Neustadt zum Weißen Thore hinaus, allwo sich die annoch stehende Preußische Wacht anschloß, nach deren Abmarsch solches Thor ebenfalls gesperret wurde. Das Schwarze Thor hingegen, welches schon einige Zeit vor dem Einmarsch der Preußischen Truppen gesperret und zugemacht gewesen, ist während der Preußischen Besetzung niemals geöffnet worden. Alles Marodiren und Plündern beim Abmarsch sowohl aus der hiesigen Residenz als auch durch die sämtlichen Sächsischen Lande soll denen Preußischen Truppen bei Leib- und Lebensstrafe sein verboten gewesen, dergestalt daß diejenigen, welche sich dergleichen unterstehen würden, sogleich niedergeschossen werden sollten, weshalber auch die Unterofficiers mit aufgezogenen Pistols neben den Leuten marschiren müssen.

Um zehn Uhr Vormittags besetzte die ankommende Landmiliz wiederum die Hauptwacht alhier und in Neustadt, die Thore aber wurden von den Bürgern besetzt. Nachmittags kam ein Bataillon vom Bellegardischen Regiment hereinmarschirt und lösete die Landmiliz von der Hauptwacht und den Thoren wieder ab. Mittags gaben der Herr Conferenzminister Graf von Hennicke ein Tractament, wobei unter andern von Preußischer Seits der Herr Premierminister Herr von Podewils, der Herr Geh. Rath von Vockerodt und Fürstl. Dessauische Hofrath Herr Herrmann sich anwesend befanden. Heute wurden die Thorzettel zu verfertigen wieder angefangen und eingeschickt.

Den 30. und 31. Dez. Gestern fiel nichts besonders vor. Heute kam die Mundköchin Liebin mit ihren Leuten und dem Beischreiber Wustmann auch Somelier Klugin nebst dem zu ihrer Abholung nacher Töplitz abgeschickten Trompeter Wolf von da wiederum allhier an.

Anno 1746 den 1. Jan. Heute Nachmittags war wiederum bei des Herrn Geh. Conferenzminister Baron von Bülow Excellenz die gewöhnliche Tafel und speiseten abermals wie vorhero geschehen der Preußische Premierminister Herr von Podewils und der Preußische Herr Geh. Rath. von Vockerodt alda, welche beide hierauf diesen Tag gegen Abend von hier ab und nach Berlin reiseten, mithin diese Tafel völlig cessirte. Am heutigen heiligen Neujahrstage haben bei dem evangelischen Hofgottesdienste die Schweizer ihre gewöhnlichen Posten wiederum besetzet. Abends langte die Hochgräflich Brühlische junge Herrschaft aus Prag hier an.

Den 2. Jan. Heute Vormittags wurde sowohl bei dem evangelischen Hofgottesdienst als auch in denen übrigen Stadtkirchen wegen des zwischen Ihro Königl. Majestät in Polen und Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen und Sr. Königl. Majestät in Preußen geschlossenen Friedens Dankpredigt gehalten und ein besonderes Dankgebet verlesen und das Te Deum laudamus gesungen, bei dessen Anstimmung in der Hofkirche dreimal zwölf Canons abgefeuert, auch dabei die Glocken auf allen Kirchen geläutet wurden. Wie man vernimmt, so haben die Preußen die Stadt Leipzig am 1. dieses gleichfalls verlassen.

Den 3. Jan. Heute kam die frohe Zeitung ein, daß Ihro Königl. Majestät in Polen nebst dero Gemahlin [164] Königl. Majestät sich auf dem Rückweg von Prag anhero nach Dresden befänden.

Den 4. Jan. Heute Nachmittags langten beiderseits Königl. Majestäten zur allgemeinen größten Freude in hiesiger Residenz, dem Höchsten sei Dank! gesund und glücklich wieder an.

Den 5. Jan. Nachmittags um halb drei Uhr kamen auch Ihro Königl. Hoheiten der Churprinz, Prinz Xaverius und Prinz Carls Königl. Hoheiten über Leipzig von Nürnberg Gottlob gesund und glücklich in hiesige Residenz wieder zurück.

Den 6. Jan. Die Zurückkunft derer beiden Prinzessinnen Marien Annen und Marien Josephen Königl. Hoheiten wurde zwar heute gleichfalls von Prag vermuthet, es lief aber die unangenehme Nachricht hierselbst ein, daß Ihro Königl. Hoheit die Prinzessin Maria Anna unterwegs mit einer kleinen Unpäßlichkeit wären überfallen worden und deren Aufenthalt in Töplitz noch einige Tage fortdauern würde.

Den 12. Jan. Heute Nachmittags 3/4 auf 5 Uhr sind derer beiden Prinzessinnen Marien Annen Sophien und Marien Josephen Königl. Hoheiten, Gott sei Dank! gesund und glücklich alhier in Dresden wieder angelangt.

Alles Vorstehende ist zum Andenken und zur künftigen Erinnerung angemerket worden.


  1. In genauem Wortlaut, aber neuerer Schreibweise.
  2. Winkler, ein Beitrag zur Geschichte der Schlacht bei Kesselsdorf, im Archiv für die Sächsische Geschichte Bd. 9 (1871) S. 225.
  3. Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 98 u. 114.
  4. Ebenda Bl. 12.
  5. Bezeichnet mit G. XXXII. 1b.
  6. Die Kriege Friedrichs des Großen. Herausgegeben vom Großen Generalstabe. II. Theil, 3. Band. Berlin 1895.
  7. d. h. Verbrauchs.
  8. Muß heißen: Scharfenberg.
  9. Muß heißen: Zehren.
  10. Mit der Unterbringung der Verwundeten und Kranken sah es schlimm genug aus. Auf das Verlangen des geh. Kriegsconsiliums hatte der Rath am 7. Dez. zu ihrer Aufnahme das Gewandhaus bestimmt. Am Abend des 15. Dez. gab er noch die leerstehenden Räume im städtischen Brau- und Malzhause auf der Breitengasse dazu her. Bald mußten aber auch die Gasthöfe und Bierhäuser belegt werden, und erst am 16. Dez. wurde durch Einräumung der Kasernen und des Jägerhofs für die Tausende von Verwundeten und Kranken ausreichender Platz geschafft. Für ihre Wartung und Verpflegung war anfangs gar nicht gesorgt, und noch am 21. Dez. beklagten sich die im Gewandhause untergebrachten 300 Verwundeten über Mangel an Brot und Stroh (Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 59, 109, 112, 116, 127, 218).
  11. Bürgermeister Weinlig wurde Abends 9 Uhr ins Geheime Consilium geholt und ihm dort der Küchenzettel für die Tafel des Königs mit dem Auftrage eingehändigt, die darin verzeichneten Eßwaaren am nächsten Morgen 1/27 Uhr nach Plauen zu liefern. Da der Bürgermeister sich hierzu außer stande erklärte, erging an die Hofküche Anweisung, dem Rathe das Erforderliche aus dem Königl. Zehrgarten („Menageriegarten“ an der Friedrichstraße) und von dem Hoflieferanten Italiener Brentano herzugeben. Mit Ausnahme von 20 Stück Seezungen und von frischen Austern, die nicht vorhanden waren, sowie der Schachtel Garnelen [Krabben], wovon niemand wußte, was es wäre, wurde das Verlangte beschafft. Am andern Vormittag meldete ein Bedienter aufs Rathhaus, der König wünsche Mittags auf Porzellan zu speisen, der Rath solle solches zugleich mit den bestellten Viktualien ins Lubomirskische Palais liefern. Daher mußte der Aktuar Herold sofort nach Plauen reiten und den ausgesandten Speisewagen zurückholen. Es wurden dann zunächst noch verlangt je ein Viertel braunes und lichtes Bier und ein Eimer Rheinwein, sowie sechs Dutzend Servietten, sechs Tafeltücher und je zwei Dutzend Bier- und Weingläser. Zum Einheizen und Aufwaschen mußten mehrere Weiber, zum Aufwarten einige „hübsche“ Männer ins Palais gestellt werden. (Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 161.)
  12. Früh vier Uhr wurde Bürgermeister Weinlig in General Boses Quartier geholt. Dort traf er den Königl. Flügeladjutanten Hauptmann von der Oelsnitz, der ihm meldete, daß er im Namen des Königs den Magistrat und die Stadt dero Gnade und Protektion versichern solle. Der Rath müsse aber die hereinrückenden Truppen sofort verquartieren und die Hausbesitzer anhalten, sie in der vorgeschriebenen Weise zu verpflegen. In die Stadt würden zwei Bataillone zu je 600 Mann und die ganze Generalität kommen, vier Bataillone nach Neustadt, vier in die Wilsdruffer Vorstadt nebst Friedrichstadt und zwei in die Pirnaische Vorstadt. Um sechs Uhr versammelte sich der Rath und traf wegen der Einquartierung die nöthigen Vorkehrungen. – Der preußische General von der Goltz beschied drei Rathsdeputirte zu sich und eröffnete ihnen, der König lege der Stadt eine Contribution von 100 000 Thlr., binnen vier Tagen zahlbar, auf; davon seien 25 000 Thlr. andern Tages vormittags neun Uhr bei Vermeidung von Zwang baar zu zahlen. Die Deputirten begaben sich sogleich zum Minister Grafen von Hennicke und stellten ihm vor, es sei bei keiner Kasse Geld vorhanden außer bei der Sophienkirche; er gab ihnen den Rath, es unbedenklich von da zu nehmen. Bei Ueberreichung der 25 000 Thlr. am 20. Dezember übergab der Rath ein Gesuch an den König um Ermäßigung der Contribution auf 50 000 Thlr. und um Nachsicht hinsichtlich der Zahlungsfrist, da das Geld bei den Einwohnern von Haus zu Haus in Posten von 10, 20, 30 Thlr. zusammengesucht werden müsse (Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 162, 181, 210). Das Gesuch ist von Erfolg gewesen, denn nach Ausweis der späteren Abrechnung (Akten G. XXXII. 14) sind in Wirklichkeit bezahlt worden
    47 750  Thlr. Gr. Pf. Contributionsgelder.
    10 869  16 Douceurs, davon 10 000 Thlr. „auf Befehl des Kurfürsten“ an den Minister Grafen Podewils für seine Bemühungen um den Friedensschluß, 550 Thlr. an den Fürstl. Dessauischen Hofrath Herrmann und 220 Thlr. 16 Gr. für Porzellan zu Geschenken an die Generale du Moulin und Graf Dohna „für gehaltenes gutes Commando“;
    1 943  6 9 Aufwand für die Küche des Königs, des Fürsten von Dessau und des Grafen Dohna,
    193  10 11 Boten- und Fuhrlohn,
    435  Naturalverpflegung für die Offiziere,
    61 191  Thlr. 9 Gr. 8 Pf. insgesamt.
  13. Von den Cadetten wurden 26, von den 3000 Mann Landmiliz 1600 unter Bedeckung zweier Reiterregimenter nach Berlin abgeführt, um in die Preußische Armee eingereiht zu werden. Zum Transport der Cadetten bis Meißen mußte der Rath am 20. Dez. 6 vierspännige Korbwagen stellen.
  14. 59 Geschütze, 350 Centner Blei und viele Handwaffen.
  15. Der „alte Dessauer“ hatte sich in den Unterstuben des Hofmedicus Dr. Ermel an der Kreuzkirche (jetzt Nr. 2), unmittelbar neben dem Lubomirskischen früher Flemmingschen, dann Vitzthumschen Palais, wo der König wohnte (jetzt Nr. 3), einquartiert. Er verlangte, daß ihm in der einen Stube ein Kamin gesetzt werde, was der Rath sogleich am 18. Dez. durch den Maurermeister Fehre ausführen ließ (Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 165).
  16. Der Rath hatte zur Abreise des Königs 147 Pferde, zu der des Fürsten von Dessau sechs vierspännige Wagen zu stellen; deren Beschaffung übernahm der Posthalter Mierisch (Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 248). – Ueber den Eindruck, den König Friedrich auf die Dresdner Bevölkerung gemacht hatte, schreibt R. Koser (König Friedrich der Große. Bd. 1, Stuttgart 1893, S. 292) auf Grund von Briefen und Gesandtschaftsberichten: „Alles eben wurde von dem Sieger darauf angelegt, in dem mit den Waffen bezwungenen Dresden auch moralische Eroberungen zu machen. Vortrefflich wirkten zusammen die Mannszucht und Gutartigkeit der preußischen Truppen und die gewinnende Leutseligkeit ihres königlichen Feldherrn, seine Huld gegen die in der Hauptstadt zurückgebliebenen Königskinder, sein Appell an die religiösen Instinkte der protestantischen Unterthanen eines katholischen Herrschers. Alsbald nach dem Einmarsch in Sachsen hatte er sich überzeugen können, daß die Stimmung im Kurfürstenthum, zumal nach den Ausschreitungen, welcher sich die aus Rand und Band gekommenen Truppen des Lothringers während ihres kurzen Besuches schuldig gemacht hatten, ihm und den Seinen sich zuwendete; jetzt machte es auf die evangelische Bürgerschaft Dresdens einen tiefen Eindruck, daß der Landesfeind tags nach seinem Einzuge in die Hauptstadt bei dem Gottesdienste in der Kreuzkirche in ihrer Mitte erschien. Wo der König von Preußen in den Straßen sich zeigte, empfing ihn ehrfurchtsvoller, fast sympathischer Gruß. Zwar hielten sich die Damen der Stadt in augenfälliger Weise fern, als Friedrich den „Arminio“, die neueste Schöpfung des Meister Hasse, im Opernhause sich vorführen ließ; aber in den Gemächern der Fürstin Lubomirska, deren Palast auf der Kreuzgasse das Hauptquartier aufgenommen hatte, huldigten auch sie dem Stern und der Liebenswürdigkeit des jugendlichen Eroberers“.
  17. Am 27. Dez. wurde den Gerichtspersonen in den Vorstädten angezeigt, daß sich sämtliche preußische Truppen andern Tags früh sieben Uhr zur Parade auf dem Markte stellen würden; wer gegen seine Einquartierung zu klagen habe, solle es dort bei dem General anbringen. Am Abend des 28. machten zwei Rathsdeputirte dem Gouverneur General du Moulin das Abschieds-Compliment. Wegen des Ausmarsches der Truppen am 29. versammelte sich der Rath früh sieben Uhr auf dem Rathhause. Dem Platzmajor von Ramin wurde ein Donceur von zwölf Speciesdukaten überreicht. Die Truppen zogen sich auf dem Altmarkte zusammen und gegen neun Uhr erfolgte der Abmarsch. Der Fürst von Dessau entschloß sich, diesen Tag noch hier zu bleiben, damit beim Ausmarsche alle Unordnung vermieden werde und etwaige Klagen ihm noch vorgetragen werden könnten. Die Preußen ließen für die Armen der Stadt 10 000 Portionen Commisbrot zurück, bestehend in 1000 Vierpfund- und 2666 Sechspfundbroten (Rathsakten G. XXXII. 1 BL. 255, 268–272).
  18. Augustusstraße.