ADB:Arnulf (Herzog von Bayern)

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Artikel „Arnulf I., Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 605–607, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arnulf_(Herzog_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 12:08 Uhr UTC)
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Arnulf I., Herzog von Baiern (907–937), Sohn Luitpolds, Markgrafen der Ostmark. Da sein Vater, der mächtigste und angesehenste Mann in Baiern, der selbst zuweilen schon als Herzog bezeichnet wird, in der großen Ungarnschlacht 907 gefallen war und der schwache König Ludwig nicht die Macht besaß auf Baiern irgend welche Einwirkung auszuüben, erlangte A. wahrscheinlich durch Wahl der bairischen Großen, keinesfalls durch königliche Uebertragung die herzogliche [606] Würde. Ein rauher Kriegsmann, voll durchdringender Thatkraft war A. der Mann, wie ihn die Zeit brauchte. Nach der furchtbaren Niederlage von 907, die der Blüthe des bairischen Adels den Tod gebracht und den Verlust beider Pannonien und der Ostmark zur Folge gehabt hatte, stand das bis zur Enns reichende Hauptland Baiern, womit Kärnthen und ein Theil Ostfrankens vereinigt war, den Ungarn fast wehrlos offen. Dreimal, in den Jahren 909, 910 und 913, mußte Baiern die Ueberfluthung durch die schrecklichen magyarischen Horden dulden, aber jedes Mal gelang es A. im Rücken der Eindringlinge eine genügende Heeresmacht zu sammeln und sie auf ihrem Rückzuge mit gutem Erfolg zu überfallen. 913 brachte er ihnen am Inn mit Hülfe der Schwaben eine so blutige Niederlage bei, daß ihre Häuptlinge sich zu einem Friedensvertrage bequemten. Wahrscheinlich hat das in diesen Jahren durch kriegerische Noth hervorgerufene Bedürfniß einer Verstärkung der militärischen Mittel den Herzog zu dem bedeutungsvollen Schritt einer umfassenden Säcularisation von Klostergütern bestimmt. Dieselbe betraf und zwar in sehr empfindlicher Weise vornehmlich die Stifter Altaich, Benediktbeuern, Isen, Moosburg, Schäftlarn, Schliersee, Tegernsee, Wessobrunn, in deren Händen sich seit den zwei Jahrhunderten der Christianisirung schon ein ungeheurer Besitzstand angehäuft hatte. Von Seite der geistlichen Chronisten der folgenden Zeiten hat diese rücksichtslose Einziehung von Kirchengütern zu Gunsten der Staatsgewalt dem Herzog den Beinamen des Schlimmen eingetragen.

Dem deutschen Königthum stand A. mit seinen Baiern anfangs in trotziger Selbstgenügsamkeit gegenüber. Vergeblich bemühte sich König Konrad dem Zerfalle des Reiches in vier Stammesherzogthümer Einhalt zu thun. Seine Vermählung mit Arnulf’s Mutter Kunigunde hatte diesen nicht zur Unterwerfung bestimmen könne; einem kriegerischen Einfall in Baiern konnte dann zwar der Herzog anfangs nicht widerstehen; bei seinen alten Feinden, den Ungarn, suchte er Schutz; bald aber kehrte er nach Baiern zurück (916), bot in seiner stark befestigten Landeshauptstadt Regensburg dem König die Stirn und vereitelte alle Versuche desselben ihn aus seiner Stellung zu verdrängen. Auch der enge Anschluß der bairischen Geistlichkeit an König Konrad vermochte diesem nicht das Uebergewicht zu verschaffen; vergebens drohte das Concil zu Hohenaltheim (916) den Herzog, wenn er sich nicht unterwerfe, „mit Judas dem Verräther des Herrn, den Flammen des höllischen Feuers zu überliefern.“ Als Konrad starb, gedachte A. seine Unabhängigkeit in gleicher Weise gegen dessen Nachfolger Heinrich zu behaupten. Es war nicht nur der eigene stolze Sinn, der ihn zu solchem Widerstand gegen das deutsche Königthum ermunterte, sondern das zähe Selbstgefühl des ganzen Stammes, der unter den Agilulfingern lange Zeit ein gesondertes staatliches Dasein geführt und auch unter der Karolingischen Herrschaft festen Zusammenhalt bewahrt und ausgesprochene Bevorzugung genossen hatte. Was wollte, schrieb ein Baier von König Heinrich, was wollte dieser Sachse in unserm Lande, wo sein Vater niemals auch nur einen Fußbreit Bodens besessen hatte? Trotzdem gelang es König Heinrich bei einer Zusammenkunft vor den Mauern Regensburg (921) A. zur Anerkennung seiner Oberherrlichkeit zu bestimmen. Ob dabei Heinrichs überlegene Kriegsmacht oder sein geschicktes persönliches Auftreten oder ob eine bei A. erst jetzt erwachte Opferwilligkeit zu Gunsten deutscher Einigkeit die Entscheidung herbeigeführt hat, läßt sich nicht erkennen. Doch stand A. auch fortan fast völlig selbständig da, nannte sich „Herzog der Baiern von Gottes Gnaden“, ließ Münzen mit seinem Namen schlagen und schickte Grafen als Sendboten aus. Das wichtigste Recht der Besetzung der bairischen Bisthümer hatte ihm Heinrich ausdrücklich eingeräumt. A. scheint den Bischöfen einen Theil vom Gewinn der [607] Klostersäcularisationen überlassen zu haben und steht mit ihnen fortan auf dem besten Fuße.

928 leistete er dem König Heinrich Heeresfolge gegen die Böhmen, deren König Wenzel sich unterwarf. 937 aber zog er auf eigene Faust, von einigen italienischen Großen zu Hülfe gerufen, gegen Hugo von der Provence in die Lombardei, erntete jedoch statt der gehofften Königskrone nur Mißerfolge. Als nach Heinrichs Tode dessen Sohn Otto zum Könige gewählt worden, wartete A. bei der Krönung zu Aachen als Marschall des königlichen Gefolges. Am 14. Juli 937 starb er in seiner Burg zu Regensburg und wurde in der Emmeramskirche dortselbst begraben. Ueber seine Todesart wußten die mönchischen Chronisten bald Geschichten zu erzählen, welche die Gottlosigkeit seiner Handlungsweise zu beweisen bezweckten. A. hinterließ von zwei Gemahlinnen (Gerbirga, Tochter Rudolfs, Bruder des Königs Konrad, und Agnes, Tochter eines ungarischen Fürsten Torus) vier Söhne: Eberhard, der ihm im Herzogthum folgte, Arnulf, Hermann, Ludwig, und zwei Töchter: Judith und Adelheid. Die Abstammung der Grafen von Scheiern-Wittelsbach, der späteren Herzöge Baierns, von Arnulf, läßt sich nicht zu völliger Sicherheit erheben, beansprucht jedoch hohe Wahrscheinlichkeit.

Schottmüller, Entstehung des Stammesherzogthums Baiern. Büdinger, Oesterr. Gesch.