ADB:Staudenmaier, Franz Anton

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Staudenmaier, Franz Anton“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 510–512, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Staudenmaier,_Franz_Anton&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Staudigl, Joseph
Band 35 (1893), S. 510–512 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Anton Staudenmaier in der Wikipedia
Franz Anton Staudenmaier in Wikidata
GND-Nummer 118616900
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|510|512|Staudenmaier, Franz Anton|Franz Heinrich Reusch|ADB:Staudenmaier, Franz Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118616900}}    

Staudenmaier: Franz Anton St., katholischer Theologe, geb. am 11. Sept. 1800 zu Donzdorf, Oberamt Geislingen in Württemberg, † am 19. Januar 1856 zu Freiburg im Breisgau. Er war der Sohn eines Handwerkers, wurde, als er 1814 aus der Elementarschule entlassen war, von seinem Vater in die Lehre genommen, erwirkte sich aber bald die Erlaubniß, zu studiren. Von den Patronatsherren seiner Heimath, den Grafen von Rechberg-Rothenlöwen unterstützt, besuchte er 1815–18 die lateinische Schule zu Gmünd, 1818–22 das Obergymnasium zu Ellwangen. Im Herbst 1822 wurde er in das Wilhelmsstift zu Tübingen aufgenommen und hörte nun die Vorlesungen namentlich von Drey, Herbst, Feilmoser, Hirscher und Möhler. 1825 erhielt er den Preis für die Bearbeitung der von der katholisch-theologischen Facultät gestellten Preisfrage: Quid auctoritatis quidque juris fuerit principibus christianis circa episcoporum electionem a Constantino M. ad hodierna usque tempora. Auf Veranlassung Möhler’s erweiterte und überarbeitete er diesen Aufsatz und veröffentlichte ihn 1830 unter dem Titel: „Geschichte der Bischofswahlen, mit besonderer Berücksichtigung der Rechte und des Einflusses christlicher Fürsten auf dieselben“. Während seines Aufenthaltes im Priesterseminare zu Rottenburg 1826–27 verfaßte er eine Abhandlung über den „Pragmatismus der Geistesgaben“, der 1828 in der Tübinger Theologischen Quartalschrift gedruckt, 1835 in erweiterter Gestalt unter dem Titel „Der Pragmatismus der Geistesgaben oder das Wirken des göttlichen Geistes im Menschen und in der Menschheit“ erschien. Am 15. September 1827 zum Priester geweiht, war er einige Zeit zu Ellwangen und Heilbronn in der Seelsorge thätig, wurde aber schon am 21. Oct. 1828 zum Repetenten im Wilhelmsstift ernannt und im Herbst 1830 als ordentlicher Professor an die neu errichtete katholisch-theologische Facultät zu Gießen berufen. Er las dort über Dogmatik und die damit zusammenhängenden Fächer, gründete 1834 mit seinen Collegen Kuhn, Locherer und Lüft die „Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie“ und schrieb für diese viele Abhandlungen und Recensionen, veröffentlichte auch mehrere selbständige Werke: „Johannes Scotus Erigena und die Wissenschaft seiner Zeit. Mit allgemeinen Entwicklungen der Hauptwahrheiten auf dem Gebiete der Philosophie und Religion und Grundzügen zu einer Geschichte der speculativen Theologie. I. Theil“, [511] 1834 (der II. Theil ist nicht erschienen; über das philosophische System des Erigena, welches darin dargestellt werden sollte, handelt aber St. ausführlich in der „Philosophie des Christenthums“ S. 535 ff. und in einigen Abhandlungen in Zeitschriften); „Encyklopädie der theologischen Wissenschaften als System der gesammten Theologie“, 1834 (von der auf zwei Bände berechneten zweiten Auflage ist nur der erste erschienen, 1840); „Der Geist des Christenthums, dargestellt in den heiligen Zeiten, in den heiligen Handlungen und in der heiligen Kunst“, zwei Theile, 1835 (1855 erschien die fünfte Auflage, 1880 die achte); „Geist der göttlichen Offenbarung oder Wissenschaft der Geschichtsprincipien des Christenthums“, 1837.

Im Herbst 1837 wurde St. (gleichzeitig mit seinem Lehrer Hirscher) als Professor der Dogmatik nach Freiburg berufen. Seine dortige Antrittsrede erschien 1839 in erweiterter Form: „Ueber das Wesen der Universität und den inneren Zusammenhang der Universitätswissenschaften aus dem Standpunkte der Theologie“. Von 1839 bis 1848 gab er mit seinen Freiburger Collegen die „Zeitschrift für Theologie“ heraus. 1843 wurde er Domcapitular, 1846 großherzoglicher Geistlicher Rath, 1848 Geheimer Rath. 1851–52 war er Mitglied der ersten Kammer. Mehrfache Berufungen an andere Universitäten lehnte er ab. Ein Nerven- und Gemüthsleiden, welches sich seit dem Herbst 1852 immer stärker entwickelte, nöthigte ihn, seine Vorlesungen und seine schriftstellerische Thätigkeit einzustellen. Im Herbst 1855 ließ er sich als Professor pensioniren. Am 19. Januar 1856 traf ihn auf einem einsamen Spaziergange ein Schlaganfall, der einen unglücklichen Sturz in einen Canal zur Folge hatte und so seinen plötzlichen Tod herbeiführte. Am 21. Januar wurde er neben seinem berühmten Collegen Hug beigesetzt.

Infolge der Erkrankung Staudenmaier’s ist sein Hauptwerk, „Die christliche Dogmatik“ unvollendet geblieben: der erste und zweite Band waren 1844, der dritte 1848 erschienen; von dem vierten Bande erschien 1852 nur die erste Abtheilung. Von einem groß angelegten, auf vier Bände berechneten Werke, „Die Philosophie des Christenthums oder Metaphysik der heiligen Schrift als Lehre von den göttlichen Ideen und ihrer Entwicklung in der Natur, im Geiste und in der Geschichte“, ist nur ein (starker) Band (Anton Günther gewidmet), 1840 erschienen. 1844 erschien „Darstellung und Kritik des Hegelschen Systems aus dem Standpunkte der christlichen Philosophie“ (Schelling’s Offenbarungsphilosophie besprach er in einem Aufsatze der Freiburger Zeitschrift). Außerdem veröffentlichte St. während seiner Freiburger Periode: Erläuterungen und eine Vorrede zu einem „Bildercyklus für katholische Christen“, 1843–44; „Das Wesen der katholischen Kirche mit Rücksicht auf ihre Gegner,“ 1845 (durch die deutschkatholische Bewegung veranlaßt); „Die kirchliche Aufgabe der Gegenwart“, 1849 (den damals eben in Würzburg versammelten Bischöfen übersandt); „Zum religiösen Frieden der Zukunft mit Rücksicht auf die religiös-politische Aufgabe der Gegenwart“; 1. und 2. Theil: „Der Protestantismus in seinem Wesen und seiner Entwicklung (1846)“; 3. Theil: „Die Grundfragen der Gegenwart, mit einer Entwicklungsgeschichte der antichristlichen Principien in intellectueller, religiöser, sittlicher und socialer Hinsicht, von den Zeiten des Gnosticismus an bis auf uns herab“ (1851). Außer für die genannten Zeitschriften hat St. auch für Sengler’s Kirchenzeitung, Fichte’s Zeitschrift für Philosophie, die Bonner Zeitschrift für katholische Theologie und den Mainzer Katholiken Beiträge geliefert.

K. Werner nennt St. „einen der speculativsten Köpfe der neueren deutschen Gelehrtenwelt“ und seine schriftstellerische Wirksamkeit „ebenso glänzend wie gehaltvoll und verdienstreich“. Jedenfalls war er nicht nur einer der fruchtbarsten, [512] sondern auch einer der bedeutendsten unter den katholischen Theologen Deutschlands in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts.

(J. König in dem) Freiburger Kirchenlexikon 12, 1151 (und bei) Weech, Badische Biographieen 2, 308. – (J. Hamberger in der) Real-Encyklopädie für prot. Theol. 14, 645. – K. Werner, Gesch. der kath. Theol. S. 487 bis 497 u. f. – Fr. Michelis, Staudenmaier’s wissenschaftliche Leistung in ihrer Bedeutung für die Gegenwart, 1877.