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Artikel „Liutpold, baierischer Markgraf“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 8–9, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Luitpold&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 16:18 Uhr UTC)
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Liutpold, baierischer Markgraf (gefallen am 5. Juli 907), der Stammvater des wittelsbachischen Hauses. Bei dem Versuche, den Stammbaum noch weiter hinaufzuführen, versagen die Quellen. Immerhin läßt sich manches dafür geltend machen, daß L. ein Abkömmling der Huosier war, der im baierischen Volksrechte an erster Stelle genannten Familie des alten heimischen Adels. Daß er in Kärnthen ausgedehntes Allodialgut besaß, spricht nicht dagegen; neben der Kirche waren die bedeutendsten altbaierischen Geschlechter die Großgrundbesitzer auf dem Colonialboden der Marken. Wenn Kaiser Arnulf und dessen Sohn Ludwig IV. L. ihren Verwandten nennen, dürfte als Vermittlerin dieses Bandes Arnulfs Mutter Liutswinde zu betrachten sein. Vermählt war L. mit der Schwäbin Kunigunde, Schwester der Grafen Erchanger und Berchtold, und wie diese seine Schwäger in Schwaben, so war er unter den baierischen Großen unbestritten der mächtigste und einflußreichste Mann. Thatsächlich nahm schon er in den letzten Zeiten Kaiser Arnulfs und unter Ludwig IV. die herzogliche Stellung ein, von der dann seinem Sohne Arnulf durch Wahl des Volkes auch die Attribute übertragen wurden. Nachdem zwei Markgrafenaufstände, Bewegungen, die unter den letzten Karolingern an der Tagesordnung waren, niedergeschlagen worden, überhäufte ihn das Vertrauen Kaiser Arnulfs, der ihn urkundlich „seinen geliebtesten Grafen“ nennt, ihm und seinen Vasallen auch wiederholt reiche Güterschenkungen zuwies, mit wichtigen Aemtern. Nach dem Untergange des Markgrafen Ruodpert (893) kam er, wie es scheint, an die Spitze der kärnthischen Mark, womit er vielleicht auch das durch Engelschalks Sturz erledigte Oberpannonien vereinigte. Dazu erhielt er 895 nach der Absetzung des Markgrafen Engildeo dessen sämmtliche Aemter: die Mark gegen Böhmen im baierischen Nordgau, die Grafschaften im Westermann-, Solanz- [9] und Donaugau, einige Jahre später vielleicht auch einen Theil der Ostmark. Als Markgraf lag ihm ob die Kriegführung gegen einen alten Feind der Baiern, die Mährer, fortzusetzen; mit dem Markgrafen Aribo von der Ostmark durchzog er 898 verwüstend das Gebiet des mährischen Fürsten Moimir. Zu Weihnachten dieses Jahres führte er dem Kaiser in Ranshofen einen Empörer, den Grafen Erambert vom Isengau, gefesselt vor. Aber schon drängte aus dem Osten ein neuer furchtbarer Gegner heran: im J. 900 überschritten die Ungarn zum ersten Male die Enns. Gleich bei ihrem ersten Einfall brachte ihnen L. eine empfindliche Schlappe bei; mit rasch gesammelten Streitkräften ereilten er und Bischof Richer von Passau die auf dem linken Donauufer eingebrochene ungarische Heeresabtheilung auf ihrem Rückzuge und schlugen sie mit geringem eigenem Verluste, während der Feind mehr als 1000 Todte auf dem Schlachtfelde und in den Wellen der Donau ließ. Zum Schutze der Grenze ward damals (aus Bausteinen des alten Lauriacum, wie man glaubt) die Ennsburg erbaut. Fortan wiederholten sich die Kämpfe mit den Ungarn, wie es scheint, Jahr für Jahr und es läßt sich kaum bezweifeln, daß die Baiern sie meist unter Liutpold’s Befehle durchfochten. 901 errangen sie in Kärnthen nochmals einen Sieg. Weit über die Grenze war Liutpold’s kriegerischer Ruhm verbreitet. Als einer der einflußreichsten Rathgeber der Krone behauptete er sich auch unter Arnulfs Sohne Ludwig, dessen unerfahrene Jugend den Stimmen der königlichen Vertrauten noch höheres Gewicht verlieh. 903 begegnet er auf dem Reichstage zu Forchheim, 905 in Regensburg in der Umgebung des Königs. Daß er mit Erzbischof Hatto den Babenberger Adalbert durch seine Bürgschaft zur Unterwerfung bestimmt, dann aber im Stiche gelassen habe, ist ein Vorwurf, dessen Berechtigung sich nicht ermitteln läßt. Im Verlaufe der Ungarnkämpfe aber brach nach einigen Jahren die entsetzliche Katastrophe herein, welche den Baiern die pannonische und die Ostmark kostete und sie für immer aus ihrer bevorzugten Stellung im Reiche verdrängte. Mit drei Bischöfen, fast allen Grafen und fast der ganzen Wehrkraft des Stammes fiel L. als der Heerführer am 5. Juli 907 irgendwo in Oesterreich oder im westlichen Ungarn in der Vernichtungsschlacht, deren Wirkungen auch darin zu Tage traten, daß in die Heimath nicht einmal eine genauere Kunde ihrer Oertlichkeit gelangte. Liutpold’s Wittwe Kunigunde reichte einige Jahre später zum Unterpfande des Friedens der Schwaben mit dem fränkischen Reiche dem Könige Konrad ihre Hand.

Besonders Dümmler’s Geschichte des ostfränkischen Reichs, 2. Bd., neben welchem v. Hormayr, Herzog Liutpold, meist veraltet erscheint. S. ferner Schottmüller, Entstehung des Stammesherzogthums Baiern; Riezler, Gesch. Baierns, 1. Bd.; Derselbe, Ueber den Zusammenhang zwischen Huosiern, Liutpoldingern und Scheiern-Wittelsbach in den Forschungen zur deutschen Geschichte, XVIII. 529.