ADB:Ramuold
Heinrich von Trier (956–964) [223] an und schloß in derselben einen Freundschaftsbund mit dem Decan des Domcapitels Wolfgang. Als dieser, seit 972 Bischof von Regensburg, an seinem Sitze strengeres Klosterleben, wie er es in Einsiedeln und Trier kennen gelernt hatte, einführen wollte, berief er den einstigen Genossen zur Mitarbeit und bereitwillig folgte R., seines hohen Alters nicht achtend, dem Rufe des Freundes. Wie in den andern bairischen Bischofsstädten war auch in Regensburg das Hauptkloster, hier S. Emmeram, mit dem Bisthume vereinigt, Wolfgang war der erste der bairischen Bischöfe, der diese Verbindung löste, im J. 975 übernahm R. als Abt die Leitung des selbständig gemachten Klosters, nachdem er bereits ein Jahr vorher als Propst die Ablösung vorbereitet hatte. Fürs erste hinderten kriegerische Wirren eine gedeihliche Thätigkeit. In dem ersten Aufstand der bairischen Heinriche gegen Kaiser Otto II. (976) war Regensburg, die Landeshauptstadt, der Stützpunkt der Empörer. Wolfgang und R. verließen, vielleicht um den Gefahren der Belagerung zu entgehen, vielleicht auch um eine bestimmte Stellungnahme zwischen zwei mächtigen Gewalten zu vermeiden, die Stadt. R. begab sich nach Trier und kehrte von da erst nach der Eroberung Regensburgs durch den Kaiser mit einem reichen Schatze von Reliquien zurück, für die er alsbald den Bau einer Krypta begann, die nach ihrer Vollendung von Wolfgang geweiht wurde. Mit heiligem Eifer ging der greise Lothringer, als der Friede gesichert war, ans Werk. Er führte im Kloster die strenge Regel ein und ergänzte dieselbe durch besondere „Gewohnheiten“, welche wahrscheinlich Wolfgang bereits in Einsiedeln erprobt hatte und die sich so brauchbar erwiesen, daß noch Wilhelm von Hirschau sie den Mönchen seines Klosters an die Hand geben konnte. Ebenfalls für den Gebrauch der Brüder hat R. eine Homiliensammlung bearbeitet. In wenigen Jahren hatte R. S. Emmeram zum Mittel- und Ausgangspunkt der bairischen Klosterreform gemacht und einen Kreis von Schülern herangebildet. Tito, der erste Abt des S. Peterklosters zu Salzburg, Gozpert, Abt von Tegernsee, Adalbert von Seeon waren Emmeramer Mönche, Gotthard von Niederaltaich unterhielt die nächsten Beziehungen zu R.
Ramuold (Ramwold), Abt des Klosters S. Emmeram zu Regensburg (975 bis 17. Juni 1000). Wir entbehren jeder Angabe über seine Abstammung, zum ersten Male finden wir ihn als Decan des Klosters S. Maximin bei Trier in einer im J. 963 zu Gunsten desselben ausgestellten Urkunde (Beyer, Mittelrhein. U.-B. 1, 271 Nr. 211). Obwol Mönch von S. Maximin, gehörte er doch auch der Capelle des ErzbischofsDer Klosterschule, die auch in früherer Zeit sich guten Rufs erfreut hatte, ließ er eifrige Pflege angedeihen, bedeutende Kirchenfürsten, wie die Erzbischöfe Tagino von Magdeburg, Poppo von Trier, Bischof Balderich von Lüttich haben in ihr ihre Ausbildung erhalten. Die größte Sorgfalt verwendete R. auf die Büchersammlung. Noch sind uns Bücherverzeichnisse aus seiner Zeit erhalten, wir erfahren, daß in dem auf Befehl Wolfgang’s erbauten Saale über 300 Bände aufgelegt waren, zumeist allerdings Werke theologischen und liturgischen Inhalts, unter denen aber auch die Classiker nicht fehlten. Die Sorge für die Bücher, welche R. selbst sich als besonderes Verdienst anrechnete, äußerte sich nicht allein in der Erwerbung neuer, sondern auch in der Erhaltung bereits vorhandener. Auf seine Anordnung erneuerten zwei Mönche Aripo und Adalpert das für Karl den Kahlen im J. 870 angefertigte Pracht-Evangeliar und brachten bei dieser Gelegenheit das Bildniß des Abts in der Handschrift an. Vorstand der Bücherei war ein überaus gelehrter Conventuale Reginbald. Schulen und Sammlungen schufen einen lebhaften geistigen Verkehr, dessen Spuren wir in den uns überlieferten Briefen folgen können, aus denen feste Anhänglichkeit und herzliche Ehrfurcht der jüngeren Genossen sprechen. Alle ersinnliche Mühe wandte R. auf, das Loos der Armen und Bedürftigen zu mildern, neue Bauten für Aufnahme von Kranken und Fremden erhoben sich, mit Vorliebe wurden Hörige dem Kloster übertragen, R. erwarb sich den Ruf eines „Vaters der Fremden, Wittwen und Waisen“.
Auch für die weltliche Seite seines Amtes war R. rastlos thätig, in zahlreichen [224] Urkunden, die er in dem so werthvollen Traditionscodex sammeln ließ, erscheint er fast regelmäßig an der Vollziehung der Rechtsgeschäfte persönlich betheiligt, nur ausnahmsweise läßt er sich durch Mönche vertreten. Vortheilhafte Tauschverträge dienten ihm den Besitz des Klosters abzurunden und zu erweitern, unbequem zu erreichende Güter gegen besser gelegene abzugeben, den frommen Sinn reichbegüterter Adels- und Handelsherren wußte er zu Gunsten des h. Emmeram trefflich auszunützen; mächtige Adlige, wie der Burggraf Pabo, der Vogt Lieophart, Tagino ließen ihre Söhne in das Kloster eintreten und widmeten für den Unterhalt derselben reichliche Gabe. Aufs engste verwuchs der Convent von S. Emmeram mit der Bürgerschaft der damals so mächtig emporgediehenen Stadt. Auch mit den liudolfingischen Landesherzogen stand R. in gutem Verhältniß, ohne jedoch der kirchlichen Würde das geringste zu vergeben. Als Herzog Heinrich IV. wünschte, daß Gotthard an Stelle des mißliebig gewordenen und wider kirchliches Recht entsetzten Erchanbert die Leitung von Niederaltaich übernehme, und Gotthard sich an den Emmeramer Abt um Rath wandte, da empfahl R. dem jüngern Freunde, das Anerbieten auszuschlagen und lieber den zeitlichen Zorn weltlicher Herren zu ertragen, als sich die ewige Strafe Gottes zuzuziehen. Mit Erfolg schützte R. sein Kloster gegen ungerechte Eingriffe, die sich Wolfgang’s Nachfolger Gebhard gestattete. Gebhard, gegen Wolfgang’s Vorschlag und den Willen des Domcapitels von Otto III. zum Bischof ernannt, hatte bald nach seiner Erhebung (994) einen Zwist mit Herzog Heinrich II. begonnen und dann auch Ansprüche auf den Besitz S. Emmerams erhoben. Für das Kloster lag eine große Gefahr darin, daß Wolfgang, obwol seine Absicht auf die Selbständigkeit desselben gerichtet war, doch keineswegs allen Einfluß aufgegeben hatte. Sowol in Diplomen, als auch in Privaturkunden, namentlich in den eine Veränderung des Stammgutes herbeiführenden Tauschverträgen wird Wolfgang neben dem Abte als Empfänger aufgeführt. Dies unklare Verhältniß konnte, so lange Wolfgang’s billiger Sinn und freundliche Gewogenheit dem Kloster nur Vortheile brachten, ohne Schaden bestehen, anders war es, als Gebhard darin eine Handhabe für seine habsüchtigen Pläne sah. Der Streit, der nun zwischen Bischof und Kloster anhub, dauerte über Ramuold’s Tod hinaus. Selbst er vermochte das Kloster nicht gegen jede Gewaltthat zu schützen, ausdrücklich wird uns von Aneignung kirchlichen Gutes, darunter auch kostbarer Handschriften, durch Gebhard berichtet. Der Bischof verschmähte es nicht, durch ein hinterlistiges Ränkespiel den König so sehr gegen den Abt aufzubringen, daß es bei der Anwesenheit Otto’s III. in Regensburg (Februar 996) erst der Vermittelung Heribert’s, des späteren Kölner Erzbischofs bedurfte, um dem Abt die Gunst königlicher Ansprache zu verschaffen. In demüthiger Anerkennung der königlichen Majestät, aber auch mit dem sichern Bewußtsein der Schuldlosigkeit empfing R. den jugendlichen Herrscher, mit der vollen Empfänglichkeit seines Gemüthes gab dieser sich der frommen Gewalt des ehrwürdigen Mannes hin und nahm, nachdem er die Beichte abgelegt hatte, aus einem vertrauten Gespräche den tiefsten religiösen Eindruck mit sich. Gebhard hatte sein Spiel verloren, in feierlicher Versammlung vor dem Altare des h. Emmeram stehend, sprach der König Worte des Tadels gegen ihn, versicherte das Kloster seines Schutzes und erbat sich Aufnahme in das Gebet der Brüder. Der Bischof scheint sich nunmehr, solange R. lebte, des Streites begeben zu haben.
R. ließ sich weder durch Körperschwäche noch durch zeitweilige Blindheit abhalten, seinen Amtspflichten nach Kräften gerecht zu werden. Erst im J. 1000 befiel ihn eine ernste Krankheit, an der er am 17. Juni starb. Er hatte den Tod in der Kirche, umgeben von den klagenden Mönchen und seinen zum letzten Abschied herbeigeeilten Schülern erwartet. In ungewöhnlicher Feier wurde [225] der Leichnam des frommen Mannes bestattet, Herzog Heinrich, der alle Anordnungen getroffen hatte, stützte mit der eignen Schulter die Todtenbahre, verschloß die Grabstelle und trug den Schlüssel derselben noch als König immer mit sich. Im Kloster wurde R. neben Emmeram und Wolfgang als Schutzheiliger verehrt.
- Arnoldus, De S. Emmerammo in Mon. Germ. Script. 4, 558 ff. – Othloni vita Wolfgangi capp. 15, 16 ebenda S. 532. – Vita Godehardi c. 10 Script. 11, 175. – Die Urkunden bei Pez, Thesaurus 1c, 88 ff. Wittmann in Quellen und Erörterungen 1, 1 f. Ried, Cod. Dipl. Ratisbon. 1. Bd. – Briefe bei Pez, Thesaurus 6a, 121–164. – Bücherverzeichnisse: Script. 17, 567. Serapeum 2 (1841), 260. – Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich II. – Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit, Bd. 1; 2. – Coelestin (Vogl), Ratisbona monastica. 4. Aufl. 1752, 1, 99 ff. – Gemeiner, Regensb. Chronik 1, 136 ff. – Riezler, Geschichte Baierns I, 361 ff. – Janner, Bischöfe von Regensburg 1, 361 ff. – Ringholz in Mittheil. und Studien aus dem Benedictinerorden 7, 55 ff., wo auch S. 269 die oben erwähnten „Gewohnheiten“ abgedruckt sind. – Sanftl, Dissertatio in aureum ac pervetustum codicem ms. S. Emmerammi 1786. – Wattenbach, Geschichtsquellen 1, 371. – Specht, Gesch. des Unterrichtswesens, S. 381. – Neues Archiv 10, 389. – Noch in neuern Werken wird R. mit dem h. Romuald, dem Stifter der Camaldolenser, verwechselt und werden Ereignisse aus dessen Leben auf ihn übertragen.