ADB:Otto II. (Kaiser)
Adelheid Otto dem Großen geboren hatte, der jüngste, wurde aber schon im Knabenalter, da die beiden älteren Brüder in frühester Kindheit starben, zum Nachfolger des Vaters bestimmt. Als dieser sich i. J. 961 zur Romfahrt rüstete, um die Kaiserkrone zu gewinnen, ließ er den sechsjährigen Knaben auf einem Reichstage zu Worms zum König wählen und am 26. Mai, dem Tage des Pfingstfestes, in Aachen krönen. Die ganze Erziehung des Knaben war darauf angelegt, ihn für die Regierung des väterlichen Reichs, welches sich damals in staunenswerther Größe erhob, würdig vorzubereiten. Nicht nur in den Waffen und ritterlicher Sitte wurde der Königssohn, sondern auch in der Wissenschaft jener Zeit unterwiesen. Die Obhut des Knaben während seiner Abwesenheit übertrug der Vater seinem Bruder Erzbischof Bruno von Köln und seinem unehelichen Sohn Erzbischof Wilhelm von Mainz; denselben Männern, welchen er damals auch die Regierung der deutschen Länder anvertraute. Als der Kaiser im J. 966 wieder über die Alpen zog, übergab er – Bruno war inzwischen gestorben – die Leitung seines Sohnes und der Reichsgeschäfte abermals Erzbischof Wilhelm. Im Sommer d. J. 967 hielt der zwölfjährige König seinen ersten Reichstag zu Worms, und man glaubte, aus seinem Auftreten die Hoffnung schöpfen zu können, daß er durch Klugheit und Milde einst den Thron zieren würde. Bald darauf mußte er dem Vater nach Italien folgen, um schon bei dessen Lebzeiten auch die Kaiserkrone zu empfangen. Am Weihnachtsfeste d. J. 967 wurde sie ihm in St. Peter vom Papste Johann XIII. auf das Haupt gesetzt. Um dieselbe Zeit warb der Vater für seinen Sohn um die Hand einer griechischen Fürstin; durch eine Familienverbindung wollte er einen Freundschaftsbund zwischen dem abendländischen und morgenländischen Reiche herstellen, da deren sich durchkreuzende Interessen in Italien bisher vielfach zu erbitterten Feindseligkeiten geführt hatten, bei denen es unmöglich war, Italien gegen die Araber zu schützen. Aber der Hof zu Constantinopel wies lange die Werbungen des mißachteten Sachsen zurück. Erst mehrmalige Angriffe des alten Kaisers auf die griechischen Besitzungen und eine [598] Thronumwälzung in Constantinopel brachen den Stolz der Griechen, und der Kaiser Johannes Tzimisces verlobte seine Nichte Theophano dem jungen Otto. Am 14. April 972 wurde ihm die Griechin zu Rom vermählt. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Italien, wo dem alternden Vater der Sohn zur Seite gestanden und ihn auch auf seinen Kriegszügen begleitet hatte, kehrten Vater und Sohn im Sommer 972 nach Deutschland zurück. Schon am 7. Mai des nächsten Jahrs endete Otto der Große sein glorreiches Leben, und der Sohn, der schon längere Zeit den königlichen und kaiserlichen Namen trug und nicht ohne Betheiligung bei den Staatsgeschäften gewesen war, übernahm nun allein die Regierung des großen Reichs.
Otto II., römischer Kaiser, geb. 955, † am 7. December 983 zu Rom. – O. war von den drei Söhnen, welche die burgundischeEs war eine gewaltige Aufgabe für den achtzehnjährigen Jüngling, die Herrschaft, die sein Vater mit einer Energie ohne Gleichen in den schwersten Kämpfen gegen innere und äußere Feinde begründet hatte, aufrecht zu halten. Aber es war Alles geschehen, um ihn für seine ebenso schwierige, wie erhabene Stellung vorzubereiten, und die Eigenart des jungen Fürsten erweckte die besten Hoffnungen auf eine glückliche Entwickelung des Reichs, mit welchem sich schon kein anderes in der abendländischen Christenheit vergleichen ließ und welchem noch die glänzendste Zukunft beschieden zu sein schien. O. war zwar nur von kleiner Gestalt, aber kräftig gebaut, sein kriegerischer Muth eignete ihn für die kampferfüllte Zeit, ein feuriger Geist verrieth sich in seinem hochgerötheten Antlitz, von welchem man ihm den Beinamen des Rothen gegeben hat. Er war freigiebig, besonders nach dem Vorbild des Vaters gegen die Kirche. Man rühmte seinen scharfen Verstand, und unzweifelhaft übertraf er an geistiger Bildung alle Fürsten seiner Zeit. Kein Wunder, daß man sich Großes von ihm versprach. Man erzählte sich zur Zeit seines Regierungsantritts, seine Großmutter Mathilde, der man einen Sehergeist zuschrieb, habe bei seiner Geburt gesagt: „Dieser wird einst die Anderen unsres Geschlechts an Ruhm überstrahlen und seinen Ahnen neuen Glanz verleihen.“ Diese Weissagung und die Hoffnungen, die man an sie knüpfte, sollten nicht in Erfüllung gehen. Bald genug zeigte sich, daß die Umsicht des Vaters dem Sohne fehlte; in jugendlicher Hitze überstürzte er seine Entschlüsse, ohne auf den Rath älterer Männer zu hören, leidenschaftlichen Eifer und Einflüsse von Günstlingen schädigten das Wohl des Reichs und der Kirche, man wollte in mancher seiner Handlungen Willkür und Härte erkennen. Vielleicht hätte das reifere Alter das Tadelnswerthe bessern können, aber er ist früh harten Schlägen des Schicksals erlegen – einer der fähigsten, aber zugleich einer der unglücklichsten unserer Kaiser.
Die Regierung des jungen Kaisers begann ohne alle Störung. Er schien ganz auf den vom Vater eingeschlagenen Bahnen verharren zu wollen, und seine Mutter Adelheid, schon bei Lebzeiten ihres Gemahls höchst einflußreich, hatte einen maßgebenden Antheil an allen Geschäften. Daß es auch der neuen Regierung nicht an Störungen des inneren Friedens fehlen sollte, zeigte sich zuerst in Lothringen. Die Brüder Reginar und Lambert, Nachkommen des alten Herzogsgeschlechts, die nach der Verbannung und dem Tode ihres Vaters in Frankreich zu männlichen Jahren herangewachsen waren, machten einen Einfall in Lothringen und suchten das ihnen entzogene Erbe mit Gewalt an sich zu bringen. Im Anfange d. J. 974 zog der Kaiser gegen sie aus und nöthigte sie, nach Frankreich zurückzukehren. Die Ruhe Lothringens wurde ohne sonderliche Mühe hergestellt. Gefahrvoller war eine Verschwörung, welche bald darauf in Baiern angezettelt wurde, in dem damals unfraglich bedeutendsten Herzogthume des Reichs. Bekanntlich hatte in den Tagen Otto’s des Großen sein Bruder Heinrich, nachdem er, mit Judith aus dem alten Herzogsgeschlecht des Landes vermählt, dieses Herzogthum gewonnen hatte, dasselbe erheblich vergrößert. In [599] glücklichen Kämpfen gegen die Ungarn hatte er die Ostmark ausgedehnt und durch die Gunst seines königlichen Bruders und dessen zweiter Gemahlin die Mark Verona und damit den stets offenen Zutritt zu der Lombardei gewonnen; gerade seine so schnell erstarkende Macht hatte ihm die erbitterte Feindschaft der Kinder des Königs aus erster Ehe zugezogen, namentlich des jungen Liudolf’s, und einen furchtbaren inneren Krieg hervorgerufen, der Liudolf das Herzogthum Schwaben kostete und seine Hoffnungen auf die Nachfolge im Reiche vereitelte. Nach dem frühen Tode Herzog Heinrich’s hatte seine Wittwe Judith, eine Frau von hervorragender Begabung und großem Ehrgeiz, das Herzogthum für ihren unmündigen Sohn Heinrich verwaltet und unter dem Beirath des Bischofs Abraham von Freising die Macht ihres Hauses nicht nur in Baiern verstärkt, sondern auch nach Schwaben ausgedehnt, nachdem sie ihre junge und schöne Tochter Hedwig dem alternden Schwabenherzoge Burchard vermählt hatte. Als Judith’s Sohn Heinrich zur Mündigkeit gelangt, selbst die Regierung Baierns übernahm, trat zu Tage, daß der Ehrgeiz seiner Eltern auch in ihm lebte. Immer mehr suchte er die Macht seines Hauses über das südliche Deutschland zu verbreiten, selbst auf die Gefahr hin, die kaiserliche Autorität dadurch zu schädigen. In der bedenklichsten Weise geschah dies, als bald nach Otto’s des Großen Tode das reiche Bisthum Augsburg erledigt wurde, und es der bairischen Herzogsfamilie gelang, einen der Ihren in dieses Bisthum zu bringen. Als dann am 12. November 973 Herzog Burchard starb, suchte man Schwaben seiner Wittwe, die schon bei Lebzeiten ihres Gemahls einen beherrschenden Einfluß auf die Verwaltung des Landes geübt hatte, zu erhalten. Aber der Kaiser übertrug das erledigte Herzogthum Schwaben Otto, dem Sohne des unglücklichen Liudolf; er setzte diesen ihm fast gleichalterigen und eng befreundeten Jüngling in das Herzogthum wieder ein, das einst dessen Vater entzogen war. So wurde Heinrich von Baiern, um einige Jahre älter als der neue Herzog von Schwaben, Nachbar und Rival des von der Gunst des Kaisers getragenen Jünglings, und sofort erneuerte sich die Feindschaft, die einst zwischen den Vätern bestanden hatte. Es war ohne Zweifel gerechtfertigt, wenn der Kaiser der überwuchernden Gewalt des baierischen Herzogshauses im oberen Deutschland eine Schranke zu setzen suchte, aber kaum war es wohlgethan, durch die Einsetzung von Liudolf’s Sohn in Schwaben in der kaiserlichen Familie Zerwürfnisse, die einst so schwere Schicksale über das Reich gebracht hatten, zu erneuern. Noch andere Gegner erweckte der Kaiser seinem Vetter in Baiern. In den ostfränkischen Gegenden und im baierischen Nordgau hatte der Graf Berchthold aus dem Geschlecht, welches man das babenbergische zu nennen pflegt, eine bemerkenswerthe Macht gewonnen; sein Bruder Luitpold hatte vor kurzem die Ostmark gegen die Ungarn erhalten und sich hier als ein thatkräftiger Führer gezeigt. Diese Brüder zog der Kaiser in sein Interesse und begünstigte sie zum Nachtheile Herzog Heinrich’s. Sehr begreiflich ist es, daß das Verfahren des Kaisers in dem Baiernherzog und seiner ganzen Sippe den höchsten Unmuth erregte, und bald steigerte sich dieser so, daß Heinrich auf offene Empörung sann. Unter dem Beistande des Bischofs Abraham von Freising zettelte er eine Verschwörung gegen den Kaiser an; auch der Böhmenherzog Boleslaw und dessen Schwager Herzog Mesco von Polen wurden für das Unternehmen gewonnen. Aber ehe der Plan noch vollständig gereift war, wurde er durch den Grafen Berchthold entdeckt und dem Kaiser enthüllt. Heinrich und seine Mitverschwornen wurden zu ihrer Rechtfertigung vor das Gericht der Fürsten beschieden. Sie stellten sich und unterwarfen sich dem Willen des Kaisers, welcher darauf Heinrich nach Ingelheim, den Bischof Abraham nach Korvei, die andern Verschwornen nach andren Orten in sicheren Gewahrsam bringen ließ; die Herzogin Judith ging damals oder wenig später in das Kloster [600] Niedermünster in Regensburg. Die Macht des baierischen Herzogshauses schien gebrochen. Die Verschwörung war um so gefährlicher gewesen, als eben damals, im Sommer d. J. 974, der Dänenkönig Harald einen Versuch machte, sich der Abhängigkeit vom deutschen Reiche zu entziehen. Sorgfältig hatte er sich zum Kampfe gerüstet; auch Jarl Hakon von Norwegen mußte seine Krieger ihm zuführen, das Danewirk war hergestellt und verstärkt worden. Er begann dann den Krieg, indem er den nahen, von den Deutschen errichteten Grenzwall zerstörte und verheerend das Land bis zur Elbe durchzog. Aber eiligst sammelte der Kaiser ein Heer und rückte Harald entgegen. Die Dänen wichen zurück und durch die Umsicht des Sachsenherzogs Bernhard und des Grafen Heinrich von Stade wurde der deutsche Grenzwall wiedergewonnen. Größerem Widerstand begegnete man an dem von Jarl Hakon vertheidigten Danewirk, und als dem Kaiser von Harald große Geldsummen geboten wurden, wenn er den Kampf abbreche, entschloß er sich zur Rückkehr. Darauf verließ auch Jarl Hakon das Danewirk. Aber der Krieg war keineswegs beendigt. Der Kaiser war nur zurückgekehrt, um sein Heer zu verstärken. Alsbald rückte er von Neuem vor und drang in Jütland ein. Harald trug Bedenken, ihm in offener Schlacht zu begegnen; er erbot sich deshalb ihm seinen ganzen Schatz zu überliefern, den bisher bezahlten Tribut auch ferner zu entrichten und seinen Sohn als Geisel für seine Treue zu stellen. Auf diese Bedingungen wurde ihm der Friede gewährt, und zur Sicherung der Reichsgrenze ließ der Kaiser an derselben eine Feste anlegen, in welcher er eine Besatzung zurückließ. Am Ende d. J. 974 schienen alle dem Reiche drohenden Gefahren beseitigt. Auf einem Reichstage, welchen der Kaiser im Juni 975 zu Weimar hielt, wurde wol der alsbald ausgeführte Heereszug gegen den Böhmenherzog beschlossen, da dieser sich der Theilnahme an Heinrich’s Verschwörung schuldig gemacht und seitdem sich feindlich zum Reiche gestellt hatte. Im Herbst führte der Kaiser ein Heer nach Böhmen. Weit und breit wurde das Land verwüstet, aber es gelang nicht, Boleslaw zur Unterwerfung zu bringen; unverzagt setzte der Böhme auch nach dem Abzug des feindlichen Heeres den Krieg an den deutschen Grenzen fort, und der Kaiser konnte, von neuen Schwierigkeiten in Baiern bedrängt, ihm nicht sogleich wieder die Stirne bieten. Im Anfange d. J. 976 entkam Herzog Heinrich aus Ingelheim, eilte nach Baiern und fand einen Anhang, der seine Sache zu vertheidigen entschlossen war. Aber auch die Zahl seiner Gegner war nicht gering; vor allen leistete ihm Graf Berchthold tapfern Widerstand. Ein innerer Krieg brach in Baiern aus und brachte das Land in heillose Verwirrung. An der Donau und an der Isar wurde gekämpft; Bischof Piligrim von Passau, der treu zum Kaiser hielt, erlitt in seinem Bisthum schweren Schaden. Zweimal mußte der Kaiser selbst in Baiern mit Heeresmacht einschreiten. Das erste Mal gelang es ihm nicht, Heinrich aus dem Lande zu verdrängen, aber dem zweiten Angriff konnte dieser nicht mehr widerstehen und wandte sich landesflüchtig nach Böhmen. Zu Regensburg traf dann O. im Juli 976 tief in alle Verhältnisse Baierns einschneidende Verfügungen. Heinrich wurde seiner herzoglichen Würde entkleidet und gegen alle seine Anhänger strenge Strafen verhängt. Mit dem baierischen Herzogthum wurde Otto von Schwaben, der Freund des Kaisers, belehnt. Es war bedenklich, die beiden Herzogthümer des oberen Deutschland in eine Hand zu geben. Doch der Kaiser mochte glauben, so allein Sicherheit vor neuen Empörungen zu gewinnen. Doch blieb das baierische Herzogthum nicht im alten Umfange bestehen. Die Kärnthner Mark und die Mark Verona wurden von ihm getrennt und daraus ein neues Herzogthum gebildet, welches der Kaiser Heinrich dem Jüngeren, einem Sohne jenes Berchthold, verlieh, den einst Otto der Große in das Herzogthum Baiern eingesetzt und der treu zum Reiche gehalten [601] hatte; auch von dem Sohne, obwol er dem entsetzten Heinrich nahe verwandt war, erwartete der Kaiser die gleiche Treue. Der Graf Berchthold erhielt in den Gegenden am Böhmerwald, dem baierischen Nordgau, eine neugebildete gegen Böhmen gerichtete Markgrafschaft, und auch die unter Berchthold’s Bruder Luitpold stehende Ostmark gegen die Ungarn scheint erweitert zu sein. Blieben auch Kärnthen und die Markgrafschaften noch in einem gewissen Zusammenhang mit dem baierischen Herzogthum, so war doch die Macht und Bedeutung desselben erheblich geschwächt, und niemals hat Baiern den damals erlittenen Schaden ganz verschmerzen können. Der Gang der Dinge hatte dahin geführt, daß Otto, der Sohn jenes einst der Kaiserin Adelheid so feindlichen Liudolf’s zu einer ungeahnten Macht gelangte, während das von der Kaiserin begünstigte herzogliche Geschlecht in Baiern zurückgedrängt war. Es erschien dies als eine völlige Abwendung von der Politik Otto’s des Großen, und es ist nicht zu verwundern, wenn sich Adelheid mehr und mehr ihrem Sohne entfremdete. Wiederholt wurden Versuche unternommen, die Mißhelligkeiten zwischen Mutter und Sohn zu beseitigen, aber ohne nachhaltigen Erfolg. Sie zog sich zeitweise ganz mit ihrer Tochter Mathilde, der einzigen Schwester des Kaisers, vom Hofe zurück und suchte Italien oder ihr Heimatland Burgund auf. Je mehr ihr Einfluß auf den Kaiser abnahm, desto bemerklicher machten sich auf ihn die Einwirkungen seiner ebenso schönen als klugen griechischen Gemahlin und seines Freundes, des Herzogs Otto. Adelheid’s Entfremdung vom Sohne wurde aber auch in den französischen und lothringischen Verhältnissen fühlbar. Die Ruhe Lothringens war in der letzten Zeit aufs neue gestört worden. Reginar und Lambert hatten frische Werbungen in Frankreich gemacht und waren abermals in Lothringen eingefallen; selbst der junge Karl, der Bruder König Lothar’s, und mehrere Vasallen Hugo Capet’s, des Herzogs von Francien, hatten sich ihm angeschlossen. Trotz einer Niederlage, die sie in der Charwoche 976 durch lothringische Herren erlitten, setzten sie den Kampf fort, und die baierischen Wirren konnten sie zu demselben nur ermuthigen. Bis dahin hatte sich König Lothar von diesen Unternehmungen fern gehalten; er stand mit dem Kaiser in gutem Vernehmen, welches die Kaiserin Adelheid, mit deren in ihrer ersten Ehe geborenen Tochter Emma König Lothar vermählt war, zu erhalten beflissen war. Sobald aber Adelheid’s Einfluß auf ihren Sohn schwand, regte sich in Lothar das Gelüste, die Gunst der Verhältnisse zur Gewinnung Lothringens zu benutzen. Der Kaiser fürchtete bald mehr von ihm, als von Allen, die bisher die Ruhe seines Westlandes bedroht hatten. Die Sicherung Lothringens war ihm so wichtig, daß er vom Ende d. J. 976 bis in den April 977 in den niederrheinischen Gegenden verweilte. Auffälliger Weise griff er, um seine Absicht zu erreichen, zu dem verzweifeltsten Mittel, gerade den Männern den Schutz des Landes anzuvertrauen, welche bisher die Hauptfriedensstörer gewesen waren; Karl, der Bruder König Lothar’s, empfing das Herzogthum Niederlothringen; von vielen Widerwärtigkeiten am Hofe seines Bruders bedrängt, nahm der französische Königssohn keinen Anstand, Vasall des deutschen Reiches zu werden. Ueberdies erhielten die unruhigen Brüder Reginar und Lambert, um sie für den Kaiser zu gewinnen, den größten Theil ihres väterlichen Erbes zurück. Sobald der Kaiser sich nach dem Westen für gesichert hielt, machte er sorgfältige Rüstungen zu einem neuen Feldzuge gegen den Böhmenherzog. Im August 977 drang er durch die thüringischen Marken in Böhmen ein und brachte einen Theil des Landes in seine Gewalt. Aber es gelang ihm nicht, sich mit Herzog Otto, der ihm das Aufgebot aus Baiern und Schwaben zuführen sollte. zu vereinigen. Herzog Otto überstieg zwar den Böhmerwald, erlitt aber bei Pilsen eine Niederlage und sah sich bald darauf genöthigt, nach Baiern zurückzukehren. Denn sobald [602] er das Land verlassen, war zu Tage getreten, wie wenig hier noch seine Macht befestigt war. Der vom Kaiser so begünstigte neue Herzog von Kärnthen und der Bischof Heinrich von Augsburg hatten sich mit anderen Mißvergnügten verbunden, um den verbannten Herzog Heinrich nach Baiern zurückzuführen. Dieser erschien wieder in seinem Herzogthum, und für den Augenblick trat ein völliger Umschwung der Dinge ein. Bischof Heinrich besetzte Neuburg an der Donau. Heinrich von Kärnthen Passau, und hieher warf sich auch der geächtete Heinrich mit den Schaaren, die ihm aus Böhmen gefolgt waren. Herzog Otto nahm freilich gleich nach seiner Rückkehr den Kampf gegen die Aufständigen auf und begann Passau zu belagern, aber es gelang ihm nicht, die Stadt zu nehmen. Unter diesen Umständen war es dem Kaiser sehr erwünscht, daß Boleslaw Friedensanerbietungen machte; er versprach, wenn das deutsche Heer Böhmen räumte, sich demnächst am Hofe des Kaisers einzustellen und in das frühere Verhältniß zum Reiche zurückzukehren. Der Kaiser führte dann sein Heer über den Böhmerwald unmittelbar nach Baiern, und mit verstärkter Kraft wurde nun Passau von den beiden Ottonen belagert. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich um die Stadt, die fast völlig zu Grunde gerichtet wurde. Gegen Ende des September gaben aber die drei Heinriche weiteren Widerstand auf und stellten sich dem Kaiser, welcher das Urtheil über sie dem Gericht der Fürsten vorbehielt. Als der Kaiser das Osterfest d. J. 978 zu Quedlinburg feierte, erschien der Böhmenherzog am Hofe und bethätigte seinen Gehorsam. Wenig später wurde über die baierischen Aufständigen zu Magdeburg Gericht gehalten. Der geächtete Heinrich wurde abermals aus Baiern verbannt und unter die Obhut des Bischofs Folkmar von Utrecht gestellt, Heinrich von Kärnthen wurde seines Herzogthums entkleidet und gleichfalls – wir wissen nicht wo – in Gewahrsam gebracht; auch Bischof Heinrich von Augsburg wurde unter die Aufsicht des Abtes von Werden gestellt, durfte aber schon nach drei Monaten in sein Bisthum zurückkehren. Die Güter der Aufständigen zog der Kaiser größtentheils ein und wandte Vieles davon den Kirchen zu. Das erledigte Herzogthum Kärnthen mit der Mark Verona verlieh er dem Grafen Otto von Worms, dem Sohne jenes Konrad, der sich einst mit Liudolf gegen Adelheid verbündet hatte; der Kaiser beharrte in der seiner Mutter so widerstrebenden Politik, und das Zerwürfniß zwischen beiden schien nicht mehr auszugleichen. Kaum war die innere Ruhe in Deutschland wieder gesichert, so sah sich der Kaiser unerwartet einem kecken Angriffe König Lothars ausgesetzt. Lothar hatte alles im Stillen zu einem Zuge nach Lothringen vorbereitet, zu dem ihn Reginar und Lambert ermuthigt hatten. Da gerade damals sein mächtiger Vetter Hugo Capet und dessen Brüder ihm dienstbereiter als sonst waren, konnte er ein größeres Heer aufbringen, als seit langer Zeit einem Könige von Frankreich gefolgt war. Als nun der Kaiser mit seiner Gemahlin am Johannisfeste d. J. 978 sorglos zu Aachen verweilte, brach Lothar plötzlich ohne Kriegserklärung in Lothringen ein und ging in Eilmärschen auf Aachen los, wo er sich der Person des Kaisers zu bemächtigen gedachte. Nur mit genauer Noth entkam dieser dem Feinde. Der Vortrab Lothar’s verzehrte noch die für den kaiserlichen Hofhalt bestimmte Mahlzeit. Am andern Tage rückte Lothar selbst in Aachen ein. Die alte Kaiserpfalz übergab er der Plünderung und ließ den Adler, der auf derselben nach Osten gerichtet stand, nach Westen richten; er wollte damit bezeichnen, daß Aachen fortan zum Westreiche gehöre. Drei Tage waltete Lothar nach seinem Gefallen in der Stadt Karl’s des Großen, dann wandte er sich auffälliger Weise eilig wieder heimwärts, auf seinem Rückzuge Alles verwüstend. Aber ehe er noch die Grenzen Frankreichs wieder erreicht hatte, ereilte ihn ein Bote des Kaisers, der ihm meldete: der Kaiser verabscheue Hinterlist und erkläre ihm deshalb offen [603] den Krieg, am 1. October werde er in Lothar’s Reich einrücken und hoffe dessen Herrschaft ein Ende zu machen. Sofort berief O. seine Großen auf die Mitte des Juli nach Dortmund und forderte sie auf, die ihm und dem Reiche angethane Schmach zu rächen. Plötzlich schienen alle inneren Mißhelligkeiten vergessen, wie mit einem Munde schwuren die Fürsten, daß sie dem Kaiser aus Liebe zu seinem großen Vater, der sie erhoben, bis zum letzten Hauche dienen würden. Ein Heer trat zusammen, wie man es nie zuvor gesehen zu haben meinte; wol nicht ohne Uebertreibung berechnete man es auf 60,000 Mann, darunter 30,000 Ritter. Am 1. October rückte O., wie er angekündigt, mit dem Heere in Frankreich ein. Anfangs fand er nirgends Widerstand. Die königlichen Pfalzen zu Attigny und Compiègne wurden zerstört, überall das Königsgut verwüstet, dagegen die Kirchen geschont. Lothar zog sich mit seinem Heere über die Seine zurück, während Hugo Capet eine starke Besatzung in Paris sammelte, um die Stadt gegen einen Angriff zu vertheidigen. Bald stand auch das deutsche Heer bei Paris an der Seine und schlug am rechten Ufer des Flusses beim Montmartre sein Lager auf. Man begann die Belagerung der Stadt, und weit und breit um dieselbe schweiften sengend und brennend deutsche Schaaren, aber nirgends zeigte sich ihnen ein Feind. Indessen wurde Paris gut vertheidigt, und bei dem Einbruche der schlechten Jahreszeit schien es dem Kaiser umsomehr geboten, die Belagerung aufzuheben, als bereits Krankheiten in seinem Heere herrschten. Bald nach der Mitte des November brach er sein Lager ab, nachdem er zuvor noch ein seltsames Siegesfest gefeiert hatte. Er ließ nämlich Hugo Capet melden, daß er ihn ein Te Deum hören lassen werde, wie er es noch nie vernommen; darauf ließ er alle Geistliche, die aufzufinden waren, auf dem Montmartre zusammentreten und ein Halleluja anstimmen, das weithin in den Straßen von Paris wiederhallte. In Eile trat dann das deutsche Heer den Rückzug an, und gelangte unbehindert bis an die Aisne. Als die Ritter bereits über den Fluß gesetzt waren, während das Gepäck und dessen Bedeckung noch zurückgeblieben, zeigte sich unerwartet Lothar mit einem Heere, in welchem sich auch Reginar und Lambert befanden. Er überfiel den zurückgelassenen Theil des Heeres, bemächtigte sich des ganzen Gepäcks des Kaisers, und Viele von den Leuten desselben fielen unter den Schwertern des Feindes. Mit Entsetzen sah der Kaiser den arglistigen Ueberfall, aber er konnte, da der Fluß in der Nacht gewaltig geschwollen und nicht zu überschreiten war, dem Unheil nicht steuern. Indessen ließ er sofort Lothar zu einem ehrlichen Kampfe entbieten. Er sandte ihm Boten und forderte ihn auf, entweder über den Fluß zu kommen, oder ihm Sicherheit zu geben, daß er sein Heer über denselben ungefährdet zurückführen könne; dann sollten ihre Heere in offener Schlacht sich messen und dem Sieger solle das Reich des Besiegten als Kampfpreis zufallen. Ein Vasall Lothar’s ließ darauf die schimpfliche Aeußerung fallen: „Was sollen so Viele bluten? Die Könige selbst mögen kämpfen.“ Ihm gab der edle Graf Gottfried von Verdun, einer der Boten des Kaisers, die ehrenhafte Antwort: „Nimmer wird unser Kaiser kämpfen, während wir ruhig zuschauen, und doch wissen wir, daß er, wenn er sich zum Zweikampfe stellte, ihn siegreich bestehen würde.“ Lothar wich dem Kampfe aus und gab eine weitere Verfolgung des deutschen Heeres auf. Unbehindert konnte der Kaiser den Rückzug fortsetzen; schon am 1. December war er wieder in seinem Reiche und löste sein Heer auf. Ein kleiner Krieg währte noch längere Zeit an den Grenzen Lothringen’s und Frankreich’s fort, brachte jedoch Lothar keinen Gewinn, vielmehr verschlimmerte sich seine Lage dadurch, daß er mit Hugo Capet und dessen Brüdern aufs neue in Zerwürfnisse gerieth. Der Kaiser konnte die Vertheidigung Lothringen’s Herzog Karl und den Großen des Landes überlassen. Im nächsten Jahre faßte er einen [604] Kriegszug in das Auge, der ihn an die äußersten Ostgrenzen seines Reiches führte. Der Polenherzog Mesco war bei der Verschwörung Herzog Heinrich’s betheiligt gewesen und hatte sich mehrfach dem Kaiser feindlich gezeigt; ein sächsisches Heer unter dem Markgrafen Hodo hatte durch ihn eine empfindliche Niederlage erlitten. Im Herbste des Jahres 979 führte jetzt O. selbst ein Heer gegen Polen. Zu ernsten Kämpfen scheint es nicht mehr gekommen zu sein, vielmehr scheint sich Mesco bald erboten zu haben, in sein früheres Verhältniß zum Reiche zurückzukehren. Er vermählte sich, nachdem seine erste Gemahlin, die Schwester des Böhmenherzogs Boleslaw, gestorben war, mit Oda, einer Tochter des sächsischen Markgrafen Dietrich, und diese Ehe erschien als eine Bürgschaft des Friedens. Noch wichtiger war, daß auch König Lothar alsbald friedliche Absichten zeigte. Schon besorgte er, daß sich Hugo Capet und dessen Brüder dem Kaiser nähern könnten; er sandte deshalb im geheimen Botschaft an diesen, suchte seine früheren Feindseligkeiten zu entschuldigen und bot ihm ein Schutz- und Trutzbündniß an; er bat ihn zugleich um eine persönliche Zusammenkunft an der Grenze ihrer Reiche. Die Bitte wurde vom Kaiser gewährt, und im Sommer 980 trafen die beiden Herrscher an einem Orte am Chiers, der Margolius genannt wird, zusammen und schlossen Frieden. Lothar entsagte allen Ansprüchen auf Lothringen und empfahl sich und seinen jungen Sohn Ludwig dem Schutze des Kaisers. So schienen die deutschen Länder jetzt nach allen Seiten gesichert. Mochte man Manches an dem jungen Kaiser auch zu tadeln finden, so hatte er doch unleugbar sich Ansehen erworben. Durch Muth und Energie hatte er unter schwierigen Verhältnissen das ererbte Reich zusammengehalten, und freudig begrüßte man es, als im Juli 980 die Kaiserin Theophano einen Knaben gebar; man sah in diesem Knäblein eine weitere Bürgschaft für den Bestand des Reichs. Aber der feurige Geist des Kaisers war noch auf Höheres gerichtet, als die Erhaltung des überkommenen Reiches; er wollte das römische Kaiserthum zu der Machthöhe erheben, die seiner Idee entsprach, wonach es die ganze abendländische Christenheit unter seinem Schutze zu vereinigen hatte, und da schien es zunächst nothwendig, eine Aufgabe anzugreifen, welche sich schon sein Vater gestellt hatte, ohne sie lösen zu können: es galt die Araber von dem Boden Italiens zu vertreiben, und dies schien nicht anders zu erreichen, als wenn er ganz Italien unter seine Herrschaft brachte.
Die Verhältnisse Italiens traten damit in den Vordergrund aller Interessen des Kaisers. In der Lombardei und in den angrenzenden Gegenden hatten sich seit dem Tode Otto’s des Großen keine wesentlichen Veränderungen zugetragen. So wenig dachte man hier an einen Abfall von dem deutschen Reiche, daß es sogar eine Partei in Venedig gab, welche die Stadt dem Kaiser zu überliefern gedachte. Nur in Rom hatte ein Theil des Adels die ihm lästige Herrschaft der Deutschen alsbald abzuschütteln gesucht. Unter der Leitung des Herzogs Crescentius hatte diese Faction den Papst Benedict VI., der erst vor kurzem auf Johann XIII. gefolgt war, durch Mord beseitigt und einen ihrer Anhänger unter dem Namen Bonifacius VII. auf den Stuhl Petri erhoben. Aber schon nach wenigen Wochen war sein Pontificat angefochten; mit Einwilligung des Kaiser setzte die Gegenpartei im October 974 Benedict VII., bisher Bischof von Sutri, zum Papste ein, welcher die Oberhand in der Stadt behielt, aber Bonifacius doch nicht aus derselben verdrängen konnte. Im Süden der Halbinsel standen Apulien und Calabrien noch unter der Herrschaft des griechischen Kaisers; in den longobardischen Fürstenthümern, die von jeher vom abendländischen Reiche in Anspruch genommen waren, bestand überall eine griechische Partei, welche ihr Heil von Constantinopel erwartete und dort Unterstützung fand, aber in Zaum gehalten wurde durch den Fürsten Pandulf von Capua, welchen Otto der Große [605] ganz für das Interesse des abendländischen Reiches gewonnen hatte. Die griechische Partei in Unteritalien war Pandulf um so weniger gewachsen, als im J. 976 Kaiser Johannes Tzimisces starb und die Herrschaft an die Söhne Kaiser Romanus’ II., Basilius II. und Constantin VIII. kam, zwei kaum dem Knabenalter entwachsene Jünglinge, unter denen das Reich in die ärgste Verwirrung gerieth. Schutzlos waren die griechischen Besitzungen in Italien, in denen nur eine dürftige Besatzung stand, den Verheerungen der sicilischen Araber preisgegeben. Der Chalif zu Kairo gab Abulkasem, dem damaligen Emir von Sicilien, den Befehl, Italien dem Islam zu unterwerfen, und dieser, ein Mann voll von kriegerischem Fanatismus, folgte freudig dem Befehl. Jahr für Jahr durchzog er unter furchtbaren Verwüstungen Calabrien und Apulien und drang tief in die longobardischen Fürstenthümer ein. An Pandulf allein fand er Widerstand, aber Pandulfs Kraft reichte nicht aus, dem immer erneuten Ansturm auf die Dauer zu wehren. Da von Constantinopel noch weniger eine Rettung zu hoffen war, schien Kaiser O. jetzt allein Italien gegen den Islam schützen zu können, und er war dazu fest entschlossen. Im November des Jahres 980 überstieg er die Alpen und traf im Anfange des December in Pavia ein. Es begleitete ihn seine Gemahlin mit ihrem Knaben, sein Freund Otto und der ihm vertraute Bischof Dietrich von Metz; es folgte ihm eine zahlreiche Ritterschaft aus Sachsen, und Herzog Otto führte ihm ein großes Gefolge aus Schwaben und Baiern zu. In Pavia traf er mit seiner Mutter zusammen, und sie, die mit den Verhältnissen Italiens seit einem Menschenalter vertraut war, gewann auf die Reichsgeschäfte von Neuem Einfluß. Das Weihnachtsfest feierte der Kaiser in Ravenna und fand hier Papst Benedict, der vor den Nachstellungen seiner Gegner aus Rom hatte flüchten müssen. Gegen Ostern zog der Kaiser nach Rom, wo man ihm keinen Widerstand entgegenzusetzen wagte. Der Papst nahm seinen Sitz im Lateran wieder ein; Crescentius mußte in ein Kloster treten, in dem er nach wenigen Jahren starb, und Bonifacius flüchtete sich nach Constantinopel. Bis zum Anfang des Sommers verweilte O. in Rom, wo er in dem Palast neben der Peterskirche residirte. Nicht allein aus Deutschland und Italien, sondern auch aus Frankreich und Burgund stellten sich geistliche und weltliche Große an seinem Hofe ein. König Konrad von Burgund, der Bruder der Kaiserin Adelheid, war ihm schon in Pavia begegnet und dann nach Rom gefolgt. Hugo Capet, nach der Aussöhnung Lothars mit dem Kaiser um seine Stellung besorgt, erschien, um auch sich die Gunst desselben wiederzugewinnen. Im Juli begab sich der Kaiser, um der Fieberluft Roms zu entgehen, mit seinem Gefolge in das Marsergebirge, wo er auf dem Felde von Cedici am See von Celano in Eile eine Pfalz erbauen ließ. Schon war er ganz mit dem Kriegszuge gegen die Araber beschäftigt, die im Frühjahr wieder in Italien eingebrochen waren, Calabrien verheerten und an den Grenzen Apuliens standen. In Constantinopel kannte man die Absichten des Kaisers; man wußte, daß er Apulien und Calabrien besetzen wollte, und war entschlossen, eher diese Länder den Arabern als den Sachsen preiszugeben. Griechische Gesandte erschienen vor O. und warnten ihn vor einem Angriffe auf die Gebiete des Kaisers, aber sein Entschluß blieb fest, den Krieg mit allem Nachdruck ohne jede Rücksicht auf Constantinopel zu führen. Er hatte bereits zur Verstärkung seines Heeres Mannschaften aus den meisten Bisthümern Baierns, Schwabens, Frankens und Lothringens berufen, und die Bischöfe und Aebte waren zum Theil selbst zur Heeresfolge beschieden; auch mehrere weltliche Herren aus den fränkischen und lothringischen Gegenden sollten ihm zuziehen oder doch ihm ritterliche Mannen senden. Da aber längere Zeit bis zu dem Eintreffen dieser Verstärkung vergehen mußte, war der Kaiser noch wesentlich auf die Streitkräfte Unteritaliens angewiesen. Leider war kurz zuvor [606] Pandulf von Capua gestorben und die von ihm vereinigten Fürstenthümer waren unter seine Söhne vertheilt worden: der älteste Sohn, Landulf, war Herr in Capua und Benevent, der zweite, Pandulf, in Salerno geworden; Beide mußten jedoch nach ihrer ganzen Stellung fest zum Kaiser stehen. Im September eröffnete dieser den Feldzug und drang in Apulien ein; er nahm Lucera und Ascoli, mußte aber schon im October das griechische Gebiet wieder verlassen. Denn inzwischen hatte eine Empörung in Salerno den neuen Herrscher beseitigt; mit Hilfe von Neapel und Amalfi hatten die Salernitaner den jungen Pandulf verjagt und den Herzog Manso von Amalfi auf ihren Fürstenstuhl erhoben. Der Kaiser hielt es für nöthig, persönlich hier einzuschreiten. Ueber Benevent rückte er gegen Salerno vor. Nachdem er sich Neapel unterworfen, belagerte er Salerno selbst, traf aber dann mit Manso ein Abkommen, wonach ihm die Herrschaft in Salerno verblieb, er sich jedoch zur Unterstützung des Kaisers verpflichten mußte. Auch in Benevent entstand gegen Pandulfs Bruder Landulf ein Aufstand; Landulf wurde verjagt und ein ihm verwandter Prätendent, Pandulf mit Namen, zum Fürsten von Benevent eingesetzt. Diesen suchte der Kaiser in gleicher Weise, wie Manso, für sich zu gewinnen und beließ ihm Benevent, so daß Landulf nur Capua behielt. Unzweifelhaft hatte es bei diesen Bewegungen in den longobardischen Fürstenthümern nicht an griechischem Einfluß gefehlt, hatte doch der Hof von Constantinopel, unfähig mit eigener Kraft dem Kaiser zu widerstehen, sich mit den Arabern gegen ihn verbündet und kein Geld gespart, um in Afrika und Sicilien Streitkräfte gegen ihn zu werben. Nachdem der Kaiser das Weihnachtsfest in Salerno gefeiert hatte und auch die erwartete Verstärkung seines Heeres eingetroffen war, rückte er im Januar 982 wieder in Apulien ein. Bari, die Hauptstadt des Landes, mußte sich ihm ergeben. In den letzten Tagen des Januar war er zu Matera und zog dann gegen Tarent, welches von einer griechischen Besatzung vertheidigt wurde, aber sich doch nur kurze Zeit halten konnte. Auch die meisten andern Städte Apuliens unterwarfen sich ihm; das Land war den Griechen so gut wie verloren. Otto feierte das Osterfest in Tarent und verweilte dort bis gegen Ende des Mai. Er bereitete Alles zum Kampfe gegen Abulkasem vor, der im Frühjahre wieder über die Meerenge kam und mit zahlreicheren Schaaren, als je zuvor, Calabrien plündernd durchschwärmte. Nachdem Otto Kundschaft eingezogen, ging er auf der alten Heeresstraße nahe der Meeresküste dem Feinde entgegen. Bei den Ruinen des alten Metapont überschritt man den Basiento und zog durch daß Gebiet von Salerno, welches die Araber noch nicht erreicht hatten. Erst an der Grenze Calabriens bei Rossano stieß man auf den Feind, der sich aber nach einem leichten Treffen südwärts zurückzog. Der Kaiser besetzte Rossano und ließ hier seine Gemahlin, welche bis dahin dem Heere gefolgt war, unter dem Schutze des Bischofs Dietrich von Metz zurück; er selbst folgte dem Feinde, der inzwischen unweit Cotrone an der Meeresküste bei einem Orte, Colonna genannt, Stellung genommen hatte und dem Kaiser den Weg versperrte. Es kam hier zu einem heißen Kampfe, in welchem von beiden Seiten mit religiöser Begeisterung gestritten wurde. Große Heeresmassen standen unfraglich gegen einander, obwohl sich deren Stärke auch nicht annähernd bestimmen läßt; auf Seiten der Araber fochten auch griechische Hülfsschaaren. Otto’s Krieger machten den ersten Angriff, begegneten aber hartnäckigem Widerstand. Endlich gewannen sie die Oberhand; Abulkasem selbst fiel im Kampfe, als Märtyrer des Glaubens gefeiert, mit ihm Viele der Seinen. Durch den Verlust des Führers entmuthigt, zogen sich die Araber zurück, und das kaiserliche Heer, welches sich schon des Sieges sicher hielt, folgte ohne feste Ordnung dem abziehenden Feinde. Aber dieser sammelte sich wieder in den nahen Bergen und wartete auf die Gelegenheit, den Kampf von neuem aufzunehmen. Als der Kaiser einen versprengten [607] Schwarm, der ihm am Meeresgestade zu Gesicht kam, angriff, stürmten plötzlich zahllose Schaaren aus den Bergen hervor und umringten sein ungeordnetes Heer von allen Seiten. Vollständige Verwirrung entstand unter Otto’s Kriegern; Viele, und unter ihnen nicht Wenige von fürstlichem Stande, sanken unter den Schwertern der Feinde. Andere eilten dem Meere zu und fanden den Tod in den Wellen. Andere geriethen in Gefangenschaft und wurden in der Folge als Sklaven nach Aegypten geschleppt. Der Sieg verwandelte sich in eine furchtbare Niederlage für den Kaiser, der selbst nur wie durch ein Wunder dem Verderben entging. Da er sich rings von Feinden umgeben sah, warf er sich auf einem Pferde in das Meer und suchte schwimmend ein Schiff zu erreichen, dessen er ansichtig wurde. Er fand dort Aufnahme, aber es war ein griechisches Schiff, und er stand in der Gefahr, nach Constantinopel geführt zu werden. Durch List gelang es die Schiffer zu bewegen, nach Rossano zu steuern; hier wußte der Kaiser Bischof Dietrich von seiner Anwesenheit zu unterrichten, und mit Hülfe des Bischofs entkam er den Griechen und eilte seiner Gemahlin entgegen. Schlimmer war das Loos vieler Anderer, die den Schwertern der Feinde entronnen waren. Durch Hunger und Sonnenbrand gingen sie elend zu Grunde oder verfielen in ein Siechthum, dem sie nach kurzer Zeit erlagen. Der Ort von Otto’s Niederlage ist etwas südlich von Colonna am Meeresgestade zu suchen, aber nicht näher zu bestimmen; auch der Tag läßt sich nicht näher feststellen, da die Quellen zwischen dem 13., 14. und 15. Juli schwanken. In Eile verließ der Kaiser, dessen ganze Streitmacht aufgerieben war, die Grenzen Calabriens. Am 27. Juli war er in Cassano auf Salernitaner Gebiet. Mehr als je mußte ihm daran liegen, die longobardischen Fürstenthümer in der Treue zu erhalten. Nachdem er sich der Dienstwilligkeit Salernos versichert hatte, ging er nach Capua, wo er längere Zeit verweilte. Landulf, der Fürst von Capua, war in der Schlacht gefallen und das erledigte Fürstenthum übergab der Kaiser dessen jüngerem noch im Knabenalter befindlichen Bruder Landenulf und dessen Mutter Aloara. Von Capua begab sich gegen Ende des Jahres 982 der Kaiser mit seiner Gemahlin nach Rom. Hier erhielt er die schmerzliche Nachricht von dem Tode seines Freundes Otto, der auf dem Wege nach der Heimat am 1. Nov. zu Lucca gestorben war. Der junge Herzog hinterließ keine Kinder und zwei Herzogthümer waren durch seinen Tod erledigt.
Die Niederlage des Kaisers hatte weithin das größte Aufsehen erregt und überall ließen sich die Wirkungen derselben verspüren. Vor Allem in Italien, wo sich bald alle Widersacher des Kaisers regten. Es war ein Glück für das Land, daß durch innere Wirren in Sicilien neue Angriffe der Araber auf Unteritalien hingehalten wurden und ihr Bund mit den Griechen sich sofort nach dem Abzuge des Kaisers löste. Doch waren Apulien und Calabrien bald wieder ganz in den Händen der Griechen, und die griechische Partei in den longobardischen Fürstenthümern gewann neues Leben. Auch im mittleren und oberen Italien trat es klar zu Tage, wie schwer das Ansehen des Kaisers gelitten hatte. Anders hatte das Mißgeschick desselben auf Deutschland gewirkt. Man empfand es hier als ein allgemeines Unglück, welches den Bestand des Reichs bedrohte; am tiefsten in Sachsen und Thüringen, wo die Fürsten zusammentraten und in einem Schreiben dem Kaiser versprachen, vor ihm zu erscheinen und ihm ihre Treue zu erweisen. Der Kaiser berief sie und alle deutschen Fürsten nach Verona, wo er im Juni 983 einen großen Reichstag abzuhalten und auf demselben wichtige Entscheidungen für Deutschland und Italien zu treffen gedachte. Es war eine überaus stattliche Versammlung deutscher und italienischer Großer, die dann in Verona tagte. Bald beabsichtigte der Kaiser den Kampf gegen die Griechen und Araber wieder aufzunehmen, aber im Hinblick auf die bestandenen Gefahren [608] hielt er für nothwendig, zuvor Anordnungen zu treffen, welche die Zukunft des Reichs sicher stellten. Deshalb ließ er seinen dreijährigen Sohn von den anwesenden Herren zum König wählen und bestimmte, daß das Knäblein demnächst von den Erzbischöfen von Mainz und Ravenna zu Aachen gekrönt werden sollte. Zur Statthalterin in der Lombardei ernannte der Kaiser seine Mutter, die in Pavia ihren Sitz nehmen sollte. Die beiden erledigten deutschen Herzogthümer wurden neu besetzt. Baiern erhielt jener Heinrich der Jüngere aus dem alten Herzogsgeschlecht, der früher mit Kärnthen belehnt gewesen, aber dieses Herzogthums wegen seines Aufstandes gegen den Kaiser entkleidet war. Schwaben kam an Konrad, einen Sproß jenes fränkischen Geschlechts, welches schon früher die herzogliche Fahne von Schwaben getragen hatte. Unablässig beschäftigten dabei den Kaiser die Rüstungen zu dem Heerzuge. Auf die deutschen Fürsten und Völker konnte er wenig rechnen, da die Grenzen des deutschen Reichs bereits im Norden und Osten bedroht waren, vornehmlich mußte er seine Streitkräfte aus Italien gewinnen. Es erging deshalb durch ganz Italien der Befehl, daß sich alle kriegsfähigen Leute zum Heere stellen sollten; man meinte, daß der Kaiser nicht nur die Halbinsel von ihren Feinden befreien, sondern auch die Araber in Sicilien angreifen wolle. Im Zusammenhange mit seinen Kriegsplänen stand es ohne Zweifel, daß ihn damals die Verhältnisse Venedigs lebhaft beschäftigten. In der Republik bekämpften sich seit längerer Zeit eine deutsche und eine griechische Partei; an der Spitze der ersteren stand damals das Geschlecht der Coloprini, während ihre Gegner von den Mauroceni geführt wurden. Die Mauroceni hatten augenblicklich das Uebergewicht; dennoch hatte der Kaiser auf dem Reichstage zu Verona den Venetianern auf ihre Bitte die ausgedehntesten Handelsvortheile in allen seinen Staaten gewährt, wogegen er sich nur eine gewisse Anerkennung seiner Oberhoheit bedang. Aber kaum war dies geschehen, so erschienen die Coloprini, von ihren Gegnern schwer bedroht, schutzflehend vor dem Kaiser und versprachen ihm, wenn er sie unterstützen wollte, Venedig zu überliefern. O. ging auf ihre Anerbietungen ein, gewährte ihnen die Mittel, um die Zugänge zu der Stadt von der Landseite abzusperren und erließ ein Edict, welches den Venetianern den Aufenthalt in allen seinen Ländern verbot. Der Kaiser, der sich in der Mitte des Juli zu Ravenna aufhielt, betheiligte sich nicht unmittelbar an der gegen die Republik verhängten Absperrung, die schließlich erfolglos blieb, sondern zog an der Küste des adriatischen Meeres entlang bis an die apulischen Grenzen. Am 24. August war er an dem Flüßchen Trigno, am 27. August zu Larino am Biferno. Dennoch eröffnete er den Feldzug nicht, sei es, weil sein Heer noch unzureichend war oder weil die römischen Verhältnisse seine Anwesenheit forderten. Er begab sich nach Rom, welches er nicht mehr verlassen sollte. Papst Benedict VII. ging damals seinem Ende entgegen und starb im October. Der Kaiser beförderte darauf die Wahl des Bischofs Petrus von Pavia, eines ihm ganz ergebenen Mannes, der unter dem Namen Johann XIV. den Stuhl Petri bestieg.
Inzwischen hatten den Kaiser schlimme Nachrichten aus der deutschen Heimath erreicht. Die Dänen hatten sich gegen das ihnen aufgedrungene Christenthum und die deutsche Herrschaft erhoben; sie hatten die Feste am Grenzwall zerstört, und nur mit Mühe schützte Herzog Bernhard von Sachsen gegen sie die Mark Schleswig. Zugleich warfen die Wenden das Joch der Deutschen ab und kehrten großentheils auch offen zu ihrem alten Götzendienst zurück. Der Aufstand ging von den Liutizen an der Havel und untern Oder aus. Am 29. Juni 983 griffen sie Havelberg an, machten die sächsische Besatzung nieder und zerstörten die bischöfliche Kirche. Drei Tage später unterlag Brandenburg dem gleichen Schicksal. Bald erhoben sich auch die Abodriten unter ihrem Herzog Mistai, [609] um der sächsischen Herrschaft ein Ende zu machen. Das Kloster des h. Laurentius zu Kalbe an der Milde wurde von ihnen in Brand gesteckt, dann wandten sie sich gegen Hamburg, welches Herzog Bernhard, auf der Wacht gegen die Dänen stehend, nicht vor der Verwüstung schützen konnte. Und schon hatten die Wenden die Elbe überschritten; ein wendisches Heer von 30,000 Mann schweifte bis zur Tanger. Endlich stellte sich ein sächsisches Heer ihnen entgegen und brachte ihnen eine empfindliche Niederlage bei. Die Wenden zogen sich über die Elbe zurück, aber sie weiter zu verfolgen, schien doch den Sachsen zu großes Wagniß. Die Bisthümer Havelberg und Brandenburg, die Schöpfungen Otto’s des Großen, waren vernichtet, die Hälfte der Kirchenprovinz Magdeburgs ging verloren, und der größte Theil der sächsischen Nordmark blieb in den Händen der Wenden. Die Nachricht von diesen Ereignissen mußte die Seele des Kaisers um so schmerzlicher berühren, da man in ihnen eine göttliche Strafe für die unbesonnene Auflösung des von seinem Vater begründeten Bisthums Merseburg sehen wollte. In seiner engen Verbindung mit der Kirche und dem Clerus hatte der Kaiser von Anfang an eine starke Stütze seiner Gewalt gesehen, und nichts hatte man ihm mehr zum Ruhme angerechnet, als seine Freigebigkeit gegen die Bisthümer und Klöster und die Theilnahme, welche er allen kirchlichen Angelegenheiten zuwandte. Nicht allein, daß er zum Andenken an seine Vorfahren das Kloster Memleben errichtet und reichlich ausgestattet hatte, auch die Mission unter den Czechen hatte er befördert. Unter seinem Einfluß war das Bisthum Prag und ein Bisthum in Mähren entstanden; man mußte es auch ihm mit beimessen, wenn die Mission Fortschritte in Ungarn gemacht hatte, wie im scandinavischen Norden, wo zu seiner Zeit ein neues Bisthum zu Odense auf der Insel Fühnen begründet worden war. Nicht minder war ihm nachzurühmen, daß er deutsche Cleriker von hervorragender Begabung in wichtige Kirchenämter gebracht hatte. So hatte er seinen Kanzler Willigis, einen Mann von niederer Geburt, trotz hartnäckigen Widerspruchs zum Erzbischof von Mainz erhoben und damit an die Spitze des ganzen deutschen Clerus gestellt – eine Wahl, die nicht allein für die Kirche, sondern auch für das Reich von größtem Segen war. Um so mehr fiel es auf, daß O., als Adalbert, der erste Erzbischof von Magdeburg, am 20. Juni 981 starb, den Bitten des ehrgeizigen und ränkevollen Bischofs Gisiler von Merseburg nachgab und ihm das erledigte Erzbisthum versprach. Um den Uebertritt Gisilers zu einem andern Bisthum zu ermöglichen, schien die Auflösung des Bisthums Merseburg nothwendig, und wirklich wurde diese auf einer römischen Synode unter dem Einflusse des Kaisers beschlossen. In der schmählichsten Weise wurde dann das Bisthum, welches der große Otto zum Andenken an seinen Sieg über die Ungarn gestiftet und mit besonderer Sorgfalt gepflegt hatte, auseinander gerissen und an die benachbarten Sprengel vertheilt. Scharfer Tadel traf den Kaiser wegen der Mißachtung der väterlichen Stiftung und man meinte, daß der Zorn des heiligen Laurentius, des Schutzpatrones Merseburgs, alles Unglück der letzten Zeit über ihn gebracht habe. Den harten Schicksalsschlägen war schon die Kraft des jungen Kaisers nicht mehr gewachsen. Er verfiel in eine Krankheit, die zuerst wenig bedenklich schien. Um sich aufzuraffen, nahm er Arznei im Uebermaß, aber das Uebel steigerte sich statt zu weichen. Ein großer Blutverlust trat ein, dann heftiges Fieber und nach wenigen Tagen schwand alle Hoffnung auf die Erhaltung seines Lebens. Er selbst sah sein Ende nahe und traf seine letzten Verfügungen. Seine ganze Baarschaft theilte er in vier Theile; den ersten derselben vermachte er der Peterskirche in Rom, den zweiten seiner Mutter und seiner Schwester Mathilde, den dritten seinen Kriegern, welche ihm in die Ferne gefolgt waren, den vierten den Armen. Dann empfing er, nachdem er mit lauter Stimme in lateinischer Sprache sein Glaubensbekenntniß [610] abgelegt und seine Sünden gebeichtet hatte, die letzten Tröstungen der Kirche. Am 7. December starb er zu Rom im Palast bei der Peterskirche, wenig über 28 Jahre alt. In der langen Reihe der deutschen Könige, welche die römische Kaiserkrone getragen haben, ist er der einzige, welcher in Rom sein Ende und sein Grab gefunden hat. Bestattet wurde er in der Vorhalle der Peterskirche; man legte die Leiche in einen antiken Marmorsarg, den man mit einer Porphyrwanne bedeckte; über dem Grabmal wurde ein Mosaikbild, den segnenden Heiland inmitten der Apostel Petrus und Paulus darstellend, angebracht. Beim Neubau der Peterskirche wurde das Grabmal entfernt und seine Stücke zerstreut. Die Asche des Kaisers ruht jetzt in den sogenannten Vaticanischen Grotten, wo auch das Mosaikbild aufbewahrt ist. Der Marmorsarg wird als Wasserbehälter im Palast auf dem Quirinal benützt. Die Porphyrdecke steht in einer Seitencapelle der Peterskirche und dient als Taufbecken.
Der Tod des jungen Kaisers war ein noch viel schwereres Unglück für das Reich, als die Niederlage in Calabrien; nicht deshalb, weil der neue Kriegszug gegen die Araber und Griechen unterblieb und damit die Hoffnung schwand, ganz Italien der deutschen Herrschaft zu unterwerfen, sondern weil sich überall gegen dieselbe jetzt die äußern Feinde regten und in Deutschland selbst ein gefährlicher innerer Krieg entbrannte. Kurz nachdem am Weihnachtsfeste der kleine Knabe des Kaisers von den Erzbischöfen von Mainz und Ravenna gekrönt war, noch inmitten der Krönungsfeste lief in Aachen die Nachricht vom Tode des Vaters ein und erregte die tiefste Niedergeschlagenheit. Man fühlte, was das Reich an dem hochgesinnten und thatkräftigen Herrscher hatte und wie es zweifelhaft war, ob der soeben gekrönte Sohn je in die Herrschaft seines Vaters werde eintreten können. Wenn es dennoch geschah, war es zwei muthigen Frauen, der Mutter und Großmutter des Knaben, und dem trefflichen Willigis von Mainz zu danken. Die Griechin Theophano hatte dem Kaiser außer dem einzigen Sohne drei Töchter geboren: Adelheid, Sophie und Mathilde. Adelheid und Sophie nahmen später den Nonnenschleier; Adelheid wurde Aebtissin des Klosters Quedlinburg, Sophie des Klosters Gandersheim. Mathilde vermählte sich, das Klosterleben verschmähend, mit Ezzo, dem Sohne des Pfalzgrafen Herrmann von Lothringen, und ihre Ehe war mit vielen Kindern gesegnet.
- Die Quellen für die Geschichte Otto’s II. sind dürftig. Wir besitzen nur eine zusammenhängende Darstellung seiner Regierung in dem dritten Buche der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg, und diese ist höchst mangelhaft. Sonst ist man auf die abgerissenen Notizen verwiesen, die sich zerstreut in gleichzeitigen oder der Zeit Otto’s nahestehenden Annalen und Chroniken finden. Je unzureichender dieses Material ist, desto wichtiger werden die aus der Kanzlei des Kaisers stammenden Urkunden, die in verhältnißmäßig großer Zahl vorhanden sind, aber leider durch ihre verworrenen Zeitangaben manche Schwierigkeiten bei ihrer Benutzung bereiten. Eine Geschichte des Kaisers geben Ranke’s Jahrbücher des deutschen Reichs unter dem sächsischen Hause Bd. II. Abth. 1. Manche Irrthümer in der daselbst gebotenen Darstellung sind in der Geschichte der deutschen Kaiserzeit Bd. I. S. 569 ff. berichtigt. Man vergleiche auch L. v. Ranke, Weltgeschichte VII, S. 9 ff. Einzelne Partien der Geschichte Otto’s II. sind besonders behandelt von H. Detmar, Otto II. bis zum Tode seines Vaters (Leipzig 1878), von J. Moltmann, Theophano, die Gemahlin Otto’s II. in ihrer Bedeutung für die Politik Otto’s I. und Otto’s II. (Schwerin 1878) und von A. Matthäi, Die Händel Otto’s II. mit Lothar von Frankreich (Halle 1882). Ueber die Urkunden hat zuletzt sehr eingehend gehandelt Th. von Sickel in seinen Erläuterungen zu den Diplomen Otto’s II. [611] (Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband II. S. 77 ff. 1886) und in seinem Vortrage: L’Itinerario di Ottone II. nell’anno 982 (Archivo della R. Società Romana di Storia patria Vol. IX. p. 294 etc. 1886).