BLKÖ:Wertheimer, Joseph Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
fertig
<<<Vorheriger
Wertheimer, Gustav
Nächster>>>
Wertheimer, Samson
Band: 55 (1887), ab Seite: 124. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Josef von Wertheimer in der Wikipedia
Josef von Wertheimer in Wikidata
GND-Eintrag: 117306215, SeeAlso
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wertheimer, Joseph Ritter von|55|124|}}

Wertheimer, Joseph Ritter von (Humanist und Schriftsteller, geb. in Wien am 15. März 1800). Der Sproß einer alten, angesehenen israelitischen Familie. Sein Vater selbst würdigte in hohem Grade Kunst und Wissenschaft und verkehrte auch viel und gern mit Personen, die in dieser Hinsicht hervorragten. So sei von vielen nur Einer genannt, der berühmte Joseph von Sonnenfels. Bezeichnend für Wertheimer’s des Vaters Charakter dürfte das ihm gewidmete Epitaph sein: „Der vor Menschen nie, vor Gott allein sich beugte“. Zugleich mit seiner einzigen Schwester Annette, die sich später nach London verheiratete und gegenwärtig Schwiegermutter des Publicisten Dr. Max Schlesinger ist, wurde Joseph im Elternhause sorgfältig erzogen. Dann besuchte er kurze Zeit das seinerzeit sehr gerühmte Wiener Erziehungsinstitut Krause in der Josephstadt. Für die kaufmännische Laufbahn bestimmt, kam er im Alter von 15 Jahren in das Comptoir des Freiherrn von Stifft [Bd. XXXIX, S. 7], wo er fünf Jahre verblieb, darauf trat er in das Comptoir seines Vaters und wurde 1821 dessen öffentlicher Gesellschafter. Neben diesem praktischen Berufe war es aber noch Eines, wofür Wertheimer sich vor Allem interessirte: das Studium pädagogischer Schriften, welches er bereits als Jüngling liebte und später getreulich fortsetzte. Er hörte, um sich darin ganz ordnungsmäßig auszubilden, auch einen Curs über Pädagogik und unterzog sich [125] daraus einer Prüfung, welche glänzend ausfiel. Zugleich mit dieser Lecture oder hervorgerufen durch dieselbe, entstanden seine erziehlichen Bestrebungen, die während seiner in den Jahren 1824, 1826 und 1828 nach Deutschland, Italien, Frankreich und England unternommenen Reisen zur Reife gediehen und ein Hauptmoment im Leben dieses Humanisten bilden. In England richtete er vor Allem sein Augenmerk auf die 1824 von einem Vereine wohlgesinnter Männer und Frauen ins Leben gerufenen Kleinkinderschulen, durch welche so viele Kinder niederen Volkes, denen von ihren Eltern keine Aufmerksamkeit zugewendet werden kann oder aus verbrecherischem Leichtsinn nicht zugewendet wird, dem sittlichen Verderben entzogen werden. Er studirte diese Anstalten und übertrug sofort nach seiner Rückkehr eine von dem Vorsteher der Londoner Central-Kinderschule S. Wilderspin herausgegebene Schrift ins Deutsche. Nicht nur wurde diese Uebersetzung, welche unter dem Titel: „Ueber frühzeitige Erziehung und englische Kleinkinderschulen. Mit Zusätzen von Seite des Uebersetzers“ (Wien 1826, Gerold, 2. Aufl. 1828)[WS 1] erschien, in Preußen behufs Förderung des öffentlichen Wohles empfohlen, sondern auch ihre Anschaffung aus öffentlichen Kassen unterstützt; in Oesterreich setzte eine dem Fortschritte feindliche Partei gegen diese „verderbenbringende Idee“ eine erfolgreiche Agitation in Scene. Den Ertrag dieser Schrift aber widmete Wertheimer der ersten in Wien zu gründenden Bewahranstalt. Für die Culturzustände Oesterreichs im „Vormärz“ erscheinen folgende Thatsachen bezeichnend. Wertheimer hatte kurz vor dem Erscheinen obiger Schrift ein Promemoria über die Nützlichkeit und Nothwendigkeit solcher Bewahranstalten bei der Regierung eingereicht. Frau Karoline Pichler, deren Gatte eine einflußreiche Regierungsstelle bekleidete, nahm sich der Sache warm an. Die Denkschrift wurde nun lithographirt und an alle Pfarren Wiens mit der Aufforderung, ihr Gutachten darüber einzusenden, vertheilt. Von sämmtlichen 32 Pfarren erklärten sich zwei, die in der Leopoldstadt und am Rennweg, für das Project; alle anderen verwarfen es als unnütz, ja als gefährlich, weil die unteren Volksclassen durch die Ausführung desselben zu sehr „gebildet“ würden. (Heute zählen die Geistlichen Wiens zu den eifrigsten Förderern der Bewahranstalten.) Indessen hatte sich die menschenfreundliche Gräfin Therese Brunswick-Korompa in Pesth mit Wertheimer in Verbindung gesetzt und von seinen Rathschlägen geleitet am 1. Jänner 1828 in der Christinenstadt in Ofen eine Kinderbewahranstalt eröffnet, in welcher in kurzer Zeit 120 Kinder Aufnahme fanden. Bald folgten dieser ersten Anstalt in Ungarn mehrere, und nun begann man auch in Wien der Sache näher zu treten. Der Pfarrer am Rennweg, Johann Lindner, die Wichtigkeit eines solchen Institutes vollkommen würdigend, reichte bei der Behörde den Plan, eine derartige Anstalt ins Leben zu rufen, ein und erhielt von ihr, wie vom erzbischöflichen Consistorium zu Wien die volle Billigung. Am Geburtstage des Kaisers Franz, am 12. Februar 1830, wurde die erste Kinderbewahranstalt in Wien gegründet und im Mai dieses Jahres eröffnet – womit sich die in der Biographie Seb. Will. Schießler’s [Bd. XXIX, S. 284] ausgesprochene Vermuthung berichtigt, daß die von demselben in Pilsen gegründete Kleinkinderbewahranstalt die [126] erste in Oesterreich gewesen; sie war nur die erste in Böhmen. Bald folgten ähnliche Institute auf der Wieden und in Margarethen. Das Aufblühen derselben veranlaßte die Gründung eines Centralvereines, dessen oberste Schutzfrau die Kaiserin Karolina Augusta wurde. Wertheimer ward zu den Berathungen dieses Vereines als ständiges Mitglied beigezogen. Als bald darauf der Wiener Hilfsverein und der Schutzverein für entlassene Sträflinge und verwahrloste Kinder ins Leben traten, wirkte unser Humanist, der bei ihrer Gründung auf das eifrigste mitthätig gewesen war, als Vereinsdirector für das Wohl entlassener Sträflinge auf das segensreichste. 1840 rief er einen Verein zur Beförderung der Handwerke unter den inländischen Israeliten ins Leben. Dadurch ward nicht nur den Kindern armer jüdischer Eltern die Möglichkeit geboten, in Wien ein Handwerk zu erlernen, sondern es fiel auch das Vorurtheil von der Arbeitsscheu der Juden, und thatsächlich wendeten sich bald Hunderte den Handwerken, und zwar den anstrengenderen, wie der Schlosserei, zu. 1843 gründete er nun die israelitische Kinderbewahranstalt in der Leopoldstadt. Dieselbe befand sich ursprünglich in einem gemietheten Locale. Als er in der Folge sich um die Begünstigung bewarb, für diese Anstalt ein eigenes Haus erbauen zu dürfen, gelang es seinen Bemühungen, vereint mit denen seiner Gattin und der Wiener Frauen Sophie Freiin von Todesco, Emilie von Schnapper, Luise Beyfuß, Rosa Schiff, Sarah von Stern und Ottilie Bondy, durch Spenden und Darlehen wohlthätiger Gemeindeglieder die Mittel zum Bau eines Hauses zusammenzubringen, welches dann sofort auf der Haide Nr. 9 erbaut, am 16. Mai 1858 feierlich eröffnet und seiner Bestimmung übergeben wurde. Im Februar 1868 fand die Jubelfeier des fünfundzwanzigjährigen Bestandes dieser Anstalt statt, in welcher auch die Spiele und Beschäftigungen des Fröbel’schen Kindergartens eingeführt waren. Im Sommer letztgenannten Jahres besichtigte Wertheimer in Gotha die Köhler’sche Anstalt für Kindergärtnerinen, durch welche die Gründung einer gleichen in Wien in Verbindung mit der israelitischen Kleinkinderbewahranstalt angeregt worden war. Nun legte er das Programm dieses neuen zu errichtenden Institutes, des ersten in Oesterreich-Ungarn, der Regierung vor, welche es genehmigte, worauf am 1. October 1868 auch der Lehrcurs eröffnet wurde. Lange früher noch, nämlich 1834, hatte er schon die Gründung eines Pensionsinstitutes für israelitische Bethausbeamte ins Leben gerufen. Die Sitte, daß diejenigen Israeliten, welche sich um das öffentliche Wohl besonders verdient gemacht, an der an vier großen Festtagen abzuhaltenden „Seelenfeier“ namentlich angeführt werden, bot ihm eine Handhabe zur Verwirklichung dieser Idee, denn durch Wort und Beispiel hatte er dahin gewirkt, daß sich an diesen Brauch bedeutende Schenkungen und Vermächtnisse knüpften, wodurch das erwähnte Pensionsinstitut ins Leben gerufen wurde. Aber immer wieder behielt dieser Humanist die Kinder im Auge. Bei einem Festmahle im Jahre 1860 hielt er im Namen des Vorstandes der israelitischen Cultusgemeinde einen Vortrag, zum bleibenden Andenken des den Israeliten verliehenen Rechtes, unbewegliches Eigenthum zu besitzen, einen Verein zur Erziehung israelitischer [127] Waisen zu begründen. Mehrere einflußreiche Männer schlossen sich ihm an; sie gingen von Haus zu Haus sammeln, und in kurzer Zeit waren 40.000 fl. zusammengebracht, und die provisorische Wirksamkeit des Vereines trat ins Leben. Wurde bisher die eine, und zwar die humanistische Thätigkeit Wertheimer’s als seine hauptsächliche dargestellt, so sind doch noch seine agitatorische für die Gleichberechtigung seines Stammes und seine schriftstellerische im Allgemeinen mit wenigen Worten zu schildern. Seiner 1826 erschienenen Uebersetzung des Wilderspin’schen Buches wurde schon gedacht; in dieser Richtung ließ er dann das Buch „Therese, ein Handbuch für Mütter und Kinderwärterinen“ (Wien 1835, Fol.) folgen. Nun betrat er mit einem Male das schöngeistige Gebiet und brachte: „Dramatische Beiträge“ (Wien 1838), welche das einactige Originaldrama „Der Hirtensohn“, in dem Metastasio handelnd auftritt (im Burgtheater aufgeführt), und drei Uebersetzungen enthalten: „Der Buckelige“, Schauspiel in fünf Acten, nach dem Englischen des Sheridan Knowles frei bearbeitet und im Wiener Burgtheater 1833 aufgeführt; dies mit großem Beifalle aufgenommene Drama, in welchem Ludwig Löwe und Karl Laroche glänzend wirkten, blieb durch eine Reihe von Jahren ein Repertoirstück des Hofburgtheaters; „Eheliches Leben“, Lustspiel in vier Acten nach Buckstone und „Der Mantelsack“, Lustspiel in einem Acte nach Gilbert; – nach mehr als vierzigjähriger Pause: „Eudoria“, historisches Drama in fünf Acten, den Bühnen gegenüber Manuscript (Wien 1879, Rosner, 8°.), welches der Verfasser anläßlich seines achtzigjährigen Geburtstages seiner Gattin widmete. Im Uebrigen wendete sich Wertheimer in seiner schriftstellerischen Thätigkeit den ernsteren Disciplinen zu und veröffentlichte: „Die Juden in Oesterreich vom Standpunkte der Geschichte, des Rechtes und des Staatsvortheils[WS 2]“. 2 Bände (Wien 1842); diese epochemachende Schrift wurde in der vormärzlichen Zeit anonym herausgegeben und ist als Hauptquelle der Geschichte der Juden in Oesterreich im großen encyklopädischen Werke von Ersch und Gruber benützt worden; – „Die Stellung der Juden in Oesterreich“ (Wien 1853); – „Die Regelung der staatsbürgerlichen Stellung der Juden in Oesterreich“ (Wien 1859). Diesen Broschüren schließen sich zwei werthvolle viel später erschienene an: „Zur Emancipation unserer Glaubensgenossen“ (Wien 1882, Hölder) und „Jüdische Lehre und jüdisches Leben, mit besonderer Beziehung auf die Juden in Oesterreich“ (zweite revidirte und vermehrte Auflage, ebd.). Seit dem Jahre 1848 gab er den „Wiener Geschäftsbericht“ heraus, der sich in allen merkantilischen Kreisen des In- und Auslandes in kürzester Zeit seiner Verläßlichkeit und praktischen Einrichtung wegen bald einbürgerte; die ihm seit 1859 angeschlossene Wochenbeilage enthält größtentheils nationalökonomische mit Sachkenntniß geschriebene Aufsätze des Herausgebers. Als im Winter 1860/61 der Finanzminister einen kleinen Kreis von Fachmännern zu einem Cyclus von Berathungen über die Wiederherstellung der Valuta, diese Sysiphusarbeit. die nie zu einem Ende kommt, berief, wurde auch Wertheimer denselben beigezogen. Seit dem Jahre 1854 gab er das „Jahrbuch der Israeliten“, und zwar bis 1860 allein, von da ab bis 1865 in Gemeinschaft mit Dr. Leopold Kompert heraus, worauf es von S. Szantó fortgesetzt wurde. In [128] den genannten Jahrgängen, in welchen er von den namhaftesten jüdischen Gelehrten mit Beiträgen unterstützt wurde, schrieb er selbst die Nekrologien denkwürdiger Juden der abgelaufenen Jahre, die Ehrentafel ausgezeichneter Juden und die Rückblicke auf das vergangene Jahr, soweit es sich um israelitische Interessen handelte. Diese vielseitige und besonders auf humanistischem Gebiete ebenso verdienstliche als segensreiche Wirksamkeit fand nicht nur zunächst in israelitischen Kreisen, sondern auch von Seite der maßgebenden Behörden und höchsten Ortes vielfache Würdigung. Wir übergehen die zahlreichen belobenden Anerkennungen, welche ihm von Seite der kaiserlichen Behörden zutheil wurden, die Ovationen, welche man ihm darbrachte, als er sein Ehrenamt als Vertreter der israelitischen Cultusgemeinde Wiens und als Präses des Vorstandes derselben niederlegte, und die er in einem eigenen Memoire, betitelt: „Abschied bei Zurücklegung u. s. w.“, beschrieb; wir gedenken nur, daß ihn Seine Majestät der Kaiser wiederholt auszeichnete, zuerst durch die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, dann am 9. Juni 1860 durch Verleihung des Franz Joseph-Ordens, am 22. April 1868 durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone dritter Classe, welchem statutengemäß die Erhebung in den österreichischen Ritterstand folgte. Außerdem wurde am 3. December 1859 Wertheimer’s Bildniß in der neuerbauten israelitischen Kleinkinderbewahranstalt in der Schiffamtsgasse der Wiener Leopoldstadt aufgestellt; aus Anlaß seines Rücktrittes von der Stelle des Vorstandspräses der israelitischen Cultusgemeinde im Jahre 1868 ließen die israelitischen Cultusbeamten eine Medaille mit seinem Bildniß prägen; die Reichshauptstadt Wien aber ehrte den Humanisten durch Verleihung des taxfreien Bürgerrechtes. Im Jahre 1829 hat sich Wertheimer vermält, und seine Gemalin Henriette geborene Ulmann aus Augsburg, mit der es ihm vergönnt war, 1879 die goldene Hochzeit zu feiern, theilt sich mit Eifer und sinnigem Verständniß in die humanitären Bestrebungen ihres Gatten, sie ist Directorin der von ihm gegründeten Kinderbewahranstalt und dann eines Vereines zur Förderung des Schulbesuches armer Kinder, der die gedeihlichsten Fortschritte machte. Aber noch Eines that sie, sie half ihm sein Heim traulich für sich und Andere gestalten, denn Wertheimer’s Haus in Wien war ein gastliches, in welchem sich die geistigen Elemente der Metropole gar oft ihr Stelldichein gaben, um ebenso an musicalischen Genüssen theilzunehmen, an geistigem Austausch sich wechselseitig zu heben und zu fördern, als auch an auserlesenen Tischfreuden den Körper zu erquicken. Wir können nicht alle nennen die berühmten Namen, die an manchem Abend der Wertheim’sche Salon versammelte, aber einige seien genannt, die uns eben in das Gedächtniß kommen: Bauernfeld, Baumann, L. A. Frankl, Feuchtersleben, Frau Haizinger, Grillparzer, Holbein, Holtei, Kaltenbeck, Kuranda, La Roche, O. Prechtler, Adolf Neustadt, Seligmann, Schober, Witthauer, Luise Neumann, denen sich auch zu Zeiten illustre Fremde gesellten, wie Cesare Cantú, Oehlenschläger und Andere, und mochte dem Hausherrn auch die altclassische Ausbildung fehlen, dafür gebot er über eine desto reichere allgemeine Bildung, über große Kenntniß der historischen und schöngeistigen Literatur, mit denen er eine vollendete [129] Kenntniß der modernen Sprachen verband.

Joseph Ritter von Wertheimer’s goldene Hochzeit. Dieselbe fand in der zweiten Juniwoche 1879 statt. Sie begann am 7. Juni mit der Feier in der Stadtsynagoge, an deren Zustandekommen im Jahre 1826 er selbst hervorragenden Antheil hatte. Cantor Sulzer hielt den feierlichen Gottesdienst; Prediger Dr. Jellinek die Festpredigt. Am 8. Juni, einem Sonntage, bereitete der Damenvorstand der israelitischen Kinderbewahr- und Kindergärtnerinenbildungs-Anstalt dem goldenen Hochzeitspaare die Ovation. Der Act wurde mit einem Liede eröffnet, eine der Kindergärtnerinen trug dann ein von Betti Paoli zu dieser Feier eigens verfaßtes Gedicht vor, und Rabbiner Gudemann hielt eine Huldigungsrede. Am 11. Juni fand nun die eigentliche Feier statt, welche von dem Vorstande und der Repräsentanz der israelitischen Cultusgemeinde veranstaltet wurde und um 11 Uhr mit dem Erscheinen der Vorstände in corpore begann. Dr. Kompert verlas die auch von ihm verfaßte Adresse, dann erfolgte die Ueberreichung der sinnigen Ehrengaben, darauf erschien die Deputation jener Beamten der Gemeinde, welche noch unter Wertheimer’s Präsidentschaft angestellt worden. Nachdem Obercantor Sulzer die Adresse dieser Beamten verlesen hatte, schloß sich an dieselben die Deputation der israelitischen Religionslehrer. Um vier Uhr Nachmittags erschien der Vorstand der israelitischen Allianz, geführt von Dr. Kuranda, als erstem Vicepräsidenten, daran reihten sich noch Deputationen verschiedener Vereine. Die oben erwähnte von Dr. Kompert verlesene Adresse war prachtvoll ausgestattet. Die trug an der Spitze das Wappen Wertheimer’s in Aquarellmalerei, war von sämmtlichen 20 Cultusrepräsentanten unterfertigt, und es lagen ihr die Widmungsblätter von mehr als vierzig Wiener Synagogen und Wohlthängkeitsinstituten bei. Unter den verschiedenen Ehrengaben war die sinnigste ein Eichenkranz aus grün emaillirten und goldenen Blättern, auf welchen die wichtigsten Denktage im Leben des Jubelpaares eingravirt waren, und zwar: 11. Juni 1829 Trauungstag; 11. Juni 1879 goldene Hochzeit; 15. März 1800 Geburtstag des Jubilars; 18. März 1804 Geburtstag der Jubilarin; ferner die Gründungstage der Kinderbewahranstalt, des Waisenvereines, des Handwerkervereines, darauf der Eintritt Wertheimer’s in den Cultusvorstand, die Dauer seiner Präsidentschaft und das Jahr, in welchem sein Werk: „Die Juden in Oesterreich“ erschienen war. – Eine zweite Ehrengabe bestand in einem kostbaren silbernen Tafelaufsatze; die dritte in der von dem Buchhalter der Cultusgemeinde, Schiff, verfaßten statistischen Tabelle, welche die Wirksamkeit, den Vermögensstand und die innere Geschichte des Waisenerziehungsvereines enthielt. Neben einer Unzahl von Telegrammen und Zuschriften aus der Nähe und Ferne sei noch folgender Kundgebungen gedacht. Die deutsche Botschaft am kaiserlichen Hofe übergab ein im Auftrage des deutschen Kaisers an das Jubelpaar gerichtetes Schreiben, aus welchem wir erfahren, daß auch der deutsche Kaiser mit seiner Gemalin am 11. Juni seine goldene Hochzeit feierte, und da aus Anlaß dieses seltenen Zusammentreffens das Wiener Jubelpaar Ihren Majestäten seine Wünsche dargebracht habe, auch Ihre Majestäten diese dem Wiener Jubelpaare erwidern. In Betreff der übrigen zahlreichen Kundgebungen, welche in sinnigen Geschenken, Ehrendiplomen, Glückwunschadressen, in Zeitschriften abgedruckten Biographien des Jubilars u. s. w. u. s. w. bestanden, verweisen wir unten auf de Quelle; erwähnen aber noch, daß Herr Felix Roth, k. k. beeideter Börsensensal, aus Anlaß dieser Feier Eintausend Gulden Papierrente der Cultusgemeinde zu dem Zwecke übermittelte, daß die Zinsen dieses Betrages unter dem Namen Joseph und Henriette von Wertheim-Stiftung als Beitrag zur Verpflegung eines Pfründners zu verwenden seien. [Die Neuzeit. Wochenschrift für politische, religiöse und Culturinteressen. Redigirt von S. Szantó (Wien, 4°.) XIX. Jahrg., 13. Juni 1879, Nr. 24: „Die Wertheimer-Feier“.]
Ritter von Wertheimer’s Wappen. Schild durchzogen von einem schrägrechten goldenen Balken, welcher in der Mitte von einem natürlichen durch seinen gegen den rechten Oberwinkel gerichteten Pfeil bespannten Bogen belegt und an beiden Enden mit einem blauen von vier blauen Fäden besaiteten Streifen schräglinks durchschnitten ist. Oben links in Roth ein goldener rothbezungter Löwe, in der rechten Vorderpranke ein Bündel natürlicher Pfeile vor sich tragend. Unten in [130] Blau rechts eine hinter natürlichem Gebirge goldstrahlend aufgehende Sonne. Auf dem oberen Rande des Schildes ruhen zwei Turnierhelme. Die Krone des rechten trägt einen offenen, rechts von Blau über Silber, links abgewechselt, quer getheilten Adlerflug, dem ein goldener Stern eingestellt ist; und aus der Krone des linken Helmes wächst ein dem im Schilde ersichtlichen ähnlicher einwärts gekehrter beladener Löwe hervor. Die Helmdecken: die des rechten Helmes sind blau mit Silber, die des linken roth mit Gold unterlegt. Unter dem Schilde schlängelt sich ein blaues Band, darauf in silberner Lapidarschrift die Devise: Luce et concordia.
Quellen. Wolf (Gerson). Joseph Wertheimer. Ein Lebens- und Zeitbild. Beiträge zur Geschichte der Juden Oesterreichs in neuester Zeit (Wien 1868, Herzfelder, 8°.), – Joseph Wertheimer’s Abschied bei Zurücklegung seines Ehrenamtes als Vertreter der israelitischen Cultusgemeinde Wiens und als Präses des Vorstandes derselben (Wien 1868, Engel und Sohn, 8°., 16 S.). – Rückblicke. Zur Einweihung des neuen Hauses der israelitischen Kinderbewahranstalt in Wien. Von Joseph Wertheimer 1858 (Wien, Sommer, gr. 8°., 14 Seiten). – Gräffer (Franz). Jüdischer Plutarch (Wien 1848, 8°.) I. Alphabet, S. 252. – Jüdisches Athenäum. Galerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens von der letzten Hälfte des achtzehnten bis zum Schlusse der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Grimma und Leipzig 1851, Verlagscomptoir, br. 12°.) S. 243. – Die Neuzeit. Monatschrift für politische, religiöse und Culturinteressen. Red. und verl. von Szantó (Wien) 1870, Nr. 7: „Zum Altersjubiläum Wertheimer’s“ und 1879, Nr. 23: „Die Wertheimer-Feier. – Der österreichische Kinderfreund. Illustrirte Zeitschrift zur Förderung einer rationellen Kleinkindererziehung. Redig. von Ludwig Schindler (Wien, 8°.) I. Jahrg., 1. März 1878, Nr. 3: „Joseph Ritter von Wertheimer“. Von A. S. Fischer. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien, 8°.) Bd. VI, S. 80. – Wiener Mittheilungen. Zeitschrift für israelitische Culturgegenstände. Herausgegeben von Letteris 1858, Nr. 48: „Ovation für einen Menschenfreund“; 1860, Nr. 24: „Joseph Wertheimer“. – Witthauer. Wiener Zeitschrift (gr. 8°.) 1838, Beilage (Literaturblatt) zu Nr. 48.
Porträts. 1) Schöner, sehr ähnlicher Holzschnitt im oberwähnten „Kinderfreund“ 1878, Nr. 3, S. 43. – 2) Auf der Abbildung der Denkmünze, welche bei H. Engel und Sohn (Wien, 8°.) erschienen ist.
Denkmünze. Die Beamten der israelitischen Cultusgemeinde in Wien haben bei Gelegenheit der Zurücklegung seines Ehrenamtes als Vertreter der israelitischen Cultusgemeinde Wiens 1868 auf Wertheimer eine Denkmünze von Professor Karl Radnitzky prägen lassen. Dieselbe stellt im Avers das links gewendete Brustbild Wertheimer’s vor mit der Inschrift: „Joseph Wertheimer“. Die Reversseite mit einer vierzeiligen hebräischen Inschrift in einem Kranze, welche Herausgeber auf der ihm vorliegenden Abbildung des verwischten Abdruckes wegen zu entziffern nicht vermag. Um die äußere Peripherie des Kranzes stehen die Worte: „DEM · SCHEIDENDEN · VORSTANDSPRAESES. Die Beamten der israelitischen Cultusgemeinde in Wien 1867“. Auch eine lebensgroße Büste wurde bei diesem Anlasse, ebenfalls von Radnitzky modellirt und von Adolf Neustadt dem Jubilar gewidmet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in Vorlage: Klammern o. ä. nicht deutlich erkennbar
  2. Vorlage: Staatsvorurtheils.