ADB:Heinrich II. (Herzog von Bayern)
Herzog Heinrich I. (955), erst vier Jahre zählte, übernahm seine Mutter, die Liutpoldingerin Judith, eine durch Geist und Schönheit gleich ausgezeichnete Frau, Vormundschaft und Regierung. Noch lebte Heinrichs Großmutter, die Königin Mathilde; bei ihr, die den schönen und begabten Sprößling ihres Lieblingssohnes vor den anderen Enkeln bevorzugte, scheint der Knabe oft in Sachsen geweilt zu haben. In früher Jugend vermählte sich H. mit Gisela, Tochter des Königs Konrad von Burgund, Nichte der Kaiserin Adelheid. Adelheids Sohn, Otto II., bewies dem um weniges älteren Vetter gleich in den ersten Wochen, nachdem er die selbständige Regierung des Reiches übernommen, Gunst durch die Schenkung von Bamberg und Aurach. Aber er war nicht gewillt, die liutpoldingische Sippe in ihrem Streben nach Ausdehnung der Herrschaft über ganz Oberdeutschland gewähren zu lassen. Eben hatte dieselbe durch eine List das Bisthum Augsburg einem Neffen der Judith in die Hände gespielt. Auf das Herzogthum Schwaben machte sich wol Heinrichs Schwester, Hedwig, als Wittwe des Herzogs Burkhard, Hoffnung. Der Kaiser durchkreuzte sie, indem er Schwaben seinem Vetter Otto verlieh, dem Sohne Herzog Liudolfs, des erbittertsten Gegners Heinrichs I. Unverhüllt trat der Zwiespalt zwischen den Vettern zu Tage, als des Grafen Berthold vom Nordgau unbotmäßiges Gebahren gegen seinen Lehnsherrn, den Herzog H., beim Kaiser einen Rückhalt fand. Dadurch schwergereizt, verschwor sich H. 974 mit Herzog Boleslav von Böhmen und dessen Schwager Mesco von Polen zur Entthronung Otto’s; von den Großen seines Herzogthums gewann er Bischof Abraham von Freising für den Plan. Auch Berthold vom Nordgau aber erfuhr davon und säumte nicht, die drohende Gefahr dem Kaiser zu enthüllen. Eine Fürstenversammlung, welche dieser berief, lud die Angeschuldigten unter Androhung des Bannes vor, ließ H. und Abraham verhaften und verbannte den Herzog nach Ingelheim. Bald aber fand derselbe Gelegenheit, von dort zu entfliehen und entfachte in Baiern einen wilden Bürgerkrieg, um sein Herzogthum wieder zu gewinnen. An der Donau und Isar wurden blutige Schlachten geschlagen. Im Juli 976 rückte der Kaiser selbst heran, brachte Regensburg in seine Gewalt und zwang H. zur Flucht nach Böhmen. Ein in Regensburg versammeltes Fürstengericht sprach dem Empörer Ende Juli 976 sein Herzogthum ab, der Regensburger Klerus verhängte überdies über H. und 28 Anhänger wegen ihres Angriffs auf die Regensburger Kirche, auf Kaiser und Reich die Excommunication. Liudolfs Sohn Otto erhielt nun zu seinem schwäbischen auch das baierische Herzogthum, das jedoch durch Trennung Kärntens und der Marken Friaul und Verona, durch Wiederaufrichtung der nordgauischen Markgrafschaft und andere Maßregeln erhebliche Einschränkungen erfuhr. Im Sommer 977 zog der Kaiser gegen Boleslav und H. nach Böhmen. Dem Flüchtlinge aber war es mittlerweile gelungen, in Heinrich von Kärnten und dem Augsburger Bischofe Heinrich Bundesgenossen im Rücken des Kaisers für sich zu gewinnen. An der Spitze eines böhmischen Heeres kehrte er nach Passau zurück, das der Kärntner Heinrich in seine Gewalt gebracht hatte. Die beiden Ottonen aber, Kaiser und Herzog, belagerten die Stadt, fanden unter den Bürgern eine ihnen ergebene Partei und zwangen mit deren Hülfe ihre Gegner nach tapferem Widerstande das Feld zu räumen. Die Empörer ergaben sich und wurden im März 978 von einem Fürstengerichte zu Magdeburg verurtheilt. Wiederum mußte H. in die Haft wandern, diesmal nach Utrecht, wo [458] er sechstehalb Jahr unter der Hut des Bischofs Folkmar verlebte. – Der Tod Otto’s II. (7. Dezbr. 983) brachte ihm die Freiheit und weckte neuerdings den unruhigen Ehrgeiz, der als Erbstück vom Vater seine Brust durchglühte. Als nächster Stammesvetter des jungen, eben gekrönten Otto’s III. trat er der Kaiserinwittwe Theophano mit Ansprüchen auf die Vormundschaft entgegen. Die weitverbreitete Abneigung gegen die Griechin kam ihm zu statten und zu Anfang des J. 984 übergab Erzbischof Warin von Köln den jungen König seiner Aufsicht und Pflege. Im Reiche waren für H. die Bischöfe von Köln, Trier, Metz und die sächsische Geistlichkeit, im Auslande der westfränkische Karolinger Lothar, der Häuptling der Abodriten und seine alten Verbündeten, die Herzöge von Böhmen und Polen. Als er sich aus Sachsen nach Baiern begab, fielen ihm auch dort alle Bischöfe zu, zumal sein alter Freund Abraham. Die weltlichen Großen des Landes aber waren getheilt und es kam zu heißen Kämpfen, die für H., wie es scheint, nicht glücklich endeten; denn nach kurzer Zeit mußte er Baiern räumen. Er begab sich nach Böhmen und gedachte mit Unterstützung Boleslavs in Sachsen einzudringen; dort aber hemmten überlegene Streitkräfte seine weiteren Schritte. Aus dieser Zeit rührte das spöttische Volkslied: „König sein wollt’ Herzog Heinrich, unser Herrgott wollt’ es nicht“. Auf einer Versammlung zu Rara, wahrscheinlich Kloster Rohr bei Meiningen, mußte H. den Knaben seiner Mutter und Großmutter ausliefern und dem königlichen Namen und den königlichen Ansprüchen entsagen. Der Vermittlung seines Schwiegervaters, des burgundischen Königs, hatte er es zu danken, daß ihm Aussicht auf den Wiedergewinn seines baierischen Herzogthums eröffnet ward. Zwar erwies sich eine Versammlung auf den Wiesen bei Bürstadt unweit Worms im October 984 weniger entgegenkommend, aber schon war H. in Baiern selbst, wie es scheint, nicht ohne Erfolg, Heinrich III. mit den Waffen entgegengetreten, und nachdem ein Graf Hermann als Vermittler gewirkt, erklärte sich Heinrich III. zum Verzichte bereit, wenn ihm Kärnten und die italienischen Marken belassen würden. Auf diese Bedingungen hin ist es auch zum Ausgleich gekommen; H. II. demüthigte sich zu Anfang des J. 985 zu Frankfurt vor der Kaiserin und dem jungen Könige und ward von neuem mit Baiern belehnt. – Durch die zehnjährige Regierung, die ihm nun noch gegönnt war, verwischte er das üble Andenken seiner Wühlereien. Man rühmte seine strenge Handhabung des Landfriedens, seine Förderung der Kirche, nannte ihn Friedensstifter, Vater des Landes. Den Beinamen der Zänker (rixosus), unter dem er bei Neueren zuweilen erscheint, hat erst Aventin ihm aufgebracht. Die Ranshofener Gesetze, von H. und seinem Landtage erlassen, wichtig für die Geschichte des Strafrechts und der herzoglichen Machtentwicklung, sind, wie nach langer Frist, die erste, so für lange die letzte, uns bekannte Thätigkeit baierischer Landesgesetzgebung. Auch dem durch die Ungarneinfälle und Herzog Arnulf’s Säcularisationen schwer geschädigten kirchlichen Leben des Landes hat vom Herzogsstuhle aus zuerst H. wieder Förderung gewährt. Er veranlaßte die Reformation der Klöster Ober- und Niedermünster, ließ seinen Sohn, den nachmaligen König Heinrich, durch den heiligen Wolfgang erziehen und seine Tochter Brigida in Wolfgangs Stiftung, dem Kloster St. Paul zu Regensburg, den Schleier nehmen. Ganz ohne Unruhen ist auch die letzte Periode seiner Regierung nicht verstrichen. 992 nahm H. an dem erfolglosen Reichskriege Theil, der den Liutitzen die Stadt Brandenburg entreißen sollte. Im eigenen Lande hatte er langwierigen Streit mit Bischof Gebhard von Regensburg, den erst in seinem Todesjahre ein Fürstengericht in Magdeburg zum Austrag brachte. Wie aber sein Vater nach den Empörungen der Jugend in reiferen Jahren als die zuverlässigste Stütze der Krone sich bewährte, so stand auch H. fortan treu zum jungen Kaiser. Seinem [459] Sohne, den er schon bei Lebzeiten zur Mitregierung hatte berufen dürfen, empfahl er noch auf dem Sterbebette Ergebenheit gegen das Reich. In Gandersheim, wo er bei einem Besuche der Aebtissin, seiner Schwester Gerberge, erkrankte, ist H. gestorben (28. August 995) und begraben.
Heinrich II., Herzog von Baiern. Da er beim Tode seines Vaters,- Riezler, Geschichte Baierns, I. 357–375, verzeichnet Quellen und Litteratur.