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der Infanterie von Bose, nicht für möglich, die Stadt länger als 2 bis 3 Tage auch nur gegen eine Einschließung zu halten. Er berichtete an den Herzog von Sachsen-Weißenfels, von 9 Theilen der Befestigungswerke seien 8 so gut als offen und könnten die preußischen Kolonnen, bei einem zu gewärtigenden Zufrieren der Elbe, von der Flußseite her, ohne die geringsten Schwierigkeiten zu finden, in die Stadt einbrechen. Außerdem nahm der genannte General aber auch noch Veranlassung, sich in seinem Berichte über den Zustand der Armee im Allgemeinen auszusprechen. Er sagt, daß dieselbe aus Mangel an Subsistenz von selbst würde auseinander gehen müssen und daß der König von Preußen nur ruhig stehen zu bleiben brauche, um diesen Zeitpunkt abzuwarten. „Die Armee und die hiesige Stadt“, fährt er fort, „werden in Umstände verfallen, daß Mensch und Vieh vor Hunger krepiren“, weil man, ohne Vorräthe und Magazine, nur auf einen geringen Theil des Landes beschränkt sei und in diesem die herannahenden Oesterreicher den Mangel noch vermehren würden. Die Preußen hingegen hätten das ganze Land zur Disposition und auch Geld im Ueberfluß, weshalb es unbedingt erforderlich wäre, die Armee in eine günstigere Stellung zu bringen, denn es sei besser, daß Dresden, wie vorher Leipzig, durch einen billigen Akkord in feindliche Hände fiele, als daß bei dem Versuche, die Stadt zu retten, die Armee geopfert werde“.

Trotz dieser Vorstellungen von der traurigen Lage der Armee ließ Brühl dem Herzog von Sachsen-Weißenfels von Prag aus, wohin er sich mit dem König August III. geflüchtet hatte, am 12. Dezember den Befehl zugehen, die Offensive zu ergreifen. Der Herzog erklärte dies für unmöglich und beschwor den Minister, auf die von Preußen vorgeschlagenen Friedensbedingungen einzugehen, denn ohne Geld und Lebensmittel und von den Verbündeten ziemlich verlassen werde das Land durch einen Krieg völlig ruinirt werden.

Inzwischen hatte er die Armee, deren Stärke 25 000 Mann betrug, in eine Vertheidigungsstellung auf den Höhen hinter dem Zschoner Grunde gebracht und wegen Krankheit das Kommando in die Hände des Grafen Rutowsky gelegt. Auf dem äußersten rechten Flügel bei Briesnitz stand ein österreichisches Hilfskorps von 6000 Mann unter General Grünne, der linke Flügel stützte sich auf das Dorf Kesselsdorf, das von sieben Grenadierbataillonen besetzt und dessen Zugang durch eine starke Batterie gedeckt war. Von Meißen her war Fürst Leopold von Anhalt mit etwa 32 000 Mann im Anmarsch. Am 15. Dezember Nachmittags schritt dieser zum Angriff auf den Schlüssel der sächsischen Stellung, Kesselsdorf. Zweimal wurden die auf dem glattgefrornen abschüssigen Boden mit Todesverachtung anstürmenden Preußen unter schweren Verlusten zurückgewiesen. Da ließen sich die tapferen sächsischen Grenadiere verleiten, aus ihrer festen Stellung zur Verfolgung hervorzubrechen. Sogleich wurden sie von der preußischen Reiterei in den Flanken angegriffen, zersprengt und zurückgetrieben. Die wieder vorgehende preußische Infanterie nahm das von Vertheidigern entblößte Dorf ein und behauptete es. Inzwischen waren die Sachsen auch im Zentrum ihrer Stellung, bei Zöllmen, vom Prinzen Moritz von Anhalt mit Ungestüm angegriffen und geworfen worden. Die im zweiten Treffen aufgestellte Kavallerie konnte von den mit Aufopferung kämpfenden Offizieren nicht zu kräftigem Gegenstoß fortgerissen werden, zu der physischen Erschöpfung hatte sich bei den halb verhungerten und erfrornen Soldaten noch völlige Muthlosigkeit gesellt. Zwei Stunden nach Beginn der Schlacht wälzte sich die sächsische Armee als eine einzige fliehende Masse auf Dresden zu, 3800 Todte und Verwundete, 3000 Gefangene und 48 Kanonen auf dem Schlachtfelde zurücklassend, zu denen sich nicht weniger als 5000 todte und verwundete Preußen gesellten. Das österreichische Hilfskorps unter Grünne hatte keinen Schuß gethan und der Herzog von Lothringen hatte sich mit seiner Armee von 21 000 Mann vom Großen Garten her eben erst in Marsch gesetzt, als die Schlacht entschieden war.

Schon am 16. Dezember Nachmittags 2 Uhr erschien der Fürst von Anhalt vor den Thoren Dresdens. General Bose, der sogar die Bürgerschützen zur Besetzung der Wälle aufgeboten hatte[1], konnte nicht an Widerstand denken und war auch bereits im Besitze der königlichen Ermächtigung, die Stadt dem Sieger auf Gnade und Ungnade zu übergeben. Um 18. Dezember früh hielt König Friedrich II. seinen Einzug in die gefallene Hauptstadt Sachsens.

Ueber die Vorgänge in Dresden vor und nach der Schlacht ist bisher wenig bekannt geworden. Die damals hier erschienenen Wochen- und Monatsblätter bringen darüber gar keine Nachrichten: schon am 1. Dezember hatten die Herausgeber der „Dresdnischen Merkwürdigkeiten“, der „Curiosa Saxonica“ und des „geschriebenen Diariums“, Mohrenthal, Crell und Weicholdt, vom geheimen Konsilium die Verordnung erhalten, bis auf weiteres das Erscheinen ihrer Zeitschriften einzustellen[2]. Umsomehr verdient ein handschriftlich vorhandenes Diarium Dresdense aus jener Zeit veröffentlicht zu werden. Ob das Original dieses Diariums noch erhalten ist und wo es sich befindet, läßt sich nicht sagen. Eine anscheinend nicht viel spätere, genaue Abschrift ist in einem Aktenstück, betitelt „Sammlung vieler sehr interessanten Nachrichten von dem ersten königl. preußischen Einfall in


  1. Rathsakten G. XXXII. 1 Bl. 98 u. 114.
  2. Ebenda Bl. 12.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/157&oldid=- (Version vom 15.6.2024)