ADB:Brun (Erzbischof von Köln)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Brun, Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen“ von Wilhelm von Giesebrecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 424–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brun_(Erzbischof_von_K%C3%B6ln)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 3 (1876), S. 424–429 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Brun (Köln) in der Wikipedia
Brun in Wikidata
GND-Nummer 118674730
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|424|429|Brun, Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen|Wilhelm von Giesebrecht|ADB:Brun (Erzbischof von Köln)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118674730}}    

Brun: Bruno I., Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen, geb. 925, † 11. Oct. 965 zu Reims, – Brun – diese Form des Namens hat er selbst meist gebraucht – war der dritte und jüngste Sohn König Heinrichs I. Wenn seine beiden älteren Brüder, Otto und Heinrich, mehr an den kriegerischen und ritterlichen Vater erinnerten, so glich B. mehr seiner vortrefflichen Mutter, Mathilde, deren frommer und friedfertiger Sinn, deren Geschäftigkeit und Liebe zu geistiger Beschäftigung auf ihn übergingen. Die ganze Anlage des Knaben schien ihn für den geistlichen Stand zu bestimmen, und schon in einem Alter von etwa vier Jahren wurde er von den Eltern nach Lothringen gesendet, um zu Utrecht unter der Obhut des jungen Bischofs Balderich die erste Unterweisung für diesen Stand zu erhalten. Balderich war ein Verwandter Herzog Gisilberts, dem König Heinrich eben damals seine Tochter, Gerberga, vermählt hatte, und die Vermuthung liegt nahe, daß durch den Aufenthalt der königlichen Kinder in dem eben erst gewonnenen Lande dasselbe fester an das Reich gekettet werden sollte. Ueberdies empfahl sich Lothringen besonders für die Ausbildung des königlichen Knaben, da sich hier am meisten von der Gelehrsamkeit der karolingischen Zeit in den Schulen erhalten hatte. B. hatte der Utrechter Schule viel zu danken, und er seinerseits machte ihr die größte Ehre. Der ausgezeichnet begabte Knabe gab sich mit rastlosem Eifer den Studien hin und überflügelte bald alle seine Altersgenossen. In Lothringen und in den nächsten Beziehungen zu den lothringischen Großen ist das Sachsenkind herangewachsen, und dies wurde für sein späteres Leben von großer Bedeutung.

Nicht lange, nachdem Otto I. seinem Vater im Regimente gefolgt war, brachen zwischen ihm und seinem Schwager Gisilbert die schlimmsten Zerwürfnisse aus, und in diesen liegt auch ohne Zweifel der Grund, daß der etwa vierzehnjährige B. Lothringen verließ und sich an den Hof seines Bruders begab. So jung er war, erweckte er doch bereits durch seine Kenntnisse, seinen Ernst, seine Umsicht die größten Hoffnungen, und der König nahm bald keinen Anstand, ihm das wichtige Amt eines Reichskanzlers zu übertragen. Am 20. Sept. 940 ist die erste uns erhaltene königliche Urkunde von B. ausgestellt, und in den nächsten 13 Jahren sind fast alle Erlasse der Reichskanzlei von ihm ausgefertigt worden; in den letzten Jahren (seit 951) verband er mit dem Kanzleramte auch das eines Erzcapellans, wodurch er an die Spitze der ganzen Hofgeistlichkeit trat. Es war ein namhaftes Verdienst Bruns, daß die sehr in Unordnung gerathene Reichskanzlei wieder festere Formen gewann; es war kein geringeres, daß er seine Stellung benutzte, um auf die wissenschaftliche Bildung der jungen Kleriker, die am Hofe lebten, fördernd einzuwirken. Der Königssohn verschmähte es selbst nicht, ihnen Unterricht zu ertheilen, und viele der ausgezeichnetsten und gelehrtesten Bischöfe der späteren Zeit werden ausdrücklich als Bruns Schüler bezeichnet. [425] Während er aber lehrend Andern zur Seite stand, suchte er selbst unablässig sich fortzubilden. So sehr ihn die Geschäfte der Kanzlei in Anspruch nahmen, behielt er doch für seine Bücher stets Zeit, und auf den unausgesetzten Reisen, auf denen er dem Hofe folgen mußte, führte er immer seine Bibliothek mit sich. Vor allem benutzte er das Zusammentreffen mit ausgezeichneten Fremden am Hofe, um seine Kenntnisse zu bereichern. Mit den griechischen Gesandten, die in dieser Zeit nach Deutschland kamen, ließ er sich in gelehrte Erörterungen ein. Besonders rühmte er den Gewinn, den er aus der Unterweisung eines irischen Bischofs, Israel mit Namen, gezogen habe; er scheint in seiner theologischen Auffassung und auch in der ascetischen Lebensrichtung, der er sich mehr und mehr hingab, durch diesen Bischof vorzugsweise bestimmt zu sein. Noch in spätern Jahren wußte er den Umgang des gelehrten Rather, der sich nach der Vertreibung aus seinem Bisthum Verona nach Deutschland flüchtete, für seine Studien zu nützen. So begreift sich, wie B. eine für jene Zeit ganz ungewöhnliche Gelehrsamkeit gewann. Die Zeitgenossen in Deutschland hielten den jungen Bruder des Königs für den ersten Meister in den freien Wissenschaften, und man pries ihn, da er, nachdem man lange nur die Trivialstudien getrieben hatte, nun auch die höheren Disciplinen angriff, als den Wiedererwecker der vergessenen sieben liberalen Künste. Der König erkannte die Verdienste seines Bruders an, indem er ihm mehrere Reichsabteien übergab, namentlich das reiche Kloster Lorsch. Solche Verleihungen benutzte B. nicht, wie es sonst Sitte war, um sich zu bereichern, sondern um die Strenge der alten Klosterregel herzustellen; die ascetischen Forderungen, die er an sich selbst stellte, brachte er auch gegen Andere zur Geltung, die sich das geistliche Leben erwählt hatten.

Als Otto I. im Jahre 951 zum erstenmale über die Alpen zog, war B. als Erzcapellan an seiner Seite; er blieb es auch in den trüben Zeiten, die bald auf die Rückkehr des Königs folgten. Jener Zug und die zweite Vermählung Otto’s führten bekanntlich zu den schlimmsten Zerwürfnissen in der königlichen Familie, aus denen sich ein innerer, die ganze Zukunft des Reiches bedrohender Krieg entspann. Herzog Liudolf von Schwaben und Herzog Konrad von Lothringen, der Sohn und Schwiegersohn Otto’s, erhoben die Waffen gegen den König und seinen Bruder Heinrich I. Die Söhne König Otto’s griffen die Söhne König Heinrichs an, und auch B., so gern er den verderblichen Zwist beigelegt hätte, trat entschieden, als Partei ergriffen werden mußte, auf die Seite seiner Brüder. Im Juli 953 lag er mit den Brüdern vor Mainz, welches Liudolf und Konrad vertheidigten. Die Belagerung zog sich in die Länge und während derselben gewann Bruns Leben eine neue, unerwartete Wendung, welche ihn nach Lothringen zurückführte. Am 9. Juli starb der Erzbischof Wikfried von Köln, und mit großer Einhelligkeit wählte man zu seinem Nachfolger den jungen B., welcher den lothringischen Verhältnissen wol niemals fremd geworden war und besonders dazu beigetragen zu haben scheint, daß bei dem Aufstande Konrads die Verwandtschaft des alten Herzogsgeschlechts, namentlich Graf Ragenar vom Hennegau, der Bruder Herzog Gisilberts, sich für den König erklärt hatte. Otto konnte nichts erwünschter sein, als daß er in seiner gefahrvollen Lage seinem Bruder eine der gewichtigsten Stellungen in Lothringen zuweisen konnte. Unverzüglich bestätigte er die Wahl, und B. eilte nach Köln, um von seinem Erzbisthum Besitz zu ergreifen, kehrte aber dann sogleich in das Lager vor Mainz zurück. Vergebens waren Verhandlungen, zu welchen sich der König mit seinen Söhnen herbeiließ, vergebens auch die Bemühungen Bruns, seinen bethörten Neffen Liudolf auf den Weg der Pflicht zurückzubringen; der unglückliche Kampf, in dem bald auch B. eine sehr bemerkenswerthe Rolle zu spielen hatte, nahm seinen Fortgang. Obwol Liudolf und Konrad alsbald Mainz erließen, [426] um dem Aufstand in Baiern und Lothringen neue Nahrung zu geben, vertheidigte sich die Stadt tapfer, und Otto sah sich im September genöthigt, die Belagerung aufzuheben, um Liudolf in Baiern entgegenzutreten. Zugleich aber mußte Konrad in Lothringen bekämpft werden, und diesen Kampf glaubte der König nur der erprobten Treue seines Bruders B. übertragen zu können. Deshalb verlieh er ihm zu dem Erzbisthum Köln das Herzogthum Lothringen. Es war bisher unerhört, daß die herzogliche Gewalt in die Hand eines geistlichen Fürsten gelegt wurde, und B. selbst hegte Bedenken, ob eine Hand Krummstab und Herzogsfahne führen dürfe. Aber der König beschwichtigte die Bedenken des Bruders; es sei eine Zeit, meinte er, wo der Klerus sich offen für das Reich erklären müsse und selbst den Kampf für dasselbe nicht scheuen dürfe. Indem er so zwei der höchsten Reichsämter schnell nach einander auf die Schultern seines jungen Bruders legte – B. war 28 Jahre alt – muthete er ihm die gewaltigste Kraftanstrengung zu. B. fügte sich dem Willen seines Bruders und Königs. Er eilte nach Aachen, wo er am 21. Sept. als Herzog einen großen Landtag hielt, die lothringischen Großen in der Treue gegen den König befestigte und ihnen zu jeder Zeit hülfreich beizustehen gelobte, selbst mit Gefahr seines Lebens. Unmittelbar darauf ging er nach Köln, wo er am 25. Sept. zum Erzbischof geweiht wurde.

Zunächst hatte B. seine herzoglichen Pflichten zu erfüllen und das Land gegen Konrad zu schützen. Seine kräftigste Stütze fand er dabei in einem jungen Grafen Gottfried, dessen er sich in der Verwaltung des Herzogthums als Gehülfen bediente und der später auch den herzoglichen Namen führte; es unterstützte ihn überdies in Niederlothringen Graf Ragenar, obschon nicht ohne selbstsüchtige Absichten, in Oberlothringen besonders der Bischof Adalbero von Metz und dessen Bruder Graf Friedrich. Diesen Brüdern galt jetzt zunächst Konrads Angriff. Er nahm Metz und plünderte die Stadt, mußte sie jedoch bald wieder verlassen. Den Winter von 953 auf 954 hielt sich Konrad in Lothringen, ohne jedoch jemals das Uebergewicht im Lande gewinnen zu können. B. hielt die Königlichen aufrecht und behauptete besonders die niederrheinischen Gegenden. Nach Ostern 954 ergossen sich zahlreiche Ungarnschwärme über Lothringen, und Konrad entblödete sich nicht, sie gegen die Besitzungen seiner Gegner, namentlich des Erzbischofs und des Grafen Ragenar, zu leiten. Bruns Lage wurde sehr bedenklich. Aber zum Glück räumten die Ungarn alsbald Lothringen, und Konrad selbst gab, durch die großen Erfolge der königlichen Partei in Schwaben und Baiern entmuthigt, den Kampf auf. Als die Königlichen unter Bruns Führung ihm bei Remeling im Blesgau schlachtgerüstet gegenüberstanden, wich er einer Waffenentscheidung aus und unterwarf sich wenig später dem Könige (Juni 954). Auch Liudolf mußte nach kurzer Zeit die Gnade des Vaters nachsuchen. Seitdem war Lothringen wieder dem König gesichert, aber viel fehlte daran, daß die unruhigen Lothringer sich sogleich dem Sachsen, der eine so ungewöhnliche Macht in ihrem Lande übte, willig gefügt hätten. Es war dies um so weniger zu erwarten, als B. mit ungewohnter Strenge waltete. So herablassend er gegen demüthige und friedfertige Leute war, so heftig trat er jedem ungerechtfertigten Anspruch und allem hochfahrenden Wesen entgegen. Man fürchtete ihn im Lande, und man mußte ihn erst näher kennen lernen, ehe sich die Furcht in Liebe verwandelte. Es gab eine starke königliche Partei im Lande, aber es fehlte auch nicht an mächtigen Widersachern derselben; Unfriede war vieler Orten. Deshalb ließ sich Otto im Anfange des J. 956 in Ingelheim von den unruhigen Großen Lothringens Geiseln stellen; deshalb kam er wenig später selbst nach Köln und hielt hier einen großen Landtag. Dennoch sah man schon im folgenden Jahre den Frieden aufs neue gebrochen, und zwar gerade [427] durch jenen Grafen Ragenar, der bisher B. besonders unterstützt hatte; Ragenar fiel endlich in Bruns Hände und wurde darauf nach Böhmen verbannt, wo er sein Leben beschloß. Dann erhoben sich im Jahre 959 noch einmal eine größere Zahl lothringischer Großen gegen B., als er mehrere ohne des Königs Erlaubniß angelegte Burgen niederreißen ließ; man maß ihm zugleich bei, daß er dem Lande schwere Lasten auflegen wolle. Dieser Aufstand gab die Veranlassung, daß B. den Grafen Friedrich zu seinem Stellvertreter mit dem herzoglichen Titel im oberen Lothringen einsetzte. Erst allmählich wurden die Aufständigen zum Gehorsam zurückgebracht. Noch in der zweiten Hälfte des J. 960 wurden Namur und Chievremont gegen B. vertheidigt. Aber bald darauf war aller Widerstand gebrochen, und es trat ein Friedenszustand im Lande ein, wie man ihn lange nicht gekannt hatte; zugleich zogen sich die Verbindungen Lothringens mit dem deutschen Reiche fester und fester.

Nicht minder, als die inneren Kämpfe Lothringens, beschäftigten B. die unausgesetzten Streitigkeiten und Fehden der französischen Großen. Nur durch den Einfluß König Otto’s hatte sich König Ludwig IV., der sich mit Gerberga, der Wittwe Gisilberts, vermählt hatte, gegen die immer wachsende Macht seines Schwagers Hugo von Franzien behauptet; die Rivalität beider Fürsten ließ das Land nie zur Ruhe kommen, und sie berührte B. um so tiefer, als diese inneren Kämpfe stets auch auf Lothringen zurückwirkten und überdies in dieselben die Schicksale seiner beiden Schwestern verwickelt waren. Im J. 954 starb König Ludwig, und vor allem B. bewirkte, daß Hugo darin willigte, daß Lothar, Gerberga’s älterer Sohn, den Thron bestieg, während seine eigene Macht durch Burgund und Aquitanien vergrößert werden sollte. Zwei Jahre später starb auch Hugo, ehe er noch Aquitanien gewonnen hatte, und bald genug geriethen seine Söhne und ihre Mutter Hedwig mit Lothar und Gerberga in Streit. Es handelte sich besonders um Burgund, und hier erschien im J. 958 B. mit einem lothringischen Heere, um seine Schwestern und Neffen zum Frieden zu nöthigen. Der Friede hatte keinen Bestand. Schon im Anfange des nächsten Jahres kam B. wieder nach Frankreich und bewog den König und die Söhne Hugo’s, einen Waffenstillstand zu schließen, den er sich durch Geiseln verbürgen ließ. Aber nur wenige Wochen später stellte sich der junge König mit seiner Mutter in Köln ein und nahm, indem er allen seinen Ansprüchen auf Lothringen entsagte, von neuem den Beistand seines Oheims gegen die Rebellen in Frankreich in Anspruch. Abermals zog darauf B. im Herbst mit einem Heere nach Burgund. In einem sich durch den ganzen Winter hinziehenden Feldzug nöthigte er den aufständigen Grafen Rotbert, sich dem König zu unterwerfen und brachte endlich auch eine Ausgleichung zwischen seinen Neffen zu Stande, bei welcher der König Hugo Capet Franzien und Poitou, dessen Bruder Otto Burgund zugestehen mußte. Die Eifersucht zwischen dem französischen Königshause und der Nachkommenschaft Hugo’s des Großen dauerte freilich auch in der Folge fort; sie hat noch Bruns letzte Lebenstage verbittert.

Wie sehr B. auch mit den ihm besonders aufgetragenen Angelegenheiten des Westens beschäftigt war, behielt er doch stets einen sehr großen Einfluß auch auf die allgemeinen Reichsgeschäfte. Der innere Krieg hatte Otto’s Reich so tief zerrüttet, daß eine neue Ordnung aller Verhältnisse nöthig wurde. Bei dieser war es das Hauptaugenmerk des Königs, die Reichsgewalt durch die engste Verbindung mit der Kirche zu stärken, die Reichsbischöfe auf das festeste an die Krone zu fesseln. Alles kam jetzt darauf an, tüchtige und dem Könige unbedingt ergebene Männer auf die deutschen Bischofsstühle zu bringen, und Otto ließ sich hierbei ganz von dem Rathe seines Bruders leiten. Kein Anderer hat auch nur von fern in dieser Zeit auf Otto einen ähnlichen Einfluß ausgeübt, [428] wie B., dessen Stellung von den Zeitgenossen fast wie eine Mitregentschaft angesehen wurde. B. war es auch, der dem unglücklichen Liudolf das Herz des Vaters wiederzugewinnen wußte und der Sorge trug, dem Königssohne eine neue ehrenvolle Lebensstellung zu eröffnen. Liudolf wurde 956 mit einem Heere über die Alpen gesendet, um sich dort ein Königreich zu gewinnen; das Unternehmen wurde durch den frühen Tod Liudolf’s vereitelt. Als ein Jahr später Otto zum zweitenmale selbst über die Alpen zog, um Italien und die Kaiserkrone zu gewinnen, vertraute er die Obhut über seinen siebenjährigen Sohn, der bereits zu seinem Nachfolger gewählt und gekrönt war, seinem Bruder B. und dem Erzbischof Wilhelm von Mainz, denen damit zugleich die Verwaltung der Reichsgeschäfte in Deutschland übertragen wurde. Zum größten Theil war es gewiß Bruns Verdienst, wenn während der fast einjährigen Abwesenheit Otto’s die Ruhe in den deutschen Landen aufrecht erhalten wurde.

Ununterbrochen war B. mit politischen, häufig selbst mit kriegerischen Angelegenheiten beschäftigt, aber er behielt nichtsdestoweniger stets seine bischöflichen Pflichten besonders im Auge. Verfallene Kirchen stellte er her, ältere erweiterte und verschönerte er, manche ließ er von Grund aus neu erbauen. Kostbare Reliquien schaffte er, um das Ansehen dieser Kirchen zu steigern, aus weiter Ferne herbei. Er reformirte das kirchliche Leben, namentlich in den Klöstern und Propsteien; bei seiner Neigung zur Ascetik begünstigte er zugleich das Klausnerleben. Er war ein eifriger Prediger, der die Herzen der Gläubigen zu erfassen wußte; er liebte auch sich in theologische Disputationen zu vertiefen. Auch als Erzbischof lag er noch mit seinem früheren Fleiße den Studien ob und sah nicht gern Männer in seiner unmittelbaren Nähe, welche den Wissenschaften fern standen. Wenn die niederlothringischen Schulen in der nächsten Zeit zu einer besonderen Blüthe gediehen, so beruht dies zum großen Theil auf Nachwirkungen Bruns.

Die großen Erfolge Otto’s auf seinem zweiten Zuge nach Italien mußten B. mit Befriedigung erfüllen, dennoch ertrug er die lange Trennung von dem Bruder schwer und ersehnte sich Tag und Nacht dessen Rückkehr. Als diese endlich im Anfang des Jahres 965 erfolgte, zog er Otto bis Worms entgegen und feierte dann mit ihm das Osterfest in Ingelheim. Nach Pfingsten besuchte der neue Kaiser auch Köln und hier, im Palast Bruns, war es, wo Otto seine alte Mutter, seine Schwestern Gerberga und Hedwig und Gerberga’s Sohn König Lothar wiedersah. Eine ungemein glänzende Versammlung umgab die kaiserliche Familie; in derselben war auch Bischof Balderich, Bruns Lehrer. Otto und B. trennten sich alsbald, um sich niemals wiederzusehen. Im Spätsommer mußte B. wieder, um seine hadernden Neffen zu vergleichen, nach Compiegne ziehen; auf dem Rückwege verfiel er in eine bedenkliche Schwäche und unterbrach deshalb in Reims die Reise. Man fragte ihn nach der Krankheit; er antwortete: es sei keine Krankheit, sondern Auflösung des Leibes. Die gewaltigen Anstrengungen bei einem ascetischen Leben scheinen die Kräfte des vierzigjährigen Mannes schon völlig erschöpft zu haben. Er sah ruhig dem Tode entgegen, machte sein Testament, in dem er besonders die Kirchen Kölns reich bedachte, nahm das heilige Abendmahl und endete in der ersten Frühe des 11. Octbr. 965 unter den Sterbeliedern seiner Freunde. Die Leiche wurde nach Köln gebracht und nach seinem Willen in der von ihm gestifteten Pantaleonskirche außerhalb der Stadt beigesetzt. Bald wallfahrteten Viele zu seinem Grabe. Ein Mann, der diese ersten Wallfahrer sah, berichtet: „Sie rühmen wetteifernd, was B. gethan und gelehrt hat, wie er gelebt hat und wie er gestorben ist. Wunder verlangen sie nicht, denn sein Leben und seine Lehre ist ihnen vor Augen und im Sinne.“ B. ruhte in seinem Grabe nach dem arbeitsvollsten [429] Leben, und es ist schwer zu sagen, ob dieses Leben dem deutschen Reiche oder der deutschen Kirche größeren Gewinn gebracht hat. Zu dem mächtigen Aufschwung der deutschen Nation im 10. Jahrhundert hat nächst seinem großen Bruder B. das Meiste beigetragen. Es ist mit Recht gesagt worden: „Vielen hat die Geschichte eine glänzendere, wenigen aber eine gesegnetere Wirksamkeit beschieden, als Brun.“ Rom hat den Bruder Otto’s des Großen nicht unter die Heiligen der Kirche aufgenommen, aber Köln hat ihm einen Localcultus gewidmet.

Die Hauptquelle für Bruns Leben ist die Biographie, welche wenige Jahre nach seinem Tode sein Nachfolger Folkmar von dem kölnischen Cleriker Ruotger abfassen ließ. Sie beruht auf genauer Kenntniß Bruns und stellt in warmer und anschaulicher Weise seine Lebensschicksale dar. Die interessante kleine Schrift ist von Pertz im vierten Bande der Monumenta Germaniae herausgegeben. Dort findet sich noch eine zweite Biographie aus dem 13. Jahrhundert, die aber ohne allen Werth ist. Von neueren Arbeiten ist zu nennen: Pieler, Bruno I., Erzbischof von Köln (Arnsberg 1851, Gymnasialprogramm) und die übersichtliche Darstellung E. Dümmler’s bei Piper, Zeugen der Wahrheit (Leipzig 1874), Bd. II, S. 636 ff. Werthvolle kritische Beiträge zur Biographie Bruns gaben A. Vogel, Ratherius von Verona (Jena 1854), E. Meyer in seiner Dissertation: De Brunone I. (Berlin 1870) und J. Ph. Peiffer, Historisch-kritische Beiträge zur Geschichte Bruns I. (Köln 1870). Auch die Erörterungen, welche C. Byeus dem Abdrucke der Vita Brunonis in den Acta Sanctorum Boll. mens. Octobr. T. V. p. 693–764 im Jahre 1786 vorausschickte, sind noch jetzt zu beachten.