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die Chursächsischen Lande mense Novbr. 1745 etc.“, enthalten, das Herr Dr. med. Walter von Boetticher in Bautzen vor einiger Zeit dem Dresdner Rathsarchive geschenkt hat[1]; einen vom Finanzkanzlisten Röber im Anfange dieses Jahrhunderts gefertigten Auszug des Diariums besaß schon vorher der Verein für Geschichte Dresdens. Die Person des Verfassers ist nicht bekannt; sicher war es ein Dresdner Hofbeamter, denn er schreibt nicht nur in überaus unterthänigem Hofstil, sondern zeigt sich auch über alle Vorgänge im Residenzschlosse aufs genaueste unterrichtet und schildert sie mit besonderer Vorliebe. Dagegen kennt er das, was sich außerhalb Dresdens ereignete, nur vom Hörensagen, so daß seine Mittheilungen darüber keinerlei Werth besitzen. Was insbesondere seine Darstellung des Verlaufs der Kesselsdorfer Schlacht betrifft, so ist sie nur insofern von Interesse, als daraus hervorgeht, wie wenig über das folgenschwere Ereigniß selbst noch am Tage nachher in der Stadt Zuverlässiges zu erfahren war; so glaubte man u. a., daß der König von Preußen selbst den Befehl geführt habe, während dieser doch mit der Hauptarmee noch bei Meißen stand. Nachträglich hat der Tagebuchschreiber seiner Schilderung zwei genauere Schlachtberichte, einen von sächsischer und einen von preußischer Seite, eingefügt, es kann aber hier davon abgesehen werden, sie mit abzudrucken, da es vielverbreitete Darstellungen sind und der Verlauf der kriegerischen Ereignisse selbst dank neueren Forschungen[2] bis in alle Einzelheiten feststeht.


Diarium Dresdense

auf den Monat Dezember Anno 1745, ingleichen vom 1. bis 6. Januarii Anno 1746, worinnen dasjenige, was vor, bei und nach dem Einmarsch derer Königl. Preußischen Truppen in die Residenzstadt Dresden, auch bei und nach deren Ausmarsch daselbst Merkwürdiges vorgefallen, beschrieben ist.

Nachdem bei immer mehr und mehr sich nähernden Preußischen Truppen sowol von Seiten der Oberlausitz als Leipzig her Ihro Königl. Majestät in Polen und Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen unser allergnädigster Herr sich entschlossen, [sich] von hier weg zu begeben, so reiseten
den 1. Dez. 1745 Vormittags gegen 9 Uhr Ihro beiderseits Prinzessinnen Maria Anna und Maria Josepha Königl. Hoheiten von hier nacher Töplitz ab, wohin nach 9 Uhr Ihro beiderseits Königl. Majestäten ebenfalls nachfolgeten. Wegen der Stadt Leipzig war folgende Nachricht eingelaufen. Es hätte sich nämlich diese Stadt am 30. Novembris ohne Schwertschlag an die Preußischen Truppen, welche der regierende Fürst von Anhalt-Dessau commandiret, ergeben müssen, weil die in dasigen Vorstädten liegende zwei Sächsischen Infanterieregimenter Graf Stollberg und Graf Bellegarde nebst einiger wenigen in Eil zusammengebrachten Bataillons nicht im Stande gewesen zu widerstehen, vielmehr vor das Beste gehalten, sich zurückzuziehen und ihre Kräfte zu sparen, als sich einzeln ruiniren zu lassen. Die Art einer Capitulation, die dabei gemachet worden, sei folgende: daß 1, das Schloß geräumet, 2, 1000 Grenadiers in die Stadt einrücken, 3, Ihro Hochfürstl. Durchlaucht alle dem Könige zuständige Einkünfte, bis Höchstdieselben von Sr. Königl. Majestät in Preußen neue Instruction erhalten, einziehen und 4, endlich angelobet werden sollte, daß man von diesem nicht das geringste entwenden wolle. Hingegen verbinden sich Se. Hochfürstl. Durchlaucht, 1, die Revenüen des Raths nicht zu berühren, 2, die Garnison nicht zu verstärken, 3, nicht zu verstatten, daß dero Husaren des Nachts in der Stadt verbleiben, oder wenn sie es vor gut befänden, [sich] von dar weg begeben sollten.

Den 2. Dez. Diesen Morgen um 7 Uhr begaben sich Ihro Königl. Hoheiten der Churprinz, Prinz Xaverius und Prinz Carl ebenfalls von hier ab und es hieß, daß diese Reise nach Nürnberg gerichtet sei, um allda bei dermaligen gefährlichen Zeitläuften sich einige Zeit lang aufzuhalten. Vor die zurückgebliebene zwei Prinzen Albert und Clemens Königl. Hoheiten wurde anbefohlen, daß solche aus denen Königl. Hofämtern versorget werden sollten und des Aufgangs[3] halber eine besondere Rechnung zu halten und zu fertigen sei. Derer drei Prinzessinnen Christina, Elisabeth und Cunigunda Königl. Hoheiten verblieben ebenfalls allhier und die Ausspeisung vor dieselben wurde, wie zeithero geschehen, von der Mundköchin Liebin besorget.

Den 3. Dez. Diesen Morgen lief Nachricht ein, daß die nacher Töplitz abgegangenen Hohen Königl. Herrschaften von dar sich weiter nacher Prag gewendet, mithin die noch hier befindlichen Geräthschaften ebenfalls dahin abgesendet worden. Desgleichen erfuhr man, daß sich die Stadt Bautzen der Königl. Preußischen Armee und zwar dem General Lehwald, welcher mit ohngefähr 8 bis 10 000 Mann abgeschicket gewesen, um aus der Lausitz in das Markgrafthum Meißen einzubrechen, heute dato ergeben hätte, die übrige Armee aber derselben nachfolgete. Abends sehr späte rückten viele Sächsische Truppen zur Besatzung hier ein und wurden theils stark in die Häuser verleget, theils davon marschireten und zwar eine große Anzahl nacher Neustadt hinaus. Auf hiesigem Neumarkt wurde auch


  1. Bezeichnet mit G. XXXII. 1b.
  2. Die Kriege Friedrichs des Großen. Herausgegeben vom Großen Generalstabe. II. Theil, 3. Band. Berlin 1895.
  3. d. h. Verbrauchs.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/158&oldid=- (Version vom 21.6.2024)