Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Chmel, Adam Mathias
Band: 2 (1857), ab Seite: 351. (Quelle)
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Chmel, Joseph (Geschichtforscher, wirkl. Mitglied der Akad. der Wissensch., geb. zu Olmütz 18. März 1798).[BN 1][BN 2] Sohn des Vorigen. Studirte, nachdem sein Vater als Professor der Mathematik, später auch der Physik nach Linz versetzt worden, daselbst, und in Kremsmünster auf dem k. k. Convicte, wo sich sein unwiderstehlicher Drang für historische Studien entwickelte. Um demselben genügen zu können, trat er 1816 (18 J. alt) in das Chorherrenstift St. Florian, in welchem er schon nach wenigen Jahren (1826) als Stiftsbibliothekar Gelegenheit bekam, seiner Neigung ungestört zu leben. Da er sich namentlich dem Studium der vaterländischen Geschichte zuwendete, ward ihm 1830–33 auf Stiftskosten ein längerer Aufenthalt in Wien gestattet, wo er an der k. k. Hofbibliothek und im geh. Haus-, Hof- und Staatsarchive die Quellen zu seinen Arbeiten über mittelalterliche Geschichte Oesterreichs sorgfältig sammelte. Im J. 1834 wurde er durch eine allerh. Entschließung vom 6. Mai in das geh. Haus-, Hof- und Staatsarchiv als zweiter Archivar berufen, 1840 zum ersten Archivar ernannt und bei der 1846 vorgenommenen Reorganisation des Staatsarchives zum Vicedirector desselben und k. k. Regierungsrathe ernannt, in welcher Eigenschaft dieser humane, wissenschaftliche Zwecke mit liebevollem Wohlwollen und unverholener Anerkennung fördernde Gelehrte noch immer in stets gleicher Energie thätig ist. Seine großen Verdienste um die Wissenschaft im Allgemeinen und um die Geschichte Oesterreichs insbesondere anerkannte der Monarch durch seine Ernennung zum wirkl. Mitgliede der k. Akademie d. Wissenschaften. Sein Name stand auf der ersten Liste vom 14. Mai 1847. Von diesem Augenblicke machte er vaterländische Geschichtforschung und Sammlung von Geschichtsquellen zur Hauptaufgabe seines Wirkens; und damals als noch von einer Centralisation weder in politischen Programmen noch in Privatcirkeln eine Rede war, hatte schon Chmel in seinen Arbeiten wie heut noch das „gemeinsame Oesterreich“ im Auge. Insbesondere aber richtete er seine Forschungen auf die Geschichte des Hauses Habsburg, die sich nicht an ein oder das andere Land knüpft, sondern mit dem Gesammtstaate auf das innigste wie Leib und Seele verbunden ist. Groß ist die Menge der selbständigen Werke und der in zahlreichen Sammelwerken zerstreuten oft umfassenden Abhandlungen dieses Gelehrten. Wir verweisen jenen, der dieselben in ihrer Vollständigkeit kennen lernen will, auf den in den Quellen citirten Jahrg. 1851 des „Almanachs der k. Akademie“ und seine Fortsetzungen. Von den zahlreichen Arbeiten Ch.’s führen wir an: „Materialien östr. Geschichte. Aus Archiven und Bibliotheken“ 5 Hefte (1. Heft Linz 1832, V. Fink; 2–5. Heft, Wien 1835–38, 4°.); das Werk enthält 378 Regesten zur Geschichte Herzogs Friedrich des Jüngern von 1424 –1440 und 595 Documente im vollständigen Abdrucke; – „Regesta chronologico-diplomatica Ruperti Regis [352] Romanorum. Auszug aus den im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive aufbewahrten Reichs-Registratur-Büchern vom Jahre 1400–1410. Mit Benützung der gedruckten Quellen“ (Frankfurt a. M. 1834, Franz Varrentrapp). Enthält 2904 Regesten von König Ruprecht, 37 welche ihn betreffen oder an ihn gerichtet sind, und 37 von Kaiser Wenzel (seit seiner Absetzung) oder ihn betreffend, 35 Documente (und Notizen) in vollständigem Abdrucke; – „Regesta chronologico-diplomatica Friderici III. Romanorum Imperatoris (Regis IV). Auszug aus dem im k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchive in Wien aufbewahrten Reichs-Registratur-Büchern von 1440–1493“ (Wien 1838–1840). Enthält 8969 Regesten und 133 Urkunden in vollständigem Abdrucke. Beide Werke wurden auf Kosten der Frankfurter Gesellschaft herausgegeben; – „Geschichte Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I.“ 2 Bde. (Hamburg 1840, Friedrich Perthes, 8°.); I. Bd.: „Geschichte Friedrichs vor seiner Königswahl“; II. Bd.: „Friedrich als König“ (1440–52); die Fortsetzung ist von dem Erscheinen längst angekündeter Monographien über Mathias Corvinus, die Cillyer u. s. w. abhängig; – „Urkunden, Briefe und Actenstücke zur Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit“ (Stuttgart 1845, gedr. auf Kosten des literarischen Vereins, 8°.), kam nicht in den Buchhandel, wurde nur an die Mitglieder vertheilt; – „Die Handschriften der k. k. Hofbibliothek in Wien, im Interesse der Geschichte, besonders der österreichischen, verzeichnet und excerpirt“, 2 Bde. (Wien 1840 und 1841, Karl Gerold, 8°.); enthält nur 404 Handschriften, da sehr viele Stücke nicht blos angeführt, sondern in extenso abgedruckt sind. Die Fortsetzung unterblieb wegen vermehrten Amtsgeschäften im Haus-, Hof- und Staatsarchive, es ist kaum der sechste Theil des Vorrathes verzeichnet; – „Der österreichische Geschichtforscher“ 2 Bde. in 6 Heften (Wien 1838–1841, der I. Bd. bei Friedrich Beck, 1836–1839, der 2. Bd. bei K. Gerold, 1840–1841, 8°.). Unter Mitwirkung der Herren Freih. GM. von Ankershofen, Bergmann, Birk, Böhm, Emmert, Feil , v. Frast, v. Gévay, v. Karajan, Keiblinger, Kopitar, Pritz, Rally, v. Sava. Der größere Theil der in diesem Werke enthaltenen Arbeiten ist von Chmel. – Auch unternahm Ch. auf eigene Kosten ein „Habsburgisches Archiv“, 2 Hefte (Wien 1846, in Commission bei P. Rohrmann, 8°.), wovon I. „Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Spanien im Jahre 1519“ und II. „Actenstücke zur Geschichte Kroatiens und Slavoniens in den Jahren 1526 und 1527“ enthält. Die Fortsetzung unterblieb. – In den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften, phil.-historische Classe 1850 und 1851: „Habsburgische Excurse“ 1.–6. Band. Es sind dies Erörterungen zur Geschichte Kaiser Rudolphs I. [und Otokars II. Přemysl], K. Friedrichs III. und K. Ferdinands I.); – „Eine Hypothese“; – „Versuch einer Begründung meiner Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156“; – „Zur Streitfrage über den Ursprung des Privilegium Fridericianum majus von 1156“; – „Nachtrag zur Begründung etc.“; diese Aufsätze behandeln die so wichtige Frage über die Echtheit des österreichischen großen Privilegienbriefes von 1156, welchen Ch. damals K. Ottokar II. zuschrieb. Später setzte Ch. den Ursprung der Urkunden von 1058 und 1156 (majus) in die Zeit Herzog Leopolds VII. des Glorreichen[WS 1] u. s. w.; – „Beiträge zur Lösung akademischer Aufgaben“ I. und II.“ in den Sitzungsber. 1853, Febr. und Nov.; – „Das Recht des Hauses Habsburg auf Kärnten“, in den Sitzungsber. vom J. 1856, Märzheft; – „Bericht über den Fortgang einiger akademischer Unternehmungen, namentlich der Monumenta Habsburgica“ in den Sitzungsber. vom J. 1856, Novemberheft. [353] – Als eine eigene Abtheilung der „Fontes rerum Austriacum“ erscheint auf Chmels Antrag eine Sammlung von Documenten zur Geschichte des Hauses Habsburg in den Jahren 1473 bis 1576, unter dem Titel: „Monumenta Habsburgica“ in 3 Abtheilungen, deren erste das Zeitalter K. Maximilian I., die zweite die Zeit K. Karls V. und seines Sohnes K. Philipp II., die dritte die Zeit K. Ferdinands I. und seines Sohnes K. Maximilian II. beleuchtet. Chmel übernahm die Redaction der ersten Abtheilung, das Zeitalter K. Maximilians I. Bisher erschienen: „Actenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilians I.“ (Wien, Staatsdruckerei, gr. 8°.). Erster Band (1854, CXLIV und 545 Seiten in gr. 8°.), enthält eine Chronik der Jahre 1473 und 1474 und 190 Documente. Zweiter Band (1855, LVI u. 963 Seiten in 8°.), enthält einen Vorbericht und 1356 Documente, theils vollständig, theils im Auszuge. Der dritte Band ist unter der Presse. – Außer diesen Arbeiten befinden sich noch zahlreiche Aufsätze, literarische Anzeigen, Beschreibungen von Handschriften und urkundliche Mittheilungen in periodischen Schriften und Sammelwerken, als: in den „Wiener Jahrbüchern der Literatur etc.“, in den historisch-literarischen Zeitschriften von Mühlfeld, Hohler, Riedler, Kaltenbäck und Ad. Schmidl (von 1829–1847); und in den verschiedenen Publicationen der kais. Akademie der Wissenschaften, philos.-histor. Classe (seit 1848). Viele gelehrte, insbesondere geschichtliche Vereine ernannten Chmel zum wirklichen, Ehren- und correspondirenden Mitgliede, und der Monarch zeichnete den hochverdienten und unermüdet thätigen Forscher durch das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens aus.

Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften für das J. 1851 (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) S. 149–167. Enthält das vollständige Verzeichniß der Werke und Abhandlungen dieses Gelehrten. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1837, 6 Bde.) I. Bd. S. 531. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) IV. Bd. S. 133 [gibt irrig den 16. März 1798 als Ch.’s Geburtsjahr an]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) II. Suppl. Bd. S. 983. – Frankl (Ludwig August Dr.), Sonntagsblätter (Wien 1847, gr. 8°.) VI. Jahrg. Nr. 24: „Die Akademie der Wissenschaften in Wien.“ – Nouvelle Biographie générale … publiée sous la direction de Mr. le Dr. Hoffer (Paris 1853) X. Bd. Sp. 343 [gibt gleichfalls irrig den 16. März 1798 als Ch.’s Geburtsdatum an]. – Porträt. Facsimile der Unterschrift: Joseph Chmel (Wien 1853, A. Dauthage nach der Natur gez. u. lith., gedruckt bei J. Höfelich, Fol.); sehr ähnliches Bild.[BN 3]

Berichtigungen und Nachträge

  1. Chmel, Joseph, Geschichtsforscher (Bd. II, S. 351), gest. zu Wien 28. November 1858. [Band 9, S. 470]
  2. E Chmel, Joseph [s. d. Bd. II, S. 351], gest. zu Wien in der Nacht vom 27. auf den 28. November 1858. Mit Chmel schied einer der gediegensten österreichischen Geschichtsforscher aus dem Leben. Unermüdlich, gründlich, verfolgte [380] er, Großösterreicher mit ganzer Seele, seine Ziele. Wenn ihn der Wissenschaft und dem Gesammtstaate der Tod nicht zu früh entrissen hätte, so würde wohl endlich der von ihm zunächst gefaßte Gedanke eines österreichischen Centralarchivs, für den, als ihn Chmel aussprach, Minister Bach ein großes Interesse an den Tag legte und wodurch den Verschleppungen und der gottlosen Wirthschaft in vielen kleinen Stadt- und Gemeindearchiven Oesterreichs ein Ziel gesteckt worden wäre, verwirklicht worden sein. Mit seinem Tode wurde die Idee leider fallen gelassen. Aber Chmel war auch ganz allein der Mann, sie auszuführen. Der Verfasser dieses Lexikons verlor an ihm einen unersetzten väterlichen Freund, der ihm, wenn es galt, mit Rath und That an die Hand ging und in der Ausführung seines Werkes ihn mit jener edlen Weise förderte, die immer den wahren Gelehrten und biederen verehrungswürdigen Menschen kennzeichnet.
    Oesterreichische Zeitung 1858, Nr. 274. – (Brünner) Neuigkeiten 1858, Nr. 279. – Brünner Zeitung 1858, Nr. 288. – Transsilvania, Beiblatt zum Siebenbürger Boten (Hermannstadt, gr. 4 °.) 1858, Nr. 51. [Band 11, S. 379 f.]
  3. E Chmel, Joseph [Bd. II, S. 351; Bd. IX, S. 470; Bd. XI, S. 379].
    Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber), XXIII. Bd. (1854), Nr. 599, S. 422: „Joseph Chmel“ [S. 424 sein ziemlich ähnliches Holzschnittbildniß]. [Band 28, S. 328]

Anmerkungen (Wikisource)