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Den 24. Dez. Heute Nachmittags hörte man wiederum von verschiedenen Feuersbrünsten, welche man gewahr wurde, unter andern kam die Nachricht, daß die sogenannte Grüne Wiese in voller Flamme stünde, welche sowohl als andere Orte die herumstreifenden Oesterreichischen Husaren und Preußischen. Truppen angezündet. Die Hoffnung eines herannahenden Friedens in denen seit etlichen Tagen sich angefangenen Tractaten wurde heute um destomehr bekräftiget, als man hörte, daß von allerseits das Friedensinstrument unterzeichnet und von Königl. Preußischer Seite an alle dero Regimenter wiederholte Ordre ertheilet worden, alle Feindseligkeiten gegen die Oesterreichischen und Sächsischen Truppen einzustellen, wodurch die hiesigen Einwohner in allgemeine Freude versetzet worden.

Den 25. Dez. Heute als am ersten heil. Weihnachtsfeiertage früh um vier Uhr wurden wie sonst gewöhnlich die drei Kanonen auf dem Kreuzthurm abgefeuert, auch haben der alte Fürst von Dessau [1] als der Prinz von Braunschweig heute Nachmittags dem Gottesdienst in der Kreuzkirche beigewohnet. Ein Preußisches Cavallerie- und das schwarze Husarenregiment marschirten zum Wilsdorfer Thore herein durch die Stadt und über Neustadt hinaus. Mittags war Tafel bei des Herrn Conferenzministers von Bülow Excellenz.

Den 26. Dez. Diesen Morgen marschirten abermals einige Preußische Regimenter Infanterie durch die Stadt und über Neustadt hinaus. Nachmittags nach vier Uhr kamen des Königs von Preußen Majestät mit dero Herrn Bruders des Prinzens Wilhelm Hoheiten in einem offenen Wagen mit acht Pferden bespannet in das Schloß gefahren und stiegen an eben der Treppe wie das erste Mal ab und statteten bei denen hiesigen beiden Prinzen Albertus und Clemens Königl. Hoheiten, ingleichen bei denen drei Prinzessinnen Königl. Hoheiten dero Abschiedsvisite ab. Nach kurzem Verweilen fuhren sie wieder in dero Quartier zurück und derer beiden Prinzen Königl. Hoheiten folgeten ihnen gleichfalls [in] mit zwei Pferden bespanneten Wagen nach und legten ihre Gegen-Abschiedsvisite ab. Heute Nachmittags continuirte die Tafel bei des Herrn Conferenzministers von Bülow Excellenz.

Den 27. Dez. Diesen Morgen um sechs Uhr sind Ihro Königl. Majestät von Preußen in Begleitung dero Herrn Bruders des Prinzen Wilhelms von Preußen Hoheit von hier nacher Berlin abgereiset [2]. Früh acht Uhr meldete der auf dem Schlosse hierselbst wachthabende Preußische Hauptmann, daß er beordert wäre, die zeitherige Preußische Wacht von dem Königl. Schlosse abgehen zu lassen und die sämtlichen Posten an die Schweizer wiederum abzugeben. Es möchte dieses also dem Schweizerofficier gemeldet werden, damit derselbe ihn ablösete, welches denn auch ohne Verzug geschahe und die Schweizerwacht wie gewöhnlich mit klingendem Spiel ins Schloß eingezogen [so!]. Die Preußische Wacht stund im Gewehr, präsentirte und rührte das Spiel bei dem Einmarsche derer Schweizer. Hierauf übergab der Preußische Hauptmann dem Schweizerofficier, Herrn Major von Bagge, alle Posten, wie solche bei der ersten Besetzung von denen Preußen übernommen worden. Die Preußische Besatzung marschirte alsdann mit klingendem Spiel aus dem Schloß und die Schweizer präsentirten hierbei das Gewehr und rührten die Trommel. Es war also heute der zehnte Tag, daß das Schloß von denen Preußischen Truppen besetzet gehalten worden, nach deren Abzug im Schlosse jedermann lebhaft und fröhlich war, da bishero niemand außer denen Zimmern sich sehen lassen. Des Herrn Hausmarschalls von Erdmannsdorff Excellenz, ingleichen der Herr Hofsecretär Mildner und der Herr Cämmerei-Expeditor Müller, welche bishero beständig auf dem Schlosse pernoctirt hatten, blieben von heute Abends an wieder zu Hause.


  1. Der „alte Dessauer“ hatte sich in den Unterstuben des Hofmedicus Dr. Ermel an der Kreuzkirche (jetzt Nr. 2), unmittelbar neben dem Lubomirskischen früher Flemmingschen, dann Vitzthumschen Palais, wo der König wohnte (jetzt Nr. 3), einquartiert. Er verlangte, daß ihm in der einen Stube ein Kamin gesetzt werde, was der Rath sogleich am 18. Dez. durch den Maurermeister Fehre ausführen ließ (Rathsakten G. XXXII. I BL 165).
  2. Der Rath hatte zur Abreise des Königs 147 Pferde, zu der des Fürsten von Dessau sechs vierspännige Wagen zu stellen; deren Beschaffung übernahm der Posthalter Mierisch (Rathsakten G. XXXII. I Bl. 248). – Ueber den Eindruck, den König Friedrich auf die Dresdner Bevölkerung gemacht hatte, schreibt R. Koser (König Friedrich der Große. Bd. 1, Stuttgart 1893, S. 292) auf Grund von Briefen und Gesandtschaftsberichten: „Alles eben wurde von dem Sieger darauf angelegt, in dem mit den Waffen bezwungenen Dresden auch moralische Eroberungen zu machen. Vortrefflich wirkten zusammen die Mannszucht und Gutartigkeit der preußischen Truppen und die gewinnende Leutseligkeit ihres königlichen Feldherrn, seine Huld gegen die in der Hauptstadt zurückgebliebenen Königskinder, sein Appell an die religiösen Instinkte der protestantischen Unterthanen eines katholischen Herrschers. Alsbald nach dem Einmarsch in Sachsen hatte er sich überzeugen können, daß die Stimmung im Kurfürstenthum, zumal nach den Ausschreitungen, welcher sich die aus Rand und Band gekommenen Truppen des Lothringers während ihres kurzen Besuches schuldig gemacht hatten, ihm und den Seinen sich zuwendete; jetzt machte es auf die evangelische Bürgerschaft Dresdens einen tiefen Eindruck, daß der Landesfeind tags nach seinem Einzuge in die Hauptstadt bei dem Gottesdienste in der Kreuzkirche in ihrer Mitte erschien. Wo der König von Preußen in den Straßen sich zeigte, empfing ihn ehrfurchtsvoller, fast sympathischer Gruß. Zwar hielten sich die Damen der Stadt in augenfälliger Weise fern, als Friedrich den „Arminio“, die neueste Schöpfung des Meister Hasse, im Opernhause sich vorführen ließ; aber in den Gemächern der Fürstin Lubomirska, deren Palast auf der Kreuzgasse das Hauptquartier aufgenommen hatte, huldigten auch sie dem Stern und der Liebenswürdigkeit des jugendlichen Eroberers“.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/165&oldid=- (Version vom 20.6.2024)